JudikaturLG für ZRS Wien

40R145/08p – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2008

Kopf

Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht erkennt durch Dr. Garai als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter des Landesgerichts Mag. Dr. Hörmann und Dr. Kodek in der Rechtssache der Klägerin M***** ***** GmbH, *****Wien, vertreten durch Ebert Huber Liebmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Beklagte M***** Co GmbH, *****Wien, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Räumung infolge Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 10.03.2008, 5 C 47/06v-23, nach mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, die auf der Liegenschaft *****Wien, *****, im Hof hinten gelegene Mietfläche (schraffierte Fläche in der Größe von 8 Parkplätzen lt. Plan Beilage ./E) zu räumen und geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 5.161,88 (darin enthalten EUR 12,80 Barauslagen und EUR 858,18 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 1.317,40 (darin EUR 209,90 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, die von dieser für ihren Schanigarten (im Jahr 2002) gemietete Freifläche im Innenhof der gegenständlichen Liegenschaft zurück zu geben und zum Kostenersatz. Dazu traf es die auf den Seiten 8 bis 13 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht erwog das Erstgericht, dass es sich zwar bei dem 1996 ursprünglich angemieteten Objekt (der Gastwirtschaft zzgl. eines Abstellplatzes als Schanigarten) um eine einheitliche Anmietung handle. Die Erweiterung des Schanigartens um die in diesem Verfahren rückgeforderte Fläche in der Größe von 8 Stellplätzen im Jahr 2002 sei davon jedoch getrennt zu sehen. Es liege diesbezüglich lediglich eine Flächenmiete und keine Erweiterung des Mietverhältnisses von 1996 vor. So habe der "Mietvertragsentwurf" (offenbar die "Vertragsurkunde", da Entwürfe weder vorgelegt noch deren Inhalt festgestellt wurde) den Hinweis enthalten, dass dieser Mietvertrag nicht dem MRG unterliege. Im "Vertragsentwurf" sei außerdem sehr wohl festgehalten, dass eine selbständige Kündigungsmöglichkeit bestehe. Auch enthalte die Urkunde keinen Konnex zu bereits bestehenden Vereinbarungen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die Klägerin beantragt der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Der Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens entbehrt jeglicher Grundlage. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt nur dann vor, wenn dieser geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern. In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus: "Vorliegend wurde somit eine Kündigung ausgesprochen, die beklagte Partei erhob dagegen keinerlei Einwendungen...". Im gegenständlichen Fall war es für die Entscheidung über die Räumung gänzlich unerheblich, dass die Beklagte gegen die unstrittigerweise erfolgte außergerichtliche Kündigung keine Einwendungen erhoben hat, zumal solche seit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 auch nicht mehr erhoben werden können (§ 566 ZPO aF). Dass die Beklagte schriftlich auf das Kündigungsschreiben reagierte, wie die Berufung aufzeigen möchte, ist nicht von Interesse, wurde die Klage doch nicht auf eine einvernehmliche Vertragsbeendigung gestützt.

Die Beweisrügen Punkt 2.1 bis 2.3. und 2.5 der Berufung lassen nicht erkennen, welche konkrete Feststellung aufgrund welcher zutreffenderen Beweiswürdigung anstelle welcher getroffenen Feststellung begehrt wird.

Die Beweisrüge in Punkt 2.4. und 2.6. der Berufung wendet sich gegen die Feststellung des Erstgerichts über das Angebot der Zeugin Sch*****, fünf und dann noch zusätzlich drei Plätze zu nutzen. Anstelle dessen wird die Feststellung gewünscht, dass die Gespräche über die weitere Anmietung von Stellplätzen von dem Geschäftsführer der Beklagten nur mit dem Zeugen Mag. Sch*****geführt worden seien, in welchen der Beklagten ein "Zumieten" von Abstellplätzen in Aussicht gestellt worden sei und somit eine Erweiterung des Mietvertrages.

Diese Beweisrüge ist nicht berechtigt.

Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Zeuge Mag. Sch*****nur im Rahmen der Bautätigkeit der Firma P*****von 2000 bis 2001 für die Liegenschaft zuständig war. Zwar gab es in dieser Zeit einige Gespräche zwischen dem Zeugen Sch*****und dem Geschäftsführer der Beklagten. Das endgültige Angebot im Jahr 2002 stellte allerdings die Zeugin Sch*****, die nach Beendigung der Arbeiten wieder als Verwalterin zuständig war. Dass das Erstgericht aufgrund der Angaben des Zeugen Mag. Sch*****, der selbst angab, den endgültigen Vertragstext nicht zu kennen, feststellte, dass das Angebot von Frau Sch*****gelegt wurde, stellt eine nachvollziehbare Beweiswürdigung dar, die durch die Argumente der Berufung nicht erschüttert wird.

Das Berufungsgericht geht daher von den getroffenen Feststellungen aus.

