46R526/11k – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Hasibeder in der Schuldenregulierungssache des Schuldners M***** C *****, über Rekurs der Gläubigerin Wiener Gebietskrankenkasse, *****, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 4.10.2011, 41 S 15/04k-59, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit Beschluss vom 25. Juni 2004 wurde im gegenständlichen Schuldenregulierungsverfahren das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und der Kreditschutzverband von 1870 zum Treuhänder bestellt. Nach Rechtskraft dieses Beschlusses wurde mit Beschluss vom 28. Juli 2004 das Schuldenregulierungsverfahren gemäß § 200 Abs 4 KO aufgehoben.
Am 14.6.2011 beantragte der Schuldner, das Gericht möge nach § 213 Abs 3 IO das Abschöpfungsverfahren für beendet erklären und die Restschuldbefreiung erteilen, mit der Begründung, die Konkursgläubiger hätten von ihm vor Konkurseröffnung oder von einem Mitschuldner oder Bürgen bereits einen Teil ihrer Forderung erhalten, seine Zahlungen hätten die Höhe der aufgenommenen Kreditsumme ohne Zinsen und Kosten erreicht und darüber hinaus habe er keinen Vermögensvorteil für sich oder die von ihm als Organ vertretene Gesellschaft gebracht.
Die Rekurswerberin sprach sich gegen den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung aus, nicht jedoch gegen den Antrag auf Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens um weitere drei Jahre zur Erreichung der 10%igen Quote.
Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren für beendet und setzte die Entscheidung über die Restschuldbefreiung bis zum 28.7.2014 gegen die Bezahlung eines restlichen Betrages von € 9.467,40 aus. Auf die Rekurswerberin fielen dabei € 438,54, was 1,8 % der ursprünglichen Forderung bedeutete. Zur Rekurswerberin stellte das Erstgericht fest, dass die Forderung der Wiener Gebietskrankenkasse € 24.363,08 an Kapital betragen habe. Bereits vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens habe der Schuldner Zahlungen in der Höhe von ca. 50 bis 80 % der jeweiligen ursprünglichen Forderungen geleistet.
Rechtlich erachtete das Erstgericht, dass der Schuldner einerseits Zahlungen in beträchtlicher Höhe an die Rekurswerberin geleistet und auch an die SVA der gewerblichen Wirtschaft bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zahlungen in unbekannter Höhe erbracht habe. Der Bank Austria seien Zahlungen der Ehegattin des Schuldners als Bürgin zugute gekommen. Des weiteren habe die Forderung die angemeldete Höhe in erster Linie aufgrund sehr hoher Zinsen, die von vornherein eine Tilgung schwer gemacht hätten, erreicht. Aufgrund dieser Billigkeitsgründe sei nach § 213 Abs 3 IO vorzugehen. Da die Mindestquote jedoch nicht nur geringfügig unterschritten worden sei, erachte es das Erstgericht der Billigkeit entsprechend, den Schuldner zwecks Gewährung der Restschuldbefreiung zu den im Spruch ersichtlichen Zahlungen zu verpflichten.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Gläubigerin Wiener Gebietskrankenkasse mit dem Abänderungsantrag dahingehend, dass dem Schuldner aufgetragen werde, der Wiener Gebietskrankenkasse zum Erreichen der (10%) Mindestquote einen Betrag von € 1.460,49 zu zahlen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerberin moniert, dass die Feststellung des Erstgerichts, wonach der Schuldner bereits vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens Zahlungen von ca. 50 bis 80 % der ursprünglichen Forderung geleistet habe, nicht zutreffe. Tatsächlich habe sich die Forderung insbesondere aufgrund der Zahlungen des Insolvenzentgeltsfonds (IEF) reduziert und würden die Zahlungen des IEF rund 30 % der ursprünglichen Forderung betragen. Der Schuldner habe niemals freiwillig Zahlungen geleistet, sondern mussten stets Exekutionen beantragt bzw. Aufrechnungen gemäß § 103 ASVG vorgenommen werden. Auf die anerkannte Forderung sei im Abschöpfungsverfahren 4,01 % geleistet worden. Zum Erreichen der 10%igen Mindestquote seien somit weitere € 1.460,49 zu bezahlen.
Bei der Rekurswerberin handelte es sich um eine von 13 Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet hatten. Im angefochtenen Beschluss kam das Erstgericht zum Schluss, dass der Schuldner bei Abschluss mit 10.8.2011 die Gesamtquote von 4,005 % erreicht habe und sich aus dem Schlussbericht des KSV ergibt, dass rund € 41.635,-- auf die 10%ige Quote fehle.
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass gemäß § 273 Abs 1 IO die Konkursordnung idF vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, BGBl I 29/2010, anzuwenden ist.
