JudikaturLG für ZRS Wien

48R13/24b – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2024

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien fasst als Rekursgericht durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Julia Kömürcü-Spielbüchler und den Richter MMag. Stephan Klaus in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. A* B*, geboren **, 2. C* B*, geboren **, 3. D* B* , geboren ** und 4. E* B* , geboren **, wegen Obsorge und Kontaktrecht (hier: Verfahrenshilfe) über den Rekurs des Verfahrenshelfers Dr. Wendelin Moritz, Rechtsanwalt, **platz **, ** G*, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 3.11.2023, 80 Ps 4/23x-65, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass er lautet:

„Über Antrag des Verfahrenshelfers wird festgestellt, dass die mit Beschluss vom 25.11.2022 erfolgte Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshelfers mit Abschluss der Vergleichs vom 20.4.2023 im Verfahren 80 Ps 4/23x des Erstgerichts erloschen ist.“

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 62 Abs 2 Z 2 AußStrG).

Begründung:

Text

Am 12.9.2022 beantragte der anwaltlich vertretene Vater eine vorläufige Regelung des Kontaktrechts zu seinen vier Kindern. Am 9.11.2022 beantragte er, den Hauptaufenthaltsort der Kinder bei ihm festzulegen.

Mit Beschluss vom 25.11.2022 wurde der Mutter die Verfahrenshilfe „für das weitere Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren“ bewilligt und von der Rechtsanwaltskammer Wien Rechtsanwalt Dr. Wendelin Moritz als Verfahrenshelfer bestellt.

Am 10.2.2023 beantragte die Mutter, das Kontaktrecht zu regeln und ihr die alleinige Obsorge zu übertragen (ON 28).

Die Kinder- und Jugendhilfe sprach sich in ihrer Stellungnahme gegen unbegleitete Kontakte aus und empfahl Kontakte im Rahmen eines Besuchscafés.

Auf Grund einer Geschäftsverteilungsänderung mit 1.4.2023 änderte sich die Geschäftszahl des Pflegschaftsaktes von 29 Ps 164/22z auf 80 Ps 4/23x).

In der Tagsatzung vom 20.4.2023 (ON 40) schlossen die Eltern einen Vergleich mit unter anderem folgendem Inhalt: Bis einschließlich Juni 2023 sollten die Kontakte unter Besuchsbegleitung erfolgen, ab 1.7.2023 unbegleitet. Der Vater verpflichtete sich, seine Kontakte bis 1.8.2023 im Freien an öffentlichen Orten auszuüben. Zudem stimmten die Eltern einer Besuchsmittlung für die Dauer von vier Monaten ab dem 1.7.2023 zu. Weiters einigten sich die Eltern, dass ihnen weiterhin die gemeinsame Obsorge zukommt und die Kinder im Haushalt der Mutter betreut werden. Die Mutter verpflichtete sich, dem Vater wichtige Informationen über die Kinder im Anlassfall zu übermitteln.

Mit Beschluss vom 24.4.2023 wurde die Familiengerichtshilfe mit der Besuchsmittlung betraut. Gleichzeitig wurde die Kinder- und Jungendhilfe um Stellungnahme ersucht, ob die Vereinbarung der Eltern eine Gefahr für die Kinder begründet.

Am 25.5.2023 beantragte der Vater, die Mutter zu näher konkretisierten Auskünften zu verpflichten.

Die Kinder- und Jugendhilfe hielt in ihrer Stellungnahme fest, dass – sollten die begleiteten Kontakte positiv verlaufen – nichts gegen die Kontaktrechtsvereinbarung spreche. Auf Grund der „hochkonflikthaften Situation“ und einer bestehenden Einstweiligen Verfügung sei aber die gemeinsame Obsorge in Frage zu stellen.

Mit Beschluss vom 5.7.2023 wurde der Mutter aufgetragen, dem Vater mitzuteilen, welchen Kindergarten der minderjährige D* derzeit besuche und in welchen Kindergarten er wechseln wird. Der darüber hinausgehende Antrag des Vaters, die Mutter zu weiteren Informationen zu verpflichten, wurde abgewiesen (ON 50).

Der Verfahrenshelfer „ersuchte“ mit Schriftsatz vom 25.7.2023 (ON 51) „um gerichtliche Bestätigung“, dass die zu 29 Ps 164/22z bewilligte Verfahrenshilfe und seine Bestellung zum Verfahrenshelfer auf Grund der rechtskräftigen Beendigung des Obsorge- und Kontaktrechtsverfahrens endgültig erledigt sei und nicht für das Verfahren 80 Ps 4/23x gelte. Eventualiter stellte er den Antrag, die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der Beigebung eines Verfahrenshelfers für erloschen zu erklären, weil eine weitere Vertretung durch einen Rechtsanwalt auf Grund der Vereinbarung nicht mehr erforderlich sei. Für die Regelung von Informationsrechten sei ein Rechtsanwalt nicht erforderlich.

