JudikaturLG für ZRS Wien

36R45/22t – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
30. August 2022

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht hat durch den Richter VPräs. Mag. Peter Weiß als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Martin Weiländer und die Richterin Mag. Daniela Digruber in der Rechtssache der klagenden Partei *****, ***** Wien, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gulner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wider die beklagte Partei ***** Linien GmbH Co KG, ***** Wien, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, wegen EUR 1.875,- s.A. infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 14.12.2021, GZ 27 C 340/20g-18, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit EUR 349,46 (darin enthalten EUR 58,24 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die beklagte Partei betreibt das Verkehrsunternehmen ***** Linien. Ihre einzige Komplementärin ist die ***** Linien GmbH, deren einzige Gesellschafterin die ***** Stadtwerke GmbH ist, die wiederum die einzige Kommanditistin der beklagten Partei ist. Die ***** Stadtwerke GmbH steht zur Gänze im Eigentum der Stadt *****. Die beklagte Partei bietet für Studierende ein Semesterticket an, welches nur in der Kernzone gültig ist und jeweils für ein Studiensemester gilt. Der Preis dieses Tickets beträgt für Studierende mit Hauptwohnsitz in Wien EUR 75,-, während alle anderen Studierenden dafür EUR 150,- bezahlen müssen. *****, ein deutscher Staatsbürger, hat Semestertickets für das Sommersemester 2019 und das Studienjahr 2019/20 erworben. *****, ebenfalls deutsche Staatsbürgerin, kaufte ein Semesterticket für das Wintersemester 2019/20. *****, ein österreichischer Staatsbürger, erwarb ein Semesterticket für das Sommersemester 2020. Alle 3 Personen halten sich ständig in Wien auf und haben für ein Semesterticket jeweils EUR 150,- bezahlt. Sie haben ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei aus der Benachteiligung bei der Höhe des Ticketpreises gegenüber Studierenden mit Hauptwohnsitz in Wien an die klagende Partei abgetreten. Im Jahr 2018/19 waren ca. 28 % der Studierenden österreichischer Universitäten ausländischer Herkunft. 2013 gab es in Österreich 286.001 reine Nebenwohnsitzmeldungen, wobei es sich um Personen mit Hauptwohnsitz im Ausland handelt. Diese Zahl war schon damals im Ansteigen. Die meisten reinen Nebenwohnsitze, nämlich 68.600, wurden in Wien gemeldet. 84 % der Personen, die in Österreich nur einen Nebenwohnsitz haben, sind keine österreichischen Staatsangehörigen. Studierende aus dem Ausland begründen oft nur einen Nebenwohnsitz in Österreich.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von EUR 1.875,- samt Anhang und brachte zusammengefasst und soweit im Berufungsverfahren relevant vor, dass die gegenständlichen Ansprüche wirksam an sie abgetreten worden seien. Das einzige Unterscheidungsmerkmal für den unterschiedlichen Preis des Semestertickets sei, ob der Hauptwohnsitz in Wien liege. Dies sei kein gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung und stelle eine mittelbare Diskriminierung dar, weil das Kriterium besonders geeignet sei, Personen mit anderer Staatsbürgerschaft bzw. anderer ethnischer Zugehörigkeit zu diskriminieren. Diese Fahrpreisgestaltung verstoße insbesondere gegen Art 7 B-VG, Art 18 AEUV und §§ 31 ff GlBG. Daraus resultiere eine Teilnichtigkeit der Beförderungsverträge, wobei die beklagte Partei um die Preisdifferenz bereichert sei. Die rechtsgrundlosen Zahlungen stellten für die Zedenten einen Vermögensschaden dar. Weiters werde für jeden Verstoß gegen das GlBG bei jedem Ticketerwerb ein Betrag von EUR 300,- gemäß §§ 31 ff GlBG für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend gemacht. Die mittelbare Diskriminierung aufgrund der Herkunft stelle eine Beeinträchtigung der Würde der Zedenten dar. In Art 6 Abs 3 B-VG und § 1 Abs 7 MeldeG werde ausdrücklich ein Wahlrecht für den Hauptwohnsitz vorgesehen. Die Ausübung dieses Wahlrechts könne kein Mitverschulden im Sinn des § 1304 ABGB begründen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst und soweit im Berufungsverfahren relevant ein, dass es sich bei den Ansprüchen nach dem GlBG um höchstpersönliche Rechte handle, die nicht abgetreten werden könnten. Die Tarifgestaltung beruhe auf von der ethnischen Zugehörigkeit der Studierenden unabhängigen Erwägungen. Sie ziele auch nicht auf eine ungleiche Behandlung von Personen anderer Herkunft als aus Österreich oder Wien ab. Die Preisstaffelung betreffe auch österreichische Studierende. Jede in Österreich aufenthaltsberechtigte Person könne ihren Hauptwohnsitz in Wien begründen. Personen, die keinen Lebensmittelpunkt in Wien hätten, würden dort weder Gebühren noch sonstige Gemeindeabgaben bezahlen, noch im Finanzausgleich zugunsten von Wien als Einwohner der Stadt gezählt werden. Auch in anderen Landeshauptstädten würden vergleichbare Modelle existieren. Personen, die ihren Hauptwohnsitz in Niederösterreich hätten und in Wien studieren würden, hätten nach dem NÖ Jugendgesetz Anspruch auf Förderung ihrer Fahrtkosten zum Studienort, der selbst dann bestehe, wenn der Studierende in Wien einen weiteren Lebensmittelpunkt hätte.

