4R64/24x – LG für ZRS Graz Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Senat 4, hat als Rekursgericht durch die Richter Mag. Schweiger (Vorsitz), Mag. Graßler und Mag. Schögler in den gemäß § 33 Abs 1 EO verbundenen Exekutionssachen der betreibenden Parteien A* OG , FN 240163g, **straße **, ** B*, wegen EUR 2.405,70 s.A. , (AZ 3 E 2978/23b), und Land Steiermark , p.A. C*, **, ** B*, wegen EUR 15.105,09 s.A. (AZ 3 E 3094/21h), wider die verpflichtete Partei D* , geb. am **, **/Stiege 2, **, über den Rekurs der zu AZ 3 E 2978/23 b betreibenden Partei A* OG gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom 7.3.2024, 3 E 2978/23b - 21, in nicht öffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs, dessen Kosten die Rekurswerberin selbst zu tragen hat, wird keine Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Schriftsatz vom 27.7.2021 beantragte das Land Steiermark aufgrund näher bezeichneter Exekutionstitel die Bewilligung der Forderungsexekution nach § 295 EO wider den Verpflichteten zur Hereinbringung einer Kapitalforderung von EUR 15.105,09 samt Zinsen und Kosten des Titelverfahrens, der Kosten aus Vorexekutionen sowie der Antragskosten; dieser Antrag wurde vom Erstgericht unter dem Aktenzeichen 3 E 3094/21h erfasst. Mit Beschluss vom 27.7.2021 bewilligte das Erstgericht die Exekution antragsgemäß.
Mit Schriftsatz vom 28.6.2023 beantragte die Rekurswerberin aufgrund eines Zahlungsbefehls des Erstgerichts, ihr die Forderungsexekution nach § 295 EO sowie der Fahrnisexekution wider den Verpflichteten zur Hereinbringung einer Kapitalforderung von EUR 2.405,70 samt Zinsen, der Kosten des Titelverfahrens sowie der Antragskosten zu bewilligen; dieser Antrag wurde vom Erstgericht unter dem Aktenzeichen 3 E 2904/23w erfasst. Mit Beschluss vom 30.6.2023 erteilte das Erstgericht einen Verbesserungsauftrag .
Mit Schriftsatz vom 3.7.2023 brachte die Rekurswerberin beim Erstgericht die Verbesserung des Exekutionsantrags ein und wies darauf hin, dass es sich um die Verbesserung des zu 3 E 2904/23w eingebrachten Exekutionsantrags handle. Der verbesserte Antrag wurde vom Erstgericht unter dem Aktenzeichen 3 E 2978/23b erfasst. Mit Beschluss vom 11.7.2023 bewilligte das Erstgericht die Exekution antragsgemäß und verfügte (ua), den Akt 3 E 2978/23b mit dem ursprünglichen Akt 3 E 2904/23w zu verketten sowie im ursprünglichen Fall den Schritt „nz“ (nicht zählen) einzutragen; im Akt 3 E 2904/23w erging keine Exekutionsbewilligung.
Der im Verfahren 3 E 2978/23b ermittelte Drittschuldner erklärte am 20.7.2023, dass der Verpflichtete gegen ihn eine monatliche Forderung von EUR 1.083,57 zuzüglich Sonderzahlungen habe sowie zwei Unterhaltspflichten und eine Vorexekution (jene zu 3 E 3094/21h des Erstgerichts) bestünden; die Höhe der Forderung aus der Vorexekution bezifferte er mit EUR 20.981,05. Der in der Fahrnisexekution am 9.8.2023 erfolgte Vollzugsversuch blieb mangels pfändbarer Gegenstände ergebnislos. Das Vollstreckungsorgan verwies in seinem Vollzugsbericht auf ein vom Verpflichteten am 9.8.2023 im Verfahren 3 E 550/18m des Erstgerichts abgegebenes Vermögensverzeichnis und legte den Akt gemäß § 49a EO dem Exekutionsgericht zur Entscheidung vor.
Das Erstgericht ordnete am 18.8.2023 Erhebungen durch Vornahme mehrerer Abfragen an; soweit hier relevant ergaben diese, dass der Verpflichtete über kein unbewegliches Vermögen verfügt, weder im Firmenbuch noch im Gewerbeinformationssystem Austria aufscheint, gegen ihn kein Insolvenz- oder Abschöpfungsverfahren anhängig ist und auch nicht ausgesprochen wurde, dass er offenkundig zahlungsunfähig ist, sowie dass sein Drittschuldner das E* ist.