Die Mutter überreichte am 29.8.2023 ein selbst verfasstes Schreiben mit dem erkennbaren Antrag, das Kontaktrecht des Vaters auf ein begleitetes Kontaktrecht einzuschränken (ON 59).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Anträge des Verfahrenshelfers ab. Begründend führte es zusammengefasst aus, dass das Verfahren nicht durch Vereinbarung der Eltern beendet worden sei, weil die Erledigung einzelner Anträge nicht zum Abschluss des Pflegschaftsverfahrens führe. Dafür spreche auch, dass die Mutter einen neuen Antrag auf Kontaktrechtsregelung gestellt habe, bevor noch die Besuchsmittlung angeordnet werden konnte. Der Eventualantrag sei abzuweisen, weil der Verfahrenshelfer weder behauptet habe, dass sich die Vermögenslage der Mutter geändert habe, noch dass die weitere Rechtsverfolgung mutwillig oder aussichtslos sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Verfahrenshelfers mit dem erkennbaren Antrag, die bewilligte Verfahrenshilfe für erloschen zu erklären; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Beendigung des Verfahrens erlischt die Verfahrenshilfe ex lege (6 Ob 34/14i). Eines gerichtlichen Ausspruchs darüber bedarf es nicht. Ein solcher Ausspruch hätte auch nur deklarative Bedeutung (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 68 ZPO Rz 7 mwN aus der Judikatur; LG St. Pölten 23 R 83/22m; OLG Graz 4 R 158/22w [beide unveröffentlicht]).

Derartige deklarative Beschlüsse sind aber im Einzelfall aus Gründen der Rechtssicherheit zweckmäßig, bspw nach einer Klagsrückziehung (vgl 9 ObA 23/08k; RS0039652), Antragsrückziehung gemäß § 11 Abs 1 AußStrG (vgl Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG 2 § 11 Rz 56) oder im Fall der Unterbrechung gemäß § 158 ZPO ( Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5 , § 158 ZPO, Rz 4).

Auch die hier vom Erstgericht vorgenommene inhaltliche Erledigung des Antrages ist aus Gründen der Rechtssicherheit zweckmäßig. Es wird dadurch für sämtliche Verfahrensbeteiligte klargestellt, ob der Verfahrenshelfer in seiner Funktion noch wirksam vertreten kann und muss, oder ob dies in Folge der (zwischenzeitlichen) Beendigung des Verfahrens nicht mehr der Fall ist. Zu prüfen ist daher, ob das Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren, für das der Verfahrenshelfer bestellt wurde, mit der Vereinbarung vom 20.4.2023 beendet wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Bewilligung einer Teil-Verfahrenshilfe im Gesetz nur insoweit vorgesehen, als der Umfang der gesetzlich normierten Begünstigungen beschränkt werden kann; ansonsten wirkt die Verfahrenshilfe für das ganze Verfahren, für das sie beantragt wurde (RS0036177). Die Bewilligung der Verfahrenshilfe kann daher nicht auf bestimmte Prozesshandlungen oder Prozessabschnitte beschränkt werden (RS0036177 [T2]). Wird im Rahmen der Verfahrenshilfe die Beigebung eines Rechtsanwalts beantragt und ein solcher auch bestellt, so kann dies gemäß § 64 Abs 2 Satz 2 ZPO nur für alle im Zuge des weiteren Verfahrens zu setzenden Prozesshandlungen gelten, also auch für die Erhebung von Rechtsmitteln gegen alle noch anfechtbaren Entscheidungen (RS0036177 [T4]). Die Vertretung des Verfahrenshelfers erstreckt sich – auch bei unklarer oder missverständlicher Formulierung – stets auf das gesamte (weitere) Verfahren; eine Beschränkung auf einzelne Verfahrensabschnitte ist gesetzlich nicht zulässig (RS0036177 [T5]). Diese Rechtsprechung ist auch auf Außerstreitverfahren anzuwenden (6 Ob 153/17v).

Im Erwachsenenschutzverfahren kann es nicht nur einen einzigen Verfahrensgegenstand geben, sondern es kann vorkommen, dass das Gericht im Laufe des Verfahrens zahlreiche völlig verschiedene Fragen zu behandeln hat. In diesem Fall kann nicht angenommen werden, dass die Bewilligung der Verfahrenshilfe alle in Zukunft vielleicht noch auftretenden Fragen erfasst. Vielmehr erfasst sie nur den jeweiligen Verfahrensgegenstand (zB Beendigung der Sachwalterschaft, Genehmigung eines Kaufvertrags); nur insoweit handelt es sich im Sinne der Verfahrenshilfe um ein „Verfahren“, auf das sich die Bewilligung der Verfahrenshilfe unteilbar erstreckt (RS0036177 [T8]).

Diese Grundsätze sind auch auf das Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren anzuwenden, in dem im zeitlichen Ablauf mehrere Verfahrensgegenstände auftreten können.

Gemäß § 109 Abs 1 AußStrG hat das Gericht über Vereinbarungen über die persönlichen Kontakte eine Niederschrift aufzunehmen. Soweit dadurch der Verfahrensgegenstand inhaltlich erledigt wurde, ist das Verfahren ohne weiteres beendet. Diese Bestimmung bringt das Bestreben des Gesetzgebers, einverständlichen Regelungen der Eltern nach Möglichkeit den Vorzug zu geben, zum Ausdruck (vgl Beck in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG² § 109 AußStrG Rz 2; EFSlg 152.172).

Im vorliegenden Fall haben die Eltern mit ihrer Vereinbarung, die keine vorläufige, sondern endgültige Regelung beinhaltete, sämtliche zum damaligen Zeitpunkt offenen Anträge erledigt. Auf Grund der klaren gesetzlichen Anordnung des § 109 Abs 1 AußStrG wurde damit das Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren beendet. Mit diesem Zeitpunkt ist die Verfahrenshilfe ex lege erloschen. Dass die Eltern danach weitere Anträge stellten, kann an diesem Umstand nichts ändern, sondern wird dadurch ein neuer Verfahrensgegenstand eingeleitet.

Über Antrag des Verfahrenshelfers war daher mit deklarativem Beschluss auszusprechen, dass die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshelfers mit Abschluss der Vereinbarung erloschen ist.

Der Rekurs erweist sich daher als berechtigt.

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