Mit der angefochtenen Entscheidung verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung von jeweils EUR 1.875,- samt Anhang, wobei es von den oben wiedergegebenen Feststellungen ausging. Rechtlich folgerte es, dass es sich aufgrund der Rechtsprechung des VwGH zum B-GBGB bei Ansprüchen nach §§ 31 ff GlBG um keine höchstpersönlichen Rechte handle. Aufgrund der vorgelegten Daten der Statistik Austria sei es kein Einzelfall, dass Studierende mit ausländischer Herkunft keinen Hauptwohnsitz in Wien hätten. Da somit das scheinbar neutrale Kriterium des Hauptwohnsitzes besonders geeignet sei, Personen mit anderer Staatsbürgerschaft oder anderer ethnischer Zugehörigkeit zu diskriminieren, liege eine mittelbare Diskriminierung nach § 32 GlBG vor. Die Möglichkeit einen Hauptwohnsitz in Wien begründen zu können, sei für die Beurteilung der gegenständlichen Frage aufgrund des freien Wahlrechts des Wohnsitzes irrelevant. Auch könne die Anwendung einer ähnlichen Preisstaffelung in anderen Städten nicht zu einer sachlichen Rechtfertigung der gegenständlichen Ungleichbehandlung führen. Nach der Rechtsprechung des EuGH werde das Argument der Kohärenz des Steuersystems nicht anerkannt, weil kein Zusammenhang zwischen irgendeiner Besteuerung und der Anwendung von Vorzugstarifen bestehe. Es bestehe kein Konnex zwischen der Tarifvergünstigung und der Einhebung von Abgaben und Steuern. Es fehle somit an einer vertretbaren sachlichen Rechtfertigung der vorliegenden Ungleichbehandlung, weshalb den Klägern der Schaden im Ausmaß der Preisdifferenz und des geltend gemachten angemessenen immateriellen Schadens zu ersetzen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Eventualiter stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

In ihrer Rechtsrüge bekämpft die Berufungswerberin zunächst die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass es sich bei den Ansprüchen nach §§ 31 ff GlBG nicht um höchstpersönliche und damit um zedierbare Ansprüche handeln würde. Der OGH habe judiziert, dass Entschädigungsansprüche für erlittene Kränkungen nach dem MedienG höchstpersönlich und daher nicht abtretbar seien. Dies müsse auch für die gegenständlichen Entschädigungsansprüche gelten. Auch aus § 38 Abs 1 GlBG sei abzuleiten, dass die Ansprüche nur der betroffenen Person zustehen würden, da diese zivilverfahrensrechtlich privilegiert sei. Durch die Forderungsabtretung mache nunmehr eine nicht kränkbare juristische Person einen höchstpersönlichen Anspruch geltend.

