JudikaturLG für ZRS Wien

34R151/23t – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2023

Kopf

Das Landesgericht für ZRS Wien als Rekursgericht fasst durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Romana Fritz und Dr. Kömürcü-Spielbüchler in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. M*** K*** und 2. G*** K*** , beide L***gasse **, **** F***, beide vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. H*** R*** und 2. T*** R*** , beide I***gasse **, **** F***, beide vertreten durch Dr. Andreas Biel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Besitzstörung, infolge Rekurses der Beklagten gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 26.7.2023, 5 C 617/22z-8, in nichtöffentlicher Sitzung den

E n d b e s c h l u s s

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien deren mit 386,87 Euro bestimmte Kosten des Rekursverfahrens (darin 64,48 Euro USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO).

B e g r ü n d u n g :

Text

Die Liegenschaften der Streitteile befinden sich auf dem Gelände einer ehemaligen Kleingartensiedlung. Zur Erschließung der Liegenschaften an das öffentliche Straßennetz führt ein als „ Aufschließungsweg “ bezeichneter gepflasterter Weg über das Gelände. Dieser führt zunächst über drei Liegenschaften der Zweitklägerin und eine des Erstklägers. Am Ende des gepflasterten Wegs liegt die Liegenschaft der Beklagten. Dort schließt an den „Aufschließungsweg“ ein weiterer Weg an („ Servitutsweg “). Er verbindet den „Aufschließungsweg“ mit einer (weiteren) öffentlichen Straße.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien wurden die Eigentümer der den „ Aufschließungsweg “ bildenden Grundstücke (ua die Kläger) verpflichtet, auf diesen den Durchgang zu dulden. Die Kläger wiederum haben hinsichtlich des „ Servitutswegs “ ein Durchgangsrecht.

Im Herbst 2022 veranlassten die Beklagten auf ihrem Grundstück Bauarbeiten. Beginnend mit 26.9.2022 bis zumindest zum 3.10.2022 stellte eine Baufirma, die im Auftrag der Beklagten handelte, ein Baustellen-WC direkt am Beginn des „Servitutwegs“ auf; dadurch wurde der Zugang auf den „Servitutsweg“ verhindert.

Am 28.9.2022 führte eine Baufirma Betonringe auf Holzpaletten mittels handbetriebener Palettenhubwagen über den „Aufschließungsweg“ und damit auch über die Grundstücke der Kläger.

Mit der am 18.10.2022 eingebrachten Besitzstörungsklage begehrten die Kläger die Feststellung, die Beklagten hätten 1. dadurch, dass sie es zuließen, dass seit 26.9.2022 ein Baustellen-WC und seit 28.9.2022 Betonringe mit einem Wagerl über die Grundstücke der Kläger geschoben wurden, den ruhigen Besitz der Kläger an diesen Grundstücken und 2. dadurch, dass sie es zuließen, dass von ihnen beauftragte Firmen/Arbeiter auf näher bezeichneten Grundstücken (nämlich vor dem „Servitutsweg“) ein Baustellen-WC und Betonringe abstellten, den ruhigen Besitz der Kläger an ihrem Recht, über diese Grundstücke zu gehen und auch auf den dahinter liegenden Servitutsweg zu kommen, gestört. Sie begehrten die Wiederherstellung des früheren Zustandes sowie die Verpflichtung der Beklagten, hinkünftig derartige Störungen zu unterlassen. Die Kläger beriefen sich erkennbar einerseits auf ihren Sachbesitz an den Grundstücken, über die der „Aufschließungsweg“ führt, auf dem sie zwar das Gehen, nicht aber das Fahren oder Schieben eines Fahrrads oder die Benützung des Wegs mit einer Scheibtruhe zu dulden hätten. Andererseits bezogen sie sich auf ihr Recht, den „Servitutsweg“ zu begehen, der durch das abgestellte Baustellen-WC nicht mehr benützbar gewesen sei.

Die Beklagten wendeten die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil die Durchsetzung des Gemeingebrauchs nur vor den Verwaltungsbehörden erfolge. Jedenfalls sei von den Klägern auch die Zufahrt zu Anlieferungszwecken sowie das Schieben von Transportwagerln zu dulden. Schließlich wendeten sie – soweit im Rekursverfahren noch relevant – schikanöse Klagsführung ein, weil die Störung so geringfügig gewesen sei, dass den Klägern daraus vernünftigerweise kein Nachteil erwachsen habe können.

Mit dem angefochtenen Endbeschluss stellte das Erstgericht die Besitzstörungen antragsgemäß fest, erkannte die Beklagten schuldig, künftig derartige Störungen zu unterlassen und wies das Wiederherstellungsbegehren – unbekämpft – ab.

