34R217/23y – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht fasst durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Romana Fritz und den Richter Dr. Erich Hueber in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH , ** B*, **straße **, vertreten durch Dr. Matthias Brand, Rechtsanwalt in Wien, wider die Beklagte C* D* GmbH Co KG , ** C*, **straße **, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.470 Euro sA, über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27.9.2023, 28 C 138/23p-13, in nichtöffentlicher Sitzung den
I. Beschluss:
Spruch
Das Verfahren wird fortgesetzt.
Der Antrag der Klägerin, soweit er über die Fortsetzung hinausgehende Ausführungen enthält, und die damit vorgelegte Urkunde werden zurückgewiesen.
II. und erkennt zu Recht :
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das Urteil wie folgt abgeändert:
″Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin 270 Euro samt 4% Zinsen p.a. aus je 75 Euro seit 4.2.2020, 5.10.2020 und 15.2.2021 sowie aus 45 Euro seit 15.9.2021 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin weitere 1.200 Euro samt 4% Zinsen aus je 300 Euro seit 4.2.2020, 5.10.2020 15.2.2021 und 15.9.2021 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 519,29 Euro bestimmten Kosten des Verfahrens (darin 90,35 Euro an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten deren mit 364,58 Euro bestimmte Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 65,90 Euro USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt das Verkehrsunternehmen C* D*. Ihre einzige Komplementärin ist die C* D* GmbH, deren einzige Gesellschafterin die C* E* GmbH ist, die die einzige Kommanditistin der Beklagten ist. Die C* E* GmbH steht zur Gänze im Eigentum der Stadt F*.
Die Beklagte bot für Studierende eine Semesterkarte an, welche für ein Studiensemester galt Der Preis für diese Karte betrug in den Jahren 2019 bis 2022 für alle Studierenden mit Hauptwohnsitz in Wien 75 Euro, während er für alle anderen Studierenden ohne Hauptwohnsitz in Wien 150 Euro betrug. Die ermäßigten Studentenkarten um 150 Euro wurden durch eine Bundesförderung ermöglicht; die darüber hinausgehende Ermäßigung auf 75 Euro wurde durch eine Förderung der Stadt F* finanziert.
Eine Studentin mit Hauptwohnsitz in H* (NÖ) erwarb im Zeitraum zwischen 2020 und 2021 vier Semesterkarten um jeweils 150 Euro. Die letzte Karte stornierte sie, weshalb ihr 30 Euro refundiert wurden. Allfällige Ansprüche aus dem Erwerb der Studentenkarten zum vollen Studentenpreis trat sie an die Klägerin ab.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Dienstleistungen im Bereich der Prozessfinanzierung und Durchsetzung von (abgetretenen) Entschädigungsansprüchen erbringt.
Die Klägerin begehrte die Rückerstattung der Differenz zwischen der (durch die Finanzierung der Stadt Wien) ermäßigten Semesterkarte und den von ihr bezahlten Beträgen, insgesamt 270 Euro, sowie den Ersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung der Studentin gemäß §§ 31 ff GlBG in Höhe von 300 Euro pro Kartenkauf. Sie brachte zusammengefasst vor, das Unterscheidungsmerkmal Hauptwohnsitzes sei kein gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung und stelle eine mittelbare Diskriminierung dar. Diese Fahrpreisgestaltung verstoße insbesondere gegen Art 7 B-VG, Art 18 AEUV und §§ 31 ff GlBG. Daraus resultiere eine Teilnichtigkeit der Beförderungsverträge in Höhe der Preisdifferenz. Darüber hinaus sei für jeden Verstoß gegen das GlBG ein Schadensbetrag für erlittene persönliche Beeinträchtigung zu leisten.