Diesbezüglich und auch hinsichtlich der weiteren Ausführungen in der Berufung kann auf die umfassende und zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts verwiesen werden, wogegen die Berufung nicht in der Lage ist stichhaltige Argumente ins Treffen zu führen (§ 500a ZPO). Ergänzend ist auszuführen, dass sich das Berufungsgericht der Beurteilung des VwGH hinsichtlich der Ansprüche aus dem BGBG als nicht höchstpersönlich anschließt. Das BGBG unterscheidet sich inhaltlich vom GlBG lediglich durch den Anwendungsbereich auf Bedienstete des Bundes. Höchstpersönlich ist ein Anspruch, wenn sein Inhalt durch die Person des Berechtigten bestimmt wird, sodass durch den Wechsel dieser Person auch der Leistungsinhalt selbst eine Veränderung erfahren würde, wie etwa bei Arbeitsverträgen und Unterhaltsansprüchen (RIS-Justiz RS0032673). Dies trifft auf die Ansprüche nach § 38 GlBG nicht zu. Die von der Berufungswerberin herangezogene Entscheidung des OGH zu 1 Ob 194/98f erging zum MedienG. Im selbstständigen Entschädigungsverfahren gemäß § 8a MedienG gelten, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Verfahrenshilfe, die Bestimmungen für das strafgerichtliche Verfahren aufgrund einer Privatanklage dem Sinne nach. Das Recht zur Privatanklage ist ein höchstpersönliches Recht. Somit liegt es nahe, das Recht, eine Entschädigung wegen erlittener Kränkung nach dem MedienG zu begehren, dem Privatanklagerecht bei Verletzung der Ehre einer Person gleichzustellen. Darüber hinaus war in der zitierten Entscheidung lediglich ein Amtshaftungsanspruch und somit das Vorliegen einer vertretbaren Rechtsansicht des entscheidenden Gerichts zu prüfen. Diese Ausführungen des OGH sind somit nicht auf den gegenständlichen Fall anwendbar. Dafür, dass die Ansprüche nach § 38 GlBG nicht höchstpersönlich sind, spricht auch die Entscheidung 6 Ob 247/08d, in der immaterielle Schadenersatzansprüche nach § 33 Abs 1 DSG als abtretbar beurteilt wurden.

Die Berufungswerberin führt weiter aus, dass keine mittelbare Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit vorliege. Adressaten der Diskriminierung wären dabei Personen, die als fremd wahrgenommen würden. Die Materialien und Gesetze dazu würden sich auf Unterscheidungsmerkmale beziehen, die sich aufgrund der Religion, Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Kultur, Weltanschauungen oder sexueller Orientierung ergeben würden. Nach der Rechtsprechung des EuGH beruhe die ethnische Herkunft auf einem Bündel von Indizien, von denen einige objektiv und andere subjektiv seien. Das Geburtsland für sich genommen könne keine allgemeine Vermutung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe begründen. Eine Ungleichbehandlung allein aufgrund des Geburtslands einer Person ohne Vorliegen eines anderen Merkmals reiche nicht aus, um den Vorwurf der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft zu stützen. Somit könne eine Diskriminierung wegen der ethnischen Zugehörigkeit von einem Studenten mit Hauptwohnsitz in Niederösterreich ausschließlich wegen der Wohnsitzbegründung in Niederösterreich nicht vorliegen. Darüber hinaus sei die Hauptwohnsitzbegründung kein ethnisches Merkmal einer Person. Auch die Staatsbürgerschaft als alleiniges Merkmal lasse nicht auf eine ethnische Gruppierung schließen. Die Tarifgestaltung bei der beklagten Partei beruhe auf von der ethnischen Zugehörigkeit bzw. von der Staatsbürgerschaft der Studierenden völlig unabhängigen Erwägungen.