In rechtlicher Hinsicht erörterte es, dass es sich beim gepflasterten Teil des Wegs, um einen Aufschließungsweg iSd § 16 Abs 3 BO für Wien handle. Ein solcher Aufschließungsweg sei nach der Judikatur des VwGH eine öffentliche Verkehrsfläche, die allerdings auf Grund der Breite nicht zum Befahren bestimmt sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entscheide die Verwaltungsbehörde über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch öffentlicher Wege, unter Ausschluss des Rechtsweges auch dann, wenn der Grund, über den der Weg verläuft, in Privateigentum stehe (RIS-Justiz RS0029753). Die Kläger aber stützten ihr Begehren auf die Durchsetzung ihrer Privatrechte an ihren Grundstücken, nämlich, dass sie als Eigentümer lediglich zur Duldung des Gehens verpflichtet seien. Eine darüber hinausgehende Benützung des Weges, insbesondere der Transport von Baumaterialien, sei nicht vom Gemeingebrauch umfasst und könne daher von den Klägern im zivilrechtlichen Wege bekämpft werden. Zu prüfen sei daher, ob die Beklagten in den letzten ruhigen Besitz der Kläger eingegriffen hätten. Die Benützung des über die Grundstücke der Kläger führenden Weges zum Transport und von schweren Baumaterialien entspreche nicht dem Gemeingebrauch. Die Aufrechterhaltung des ruhigen Besitzes sei an der zu erwartenden Benützung zu messen. Der Transport der Kanalringe und insbesondere das tagelange Aufstellen eines Mobil-WCs stelle keine unbeachtliche Handlung dar, weshalb die Klagsführung nicht schikanös sei.

Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten . Sie streben eine Klagsabweisung an; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten tragen vor, es handle sich bei dem Weg um einen Aufschließungsweg im Sinne des § 16 Abs 3 BO für Wien und damit um eine öffentliche Verkehrsfläche. Auf dieser sei unabhängig davon, wer Eigentümer sei, der Gemeingebrauch zu dulden. Der Gemeingebrauch sei eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit, die bewirke, dass der Eigentümer den Gebrauch dieser Sache durch jedermann nicht hindern könne, sofern sich dieser im Rahmen des Gemeingebrauchs halte (RS0009781). In seiner Entscheidung 3 Ob 183/03p habe der OGH ua ausgeführt, es sei „ den Bewohnern eines Gartensiedlungsgebietes nicht zumutbar, etwa Lebensmittel, Haushaltsgegenstände, Brennstoffe und Baumaterialien vom Ende der öffentlichen Straße zu ihrer Liegenschaft zu tragen oder mit Trägern dorthin befördern zu lassen.“ […]. Da Anrainer auf Aufschließungswegen – gleichviel welcher Art – den öffentlichen Verkehr zu dulden haben, kann die „Befahrbarkeit“ mit PKW nicht auf Aufschließungswege, die mindestens sechs Meter breit sind, beschränkt sein“. Die baurechtliche Regelung im § 16 Abs 3 BO unterscheide bei Aufschließungswegen zwischen begehbaren und befahrbaren Aufschließungswegen. Der Unterschied liege im Wesentlichen in ihrer Breite. Da es hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht auf ungestörte Ausübung eines bestehenden Gemeingebrauchs handle, sei die Durchsetzung nicht von den Gerichten, sondern nur von den Verwaltungsbehörden zu entscheiden. Es liege daher Unzulässigkeit des Rechtswegs vor. Im Übrigen sei die Klagsführung schikanös.

Dazu wurde erwogen :

Zunächst ist festzuhalten, dass die Kläger zwei verschiedene Besitzstörungen geltend machen. Einmal berufen sie sich auf den Sachbesitz bezüglich ihrer Grundstücke, über die der „Aufschließungsweg“ führt; diesen Sachbesitz hätten die Beklagten dadurch gestört, dass sie schwere Gegenstände mit einem Wagerl über ihre Grundstücke geführt hätten. Zum anderen erachten sie sich in ihrem Rechtsbesitz am Durchgangsrecht bezüglich des Servitutswegs durch das Abstellen eines Baustellen-WC sowie von Betonringe gestört.

Zur Störung des Sachbesitzes ist auszuführen, dass das Erstgericht den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs zu Recht verworfen hat. Der Rechtsweg ist zulässig, wenn ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch erhoben wird und die Entscheidung darüber nicht durch Gesetz ausdrücklich an eine andere Behörde verwiesen wurde (RS0045438 [T2]; RS0045584 [T32]). Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind der Wortlaut des Klagebegehrens und die Klagebehauptungen maßgebend , also die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs. Von ausschlaggebender Bedeutung dafür ist der geltend gemachte Rechtsgrund (RS0045584; RS0005896; RS0045718; RS0045644). Unerheblich sind hingegen die Einwendungen des Beklagten; dies insbesondere auch dann, wenn er dem erhobenen Anspruch mit einer Einwendung, der ein öffentlich-rechtlicher Titel zugrunde liegt, entgegentritt (RS0012079 [T7]; RS0045584 [T35] uva). In der Klage wird ausschließlich die Störung von Besitzrechten geltend gemacht. Für die Abwehr behaupteter Eingriffe in Besitzrechte, und seien es an Sachen, an denen Gemeingebrauch besteht, steht dem Beschwerten unabhängig davon, was der Beklagte einwendet, der Rechtsweg offen (vgl Helmich in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.05 § 287 Rz 28; Ballon/Fucik/Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 1 JN Rz 171; Holzner in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 287 Rz 6; RS0010864; LGZ Wien, 36 R 22/18d).