Die Beklagte bestritt und brachte – soweit im Berufungsverfahren noch relevant – vor, dass die Preisgestaltung der Studierenden-Semesterkarten gerechtfertigt sei. Das Kriterium des Hauptwohnsitzes betreffe Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft ebenso, wie Personen ohne diese. Eine Abgrenzung nach dem Hauptwohnsitz diskriminiere keine Ethnie. Es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG vor. Personen, die keinen Lebensmittelpunkt in F* haben, würden im Vergleich zu Personen, die ihren Lebensmittelpunkt in F* haben, weniger Gebühren und sonstige Gemeindeabgaben bezahlen und auch im Finanzausgleich zugunsten von F* nicht als Einwohner der Stadt gezählt. Dass Gebietskörperschaften soziale Unterstützungsleistungen auf Personen beschränken könnten, die ihren Hauptwohnsitz auf ihrem Gebiet hätten, sei eine Auswirkung des bundesstaatlichen Verfassungsprinzips (Art. 2 Abs. 1 B-VG) und der Selbstverwaltung der Ortsgemeinden (Art. 116 Abs. 1 und 2 B-VG).
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es seinen rechtlichen Überlegungen voran, dass gemäß des in Art 7 B-VG statuierten Gleichheitssatzes alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich seien. Ungleichbehandlungen könnten aber gerechtfertigt sein, sofern dafür eine sachliche Rechtfertigung vorliege. Das Heranziehen des Hauptwohnsitzes als Voraussetzung für die Gewährung der ermäßigten Studentenkarte stelle eine sachlich begründbare Regelung dar. Es sei ein legitimes Ziel für ein Verkehrsunternehmen, das im Eigentum der öffentlichen Hand steht und von dieser die Mittel zur Tarifgestaltung erhält, mit einem vergünstigten Tarif Personen bzw. Personengruppen zu unterstützen, die ihren Lebensmittelpunkt in jenem Gebiet haben, in dem die Leistung erbracht werde. Zum Einen knüpften sich zahlreiche Gemeindeabgaben, die letztlich den Mitgliedern eben dieser Gemeinde, somit der Allgemeinheit, zu Gute kommen, an den Hauptwohnsitz einer Person, zum anderen sei die Anzahl der mit Hauptwohnsitz in einer Gemeinde gemeldeten Personen ein entscheidendes Kriterium im Finanzausgleich, nicht zuletzt (§ 23 Abs 1 FAG) betreffend die öffentlichen Personalnahverkehrsunternehmen der Gemeinden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin . Sie strebt eine Klagsstattgebung an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist teilweise berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
1. Vorweg ist festzuhalten, dass das Berufungsverfahren, welches bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien am 26.1.2024 zu 36 R 238/23a an den EuGH gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen war, aufgrund der inzwischen ergangenen Entscheidung des EuGH vom 10.09.2024, C-65/24, fortzusetzen ist.
Soweit im Fortsetzungsantrag der Klägerin darüber hinausgehende Ausführungen und eine weitere Urkunde enthalten sind, verstößt dies gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, nach dem jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht und auch Nachträge oder Ergänzungen unzulässig sind (vgl. RIS-Justiz RS0041666).
In der Sache ist Folgendes auszuführen:
2. Zu Recht stellt die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin sowie ihre eigene Passivlegitimation im Berufungsverfahren nicht mehr in Frage.
3.1 Unstrittig ist weiter, dass die Beklagte an das aus Art 7 B-VG abzuleitende Gleichbehandlungsgebot gebunden ist. Die sogenannte „Fiskalgeltung der Grundrechte“ für Gebietskörperschaften ist allgemein anerkannt (6 Ob 162/20x; vgl RS0038110). Der Staat und die anderen Gebietskörperschaften sind auch dann an die Grundrechte und damit an das aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG; Art 7 Abs 1 B-VG) abzuleitende Sachlichkeitsgebot (vgl RS0058455; RS0053981) gebunden, wenn sie nicht hoheitlich, sondern in der Rechtsform des Privatrechts handeln (6 Ob 162/20x [Rz 2] mwN). Der Grundrechtsbindung via Fiskalgeltung unterliegen auch selbstständige Rechtsträger, die mit der Besorgung öffentlicher Aufgaben betraut sind, selbst wenn sie diese Aufgaben – wie hier die Beklagte - in privatrechtsförmiger Weise besorgen; der Staat soll sich nicht der Grundrechtsbindung entziehen können, indem er Handlungs- und Rechtsformen des Privatrechts wählt (6 Ob 162/20x [Rz 2] mwN). Als Betreiberin der C* D* ist die Beklagte ein Versorgungsunternehmen, das öffentliche (Verkehrs-)Aufgaben wahrnimmt. Sie ist daher im Rahmen dieser Tätigkeit der Fiskalgeltung der Grundrechte unterworfen (siehe zu einem Straßenbahnunternehmen: 4 Ob 146/93) und hat demnach den Gleichheitssatz zu beachten. Sie durfte daher beim Verkauf ihrer Studentenkarten Student*innen nicht unsachlich bevorzugen oder benachteiligen.
Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung trifft die Beklagte (3 Ob 158/24t [Rz 15]).
3.2 Preisdifferenzierungen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung für bestimmte Leistungen wie etwa „Einheimischentarife“, die an die Staatsangehörigkeit oder die Ortsansässigkeit von Personen anknüpfen, können durch objektive Gründe gerechtfertigt werden ( Neger/Paar , Einheimischentarife und ihre sachliche Rechtfertigung, RFG 2019/14; Obwexer , DienstleistungsRL und Einheimischentarife, ecolex 2010, 324 mwN). Gerechtfertigte Gründe können in der Versorgung mit wohnortnahen Bildungsangeboten liegen, sowie in der Verursachung eines höheren Aufwands durch Auswärtige. Verfolgt eine Gemeinde durch die Privilegierung Ortsansässiger das Ziel, knappe Ressourcen auf den eigenen Aufgabenbereich zu beschränken, Gemeindeangehörigen einen Ausgleich für besondere Belastungen zu gewähren oder Auswärtige für einen erhöhten Aufwand in Anspruch zu nehmen, oder sollen die kulturellen und sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft dadurch gefördert und der kommunale Zusammenhalt dadurch gestärkt werden, dass Einheimischen besondere Vorteile gewährt werden, kann dies mit Art 7 B-VG vereinbar sein. Dies kommt etwa für gesundheitlich relevante Einrichtungen wie kommunale Frei- oder Hallenbäder in Betracht, weil die Gemeinden als Betreiber solcher Einrichtungen daran interessiert sind, ihren Bewohnern gesundheitsfördernde Aktivitäten durch günstigere Tarife zu erleichtern ( Neger/Paar , RFG 2019/14 mwN).
3.3 Es trifft zu, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt, innerhalb dessen es ihm frei steht, verschiedene rechtspolitische Zielvorstellungen zu verfolgen; das gilt insbesondere auch für die Festlegung von Förderungszielen und den Kreis der Förderungsberechtigten (vgl nur VfGH B 859/10, VfSlg 19.261; G 31/2017, VfSlg 20.199 ua). Ein entsprechender Spielraum ist folglich auch der Beklagten bzw der dahinterstehenden Gemeinde bei der Gestaltung der Voraussetzungen der in Frage stehenden Förderung zuzubilligen (6 Ob 162/20x [Rz 3.2]).
3.3.1 Die Rechtsprechung definiert Fördermaßnahmen als vermögenswerte Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, die ein Verwaltungsträger oder eine andere mit der Vergabe solcher Mittel betraute Institution einem Privatrechtssubjekt zukommen lässt, wobei sich der Subventionsempfänger zu einem im öffentlichen Interesse gelegenen subventionsgerechten Verhalten verpflichtet (RS0018996). Solche Förderungsmaßnahmen sind nach der Judikatur keine Zuwendungen ohne Gegenleistung (RS0018996 [T2]) sondern in der Regel entgeltliche Verträge (1 Ob 30/24d mwN; 1 Ob 94/24s).
3.3.2 Die Subvention muss nicht direkt von einem Hoheitsträger vergeben werden; die gleichheitsrechtlichen Bindungen wirken auch für einen Subventionsmittler (6 Ob 162/20x [ErwG 2.3.]; 1 Ob 30/24d [Rz 29]; RS0102013); dh das Unternehmen, dessen sich der Hoheitsträger bedient (hier: die Beklagte), unterliegt bei einer privatrechtlichen Vergabe von Subventionen den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes bzw des Sachlichkeitsgebots.
