JudikaturLG Klagenfurt

7Bl8/08g – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2008

Kopf

7 Bl 8/08g

Spruch

Das Landesgericht Klagenfurt hat durch den Richter Dr. Schofnegger als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Dr. Lutschounig und den Richter Dr. Pasterk in der Strafsache gegen ***** wegen des Vergehens pornographischer Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 3 und Abs 3 StGB über dessen Beschwerde gegen den Hausdurchsuchungsbefehl der Untersuchungsrichterin vom 16. November 2007, 8 Ur 250/07i-4, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Text

Der Beschwerde wird Folge gegeben und festgestellt, dass durch den angefochtenen Beschluss das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 139 Abs 1, 140 Abs 1 und 2 StPO aF verletzt wurde.

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss (Befehl) ordnete die Untersuchungsrichterin im Rahmen gerichtlicher Vorerhebungen die Durchsuchung der Wohnung und der sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten des Beschwerdeführers nach Computern, CDs und sonstigen Datenträgern an und verpflichtete die mit dem Vollzug beauftragte Kriminalpolizei zur Beiziehung eines Informationstechnikers, zur Beachtung der Bestimmungen der §§ 139f StPO (aF) und (wegen des Bestehens von Gefahr im Verzug) zur Abstandnahme von der vorangehenden Vernehmung des Verdächtigen. Ihre Anordnung begründete sie pauschal damit, dass ***** nach den polizeilichen Erhebungen dringend verdächtig sei, den §§ 207a Abs 1 Z 3 und Abs 3 (zweiter Fall) StGB zuwidergehandelt zu haben, weil er unter dem Usernamen „*****" im Internetforum „*****" präsent gewesen sei, weshalb zu erwarten sei, dass in den von ihm benützten Räumlichkeiten Gegenstände aufbewahrt werden, die zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen könnten; weniger eingriffsintensive Maßnahmen seien nicht geeignet, die Verdachtsbestätigung zu erwirken. Gegen diese Anordnung richtet sich die Beschwerde des als verdächtig bezeichneten Wohnungsinhabers (§ 113 StPO aF), die begründet ist.

Rechtliche Beurteilung

Vorgelagert der sachlichen Prüfung ist zunächst die Frage, von welchem Gericht in welchem Verfahren über das vorliegende Rechtsmittel abzusprechen ist. § 516 StPO bestimmt hiezu zunächst, dass die durch das Strafprozessreformgesetz und das Bundesgesetz BGBl I Nr. 93/2007 geänderten Verfahrensbestimmungen dieses Bundesgesetzes – mit den in Abs 1 lit a und Abs 1 lit b bezeichneten generellen Ausnahmen – in Strafverfahren nicht anzuwenden sind, in denen vor ihrem Inkrafttreten (am 1.1.2008) das Urteil in erster Instanz gefällt worden ist; erst nach Aufhebung eines solchen Urteils ist im Sinne der neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen (Abs 1). Daraus folgt, dass die neuen Bestimmungen in allen anderen Konstellationen mit ihrem Inkrafttreten anzuwenden sind (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren § 516 Rz 825). Als Ausnahme von dieser Regel normiert § 516 Abs 2 1.Satz StPO, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Strafprozessreformgesetzes bei Gericht anhängige Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobene Verfahrensbestimmungen zu erledigen sind. Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 (BGBl I Nr. 109/2007) wurde beigefügt, dass der Einzelrichter im Ermittlungsverfahren entscheidungszuständig ist, wenn für die Erledigung nach den durch das Strafprozessreformgesetz aufgehobenen Bestimmungen eine Anordnung oder Genehmigung der Ratskammer erforderlich wäre. Weiters, dass für eine Beschlussfassung über sonstige Anträge, Entscheidungen und Beschwerden, für deren Erledigung die Ratskammer gemäß den durch das Strafprozessreformgesetz und das Strafprozessreformbegleitgesetz I geänderten Verfahrensbestimmungen zuständig wäre, dem Landesgericht als Senat von drei Richtern obliegt, der nach den neuen Verfahrensbestimmungen vorzugehen hat (§ 516 Abs 2 zweiter und dritter Satz StPO).

