34R168/24v – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht fasst durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie den Richter MMag. Stephan Klaus und die Richterin Dr. Julia Kömürcü-Spielbüchler in der Rechtssache der klagenden Partei G*** GmbH , R*** Straße ***, **** Z***, vertreten durch Mag. Stefan Janovsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*** Co KG , D***straße **, **** Z***, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Besitzstörung , über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 7.11.2024, 18 C 193/24w-14, den
BESCHLUSS:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 336,82 Euro bestimmte Kosten des Rekursverfahrens (darin 56,14 Euro USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO).
BEGRÜNDUNG:
Text
Die Klägerin betreibt eine Tankstelle in *** Z***. An zumindest neun Stellen sind Schilder aufgestellt mit der Aufschrift „Privatgrund: Halten oder Parken am gesamten Grundstück nur für die Dauer des Einkaufs, Tank- oder Reinigungsvorgangs, maximal 15 Minuten und ausschließlich auf den markierten Stellplätzen gestattet. Bei Zuwiderhandeln wird eine Besitzstörungsklage eingebracht.“
Die Beklagte handelt mit Neu- und Gebrauchtwagen und vermietet an Kunden ihrer Werkstätten Ersatzfahrzeuge für die Dauer des Werkstattaufenthalts. Wenn der Beklagten Umstände bekannt werden, die darauf hindeuten, dass sich ein Vertragspartner nicht rechtskonform verhalten werde, vermietet sie ihre Fahrzeuge nicht.
Am 7.3.2024 vermietete die Beklagte einem ihrer Kunden für die Dauer des Werkstattaufenthaltes einen auf sie zugelassenen PKW. Der Kunde unterschrieb die AGB der Beklagten, die unter anderem in Punkt 7. regeln, dass der Mieter für alle Schäden hafte, die er unter Benützung des Fahrzeugs bei Dritten verursacht und er sich verpflichtet, die Beklagte für alle daraus entstehenden Nachteile schad- und klaglos zu halten. Der Kunde stellte den von der Beklagten angemieteten PKW am 7.3.2024 auf der Tankstelle der Klägerin für 31 Minuten ab und kaufte währenddessen ein Getränk und Zigaretten. Die Beklagte gab nicht bekannt, wer den PKW lenkte; sie wurde dazu aber von der Klägerin auch nicht aufgefordert.
Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die Beklagte ihren ruhigen Besitz gestört habe und sie schuldig sei, derartige Störungen zu unterlassen.
Die Beklagte wandte die mangelnde Passivlegitimation ein und brachte zusammengefasst vor, dass nur derjenige als mittelbarer Störer angesehen werden könne, wer die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit habe, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenwahrnehmung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störungshandlung zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern. Derartige besondere Zurechnungsgründe lägen nicht vor. Die Beklagte sei von der Klägerin auch nicht aufgefordert worden, den tatsächlichen Lenker des PKW bekannt zu geben.
Mit dem angefochtenen Endbeschluss gab das Erstgericht der Besitzstörungsklage statt. In rechtlicher Hinsicht verwies es auf die ständige Rechtsprechung des Rekursgerichts, wonach die Passivlegitimation des Fahrzeughalters im Besitzstörungsverfahren grundsätzlich keine besonderen Zurechnungskriterien erfordere. Der Fahrzeughalter sei nach der Rechtsprechung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien dann als passiv legitimiert anzusehen, wenn derjenige, dem er das Fahrzeug überlassen hat, fremden Besitz stört. Dies werde damit begründet, dass die Verwendung des Fahrzeugs durch einen (befugten) Dritten regelmäßig (auch) im Interesse des Halters erfolge. Der Halter habe zudem in der Regel auch die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit durch entsprechende Weisungen und Androhung des Entzugs des Fahrzeugs die Störungshandlung zu steuern, gegebenenfalls zu verhindern und zu beseitigen; von ihm könne erwartet werden, dass er sein Fahrzeug nur solchen Personen überlasse, von denen er annehmen darf, dass sie sich an die Weisungen gebunden fühlen und beim Lenken des Fahrzeuges rechtmäßig verhalten.
Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten . Sie strebt die Klagsabweisung an. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittelgericht erachtet die Rekursausführungen für nicht stichhältig, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts hingegen für zutreffend, weshalb auf diese verwiesen werden kann und eine kurze Begründung genügt (§§ 526 Abs 3 iVm 500a ZPO).
1. Die Beklagte argumentiert in ihren weitwendigen Ausführungen zusammengefasst, der Halter als mittelbarer Störer sei nur dann passiv legitimiert, wenn dies aufgrund einer besonderen Interessenlage und einem Naheverhältnis zur Störungshandlung gerechtfertigt sei, wenn also besondere Zurechnungsgründe vorliegen. Die Annahme, der Halter eines PKW sei in der Lage Abhilfe gegen Besitzstörungen bewirken, dürfe nicht verallgemeinert werden, weil dies zu einer in § 339 ABGB nicht verankerten Erfolgshaftung führte.
Dazu wurde erwogen:
§ 339 ABGB sagt nicht, wer als „Störer“ in Anspruch genommen werden kann, also wem die Störung zuzurechnen ist (Kodek, Die Besitzstörung, 354). Unstrittig ist jener als Störer anzusehen, der die Eingriffshandlung – wenn auch in fremdem Auftrag – selbst setzt („unmittelbarer Störer“). Umstritten ist die Frage der Zurechnung des Verhaltens dritter Personen („mittelbarer Störer“). In der Regel werden bestimmte Zurechnungskriterien bzw eine Interessensabwägung gefordert (vgl dazu Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 339 Rz 111 ff und Anzenberger in Schwimann/Kodek 5 § 339 Rz 18).
Bei Besitzstörungen durch Kraftfahrzeuge stellt das Rekursgericht in ständiger Rechtsprechung nicht auf das Vorliegen besonderer Zurechnungskriterien ab (42 R 16/71 = MietSlg 23.031; zuletzt: 35 R 101/24y; 34 R 6/23v; 34 R 94/21g; 35 R 27/20k; 63 R 2/20i uva). Der Fahrzeughalter wird als passiv legitimiert angesehen, wenn derjenige, dem er das Fahrzeug überlassen hat, fremden Besitz stört. Denn die Verwendung des Fahrzeugs durch einen (befugten) Dritten erfolgt regelmäßig (auch) im Interesse des Halters (Kodek in Klang 3 § 339 Rz 121). Er hat auch idR durch entsprechende Weisungen und Androhung des Entzugs des Fahrzeugs die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, die Störungshandlung zu steuern, gegebenenfalls zu verhindern und zu beseitigen; von ihm kann erwartet werden, dass er sein Fahrzeug nur solchen Personen überlässt, von denen er annehmen darf, dass sie sich an die Weisungen gebunden fühlen und beim Lenken des Fahrzeuges rechtmäßig verhalten (vgl LGZ Wien, 34 R 94/21g; ZVR 1990/115; ZVR 1990/100; Kodek in Fasching/Konecny³ § 454 ZPO Rz 84; BGH vom 18.12.2015 in NJW 2016, 863 ErwG [22]). Diese großzügige Zurechnung an den Halter stieß in der Lehre teils auf Kritik (Anzenberger aaO Rz 19; vermutlich auch Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 339 Rz 16), teils fand sie ausdrücklich Zustimmung (Kodek aaO Rz 121).