3.3.3 Die von der Beklagten ins Treffen geführte Zielsetzung der Förderung von typischerweise finanzschwachen Student*innen, indem diesen der Zugang zu kommunalen Beförderungsleistungen vergünstigt angeboten wird, ist sachlich durchaus vertretbar. Allerdings entspricht die Umgrenzung des Berechtigtenkreises durch das Abstellen auf den Hauptwohnsitz nicht dem Sachlichkeitsgebot.
Die Beklagte trägt vor, die sachliche Rechtfertigung liege darin, dass derjenige, der seinen Hauptwohnsitz in F* hat, durch die hier erbrachte vermehrte Steuer- sowie Abgabenleistung ausgleicht.
Dieser – vom Erstgericht übernommenen – Argumentation kann nicht beigetreten werden. Die Beklagte legt nicht dar, welche Abgaben Student*innen mit Hauptwohnsitz in F* leisten, die Student*innen ohne Hauptwohnsitz in F* nicht treffen; in Wahrheit sind derartige Abgaben nicht erkennbar. Insbesondere fallen darunter nicht die beiden nach dem Aufkommen wesentlichen Abgaben (Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe); in diesen Fällen ist Steuerschuldner*in regelmäßig nicht ein/e Student*in mit Hauptwohnsitz in F*, sondern entweder ein Unternehmer (§ 6 Kommunalsteuergesetz) bzw ein Dienstgeber (§ 1 F* Dienstgeberabgabengesetz; vgl auch VfGH B330/7).
Davon abgesehen verlangt die Rechtsprechung einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer gewährten tariflichen Entlastung und einer finanziellen Belastung im Sinne einer Zweckbindung (3 Ob 158/24t [Rz 13]; LGZ Wien 36 R 238/23a mwN). Eine reine Finanzierung der jeweiligen relevanten Einrichtung aus (Gemeinde-)Abgaben reicht dafür – entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht ( Neger/Paar , RFG 2019/14).
3.3.4 Die Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auch darauf, dass die Studentin, die die gegenständlichen Ansprüche an die Klägerin abtrat, ihren Hauptwohnsitz in H* hatte, und daher im Finanzausgleich nicht als Einwohnerin von F* gezählt worden sei.
Auch dieses Argument überzeugt nicht.
Zunächst ist klarzustellen, dass die Bedarfszuweisungen zur Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen bzw für Investitionen für Straßenbahn- und Obuslinien nach § 23 Abs 1 und 2 Finanzausgleichsgesetz 2017 nicht vom Hauptwohnsitz abhingen.
Bedeutung kam dem Hauptwohnsitz hingegen bei der Zuteilung budgetärer Mittel im Rahmen des Finanzausgleichs zu. Denn diese Mittel wurden zum Teil nach der Volkszahl verteilt (vgl § 2 a, § 10 Abs 5, § 24 Z 1 lit a, § 25 Abs 2 Z 3 FAG 2017), welche wiederum durch den Hauptwohnsitz bestimmt wurde (§ 10 Abs 7 FAG 2017 iVm § 7 Registerzählungsgesetz). Im Ergebnis erhielt die Gemeinde F* im Rahmen des Finanzausgleichs mehr finanzielle Mittel, wenn mehr Student*innen ihren Hauptwohnsitz in F* hatten. Wobei die zusätzlichen Mittel (zum allergrößten Teil) nicht aus Abgaben von Student*innen mit Hauptwohnsitz in F* stammen; denn Student*innen tragen idR nur eine sehr geringe Abgabenlast. Die Gemeinde F* hatte daher ein rein fiskalisches Interesse daran, dass mehr Student*innen ihren Hauptwohnsitz in F* haben, um mehr Mittel im Rahmen des Finanzausgleichs zu lukrieren; dieses fiskalische Interesse stellt nach Auffassung des Berufungssenats keine sachliche Rechtfertigung für die Förderung von Student*innen mit Hauptwohnsitz in F* dar.
3.4 Auch der Umstand, dass andere Gebietskörperschaften ähnliche Modelle anwenden, führt nicht zu einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch die Beklagte.
