JudikaturLG für ZRS Wien

47R660/11y – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2012

Kopf

Das Landesgericht für ZRS Wien fasst als Rekursgericht durch die Präsidentin Dr. Perschinka als Vorsitzende sowie Mag. Eder und Mag. Löschl in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin Josephine O *****, über den Rekurs der Schuldnerin gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 18.7.2011, 11 S 29/09v-36, und vom 16.8.2011, 11 S 29/09v-39, den

B e s c h l u s s :

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt € 30.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist jeweils unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 11.3.2010 wurde über Antrag der Schuldnerin das Abschöpfungsverfahren eingeleitet (ON 24).

Mit Schriftsatz vom 14.6.2011 teilte der Treuhänder mit, dass die Schuldnerin ihrer Auskunftspflicht nicht nachgekommen sei, und ersuchte um Einvernahme der Schuldnerin nach § 210a IO (ON 33).

Das Erstgericht lud die Schuldnerin für den 12.7.2011, wobei in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass das Verfahren von Amts wegen vorzeitig eingestellt werden wird, wenn sie ohne genügende Entschuldigung zum Termin nicht erscheinen wird. Die Ladung wurde der Schuldnerin am 22.6.2011 durch Hinterlegung zugestellt. Die Schuldnerin erschien nicht zur Tagsatzung (ON 34).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.7.2011 stellte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren gemäß § 211 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KO vorzeitig ein (Punkt 1.), sprach aus, dass mit Rechtskraft dieses Beschlusses die Wirksamkeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Konkursgläubiger erlöschen und allfällige erloschene Aus- und Absonderungsrechte wiederaufleben (Punkte 2. und 3.), und forderte den Treuhänder auf, binnen 14 Tagen seine ausständige Vergütung geltend zu machen (Punkt 4.). Der Beschluss wurde am 18.7.2011 in der Ediktsdatei kundgemacht. Die an die Schuldnerin zugestellte Ausfertigung des Beschlusses kam mit Postfehlbericht zurück (ON 37).

Mit Schriftsatz vom 10.8.2011 legte der Treuhänder einen Schlussbericht und begehrte an Treuhändervergütung restliche € 83,72 (ON 38).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.8.2011 wurde der Schuldnerin aufgetragen, binnen 14 Tagen € 83,72 auf das Massekonto einzuzahlen.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 13.9.2011 wurden die Kosten des Treuhänders mit € 83,72 bestimmt (ON 44).

Gegen die Beschlüsse vom 18.7.2011 (ON 36) und 16.8.2011 (ON 39) richtet sich der am 22.11.2011 zu Protokoll gegebene Rekurs der Schuldnerin.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs gegen den Beschluss vom 18.7.2011 ist verspätet, der Rekurs gegen den Beschluss vom 16.8.2011 ist unzulässig.

Zum Rekurs gegen den Beschluss vom 18.7.2011, ON 36:

Die Rekurswerberin rügt, dass sie im Juli 2011 nach F***** übersiedelt sei und die Ladung für den Termin am 12.7.2011 nicht erhalten habe.

Vorweg ist festzuhalten, dass gemäß § 273 Abs 1 IO materiell im Verfahren die Bestimmungen der §§ 210a und 211 KO anzuwenden sind, während gemäß § 273 Abs 8 IO die verfahrensrechtlichen Vorschriften, insbesondere der §§ 252 bis 263 IO idF des IRÄG 2010 anzuwenden sind.

Nach § 210a Abs 3 KO (nunmehr IO) ist das Verfahren von Amts wegen unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 211 Abs 1 Z 2 vorzeitig einzustellen, wenn der ordnungsgemäß geladene Schuldner ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Einvernahme erscheint oder die Erteilung der Auskunft ablehnt.