Die Argumente für die Passivlegitimation des Halters gelten grundsätzlich – wenn auch in abgeschwächter Form – auch für den professionellen Autovermieter. Seine Einflussmöglichkeiten auf das Fahrverhalten des Mieters sind zwar typischerweise geringer als bei der kurzfristigen Zurverfügungstellung des Fahrzeugs im Familien- und Bekanntenkreis; direkte Weisungen oder der kurzfristige Entzug des Fahrzeugs werden hier eine untergeordnete Rolle spielen. Andererseits kann der Autovermieter in den Mietvertrag ein mit Vertragsstrafen verknüpftes Verbot von mit dem Kfz begangener Störungshandlungen insbesondere durch – wie hier – Inanspruchnahme fremder Grundstücke aufnehmen (LGZ Wien 36 R 1/13h; 36 R 81/13y). Für eine Haftung des Autovermieters lässt sich auch ins Treffen führen, dass er regelmäßig einen Gewinn aus der Überlassung seiner Fahrzeuge zu erwirtschaften trachtet; wer aber den Vorteil aus der Nutzung einer Sache zieht, soll auch für den daraus erwachsenen Nachteil einstehen. Kodek (Besitzstörung 393) weist außerdem zu Recht darauf hin, dass, würde man eine Haftung des Vermieters verneinen, man sich in Widerspruch zur Rechtslage bei der Vermietung einer unbeweglichen Sache setzen würde, wo der Eigentümer nach § 364 ABGB zweifelsfrei auch für vom Bestandnehmer verursachte Immissionen einzustehen hat. Schließlich sind die dem Vermieter bei Bejahung seiner Passivlegitimation drohenden Nachteile relativ gering, kann er doch die Prozesskosten regelmäßig auf den Mieter überwälzen; die Verhängung von Strafen nach § 355 EO setz Verschulden voraus (ders aaO).
Das Rekursgericht hält daher an seiner ständigen Rechtsprechung hinsichtlich der Passivlegitimation des Autovermieters im Besitzstörungsverfahren fest (35 R 101/24y; 34 R 6/23v; 63 R 2/20i; zust Kodek aaO Rz 123).
Die in einzelnen Entscheidungen vertretene Auffassung, den Halter nur dann für passiv legitimiert zu erachten, wenn dieser die Bekanntgabe des Lenkers verweigert, obwohl ihm dies leicht möglich wäre, kann wegen der im Besitzstörungsverfahren normierten Klagefrist nicht auf den Besitzschutz übertragen werden (Kodek aaO Rz 122; LGZ Wien 63 R 2/20i). Von dem in seinem Besitz Gestörten die Behauptung spezieller - oft nur dem Halter bekannter - Zurechnungskriterien zu verlangen (etwa wer unmittelbarer Störer war, auf welche Art und Weise es dem mittelbaren Störer möglich ist, Störungen abzustellen), wie dies in der - allerdings im petitorischen Verfahren ergangenen - Entscheidung 8 Ob 105/15x gefordert wurde, würde eine vorprozessuale Ermittlungstätigkeit des Gestörten voraussetzen, welche mit dem Ziel, Besitzschutzansprüche in einem beschleunigten Verfahren geltend zu machen und zu klären, nicht in Einklang steht (LGZ Wien 35 R 89/18z; 34 R 6/23v).
Indem die Rekurswerberin einwendet, nur ein untergeordnetes Interesse an der Bereitstellung von Fahrzeugen an ihre Kunden zu haben, räumt sie ein, dass dies Teil ihres Geschäftsmodells ist, selbst wenn es sich nur um eine Nebenleistung handelt und kein eigenständiges wirtschaftliches Interesse besteht.
Soweit sie argumentiert, dass sie zurecht annehmen könne, dass ihre Fahrzeuge nur unter Einhaltung der bestehenden Rechtslage verwendet werden, ist dies schon dadurch widerlegt, dass sie in Punkt 7. ihrer AGB die Haftungsfrage für den Fall regelt, dass es zu Verstößen gegen gesetzliche oder behördliche Verbote komme.
Soweit der Rekurs einwendet, dass die Überlegungen im Zusammenhang mit der Parkraumnot im vorliegenden Fall schon deshalb verfehlt seien, weil die behauptete Besitzstörung nicht in einem Parken des PKW bestanden habe, geht der Rekurs nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Dass ein Tankstellenkunde mit guten Gründen davon ausgehen könne, dass das Parken auf der Tankstelle zur Inanspruchnahme des Waren- und Dienstleistungsangebots des Inhabers für eine zumutbare, unter Umständen auch 15 Minuten übersteigenden Dauer gestattet werde, gilt jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht, weil auf Hinweisschildern auf die maximale Parkdauer von 15 Minuten ausdrücklich hingewiesen wurde.