3.5 Ergebnis : Einer nur durch den Hauptwohnsitz der Kunden bestimmte unterschiedliche Preisgestaltung für öffentliche Verkehrsmittel mangelt es an einer sachlichen Rechtfertigung; die Ungleichbehandlung widerspricht daher dem Gleichbehandlungsgebot des Art 7 B-VG. Dies führt allerdings nur zur Teilnichtigkeit der Rechtsgeschäfte, mit denen eine dem Gleichbehandlungsgebot nicht entsprechende Entgeltfestsetzung erfolgte, zumal die Nichtigkeitsfolgen sich nach dem Zweck des verletzten Verbots richten ( Krejci in Rummel/Lukas, ABGB 4 § 879 Rz 509). Die Vereinbarungen der Studentin mit der Beklagte über den Erwerb der Studentenkarten waren daher hinsichtlich des 75 Euro übersteigenden Entgelts wegen des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot nichtig; der Studentin steht in diesem Umfang ein Kondiktionsanspruch gegen die Beklagte zu, den sie an die Klägerin abtrat. Da eine gleichheitswidrige (Nicht-)Subventionierung vorlag, besteht wegen der sittenwidrigen Verweigerung des Vertragsabschlusses iSd § 879 ABGB auch ein klagbarer Anspruch auf Leistung der Förderung (vgl 3 Ob 83/18d; 6 Ob 162/20x [ErwG 4]; 5 Ob 184/22b [Rz 27]); auch auf diesen Grund lässt sich der gegenständliche Anspruch stützen.
4. Zum Einwand der Beklagten, die Stadtgemeinde H* bzw das Land Niederösterreich habe Förderungen an Studierende ausbezahlt, wenn sie in der Heimatgemeinde gemeldet blieben, die Studentin hätte diese Förderung beantragen und so einen Schadenseintritt verhindern können, ist festzuhalten, dass der Anspruch nicht auf Schadenersatz beruht, sondern auf einer Kondiktion aufgrund der (Teil-)Nichtigkeit der Entgeltsfestsetzung. Die Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit war daher nicht zu prüfen.
5. Da der Anspruch wegen Verstoßes gegen das aus Art 7 B-VG abzuleitende Gleichbehandlungsgebot besteht, muss die Frage, ob das Hauptwohnsitzkriterium zudem auch gegen das unionsrechtliche allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art 18 AEUV verstößt, hier nicht beurteilt werden.
6. Der Einwand der Beklagten, die Abtretung sei unwirksam, weil die Tätigkeit der Klägerin auf verbotenem Vertrag ohne Gewerbebefugnis beruhe und die Zessionen höchstpersönliche (unabtretbare) Rechte betreffe, ist unberechtigt. Das Fehlen der zur Erbringung der vertraglichen Leistung notwendigen behördlichen Genehmigung wirkt sich nicht den Vertrag aus. Auf einen allfälligen Verstoß der Zessionsvereinbarung gegen § 879 Abs 2 ZPO könnte sich die Studentin nicht aber der Prozessgegner berufen. Der abgetretene Anspruch (Kondiktion bzw Förderung) ist überdies kein höchstpersönlicher.
Der an die Klägerin abgetretene Anspruch auf Rückerstattung eines Betrags von 270 Euro sA ist daher berechtigt – insofern ist die Berufung erfolgreich.
7. Die Klägerin begehrt darüber hinaus immateriellen Schadenersatz wegen der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung der Studentin, die dieser gemäß § 38 GlBG wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit zustehe. Sie stützt sich auf das in den §§ 30 ff GlBG geregelte Diskriminierungsverbot: Aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit darf niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, diskriminiert werden. Öffentliche Verkehrsdienstleistungen sind zweifellos von diesem Tatbestand erfasst ( Windisch-Graetz , GlBG 2 § 30 Rz 16).