In der Sache selbst argumentierten die Beklagten, dass die „Befahrbarkeit“ von Aufschließungswegen nicht auf solche beschränkt sei, die mindestens sechs Meter breit seien. Jedenfalls aber sei der Begriff der „Begehbarkeit“ vor dem Hintergrund der Bauordnung derart auszulegen, dass vom „Durchgang“ auch Tätigkeiten erfasst seien, die mit der Fortbewegung von Personen oder dem Transport von Sachen im unmittelbaren Zusammenhang stünden.

Die Rekurswerber übersehen, dass das Besitzstörungsverfahren auf die Erörterung und den Beweis des letzten Besitzstands und der erfolgten Störung zu beschränken ist (§ 457 ZPO; Kodek in Fasching/Konecny 3 § 457 ZPO Rz 4). Es kommt daher nicht darauf an, in welchem Umfang die Kläger zur Duldung der Benützung ihrer Liegenschaften verpflichtet wurden. Maßgeblich ist vielmehr der letzte (ruhige) Besitzstand der Kläger, also im welchem Umfang sie die Benützung ihrer Liegenschaft tatsächlich geduldet haben. Dieser letzte Besitzstand ergibt sich insbesondere aus der Feststellung, wonach die Kläger ihre Rechtsauffassung, dass der über ihre Grundstücke führende Weg nur „begangen“ werden dürfe, regelmäßig durch Besitzstörungsklagen durchzusetzen versuchen, zuletzt in dem sie eine Anrainerin klagten, die eine Küchenarbeitsplatte auf einem Transportwagen anliefern ließ (Beschlussausfertigung Seite 11). Ob die Kläger mit dieser ihrer Besitzausübung den durch Bescheid eingeräumten Gemeingebrauch beeinträchtigen, ist im Besitzstörungsverfahren schon deshalb nicht zu prüfen, weil es in diesem auf die Rechtmäßigkeit des Besitzes nicht ankommt; auch der unrechtmäßige Besitz genießt possessorischen Schutz ( Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 339 ABGB Rz 45); im Übrigen ist über Eingriffe in den Gemeingebrauch ausschließlich im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden (RS0029753).

Ausgehend von dem dargestellten letzten ruhigen Besitzstand, wonach die Kläger zwar die Ausübung des Gehrechts (vgl dazu RS0011742; Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 493 R7 6f) duldeten, nicht aber eine darüber hinausgehende Benützung ihrer Grundstücke, liegt im Transport von Betonringen mittels handbetriebener Palettenhubwagen eine Beeinträchtigung ihrer Sachherrschaft.

Den Beklagten ist zwar einzuräumen, dass die Intensität des vorliegenden Eingriffs im Vergleich zu dem geduldeten Schieben eines Kinderwagens bzw der Benützung einer Transportrodel nicht sehr viel größer ist; allerdings darf bei der Prüfung, ob die Geltendmachung von Besitzstörungsansprüchen gegen das Schikaneverbot verstößt, kein zu großzügiger Maßstab angelegt werden. Dieser Einwand ist im Besitzstörungsverfahren (nur) dort zulässig, wo ein Eingriff vorliegt, den kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet ( Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 339 Rz 87; Anzenberger in Schwimann/Kodek , ABGB 5 § 339 Rz 24; MietSlg 70.013, EFSlg 108.005 uva). Denn es muss vermieden werden, das Recht auf Besitzschutz zu entkleiden (vgl Kodek , Besitstörung 592f). Dazu würde es aber kommen, würde man den Klägern im Falle der Benützung des über ihre Grundstücke führenden „Aufschließungswegs“ mit Hubwagen jeglichen Besitzschutz verwehren. Daher wurde im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Sachbesitz der Kläger von diesem Gericht bereits ausgesprochen, dass die Erhebung einer Besitzstörungsklage wegen des Befahrens der Grundstücke mit einem „Transportjapaner“ nicht schikanös ist (LGZ Wien, 63 R 60/18s).

Nach Auffassung der Beklagten sei den Klägern auch durch das Abstellen des Baustellen-WC bzw der Betonringe auf dem „Servitutsweg“ kein Nachteil entstanden; daher sei die Klagsführung auch diesbezüglich schikanös. Sie berufen sich offenkundig auf die Feststellung, dass der Weg „stark verwachsen“ sei (BA Seite 10).

Dem ist zu entgegnen, dass die Benützung jenes Weges, bezüglich dessen die Kläger ein Durchgangsrecht ausüben, durch das Aufstellen des Baustellen-WC nicht bloß geringfügig beeinträchtigt wurde; vielmehr war dadurch der Zugang auf den Servitutsweg über mehrere Tage (26.9. bis 3.10.2022) gehindert (BA Seite 11). Damit handelte es sich nicht mehr um einen bloß geringfügigen Eingriff, sondern um die Verhinderung der Ausübung eines Rechtsbesitzes. Der Einwand der Schikane geht ins Leere.

Insgesamt war dem Rekurs daher kein Erfolg beschieden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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