Es mag sein, dass die Beklagte sämtliche Möglichkeiten ergriffen hat, um eine Besitzstörung zu verhindern, und ihr keine Versäumnisse vorzuwerfen sind. Die Beklagte führt aus, dass die einzige Möglichkeit, vergleichbare Störungen in Zukunft zu verhindern, wäre, das Konzept der Überlassung von Servicefahrzeugen überhaupt aufzugeben (Punkt 9.2 des Rekurses). Mit diesem Rekursvorbringen räumt sie ein, dass sie einerseits gerade nicht annehmen kann, dass es bei der Vermietung ihrer Fahrzeuge zu keinen Besitzstörungshandlungen kommt. Sie kann diese zwar nicht stets verhindern, sich aber bei ihren Kunden schad- und klaglos halten, was sie mittels ihrer AGB auch tut.
Zusammenfassend führt daher eine Interessensabwägung zum Ergebnis, dass die Beklagte als Halter des Fahrzeugs passiv legitimiert ist. Sie suchte sich den unmittelbaren Störer als Vertragspartnerin aus, sie zog aus der Überlassung des Fahrzeugs, mit dem die Störung begangen wurde, einen (monetären) Vorteil, und kann sich beim Mieter schad- und klaglos halten.
Der vorliegende Fall bietet daher keinen Anlass, von der zitierten ständigen Rechtsprechung des Rekursgerichts abzugehen.
2. Die Rekurswerberin bestreitet auch das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Sie habe ihren PKW nur zeitlich befristet vermietet. Ihr Kunde habe den PKW bereits zurückgestellt, sodass ein neuerlicher Eingriff denkunmöglich sei.
Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden. Diese liegt schon im Fortbestehen eines Zustandes, der keine Sicherungen gegen weitere Rechtsverletzungen bietet. Entscheidend ist nicht, ob bei Klagseinbringung ein widerrechtlicher Eingriff noch andauerte, sondern ob zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Gefahr bestand, dass sich ein bereits erfolgter Eingriff wiederholt (RS0010497 [T5] und [T6]).
Die Beklagte übersieht in ihrer Argumentation, dass es bei der vorliegenden Besitzstörungshandlung nicht darauf ankommt, welcher konkrete Kunde den PKW gemietet hat. Selbst wenn sie dem hier unmittelbaren Störer zukünftig keine Fahrzeuge überlassen wird, besteht die Wiederholungsgefahr schon deshalb, weil sie ihren PKW zukünftig anderen Kunden vermieten wird.
3. Die Beklagte rügt auch das Vorliegen von sekundären Feststellungsmängeln:
3.1 Sie vermisst die Feststellung, dass die Beklagte bei der Vermietung ihrer Fahrzeuge die im Geschäftsverkehr gebotene Sorgfalt einhalte und großen Wert darauf lege, Fahrzeuge nur solchen Personen zu überlassen, von denen sie annehmen dürfe, dass sie sich an die vertraglich vorgegebenen Nutzungsbedingungen halten.
Das Erstgericht hat aber ohnedies folgende Feststellung getroffen: „Wenn der Beklagten Umstände bekannt werden, die darauf hindeuten, dass sich ein Vertragspartner nicht rechtskonform verhalten werde, nimmt sie von der Vermietung der Fahrzeuge Abstand.“
Ob sie damit die gebotene Sorgfalt einhält, und was sie annehmen darf, ist aber eine Rechtsfrage.
3.2 Die Beklagte rügt, dass Feststellungen zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr unterlassen worden seien, weil der von ihr beantragte Zeuge nicht einvernommen worden sei.
Der Rekurs macht in diesem Zusammenhang aber nur geltend, welche Fragen zu welchen Themen gestellt worden wären. Er zeigt aber nicht auf, welche konkreten Feststellungen die Beklagte vermisst.
Ob der konkrete Kunde der Beklagten zukünftig noch einmal auf der Tankstelle der Beklagten parken wird, ist – wie bereits aufgezeigt – für die Frage der Wiederholungsgefahr unbeachtlich.
Sekundäre Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.
4. Soweit die Beklagte erstmals im Rekurs einen Irrtum ihres Kunden behauptet, handelt es sich um eine unzulässige Neuerung.
Dem Rekurs bleibt somit ein Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf die §§ 41 und 50 ZPO.