JudikaturLG für ZRS Wien

46R266/11z – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
27. September 2011

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schaumberger und die Richterin Mag. Rossmeisel in der Konkurssache der Schuldnerin Johanna J***** , vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Christian Lang, Rechtsanwalt in Wien, über den Rekurs des Treuhänders G*****, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 2.5.2011, 20 S 279/09h-22, den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass dem Antrag des Treuhänders vom 15.4.2011 auf Auszahlung der Treuhandvergütung von € 157,60 für den Zeitraum 29.3.2010 bis 31.3.2011 aus Amtsgeldern stattgegeben wird.

Die Auszahlungsanordnung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Treuhänders im Abschöpfungsverfahren auf Auszahlung der Treuhandspesen von € 157,60 aus Amtsgeldern mit der Begründung, das Schuldenregulierungsverfahren sei nicht nach § 183 KO eröffnet worden, ab.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Treuhänders mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Auszahlung aus Amtsgeldern abzuändern, in eventu aufzuheben. § 184 Abs 1 beziehe sich nur auf das Insolvenz-, nicht aber auf das darauffolgende Abschöpfungsverfahren. Diesbezüglich sei außerdem kein kostendeckendes Vermögen vorhanden gewesen.

Da die Schuldnerin am 26.5.2011 verstorben ist, stellte das Erstgericht mit Beschluss vom 20.6.2011, ON 30, das Abschöpfungsverfahren gemäß § 211 Abs 3 IO von Amts wegen vorzeitig ein.

Der Verlassenschaftskurator erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Johanna J***** wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 5.11.2009 eröffnet. Mit Beschluss vom 29.3.2010 eröffnete das Erstgericht auf Antrag der Schuldnerin das Abschöpfungsverfahren und sprach aus, dass mit Rechtskraft dieses Beschlusses, die am 19.4.2010 bestätigt wurde, das Konkursverfahren als aufgehoben gelte.

Vorauszuschicken ist daher, dass das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 (BGBl I 2010/29) hier nicht anzuwenden ist. Gemäß § 273 Abs 1 IO sind dessen Bestimmungen (vorbehaltlich des Absatzes 8 dieser Norm) auf Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach dem 30.6.2010 eröffnet oder wieder aufgenommen wurden. Daher wird in weiterer Folge die Abkürzung „KO“ (Konkursordnung) und nicht „IO“ (Insolvenzordnung) verwendet.

Bei Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bestimmt das Gericht für dessen Dauer einen Treuhänder, auf den der pfändbare Teil der Forderungen des Schuldners auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion nach Maßgabe der Abtretungserklärung (§ 199 Abs 2) übergeht (siehe § 202 Abs 2 KO).

Die Aufgabe des Treuhänders besteht vor allem darin, die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter von seinem Vermögen getrennt zu halten, fruchtbringend anzulegen und am Ende des Kalenderjahres binnen acht Wochen an die Gläubiger zu verteilen (§ 203 Abs 1 KO).

Für seine Tätigkeit steht dem Treuhänder eine Vergütung zu, die nach § 204 zu bemessen ist. Gemäß § 204 Abs 1 Satz 2 kann der Treuhänder die Vergütung von den nach

§ 203 Abs 1 eingehenden Beträgen einbehalten.

Eine Grundlage für die Bestreitung von Verfahrenskosten im Schuldenregulierungsverfahrens aus Amtsgeldern findet sich lediglich in § 184 Abs 1 KO. Nach dieser Bestimmung sind die Kosten eines nach § 183 eröffneten Verfahrens, sobald sie feststehen und fällig sind, und soweit sie nicht aus der Masse bezahlt werden können, vorläufig aus Amtsgeldern zu zahlen. Gleiches gilt für die Kosten eines Verfahrens, bei dem das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 183 KO festgestellt wird, und für die Kosten eines nach § 195a fortgesetzten Verfahrens.

