JudikaturLG für ZRS Wien

46R463/12x – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
08. April 2013

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Hasibeder und Mag. Wieser in der Exekutionssache der betreibenden Partei H *****, vertreten durch Dr. Engelhart Partner, Rechtsanwälte OG in Wien, wider die verpflichtete Partei F***** GmbH *****, wegen € 100.000,-- s.A., über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Meidling vom 30.10.2012, 28 E 23/12a-19, den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat: „Der Antrag der betreibenden Partei auf Zustellung an die verpflichtete Partei durch Aufnahme einer Mitteilung in die Ediktsdatei wird bewilligt.

Die Antragskosten der betreibenden Partei werden mit € 160,92 als weitere Exekutionskosten bestimmt."

Der Vollzug (Aufnahme in die Ediktsdatei) wird dem Erstgericht aufgetragen.

Die Rekurskosten der betreibenden Partei werden mit € 1.778,58 (darin enthalten € 296,43 USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Beschluss vom 2.8.2012 bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei aufgrund des vollstreckbaren Versäumungsurteils des Handelsgerichtes Wien vom 21.3.2012, AZ 11 Cg 180/11z, zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von € 100.000,-- s.A. die Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft GB ***** EZ ***** 2/24-Anteile (BLNr. 9).

Nachdem die Exekutionsbewilligung weder an der im Exekutionsantrag angegebenen Adresse der verpflichteten Partei (Mariahilferstraße 215/17, 1150 Wien) noch an der im Firmenbuch aufscheinenden Adresse des früheren Gesellschafters und nunmehrigen Liquidators D***** J***** (ebenfalls Mariahilferstraße 215/17, 1150 Wien) zugestellt hatte werden können und sowohl eine Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister als auch eine Drittschuldneranfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ergebnislos verlaufen war, trug der Erstgericht der betreibenden Partei unter Androhung der Einstellung des Exekutionsverfahrens nach § 200 Z 3 EO auf, binnen 4 Wochen weitere Anträge zu stellen.

Dem daraufhin gestellten Antrag der betreibenden Partei, die Zustellung an die verpflichtete Partei gemäß § 92 Abs 1 ZPO durch Aufnahme einer Mitteilung in die Ediktsdatei vorzunehmen, wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss ab.

Dagegen richtet sich der Rekurs der betreibenden Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Zustellung der Exekutionsbewilligung an die verpflichtete Partei durch Aufnahme einer Mitteilung in der Ediktsdatei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Gemäß dem seit 1.7.2011 in Kraft stehenden § 92 Abs 1 ZPO (eingefügt durch Art 38 Z 5 BBG 2011) hat die Zustellung auf Antrag der klagenden Partei ohne Bestellung eines Kurators durch Aufnahme einer Mitteilung in die Ediktsdatei zu erfolgen, sofern die Zustellung der Klage an eine im Firmenbuch eingetragene juristische Person an der im Firmenbuch als für Zustellungen maßgeblich eingetragenen Geschäftsanschrift nicht bewirkt werden kann, weil dort keine Abgabestelle besteht, die klagende Partei keine andere Abgabestelle bekannt gibt und auch dem Gericht ohne Ermittlungen keine andere Abgabestelle bekannt ist.

Da der Verweis des § 78 EO auf die ZPO auch die Bestimmungen über die Zustellungen umfasst und in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (981 der Beilagen XXIV. GP, S.85) von der Anwendbarkeit des § 92 Abs 1 ZPO auf Zustellungen von Klagen und sonstigen das Verfahren für eine Partei einleitenden Schriftstücken die Rede ist, besteht aus Sicht des erkennenden Senates kein Grund, warum die Ediktalzustellung bei der Exekutionsbewilligung im Zwangsversteigerungsverfahren nicht greifen sollte.

Dass § 174 Abs 1 EO hinsichtlich des Versteigerungsediktes zwingend eine Kuratorbestellung vorsieht, mag - wie das Erstgericht bemerkt - die Sinnhaftigkeit der Ediktalzustellung der Exekutionsbewilligung zwar fragwürdig erscheinen lassen, doch handelt es sich dabei um eine Spezialvorschrift, die auf die vorausgehenden Zustellungen keine Anwendung findet (Angst/Jakusch/Pimmer EO 15 Anm zu § 174; Angst in Angst² Rz 1 zu § 174 EO; Angst/Jakusch/Mohr, EO 15 E 3 zu § 141; hier ist zwar jeweils noch von § 116 f ZPO die Rede, jedoch stammen sämtliche Zitate aus einer Zeit vor der Einführung des § 92 ZPO).

Da die Zustellung an der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift nicht bewirkt werden konnte, weil die verpflichtete Partei laut Vermerk am Rückschein als verzogen gilt, eine Zustellung an den früheren Gesellschafter und nunmehrigen Liquidator aus demselben Grund erfolglos war und sowohl ZMR als auch Anfrage an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger ergebnislos blieben, sind die Voraussetzungen des § 92 ZPO als erfüllt anzusehen, weshalb dem Rekurs Folge zu geben war.

Die Entscheidung über die Antrags- und Rekurskosten gründet sich auf § 74 EO. Die mit € 1.168,-- verzeichnete Pauschalgebühr war nicht zuzusprechen, weil für den Rekurs keine Gebührenpflicht besteht. Nach TP 12a GGG betragen die Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz das Doppelte der für das Verfahren erster Instanz vorgesehenen Pauschalgebühren. Der gegenständliche Rekurs richtet sich gegen eine Entscheidung über einen Zustellantrag. Gerichtliche Pauschalgebühren erster Instanz für einen Zustellantrag sind dem GGG jedoch unbekannt, sodass auch keine Pauschalgebühren für den Rekurs anfallen.

Da höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 92 ZPO im Zwangsversteigerungsverfahren nicht vorliegt, war der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO zuzulassen.

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