Nach § 211 KO (nunmehr IO) hat das Gericht auf Antrag eines Insolvenzgläubigers das Abschöpfungsverfahren wegen einer Obliegenheitsverletzung vorzeitig einzustellen (Abs 1). Vor der Entscheidung über den Antrag nach Abs 1 Z 2 sind der Treuhänder und der Schuldner zu vernehmen. Der Schuldner hat über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen. Erscheint der ordnungsgemäß geladene Schuldner ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Einvernahme oder lehnt er die Erteilung der Auskunft ab, so ist das Verfahren vorzeitig einzustellen (Abs 2). Der Beschluss über die vorzeitige Einstellung des Verfahrens ist öffentlich bekanntzumachen (Abs 4). Mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung enden die Wirksamkeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Insolvenzgläubiger (Abs 5).

Im Gegensatz zur Bestimmung des § 211 KO regelt die Bestimmung des § 210a KO nicht, ob der Beschluss über die vorzeitige Einstellung öffentlich bekanntzumachen ist.

Nach § 256 Abs 1 IO sind in die Ediktsdatei die Daten aufzunehmen, die nach diesem Bundesgesetz öffentlich bekanntzumachen sind (Insolvenzdatei).

Nach § 257 Abs 2 IO treten, auch wenn die Zustellung unterblieben ist, die Folgen der Zustellung schon durch die öffentliche Bekanntmachung ein, wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist.

Soweit überblickbar gibt es keine höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage, ob eine vorzeitige Einstellung nach § 210a KO (auch) in der Ediktsdatei öffentlich bekanntzumachen ist. Die zweitinstanzliche Judikatur ist in dieser Frage unterschiedlicher Auffassung. Während das Landesgericht Feldkirch und das Landesgericht Salzburg die Ansicht vertreten, dass mangels Erfordernisses einer öffentlichen Bekanntmachung die Rekursfrist für den Einstellungsbeschluss nach § 210a erst mit dessen Zustellung an den Schuldner zu laufen beginnt (MGA IO 11 , § 210a E 6), vertrat das Rekursgericht in seiner Entscheidung 46 R 847/05g (RPflE 2006/93) die (nicht näher begründete) Auffassung, dass der Beschluss öffentlich bekanntzumachen ist.

Die Bestimmung des § 210a wurde erst durch die Insolvenznovelle 2002, BGBl I 2002/75 in die Insolvenzordnung eingefügt. Die Gesetzesmaterialien (RV 988 der Beilagen) führen hiezu aus:

"Nach § 210 Abs 1 Z 3 hat der Schuldner jeden Wechsel des Wohnsitzes oder des Drittschuldners unverzüglich dem Gericht und dem Treuhänder anzuzeigen. Er hat nach Z 5 dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen auch Auskunft über seine Erwerbstätigkeit bzw seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen. Im Gesetz ist jedoch nicht geregelt, wann der Treuhänder eine solche Auskunft vom Schuldner verlangen soll. Dies ist jedoch zweckmäßig. Es wird daher in Abs 1 festgelegt, dass der Treuhänder bei einer wesentlichen Verminderung der aufgrund des Einkommens einlangenden Beträge den Schuldner um Auskunft zu ersuchen hat.

Diese Regelung macht es auch zweckmäßig, für die Nichtbefolgung eines Auskunftsverlangens des Treuhänders unmittelbar wirkende Rechtsfolgen vorzusehen.

Um diese für das Abschöpfungsverfahren wesentlichen Informationspflichten effizient durchzusetzen, wird vorgesehen, dass das Gericht den Schuldner auf entsprechende Anzeige des Treuhänders zwingend zu den fehlenden Informationen einzuvernehmen hat. Damit das Erscheinen des Schuldners vor Gericht sichergestellt wird, ist das Abschöpfungsverfahren von Amts wegen unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 211 Abs 1 Z 2 vorzeitig einzustellen, wenn der ordnungsgemäß geladene Schuldner ohne genügende Entschuldigung nicht zu seiner Einvernahme erscheint oder die Erteilung der Auskunft ablehnt. Auf diese Rechtsfolge ist der Schuldner in der Ladung hinzuweisen, damit dieser nicht von der Einstellung des Abschöpfungsverfahrens infolge seines Nichterscheinens überrascht wird."