Absatz 2 dieser Bestimmung lautet:

„Die aus Amtsgeldern gezahlten Beträge sind dem Bund unmittelbar

1. aus der Konkursmasse und

2. im Abschöpfungsverfahren aus den Beträgen, die der Treuhänder durch Abtretung der Forderungen des Schuldners auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion erlangt, und aus sonstigen Leistungen des Schuldners oder Dritter, die der Treuhänder erhält. Sie sind wie ihnen zugrunde liegende Forderungen zu behandeln.“

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes ist § 184 auch auf die Vergütung des Treuhänders im Abschöpfungsverfahren anwendbar, sie wird in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich erwähnt (1218 BlgNR 18. GP 21; siehe dazu Mohr in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, Rz 1 zu § 184 KO; Kodek, Handbuch Privatkonkurs, Rz 789). Andernfalls bestünde keine gesetzliche Grundlage für eine Auszahlung aus Amtsgeldern.

Mit der Insolvenzrechts-Novelle 2002 (BGBl I 2002/75) wurde der erste Absatz des § 184 Abs 1 KO um den zweiten Satz erweitert. Die Auszahlung aus Amtsgeldern ist daher nicht mehr auf jene Fälle beschränkt, in denen das Verfahren nach § 183 eröffnet worden ist, sondern wurde (auch) um jene Verfahren erweitert, in denen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 183 festgestellt wird. Damit ist keine eigene beschlussmäßige Feststellung gemeint, vielmehr hat das Gericht als Vorfrage zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ob etwa die Konkurseröffnung nur deshalb nicht nach § 183 erfolgt ist, weil zu Unrecht vom Vorliegen kostendeckenden Vermögens ausgegangen wurde (Kodek, aaO, Rz 787). Eine nach

§ 183 erfolgte Eröffnung des Konkursverfahrens ist somit nicht mehr zwingend notwendig, um zur Auszahlung aus Amtsgeldern zu gelangen (anders Mohr, KO, 10. Aufl., E 2 zu § 204, wobei die dort zitierten Entscheidungen aber aus der Zeit vor der Insolvenzrechts-Novelle 2002 stammen).

Dem von der Schuldnerin mit dem Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens vorgelegten Vermögensverzeichnis vom 22.10.2009 ist ein monatliches Pensionseinkommen von € 855,53 und ein nach Abzug eines gepfändeten Betrages von € 63,13 verbleibender Auszahlungsbetrag von € 792,40 zu entnehmen. Gleichzeitig bezifferte die Schuldnerin ihre monatlich regelmäßig wiederkehrenden Verpflichtungen mit € 792,40. Sie gab weiters an, kein Vermögen zu besitzen; dies wurde durch das Ergebnis der danach erfolgten Inventarisierung und einer negativen Grundbuchsabfrage bestätigt. Aus einem Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 17.11.2009 geht für Dezember 2009 ein monatlicher Anweisungsbetrag von € 946,60 hervor. Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens berichtete der Treuhänder am 15.4.2011, dass für den Zeitraum 29.3.2010 bis 31.3.2011 keine Eingänge zu verzeichnen waren.

Es ist somit jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen des § 183 KO im genannten Sinne festzustellen. Von

§ 184 Abs 1 Satz 2 KO sind auch jene Fälle umfasst, bei denen im weiteren Verfahren Kosten auflaufen, die nicht mehr durch die Masse gedeckt sind (Kodek, aaO, Rz 787).

Dem Rekurs war daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss im Sinne einer Bewilligung des Antrages auf Auszahlung der Treuhandvergütung abzuändern. Die Höhe der vom Treuhänder geltend gemachten Vergütung von

€ 157,60 entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Bei der geltend gemachten Entlohnung von € 130,-- handelt es sich um die gesetzliche Mindestvergütung nach § 204 Abs 1 für den Zeitraum von dreizehn Monaten. Auch das geltend gemachte Kontoführungsentgelt (€ 25,40) und die Barauslagen (€ 2,20) waren als unbedenklich zuzuerkennen. Die Auszahlungsanordnung ist in weiterer Folge durch das Erstgericht zu treffen (§ 527 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO).

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus den §§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO iVm 252 IO.

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