47R289/11i – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für ZRS Wien fasst als Rekursgericht durch die Präsidentin Dr. Perschinka als Vorsitzende sowie Mag. Eder und Mag. Löschl in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1.) R***** S *****, und 2.) E***** S ***** beide vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei DI Dr. E***** R *****, vertreten durch Dr. Gerhard Mitterböck, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshilfeanwalt, wegen € 3.320,10 sA, über den Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 22.12.2010, 19 E 5137/10s-2, den
Spruch
B e s c h l u s s :
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Antrag auf Bewilligung der Rechteexekution gemäß §§ 331 ff EO abgewiesen wird.
Die betreibenden Parteien sind schuldig, der verpflichteten Partei die mit € 340,67 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten € 56,81 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die Betreibenden beantragten aufgrund mehrerer Kostentitel die Bewilligung der Rechteexekution gemäß §§ 331 ff EO durch Pfändung der der Verpflichteten als Mieterin gegenüber den Betreibenden als Vermieter zustehenden Mietrechte an der Wohnung top 14 im Haus 1150 Wien, *****.
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht die Exekution antragsgemäß.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Verpflichteten.
Die Betreibenden beantragen in ihrer vom Rekursgericht freigestellten Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Die Rekurswerberin vertritt die Ansicht, dass die Exekutionsbeschränkung des § 42 Abs 3 MRG anzuwenden sei. Auch komme die Bestimmung des § 42 Abs 4 MRG zur Geltung, weil die Wohnräume für die Verpflichtete unentbehrlich seien.
Soweit sich die Rekurswerberin auf die Exekutionsbeschränkung des § 42 Abs 4 MRG beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung bei der Pfändung (noch) nicht zu prüfen ist, vielmehr kommt die Bestimmung nach herrschender Ansicht erst im Verwertungsverfahren zum Tragen (RIS-Justiz RS0118768). Ob die Wohnräume für die Verpflichtete unentbehrlich sind, hindert daher nicht die Pfändung ihrer Mietrechte.
Zu prüfen ist, ob die Exekutionsbeschränkung des § 42 Abs 3 MRG zur Anwendung kommt. Diese Bestimmung lautet:
"Den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegende Mietrechte können vom Hauseigentümer zugunsten einer von ihm durch Abtretung erworbenen Forderung nicht in Exekution gezogen werden."
Zu dieser Bestimmung gibt es (ebenso wie zur wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 42 Abs 3 MG) - soweit überblickbar - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Die Lehre ist in dieser Frage unterschiedlicher Ansicht. Würth vertritt die Auffassung, dass die Exekution auf das Mietrecht zur Hereinbringung von Forderungen gegen den Mieter dem Vermieter nach § 42 Abs 3 überhaupt versagt sei (Würth in Rummel II/5³, § 42 MRG Rz 5). Oberhammer vertritt zu dieser Bestimmung die Ansicht, dass die Exekution des Hauseigentümers in das Mietrecht zugunsten einer von ihm durch Abtretung erworbenen Forderung unzulässig sei, jedoch die Exekution des Vermieters in das Mietrecht zur Hereinbringung eines Mietzinsrückstandes oder anderer (nicht durch Abtretung erworbene) Forderungen zulässig sei (Oberhammer in Angst EO², § 331 Rz 46).
Die Bestimmung des § 42 Abs 3 MRG wurde inhaltsgleich von § 42 Abs 3 MG übernommen. In der Stammfassung war diese Bestimmung im MG nicht enthalten, sie wurde erst durch die Novelle BGBl Nr. 200/1929 - ebenso wie Abs 4 - dem § 42 MG angefügt. Der Bericht des Wohnungsausschusses (325 der Beilagen zur III.GP) enthält hiezu folgende Ausführungen:
"Dem Vernehmen nach soll es vorkommen, dass Eigentümer von Häusern, in denen die Neuvergebung eines Geschäftsraumes wegen dessen günstiger Lage besonderen Gewinn verspricht, sich Forderungen gegen einen ihrer Geschäftsleute im Hause, der sich in finanziell schwierigen Verhältnissen befindet, abtreten lassen und dann durch Klage und Exekutionsführung auf die Mietrechte des Mieters diesen, dem sie sonst nicht kündigen können, um sein Geschäft zu bringen trachten. Ist diese Angabe richtig, so ist es gewiss am Platze, solchen Machenschaften entgegenzutreten. Der Ausschuss hat daher Exekutionsführungen zugunsten solcher durch Abtretung erworbener Forderungen der Hauseigentümer durch eine ausdrückliche Bestimmung als unzulässig erklärt."
Diese Bestimmung war daher neben den Kündigungsbeschränkungen und Mietzinsobergrenzen eine Schutzbestimmung zugunsten des Mieters. Nach der herrschenden Rechtsprechung waren vom Mieter zu ersetzende Prozesskosten nicht als Teil des Mietzinses anzusehen und war eine wegen Nichtbezahlung dieser Kosten überreichte Kündigung nicht gerechtfertigt (RIS-Justiz RS0068256, SZ 43/190). Nach der Gesetzessystematik sollte daher der Mieter umfassend geschützt werden, dem Vermieter stand nur die Kündigungsmöglichkeit des Mietverhältnisses wegen rückständigen Mietzinses (oder Vorliegens eines anderen Kündigungsgrundes) zur Verfügung.
Durch das Inkrafttreten des MRG hat sich in dieser Frage an der Rechtslage nichts geändert. Der Mietzins ist der Höhe nach begrenzt (§ 16 MRG), der Mietvertrag kann nur aus einem wichtigen Grund iSd § 30 MRG aufgekündigt werden, ein auf § 1118 ABGB gestützter Räumungsanspruch oder eine Aufkündigung wegen Mietzinsrückstandes kann nicht auf geschuldete Nebengebühren wie Verzugszinsen oder Kosten gestützt werden (5 Ob 2365/96x mwN). Dazu kommt, dass das Benützungsrecht des Mieters nunmehr durch die zwingende Bestimmung (RIS-Justiz RS0034015, RS0069341) des § 8 Abs 1 MRG geschützt ist. Ein Eingriff des Vermieters in die Mietrechte des Mieters durch eine Rechteexekution nach den §§ 331 ff EO verstößt gegen § 8 Abs 1 Satz 1 MRG und führt auch zur Ausweitung der in § 8 Abs 2 MRG normierten Eingriffe in das Hauptmietrecht.
Zusammenfassend gilt daher:
Im (Voll-)Anwendungsbereich des MRG ist die Exekution auf das Mietrecht zur Hereinbringung von Forderungen gegen den Mieter dem Vermieter nach § 42 Abs 3 überhaupt versagt.
Dem berechtigten Rekurs ist daher Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78 EO, 41 und 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 78 EO, 528 Abs 2 Z 1 ZPO.