§ 31 Abs 1 GlBG normiert, dass auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, oder der ethnischen Zugehörigkeit niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden darf. Nach Absatz 3 dieser Norm darf darüber hinaus auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, bei sozialen Vergünstigungen und bei der Bildung niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Adressat/inn/en der Diskriminierung sind Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie auf Grund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden. Eine unterschiedliche Behandlung knüpft überwiegend an Unterschiede an, die auf Grund von Abstammungs- oder Zugehörigkeitsmythen als natürlich angesehen werden und die die betroffenen Personen nicht ändern können. Häufige Erscheinungsformen sind Diskriminierungen wegen der Hautfarbe und anderer äußerer Merkmale sowie wegen einer als fremd angesehenen Muttersprache. Auch bei Ethnien handelt es sich um „imaginierte Gemeinschaften“, die durch Bekenntnis oder Fremdzuschreibung entstehen können und sich nicht allein auf biologische oder sonstige tatsächliche Unterscheidungen stützen können. Die Unterscheidung bezieht sich auf Gemeinsamkeiten von Menschen, die sich auf Grund ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion, Sprache, Kultur oder Sitten ergeben. Im Rahmen der parlamentarischen Behandlung des GlBG-Entwurfs wurde die generelle Ersetzung des Begriffs „Rasse und ethnische Herkunft“ durch „ethnische Zugehörigkeit“ beschlossen, womit jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers keine Einschränkung des Anwendungsbereichs gegenüber der RL verbunden ist, sondern ausschließlich der im dt. Sprachgebrauch verpönte Begriff „Rasse“ entfallen soll. Trotz dieser sprachlichen Veränderung ist der im GlBG verwendete Begriff „ethnische Zugehörigkeit“ iSd AntirassismusRL und der oa internationalen Übereinkommen weit auszulegen, sodass sämtliche Bereiche dessen, was unter „Rasse“ und/oder „ethnischer Herkunft“ verstanden wird, vom GlBG erfasst werden. Diese weite Sichtweise wird auch dadurch bestärkt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz unabhängig davon gilt, ob der Umstand, auf Grund dessen die Diskriminierung erfolgt (zB Rasse oder ethnische Herkunft etc) tatsächlich vorliegt oder nur vermutet wird. Ein Schreiben, in dem der AG einen beleidigenden Bezug zur Nationalität der AN herstellt („ihr Jugoslawen“), ist ein mit der ethnischen Zugehörigkeit im Zusammenhang stehendes unerwünschtes und unangebrachtes Verhalten, das die persönliche Würde objektiv verletzt. Ebenso auf die ethnische Zugehörigkeit sind herabsetzende und beleidigende Äußerungen unter Bezugnahme auf die polnische Herkunft der AN zurückzuführen (Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG 2 (2021) § 17 Rz 15). Die Anordnung in § 31 Abs 4 idF BGBl I 2011/7, die das Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeit die Vorschriften bzw. die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen oder staatenlosen Personen in Österreich unberührt lässt, wurde unverändert aus der Vorgängerregelung in ex-§ 31 Abs 2 idF BGBl I 2008/98 übernommen. § 31 Abs 4, der § 17 Abs 2 nachgebildet ist, stellt klar, dass eine auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung nicht untersagt ist, sofern diese aus sachlichen Gründen erfolgt und nicht, um zB eine rassistische Vorgangsweise zu verfolgen. Diese Regelung stellt somit keinen Rechtfertigungsgrund für ethnische Diskriminierungen in den im § 31 Abs 1 und 3 aufgezählten Bereichen dar. Das Diskriminierungsverbot gilt auch für Drittstaatsangehörige. Somit darf niemand unter Hinweis auf eine andere Staatsbürgerschaft aus dem Grund der ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden. (Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG 2 (2021) § 31 Rz 13) Unter Anwendung dieses weiten Begriffs der ethnischen Zugehörigkeit können im Ergebnis auch deutsche Staatsbürger und Niederösterreicher ohne Hauptwohnsitz in Wien gegenüber Personen, die ihren Hauptwohnsitz in Wien haben, Ziel einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund einer ethnischen Zugehörigkeit sein.

Zur sachlichen Rechtfertigung führt die Berufungswerberin aus, dass die vorliegenden Tarifbestimmungen für Studenten auf objektiven Erwägungen beruhen würden. Ziel sei es Personen bzw. Personengruppen zu unterstützen, die ihren Lebensmittelpunkt in jenem Gebiet haben, in dem das Verkehrsunternehmen seine Leistung erbringt. Personen jeglicher ethnischer Herkunft könnten ihren Hauptwohnsitz in Wien begründen. Bezüglich der Befreiung von Rundfunkgebühren habe der VwGH bereits eine Diskriminierung verneint.

Diesbezüglich kann ergänzend zur zutreffenden Begründung des Erstgerichts auf die Entscheidung des EuGH zu C-75/11 verwiesen werden. Dort war Gegenstand die Ausgabe ermäßigter Semestertickets an Studierende auf der Grundlage von Finanzierungsvereinbarungen zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, den jeweiligen regionalen Gebietskörperschaften und den betreffenden Beförderungsunternehmen. Der Europäische Gerichtshof sprach aus, dass die in einigen Bundesländern vorgesehene Bindung der Fahrpreisermäßigungen an den Bezug österreichischer Familienbeihilfen eine Ungleichbehandlung zwischen österreichischen Studenten, die ihr Studium in Österreich absolvieren, und Studenten aus anderen Mitgliedstaaten, die dort ebenfalls ihrem Studium nachgehen, bewirkt, weil eine solche Bedingung von österreichischen Studenten, da ihre Eltern diese Beihilfen in der Regel beziehen, leichter erfüllt werden kann. Diese Regelung wurde somit als nicht objektiv gerechtfertigt beurteilt.

Im gegenständlichen Verfahren begründet die beklagte Partei die Begünstigung als soziale Unterstützung für Personen mit Hauptwohnsitz in Wien. Wendet man die in der zitierten Entscheidung getroffenen Schlüsse darauf an, kann auch hier nicht von einer sachlichen Rechtfertigung gesprochen werden. Weiters ist den Ausführungen der Berufungswerberin entgegenzuhalten, dass zwar nach der Entscheidung VfSlg 15.850/2001 ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wurde, gesetzliche Regelungen aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes doch einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen. In der herangezogenen Entscheidung ging es um eine Ausnahmebestimmung für landwirtschaftliche Wohnbauten, wobei die besondere wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft ein maßgebliches Kriterium war. Wenn die Berufungswerberin davon ausgeht, dass lediglich Personen bzw. Personengruppen unterstützt werden sollten, die ihren Lebensmittelpunkt in Wien haben, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Argumentation die freie Wahl zur Hauptwohnsitzbestimmung entgegensteht. Die Ausführungen der beklagten Partei, dass die betroffenen Personen ja jedenfalls einen Hauptwohnsitz in Wien melden könnten, gehen somit ins Leere. Auch wenn die Stadt Wien im Rahmen der Selbstverwaltung Maßnahmen setzen darf, ist sie dabei an die oben angeführten Kriterien gebunden und darf keine mittelbar diskriminierenden Maßnahmen setzen. Schließlich kann auch die Entscheidung des OGH zu 10 ObS 396/01k nicht zum Vorteil der Berufungswerberin herangezogen werden, da darin nur ausgesprochen wurde, dass eine sachliche Rechtfertigung gegeben ist, solange die Bestimmung nicht exzessiv ist. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dies aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen, dass es einen sehr hohen Anteil an Studenten ohne Hauptwohnsitz in Wien gibt, weshalb die gegenständliche Einschränkung der Berechtigung zum Bezug eines Semestertickets diese Grenze überschreitet.

Die Berufungswerberin moniert weiters, dass das Erstgericht zur Tarifgestaltung keine Feststellungen getroffen habe. Es hätte feststellen müssen, dass die Tarifgestaltung auf von der ethnischen Zugehörigkeit der Studierenden unabhängigen Erwägungen beruht und Studierende jeglicher Staatsangehörigkeit das Semesterticket um EUR 150,- kaufen können.

Die Frage, ob die Tarifgestaltung auf von der ethnischen Zugehörigkeit der Studierenden unabhängigen Erwägungen beruht, ist eine rechtliche Wertung, somit einer Feststellung nicht zugänglich. Dass Studierende das Semesterticket um EUR 150,- kaufen können, wurde festgestellt, wobei sich aus den Feststellungen keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Staatsangehörigkeit ergibt. Auf welchen Erwägungen die Tarifgestaltung der beklagten Partei beruht, ist für die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren vollkommen irrelevant, da es hier nur darauf, ob sie zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit führt, somit auf die Außenwirkung, ankommt.

Weiters verweist die Berufungswerberin auf die Förderung des Landes Niederösterreich und darauf, dass Studierende aus Niederösterreich letztlich sogar bessergestellt werden als Studierende mit Hauptwohnsitz in Wien. Damit im Zusammenhang wird auch ein sekundärer Feststellungsmangel geltend gemacht. Im Ergebnis wäre ein Vermögensschaden aufgrund dieser Förderung zu verneinen.

Bei der Förderung des Landes Niederösterreich handelt es sich um eine soziale Leistung, die nicht die Aufgabe hat, den Schädiger zu begünstigen (siehe auch SZ 67/135). Eine Vorteilsanrechnung hat daher bei den Schadenersatzansprüchen der Zedenten gegenüber der beklagten Partei nicht zu erfolgen. Schließlich kann, wie es das Erstgericht bereits getan hat, darauf verwiesen werden, dass der Umstand, dass andere Gebietskörperschaften ähnliche Modelle anwenden, nicht dazu führt, dass das gegenständliche Tarifmodell nicht diskriminierend im Sinne des GlBG ist.

Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 Abs 1 iVm § 41 ZPO.

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