Die Rechtsrüge erweist sich im Ergebnis als berechtigt. Es hängt vom übereinstimmenden Parteiwillen ab, ob auch bloß einzelne von mehreren, in einem oder in mehreren Verträgen in Bestand gegebenen Objekte durch einseitige Erklärung eines der Vertragspartner gekündigt, also zurückgegeben oder zurückgefordert werden können. Ist dies nicht der Fall, spricht man von einer wirtschaftlichen Einheit der Bestandobjekte, wie wenn nur ein Objekt angemietet worden wäre. Unerheblich ist, ob die Objekte in der Natur technisch eine Einheit bilden oder nicht. Maßgeblich ist die Willensübereinstimmung darüber, dass der/die Mietvertrag/verträge nur für alle Objekte gemeinsam beendet oder dass einzelne der Objekte auch alleine zurückgegeben werden können. Die in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Prüfungskriterien sind bloße Indizien: Mehrheit von Vertragsurkunden, verschiedene Anmietungszeitpunkte, wechselseitige Nützlichkeit und Abhängigkeit der Mietobjekte, gemeinsamer oder getrennt ausgeworfener Mietzins, gleiche Kündigungsfristen und -termine, wechselseitige Bezugnahme in den Verträgen. Selbst bei einer Verschiedenheit der Vertragspartner hat der OGH bereits einen einheitlichen Mietvertrag angenommen (6 Ob 182/04i = MietSlg 56/30).

Ein ausdrücklicher, übereinstimmender Parteiwille in der einen oder anderen Richtung hat sich im Verfahren nicht ergeben. Der Beklagte wollte seit Anmietung des Lokals einen für dieses existentiell nötigen größeren Schanigarten, während die Versicherung als Vermieter schon bei ursprünglicher Vermietung des Lokals samt Kleinstschanigarten bestrebt war, diesen vom Lokal gesondert als Freifläche zu vermieten und als nicht dem MRG und damit auch nicht dem Kündigungsschutz unterliegend darzustellen.

Die vom Erstgericht aus den Vertragsurkunden des Jahres 2002 Beil./A und ./B genommenen Argumente sind ungeeignet. Der Verweis auf die Unanwendbarkeit des MRG findet sich bereits in der auch schon 1996 getrennt ausgefertigten Urkunde (./2) über den mitgemieteten Kleinstschanigarten. Papier ist eben geduldig und trägt auch unrichtige Rechtsansichten sowie die Bezeichnung des Schanigartens als ein "für Parkzwecke bestimmter Parkplatz Nr 21". Die allen Mietverträgen - auch über kündigungsgeschützte Räume - geläufige Bestimmung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins ist keine Vereinbarung einer „selbständigen Kündigungsmöglichkeit". 2002 wurden, zur vom Geschäftsführer der Beklagten seit Mietvertragsbeginn gewünschten Erweiterung des einst bereits mitgemieteten (damalige Hausverwalterin als Zeugin, Seite 3 des Protokolls ON 7, Seiten 10 und 14 des Protokolls ON 22) kleinen Schanigartens, die hier nun klagsgegenständlichen weiteren Flächen vermietet. Dass der Geschäftsführer dies als Erweiterung seines bisherigen Mietverhältnisses sah, ist ohnehin festgestellt. Dass die Erweiterung des Schanigartens Beweggrund für die Vermieterin war, ergab sich im Beweisverfahren ebenso. Auch wenn die von der Vermieterseite textierte Vertragsurkunde dies rechtlich anders darstellt, einziger Zweck der beiden Verträge 2002 war die Erweiterung des bisherigen Schanigartens.

Schon aus Anlass des Mietvertrages über das Lokal unternahm der Geschäftsführer der Beklagten, von der Hausverwalterin dazu animiert, Tauschversuche und Gespräche mit anderen Parkplatzmietern. Was hätte die Selbständigkeit der Verträge über das Lokal und den existentiell notwendigen Schanigarten auch für einen Sinn. Ohne Lokal kann die Beklagte den Schanigarten auch nicht betreiben. Warum sollte sie daher berechtigt sein, das Lokal samt einem, einen Parkplatz einnehmenden Schanigarten zurückzugeben, den übrigen 8 Parkplätze verdrängenden Schanigarten aber behalten? Einziges Indiz gegen die Einheitlichkeit des Mietverhältnisses über alle Schanigartenteile (und damit auch des Lokals) wäre bei gleichen Kündigungsfristen der unterschiedlich vereinbarte Kündigungstermin. Für die zusätzliche Schanigartenfläche Monatsende, während für die ursprüngliche Fläche samt Lokal das Quartal vorgesehen ist. Allerdings ist dies kein Hindernis für eine gemeinsame Kündigung und tritt damit dieses Indiz in seiner Bedeutung weit hinter den eindeutigen Zweck der Vermietung. Bei den beiden Verträgen aus 2002 handelt es sich um die Zumietung weiterer Flächen zum Lokal und dem einst schon mitgemieteten Kleinstschanigarten. Als Nebenflächen zum Lokal unterliegen sie dem Kündigungsschutz des MRG. Dieser schließt eine außergerichtliche Aufkündigung durch den Vermieter, auf die sich die vorliegende Räumungsklage stützte, aus (§ 33 Abs 1 MRG ).

Die Entscheidung über die Kosten des erstgerichtlichen Verfahren gründet sich auf § 41 ZPO. Der nicht aufgetragene Schriftsatz vom 14.6.2007 war auch nicht zu honorieren. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich zusätzlich auf § 50 ZPO. Es ist nur ein dreifacher Einheitssatz zu gewähren (§ 23 Abs 9 RATG), zumal es sich nicht um eine für die Beklagtenvertreterin auswärtige Verhandlung vor dem Berufungsgericht handelte. Die Pauschalgebühr betrug lediglich EUR 58,-, weil die Bemessungsgrundlage nach dem GGG auch nur EUR 694,- ist.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, da sich keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität stellte. Die Umstände, die die Einheitlichkeit des Mietverhältnisses zwischen den Streitteilen ergaben, sind solche des Einzelfalles. Landesgericht für ZRS Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Rückverweise