Gemäß § 213 Abs 3 KO kann das Gericht das Abschöpfungsverfahren für beendet erklären, die Entscheidung über die Restschuldbefreiung bis zu drei Jahren aussetzen und festlegen, inwieweit der Schuldner den sich auf die 10%ige Quote ergebenden offenen Forderungsbetrag einzelner oder aller Verbindlichkeiten noch erfüllen muss, damit er von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit ist. Bei der Entscheidung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob
1.) der Konkursgläubiger vom Schuldner vor Konkurseröffnung oder von einem Mitschuldner oder Bürgen bereits einen Teil seiner Forderung erhalten hat,
2.) die Zahlungen die Höhe des Kapitals ohne Zinsen und Kosten erreichen,
3.) die der Konkursforderung zugrunde liegende Leistung keinen Vermögensvorteil für den Schuldner oder die von ihm als Organ vertretene Gesellschaft brachte,
4.) der Konkursgläubiger bei Einräumung des Kredits oder Abschluss des Abzahlungsgeschäftes wusste oder wissen musste, dass der Schuldner die Forderung bei Fälligkeit nicht zahlen kann.
Die Aufzählung der zu berücksichtigenden Umstände ist nicht taxativ und auch das Vorliegen der Billigkeitsgründe im Sinne des § 213 Abs 3 KO bedeutet keineswegs zwingend, dass der betreffende Gläubiger dann keinen Anspruch auf eine Ergänzungszahlung im Sinn des § 213 Abs 3 KO hat; vielmehr können hier nach Art und Gewicht des Billigkeitsgrundes erhebliche Abstufungen bestehen. Es handelt sich um eine Billigkeitsentscheidung, bei der stets eine umfassende Interessensabwägung vorzunehmen ist (vgl. Kodek, Privatkonkurs, Rz 687). Es ist Sache des Schuldners, allenfalls vorliegende Billigkeitsgründe zu behaupten und zu bescheinigen.
Die Rekurswerberin wendet sich vor allem dagegen, dass entgegen der Feststellung des Erstgerichtes der Schuldner nicht 50 bis 80 % der ursprünglichen Forderung vor Konkurseröffnung bezahlt hätte, sondern lediglich 30 % und diese Zahlung nicht von ihm, sondern aus dem Insolvenzentgeltfonds herrühre, was jedoch keine Zahlungen im Sinn des § 213 Abs 3 Z 1 KO darstellen würde.
Wenngleich auch dem Rekursgericht die Feststellung des Erstgerichts, wonach 50 bis 80 % der jeweiligen ursprünglichen Forderungen bezahlt worden wären, nicht nachvollziehbar ist, gesteht die Gläubigerin aber selbst eine Zahlung vor Konkurseröffnung in der Höhe von 30 % zu. Wenn sie dabei vermeint, dass eine Zahlung durch den Insolvenzentgeltfonds keine Zahlung im Sinn des § 213 Abs 3 Z 1 IO darstellt, erhellt es sich für das Rekursgericht aber nicht. Gemäß § 213 Abs 3 Z 1 KO sind jene Fälle umfasst, wo entweder der Schuldner selbst oder ein Mitschuldner oder Bürge Leistungen an die Gläubiger vor Eröffnung des Konkursverfahrens geleistet haben. Weshalb der Insolvenzentgeltfonds kein Dritter im Sinne des § 213 Abs 3 Z 1 KO sein soll, lässt sich nicht begründen. Auch Kodek in Privatkonkurs Rz 691 spricht von „Dritten“ und erwähnt etwa Schuldner und Bürgen, dies aber beispielshalber. Auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage KO-Novelle 1993, 1218 BlgNr. 18.GP 35 lässt sich nicht erschließen, dass die sogenannten Dritten im Sinne dieser Gesetzesstelle nur Bürgen und Mitschuldner sein sollen. Davon ausgehend erweist sich aber die vom Erstgericht getroffene Billigkeitsentscheidung, wonach es Zahlungen vor Konkurseröffnung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 213 Abs 3 KO berücksichtigt im Rahmen seines Ermessens als nicht zu beanstanden. Das Erstgericht kann festlegen, dass der Schuldner nicht den gesamten sich auf 10 % ergebenden offenen Forderungsbetrag bezahlen muss (ErläutRegV KO Novelle 1993, 1218 BlgNr. 18.GP 34). Ebenso kann das Gericht festlegen, dass nur an einzelne Gläubiger Zahlungen zu leisten sind. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass das Erstgericht Ergänzungszahlungen zu sämtlichen Gläubigern ausgesprochen hat, in diesem Sinne kann sich die Rekurswerberin als nicht beschwert erachten.
Dass das Erstgericht seine Ermessensentscheidung aufgrund unrichtiger Parameter getroffen hätte, ergibt sich aufgrund des Rekurses nicht. Auch unter Heranziehung der Zahlungen vor Konkurseröffnung von rund 30 % der ursprünglichen Forderung macht eine Entscheidung nach § 213 Abs 3 KO im Sinne der vom Erstgericht auch ausreichend begründeten Gesamtsicht über die im Rahmen des Schuldverhältnisses erbrachten Leistungen nachvollziehbar (Kodek in Privatkonkurs Rz 691). Weitere Gründe, die auf eine ungerechtfertigte Heranziehung von Billigkeitsgründen nach § 213 Abs 3 EO schließen ließen, bringt die Rekurswerberin nicht vor.
Im Gesamten erweist sich die erstgerichtliche Entscheidung somit frei von Beanstandungen und war dem Rekurs demnach keine Folge zu geben.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.