7.1 Der Begriff der ethnischen Herkunft beruht nach Ansicht des EuGH auf dem Gedanken, dass gesellschaftliche Gruppen insbesondere durch eine Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturelle und traditionelle Herkunft und Lebensumgebung gekennzeichnet sind, wie zB die Gemeinschaft der Roma (EuGH C-83/14, CHEZ, Rn 46). Er hob in seiner Entscheidung EuGH C-668/15, Jyske Finans hervor, dass diese nicht auf der Grundlage eines einzigen Kriteriums festgestellt werden könne, sondern vielmehr auf einem „Bündel von Indizien“ beruhen müsse (Rn 18-20). Ein einzelnes geografisches Kriterium (hier: Einwohnerin Niederösterreichs) ist nicht geeignet, für sich allein eine ethnische Herkunft zu begründen. Daher führt die Anwendung dieses Kriterien idR zu keiner unmittelbaren Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit ( Windisch-Graetz , Hauptwohnsitz sagt nichts über die ethnische Zugehörigkeit aus, ecolex 2024/523).
7.2 Der EuGH setzte sich auch mit der Frage einer möglichen mittelbaren Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit auseinander. Danach liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn "dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können". In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal "in besonderer Weise benachteiligen" hält der EuGH fest, dass dies in dem Sinne zu verstehen sei, dass es "insbesondere Personen einer bestimmten ethnischen Herkunft sind, die durch die fragliche Maßnahme benachteiligt werden" (EuGH C-83/14, CHEZ, Rn 100). Wird nach dem Wohnort oder dem Geburtsort oder der Staatsangehörigkeit differenziert, was allein noch keine ethnische Herkunft begründen kann (siehe oben ErwG 7.1), stellt sich die Frage, ob damit nicht potenziell jede ethnische Gruppe, die die Kriterien nicht erfüllt, diskriminiert sein kann ( Windisch-Graetz , ecolex 2024/523). Nach Auffassung des EuGH kann eine "mittelbare Diskriminierung" begrifflich nur dann vorliegen, wenn die mutmaßlich diskriminierende Maßnahme zur Benachteiligung einer bestimmten ethnischen Gruppe führt (EuGH C-668/15, Jyske Finans, Rn 31; EuGH C-457/17, Maniero; EuGH C-94/20, Land Oberösterreich). Da davon auszugehen ist, dass in Niederösterreich Personen verschiedenster ethnischer Herkunft leben, begründet allein der Umstand, dass die benachteiligte Studentin aus Niederösterreich stammt, kein ausreichendes Kriterium, um darzutun, dass (durch die Bevorzugung von Einwohnern F*) Personen einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit benachteiligt werden (ggt: LGZ Wien 36 R 45/22t = RWZ0000227). Dementsprechend fehlten dem EuGH in seiner Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen des Berufungsgerichts (EuGH C-65/24) Angaben dazu, aus welchen Indizien zusammen genommen bei einer Person, die ihren Hauptwohnsitz in Niederösterreich hat, auf eine bestimmte Ethnie geschlossen werden kann (Rn 32).
Ein über das Kriterium des Hauptwohnsitzes hinausgehendes Vorbringen hat die Klägerin nicht erstattet; eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit kann daher durch die Ungleichbehandlung nicht erkannt werden; der auf §§ 31 ff GlBG gestützte Anspruch auf immateriellen Schadenersatz ist daher nicht berechtigt (ebenso: LGZ Wien vom 5.12.2024, 36 R 238/23a, veröffentlicht zu: RWZ0000227).
7.3 Im Übrigen wird ein ideeller, in Geld nicht messbarer Schaden im Allgemeinen nur in den vom Gesetz angeführten Fällen zugesprochen (RS0022544), weshalb die geltend gemachten immateriellen Schäden mangels (anderer) gesetzlicher Grundlage nicht zu ersetzen sind.
Zu Recht wies daher das Erstgericht das Schadenersatzbegehren von 1.200 Euro ab; der Berufung muss insofern ein Erfolg versagt bleiben.
Die teilweise Stattgebung der Berufung hat eine Änderung der Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren zur Folge; diese beruht auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin obsiegte mit rund einem Fünftel; sie hat daher der Beklagten rund drei Fünftel ihrer Kosten zu ersetzen; hingegen hat sie Anspruch auf Ersatz eines Fünftels der von ihr entrichteten Pauschalgebühr. Die einzelnen Kostenzusprüche sind zu saldieren (RS0035877).
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin drang auch hier mit nur einem Fünftel ihres Berufungsbegehrens durch. Sie hat der Beklagten drei Fünftel der Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen und hat Anspruch auf ein Fünftel der Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren.