46R118/16t – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Einzelrichter gemäß § 8a JN in der Exekutionssache der führenden betreibenden Partei mj. O***** W *****, vertreten durch die Mutter ***** S***** W*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Peter Zawodsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei ***** J***** W *****, vertreten durch Dr. Wolf-Georg Schärf, Rechtsanwalt in Wien, wegen € 27.802,62 s.A. über die Rekurse der verpflichteten Partei und des Bundes, vertreten durch den Revisor beim Oberlandesgericht Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 13.1.2016, 24 E 42/15w-20, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Dem Erstbetreibenden mj. O***** W***** und der Zweitbetreibenden mj. E***** W***** wurde zur Hereinbringung von Unterhaltsforderungen die Zwangsversteigerung mehrerer Liegenschaften des Verpflichteten bewilligt. Beide Betreibenden genießen Verfahrenshilfe.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen Ing. F***** S***** für die Erstattung des Schätzungsgutachtens unter Abweisung eines Mehrbegehrens von € 190,-- mit € 8.240,-- bestimmt, die Auszahlung aus Amtsgeldern angeordnet und die Ersatzpflicht der betreibenden Parteien gemäß § 2 Abs 2 GEG festgestellt.
Gegen diesen Beschluss richten sich Rekurse des Verpflichteten und des Revisors beim Oberlandesgericht Wien jeweils mit dem Abänderungsantrag, die Gebühren des Sachverständigen lediglich mit € 2.000,-- zu bestimmen. Beide Rechtsmittel machen eine Verletzung der Warnpflicht geltend und meinen, dass dem Sachverständigen deshalb nach § 25 Abs 1a GebAG nur € 2.000,-- zustünden.
Der Sachverständige trat dem in seiner als Stellungsnahme bezeichneten Rekursbeantwortung entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind nicht berechtigt.
§ 25 Abs 1a GebAG normiert Folgendes: Ist zu erwarten oder stellt sich bei der Sachverständigentätigkeit heraus, dass die tatsächlich entstehende Gebühr die Höhe des Kostenvorschusses, mangels eines solchen den Wert des Streitgegenstands oder € 2.000,-- [...] übersteigt, so hat der Sachverständige das Gericht rechtzeitig auf die voraussichtlich entstehende Gebührenhöhe hinzuweisen. Unterlässt der Sachverständige diesen Hinweis, so entfällt insoweit der Gebührenanspruch.
Das Erstgericht führte zur Begründung der angefochtenen Entscheidung aus, dass kein Kostenvorschuss erliege, weil die betreibenden Parteien Verfahrenshilfe genießen. Ein Anspruchsverlust sei hinsichtlich des € 2.000,-- übersteigenden Betrages von € 6.240,-- aber nicht eingetreten. Das Erstgericht verwies auf einschlägige Judikatur des OLG Graz und des LG Klagenfurt, wonach eine Anspruchskürzung im Sinne des § 25 Abs 1a GebAG voraussetzt, dass nach einer (allenfalls auch verspäteten) Warnung nicht ein (zumindest sinngemäßer) Auftrag zur Fortführung der Gutachtenserstattung erfolgt. Eine Kostenwarnpflicht des Sachverständigen bestehe dort nicht, wo über das weitere Vorgehen weder durch die Parteien noch das Gericht disponiert werden könne. Diese Verfahrenssituation bestehe dann, wenn im Interesse einer pflegebefohlenen Noterbin die Schätzung von Liegenschaften durch einen Sachverständigen unumgänglich sei (RIS-Justiz RG0000084, RKL0000126). Das Erstgericht führte weiter aus, im konkreten Fall sei die Erstellung des Gutachtens zwingend und unausweichlich. Anders könnten die betreibenden Minderjährigen die ihnen bewilligte Exekution nicht fortführen. Eine Versteigerung ohne Gutachten scheide aus. Die Schätzung könne gemäß § 142 Abs 1 EO nur dann unterbleiben, wenn die Liegenschaft aus Anlass eines früheren gerichtlichen Verfahrens geschätzt wurde, seither nicht mehr als zwei Jahre verstrichen sind und eine wesentliche Veränderung der Beschaffenheit der Liegenschaften inzwischen nicht stattgefunden hat.
Das Rekursgericht kann hier auf die treffende Argumentation des Erstgerichtes verweisen, der die Rechtsmittel nichts Stichhältiges entgegenzusetzen haben. Tatsächlich ist die Warnpflicht hier völlig zwecklos. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 303 BlgNR 23.GP 47) verfolgt die Warnpflicht den Zweck, dass sich das Gericht und die Parteien möglichst frühzeitig eine grobe Vorstellung von den Kosten des Gutachtens machen können. Bei Gefahr einer erheblichen Kostenüberschreitung kann die Warnung des Sachverständigen auch Anlass werden, den Gutachtensauftrag präziser zu fassen, um für das Beweisverfahren frustrierte Aufwendungen zu vermeiden. Durch § 25 Abs 1a GebAG sollen Sachverständigengebühren in unerwarteter Höhe vermieden werden. Den Parteien sollen die erforderlichen Informationen gegeben werden, um aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen auf den Sachverständigenbeweis zu verzichten. Mit der Einführung der Warnpflicht sollen aber auch Gutachten vermieden werden, die mit ihrer besonders ausführlichen oder wissenschaftlichen Arbeit darüber hinausgehen, was von einem Sachverständigen im Prozess erwartet wird. Die Klarstellung des zu erwartenden Prozessaufwands, den die Parteien oft schlecht einschätzen können, soll ihnen ermöglichen, ihre Dispositionen im Verfahren zu treffen (Dokalik/Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher³ § 25 GebAG Rz 11 mwN). Im gegenständlichen Zwangsversteigerungsverfahren ist eine Warnpflicht mangels Adressaten sinnlos, weil sie weder zu einer Disposition der Parteien oder des Gerichtes im Sinne einer Abstandnahme vom Sachverständigengutachten noch zu einer Reduktion der nach § 51 GebAG zwingend vom Schätzwert zu bemessenden Gebühren führen könnte. Eine teleologische Reduktion des § 25 GebAG im Zusammenhalt mit den Bestimmungen der EO führt daher zum Ergebnis, dass die Warnpflicht im Zwangsversteigerungsverfahren nicht gilt, wenn die betreibende Partei Verfahrenshilfe genießt.
Die Rekurse müssen sohin erfolglos bleiben.
Abgesehen vom fehlenden Rekurserfolg findet im Gebührenbestimmungsverfahren ein Kostenersatz nicht statt.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 5 ZPO iVm § 78 EO.