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte daher die Bestimmung des § 211 KO über die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens um einen weiteren Tatbestand ergänzt werden. Daraus folgt, dass auch ein Einstellungsbeschluss nach § 210a KO öffentlich bekanntzumachen ist, und es treten dieselben Rechtsfolgen wie bei § 211 KO ein. Für eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Tatbestände gibt es keinen sachlichen Grund. Soweit das Landesgericht Feldkirch in seiner (im RIS veröffentlichten) Entscheidung 2 R 242/05m die Ansicht vertritt, dass der Beschluss nach § 210a KO nicht öffentlich bekanntzumachen ist, weil der Beschluss amtswegig erfolgt und der Schuldner mit einer Beschlussfassung - im Gegensatz zu einer Antragstellung durch einen Gläubiger iSd § 211 KO - nicht zu rechnen hat, wird diese Ansicht nicht geteilt, weil der Schuldner auch bei einer vorzeitigen Einstellung nach § 210a KO vorher gehört wird und er auf die Folgen seines Nichterscheinens oder Verweigerung der Auskunftserteilung hingewiesen wird. Der Schuldner wird daher durch eine vorzeitige Einstellung nach § 210a KO nicht überrascht.

Für eine öffentliche Bekanntmachung eines Beschlusses nach § 210a KO sprechen auch die Rechtsfolgen der Entscheidung, insbesondere dass dadurch die Exekutionssperre des § 206 Abs 1 KO beendet ist und auch ein Neugläubiger nicht mehr der Gefahr einer Einstellung des Exekutionsverfahrens nach § 208 Satz 3 KO ausgesetzt ist. Da sowohl der Beschluss über die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens (§ 200 Abs 2 KO) als auch die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens nach § 213 Abs 6 KO (unabhängig von der Entscheidung über die Restschuldbefreiung) öffentlich bekanntzumachen ist (8 Ob 64/11m), wäre es ein Wertungswiderspruch, einen Beschluss über eine vorzeitige Einstellung nach § 210a KO nicht auch öffentlich bekanntzumachen, da auch eine vorzeitige Einstellung nach § 211 KO öffentlich bekanntzumachen ist.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass auch ein Einstellungsbeschluss nach § 210a KO in der Ediktsdatei öffentlich bekanntzumachen ist. Damit beginnt die Rekursfrist mit der Eintragung in die Ediktsdatei zu laufen (RIS-Justiz RS0110969). Der Beschluss über die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens wurde am 18.7.2011 in der Ediktsdatei öffentlich bekanntgemacht, weshalb der erst am 22.11.2011 zu Protokoll gegebene Rekurs verspätet und zurückzuweisen ist. Es erübrigt sich dadurch ein Verbesserungsverfahren, weil der Rekurs entgegen §§ 252 IO, 520 Abs 1 ZPO nicht durch einen Rechtsanwalt unterfertigt ist.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 252 IO, 528 Abs 1 ZPO, weil eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist.

Zum Rekurs gegen den Beschluss vom 16.8.2011, ON 39:

Die Rekurswerberin vertritt die Ansicht, dass sie nicht zum Ersatz von Verfahrenskosten verpflichtet werden darf, weil die Voraussetzungen für eine vorzeitige Einstellung des Verfahrens nicht vorgelegen sind.

Die Rekurswerberin ist durch den angefochtenen Beschluss nicht beschwert, weil die Nichtbeachtung des Auftrags zum Erlag eines Geldbetrages keine Rechtsfolgen nach sich zieht und es der Schuldnerin unbenommen blieb, sich gegen den nachfolgenden Kostenbestimmungsbeschluss ON 44 zur Wehr zu setzen.

Der unzulässige Rekurs ist daher zurückzuweisen, auch hier erübrigt sich ein Verbesserungsverfahren wegen fehlender Anwaltsunterfertigung.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 252 IO, 528 Abs 1 ZPO, weil eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist.

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