Daraus ergibt sich zum einen, dass die Entscheidung über zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes noch nicht erledigte Beschwerden nicht mehr der Ratskammer sondern dem sogenannten 3-Richter-Senat (§ 31 Abs 5 StPO) obliegt. Zum anderen, dass von diesem – soweit möglich – die neuen Verfahrensbestimmungen anzuwenden sind (vgl. den Ausschussbericht NR, 331 der Beilagen XIII. GP, 3). Das trifft zumindest auf die das Beschwerdeverfahren regelnden Bestimmungen der §§ 87f StPO zu, soweit diese nicht die (explizit anders geregelte) sachliche Zuständigkeit oder ausschließlich das Verfahren vor dem Oberlandesgericht betreffen. Eine eingeschränkte Reichweite ist der Verweisungsnorm im – vorliegenden - Fall des Vollzugs einer Anordnung für die Beurteilung der Frage zu unterstellen, an welcher Norm das Vorliegen der Voraussetzungen eines Grundrechtseingriffes zu messen ist. Weil die Entscheidung auf die nachfolgende Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkt bleibt (vgl. § 107 StPO), kann dafür logischer weise nur die Rechtslage zum Zeitpunkt des zu prüfenden Beschlusses maßgebend sein.

Entsprechend § 139 Abs 1 StPO aF (nichts anderes gilt nach § 119 Abs 1 StPO) darf eine Hausdurchsuchung nur dann vorgenommen werden, wenn ein gegründeter Verdacht vorliegt, dass sich darin eine eines Verbrechens oder Vergehens verdächtige Person verborgen halte oder (hier relevant), dass sich daselbst Gegenstände befinden, deren Besitz oder Besichtigung für eine bestimmte Untersuchung von Bedeutung sein können.

Die Suche nach Gegenständen ist somit auf solche beschränkt, die unmittelbar zur Aufklärung eines strafbaren Sachverhalts beitragen, während es unzulässig ist, Durchsuchungen erst zur Gewinnung von Verdachtsgründen vorzunehmen (Tipold/Zerbes WK-StPO vor §§ 139 bis 144, 145 Rz 5, 139 Rz 15). Somit setzt auch die alte Rechtslage den Anfangsverdacht eines strafbaren Verhaltens (Pilnacek/Pleischl aaO § 3 Rz 10) voraus, der auf einer entsprechenden Sachverhaltsgrundlage fußen, sich jedoch nicht unbedingt gegen den Inhaber des Hausrechts richten muss (15 Os 74/87).

Die Durchsuchungsanordnung erfordert darüber hinaus die präzise Bezeichnung der zu suchenden Objekte, um auf diese Weise dem Hausrechtsberechtigten im Zuge der vor der Zwangsmaßnahme durchzuführenden Vernehmung Gelegenheit zu bieten, die gesuchten Gegenstände freiwillig herauszugeben oder die die Durchsuchung veranlassenden Gründe zu beseitigen (EvBl 2002/104 = JBl 2002, 809). Von der vorangehenden Vernehmung kann nur bei übel berüchtigten Personen sowie dann abgesehen werden, wenn Gefahr in Verzug ist oder wenn eine Durchsuchung von dem Publikum offenstehenden Räumlichkeiten vorgenommen wird (§ 140 Abs 2 StPO aF; ähnlich § 121 Abs 1 StPO). Die Begründung der angefochtenen Entscheidung, der gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete, sogar als dringend bezeichnete Verdacht des Anbietens oder Bereitstellens einer pornographischen Darstellung einer minderjährigen Person oder der Besitz einer pornographischen Darstellung einer unmündigen Person ergäbe sich bereits aus dessen Präsenz in einem Forum, in dem Pädophile ihre Neigungen und Wünsche austauschen, in dem unter anderem die Liebe zu Minderjährigen gutgeheißen wird und sich zahlreiche von allen Forumsteilnehmern einzusehende pornographische Darstellungen dieser Art befinden, lässt die notwendige Konkretisierung des Anfangsverdachts vermissen.

Auch eine Prüfung anhand der Aktenlage ergibt, dass nach dem Bericht des Stadtpolizeikommandos Klagenfurt vom 30.11.2007 und den dort enthaltenen Verschriftungen der an alle oder einzelne Teilnehmer des Forums in Form von „Postings" und „Private Messages" im Wege des Internetanschlusses des Beschwerdeführers elektronisch übermittelten Mitteilungen eine Verdachtslage im Sinne der zuvor genannten Strafbestimmungen oder im Lichte jener des § 282 Abs 1 oder 2 StGB nicht anzunehmen ist:

Wie sich aus der Charakterisierung durch das Bundesamt für Polizei des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und auch aus der Startseite ergibt, dient das aus mehreren Teilbereichen bestehende Internetforum (ua) als Plattform zur Diskussion pädophiler Neigungen, der Beantwortung privater Fragen, der Wiedergabe veröffentlichter Inhalte und der Vorstellung von Büchern und Filmen zum Thema, wobei die Autoren darauf Bedacht nehmen, Konflikte mit dem Gesetz zu vermeiden. Die polizeiliche Analyse der Beiträge ergab jedoch, dass einige Forumsbenutzer sexuelle Handlungen mit Kindern vornehmen bzw. vorgenommen haben oder sich des Besitzes und der Verbreitung von kinderpornographischen Darstellungen schuldig gemacht haben könnten. Dies besonders mit Rücksicht darauf, dass im Rahmen der Plattform auch kinderpornographisches Material – aus dem Beispiele dem Bericht beigefügt sind – eingesehen werden kann. Dass sich umgekehrt jeder der zahlreichen Benutzer, von denen mehr als hunderttausend Einträge im Forum ausgingen, eines derartigen strafbaren Verhaltens schuldig gemacht haben könnte, kann aus diesem Ermittlungsergebnis (anders als bei der Nutzung kinderpornographischen Bildmaterials, das über einschlägige nur dem Zweck der Bereitstellung dienende Internetseiten angeboten wird) noch nicht abgeleitet werden. Maßgebend kann daher nur der Inhalt der jeweiligen Beiträge sein, die beim Provider ***** offensichtlich vollständig archiviert und in der Folge sichergestellt wurden.

Die vom Internetanschluss des Beschwerdeführers ausgegangenen Mitteilungen lassen zwar neben einem wissenschaftlichen, mit einer Seminararbeit begründeten Interesse auch eine (vorgebliche oder tatsächliche) pädophile Neigung, wegen der fehlenden Auswertung der Bilddateien, auf die in den Beiträgen Bezug genommen wird, jedoch nicht erkennen, ob pornographische Darstellungen Minderjähriger (§ 207a Abs 4 StGB) eingesehen, kommentiert oder gar angeboten, zugänglich gemacht oder besessen (Fabrizy StGB9 § 207a Rz 5) wurden (vgl. die „Postings" Nr. 1, 2, 13, 14, 24, 28, 32 und 34; in den „Messages" Nr. 26, 28, 30 und 31 wird ein sexuelles Interesse an Mädchen explizit verneint bzw. betont, vorhandene Phantasien nicht ausleben zu wollen) .

Eine genaue Klärung des Sachverhaltes vor Durchführung der Zwangsmaßnahme wäre zudem unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs (§ 5 StPO; auch zum alten Recht:

Tipold/Zerbes aaO § 139 Rz 30) geboten und, weil nach dem kriminalpolizeilichen Bericht offenbar ohnehin alle Daten – somit auch die über den Anschluss des Beschwerdeführers betrachteten Bilddateien - beim Provider gesichert wurden, auch möglich gewesen. Keine Anhaltspunkte bietet die Aktenlage für die nicht näher begründete richterliche Anordnung, von der Vernehmung des „Verdächtigen" wegen Gefahr in Verzug vor Durchführung der Durchsuchung abzusehen.

Da der bekämpfte Befehl bereits in Vollzug gesetzt wurde, hat sich die Entscheidung auf dabei unterlaufene Gesetzesverstöße zu beschränken. Die Vernichtung der bei unzulässigen Ermittlungsmaßnahmen gewonnenen Ergebnisse ist auf die im 5. und 6. Abschnitt des VIII. Hauptstücks (§§ 134 bis 143 StPO) geregelten beschränkt und kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Rückverweise