46R627/11p – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Hasibeder und den Richter Dr. Schaumberger in der Insolvenzsache der Schuldnerin E***** B ***** über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.12.2011, 68 S 43/11w-16, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, über den Antrag der Schuldnerin auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens zu entscheiden.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt nicht € 5.000,--.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 2.9.2011 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet.
In der dem Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens sowie auf Annahme eines Zahlungsplans und auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung angeschlossenen Gläubigerliste hatte die Schuldnerin drei Gläubiger aufgelistet, nämlich die A***** mit einer Forderung von € 479,02, das A***** mit einer Forderung von € 2.150,-- und Dr. H***** mit einer Forderung von € 1.000,--. Die Summe der angezeigten Forderungen beträgt somit € 3.629,02.
Nachdem keine Forderungsanmeldung bei Gericht eingelangt und zu der für 5.12.2011 anberaumten Tagsatzung kein Gläubiger erschienen war, hob das Erstgericht das mit 2.9.2011 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren mangels Gläubigerbeteiligung auf, weil dadurch keine in der IO vorgesehene Verfahrensabwicklung möglich sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Schuldnerin mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Einleitung des von ihr beantragten Abschöpfungsverfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Gemäß § 202 Abs 1 IO leitet das Gericht das Abschöpfungsverfahren ein, sofern keine Einleitungshindernisse vorliegen und die Kosten des Abschöpfungsverfahrens voraussichtlich gedeckt sind. Gemäß § 200 Abs 1 IO ist über den Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens erst zu entscheiden, wenn einem Zahlungsplan, obwohl er zulässig gewesen ist und die für das Verfahren geltenden Vorschriften beachtet worden sind, die Bestätigung versagt wurde. Der Zahlungsplan hat gegenüber dem Abschöpfungsverfahren Vorrang, zunächst ist über diesen abzustimmen. Eine Grundlage für die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens mangels Gläubigerbeteiligung besteht jedoch nicht. Seit Inkrafttreten der KO-Novelle 1993 verfolgt die Konkursordnung hinsichtlich natürlicher Personen neben dem traditionellen Zweck der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger auch die Chance für redliche Schuldner auf eine Befreiung von einem Teil der Schulden und eine Bereinigung der Insolvenzsituation (Mohr, Privatkonkurs² 1). Für diesen Verfahrenszweck kann es keinen Unterschied machen, ob die Gläubiger durch Anmeldung ihrer Forderungen am Verfahren mitwirken oder nicht. Vielmehr ist dem Schuldner hier ohne Rücksicht darauf, ob Gläubiger Forderungen anmelden oder nicht, ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens zuzubilligen. Andernfalls würde der vom Gesetz mit der Einführung des Abschöpfungsverfahrens verfolgte Zweck, eine Restschuldbefreiung selbst gegen den Willen der Gläubiger zu ermöglichen, unterlaufen (vgl Kodek, Privatkonkurs Rz 63). Es kann nicht angehen, dass Gläubigern die Möglichkeit eingeräumt wird, dem Schuldner durch Nichtanmeldung der Forderung die ihm im Fall des Erreichens der erforderlichen Quote zustehende Restschuldbefreiung zu verwehren.
Insofern ist dann, wenn kein einziger Gläubiger seine Forderung angemeldet hat, sodass die Annahme des Zahlungsplans von vornherein unmöglich ist, eine teleologische Reduktion des § 200 Abs 1 IO geboten (vgl Kodek, aaO Rz 524).
Da somit das Unterbleiben von Forderungsanmeldungen der Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens nicht entgegensteht, wird über den diesbezüglichen Antrag der Schuldnerin zu entscheiden sein. Dass keine IO-konforme Verfahrensabwicklung möglich ist, schafft keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens. Hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise wird vorgeschlagen, das pfändbare Einkommen vom Treuhänder zunächst zurückhalten zu lassen, um der Schuldnerin die Erlangung der Restschuldbefreiung auch gegenüber den nicht anmeldenden Gläubigern zu ermöglichen (Kodek, aaO Rz 610).
Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes gründet sich auf § 252 IO iVm § 526 Abs 3 und 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO, wobei grundsätzlich von den angemeldeten Forderungen auszugehen ist. Mangels solcher waren im konkreten Fall die Angaben der Schuldnerin zur Gesamthöhe der Forderungen zugrundezulegen.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 1 ZPO.