Aus dem Vermögensverzeichnis vom 9.8.2023 ergibt sich, dass den Verpflichteten Unterhaltspflichten für zwei Töchter treffen, er vom E* monatlich rund EUR 1.000,00 netto bezieht, über ein Girokonto mit einem Haben-Stand von EUR 300,00 sowie Bargeld von EUR 100,00 verfügt, einen alten Fernseher besitzt sowie Mietrechte an einer rund 89 m² großen Wohnung hat, für die er EUR 900,00 pro Monat bezahlt.
Mit Beschluss vom 1.9.2023 leitete das Erstgericht „das Verfahren zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 49a EO“ ein und forderte den Verpflichteten auf, sich zu seiner „möglichen offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ binnen 14 Tagen zu äußern; ansonsten werde nach der Aktenlage entschieden. Der Verpflichtete äußerte sich nicht.
Mit Schriftsatz vom 14.11.2023 beantragte die Rekurswerberin die neuerliche Abfrage beim F* gemäß § 295 EO. Mit Beschluss vom 30.11.2023 bewilligte das Erstgericht diesen Antrag. Der nunmehr ermittelte Drittschuldner erklärte am 12.12.2023, dass der Verpflichtete gegen ihn einen monatlichen Anspruch von EUR 960,27 zuzüglich Sonderzahlungen habe; Unterhaltspflichten und Vorgläubiger gab er keine bekannt.
Mit Schriftsatz vom 29.12.2023 beantragte das Land Steiermark im Verfahren 3 E 3094/21h ebenfalls den neuerlichen Vollzug der bewilligten Lohnexekution durch Abfrage beim F*. Mit Beschluss vom 2.1.2024 bewilligte das Erstgericht diesen Antrag. Der Drittschuldner (ident mit jenem des Verfahrens 3 E 2978/23b) erklärte am 11.1.2024, dass der Verpflichtete gegen ihn eine monatliche Forderung von EUR 1.117,42 zuzüglich Sonderzahlungen habe; Unterhaltspflichten gab er keine bekannt, jedoch eine Vorexekution (jene der Rekurswerberin) mit einem Betrag von EUR 3.984,18.
Mit Beschluss vom 5.1.2024 verband das Erstgericht die Verfahren 3 E 2978/23b und 3 E 3094/21h gemäß § 33 EO und forderte die Betreibenden dieser Verfahren unter (zusammengefasster) Bekanntgabe seiner Erhebungsergebnisse dazu auf, sich binnen 14 Tagen zur „möglichen offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ (des Verpflichteten) zu äußern; ansonsten werde nach der Aktenlage entschieden.
Mit Schriftsatz vom 12.1.2024 erstattete das Land Steiermark eine Äußerung. Alleine aus einem ergebnislos gebliebenen Fahrnisvollzug lasse sich keine offenkundige Zahlungsunfähigkeit ableiten. Allfällige weitere Forderungen des Verpflichteten seien unberücksichtigt geblieben. Ob dieser ein „strafbewehrtes“ Vermögensverzeichnis abgegeben habe, gehe aus dem Beschluss des Erstgerichts nicht hervor. Die Erhebungsergebnisse des Erstgerichts seien unrichtig, der Verpflichtete verdiene im Monat mindestens EUR 1.354,63 netto, jährlich somit EUR 18.908,80. Dieser Betrag würde ihre betriebene Forderung übersteigen, jedenfalls die Kapitalforderung könne damit binnen Jahresfrist beglichen werden. Offenkundige Zahlungsunfähigkeit sei augenscheinlich nicht gegeben.
Mit Schriftsatz vom 15.1.2024 verneinte auch die Rekurswerberin das Vorliegen offenkundiger Zahlungsunfähigkeit beim Verpflichteten. Inhaltlich schloss sie sich im Wesentlichen den Ausführungen des Landes Steiermark an.
Das Erstgericht forderte sodann beim Drittschuldner Lohn-/Gehaltsabrechnungen für Dezember 2023 und Jänner 2024 an. Aus diesen ergibt sich, dass der Verpflichtete im Dezember 2023 EUR 1.383,23 netto und im Jänner 2024 EUR 1.461,65 netto verdiente.
Mit Beschluss vom 22.2.2024 forderte das Erstgericht die Rekurswerberin und das Land Steiermark unter Bekanntgabe der neuen Erhebungsergebnisse sowie Übermittlung des Vermögensverzeichnisses vom 9.8.2023 auf, sich binnen 7 Tagen dazu zu äußern. Seine Erhebungsergebnisse fasste es dahin zusammen, dass gegen den Verpflichteten 31 noch nicht beendete Exekutionsverfahren mit einer Forderungshöhe von weit über EUR 56.000,00 anhängig seien, beim Verpflichteten laut Vollzugsbericht keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden worden seien und der Verpflichtete zwei Unterhaltspflichten sowie ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.664,34 habe.
Mit Schriftsatz vom 26.2.2024 erstattete das Land Steiermark eine Äußerung. Es bestehe lediglich eine Unterhaltspflicht, eine der beiden Töchter des Verpflichteten sei bereits volljährig und beziehe beim E* eine Beihilfe von EUR 47,00 pro Tag, sie sei daher selbsterhaltungsfähig. Monatlich sei das Einkommen des Verpflichteten im Betrag von rund EUR 320,00 pfändbar, eine offenkundige Zahlungsunfähigkeit somit augenscheinlich nicht gegeben.
Mit Schriftsatz vom 28.2.2024 äußerte sich die Rekurswerberin, indem sie auf den Inhalt der Stellungnahme des Landes Steiermark verwies und ergänzte, das Erstgericht habe es unterlassen, ein aktuelles Vermögensverzeichnis einzuholen und die im Vermögensverzeichnis vom 9.8.2023 enthaltenen Daten zu überprüfen und zu aktualisieren. Ihre Ansprüche seien beim aktuellen Drittschuldner erstrangig gepfändet, sodass ein monatlicher Abzug zugunsten ihrer Forderung erfolge. Das Erstgericht habe sich mit ihren Ausführungen in der Äußerung vom 15.1.2024 nicht auseinandergesetzt.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht gemäß § 49a Abs 2 EO die offenkundige Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten fest und sprach aus, dass sämtliche Exekutionsverfahren „des betreibenden Gläubigers“ (richtig: der betreibenden Gläubiger) auf das bewegliche Vermögen ruhen und nur auf Antrag fortgesetzt werden, sowie dass nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses die offenkundige Zahlungsunfähigkeit durch Einschaltung in die Ediktsdatei öffentlich bekannt gemacht wird; darüber hinaus bestimmte es Kosten der Rekurswerberin. Es begründete seine Entscheidung (auf das Wesentlichste zusammengefasst) damit, dass gegen den Verpflichteten 31 nicht beendete Exekutionsverfahren mit einer Höhe der Verbindlichkeiten von weit über EUR 56.000,00 anhängig seien, die Verbindlichkeiten der verbundenen Akten 3 E 2978/23b, 3 E 3094/21h und (offenbar irrig) 3 E 2904/23w über EUR 27.000,00 betragen würden und der Verpflichtete über ein Einkommen von EUR 1.664,34 netto pro Monat sowie über kein verwertbares Vermögen verfüge. Es gründete diese Feststellungen auf eine Abfrage im Exekutionsregister (ADV-E-Register), die angeführten Akten, die Bezugsbestätigung des Drittschuldners, den Vollzugsbericht vom 10.8.2023 sowie das Vermögensverzeichnis vom 9.8.2023. Rechtlich führte es aus, dass die Frage der Zahlungsunfähigkeit nach § 66 IO zu lösen sei; demnach liege Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner fällige Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen könne. Er müsse in der Lage sein, binnen drei Monaten alle Schulden zu zahlen. Eine längere Frist setze voraus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit der Beseitigung der Liquiditätsschwäche zu rechnen sei. Bei dem vom Verpflichteten erzielten Nettoeinkommen von EUR 1.664,34 und einer Unterhaltspflicht ergebe sich lediglich ein pfändbarer Betrag von EUR 124,34 pro Monat. Selbst bei einem pfändbaren Betrag von EUR 320,00 könnte der Verpflichtete die bestehenden Verbindlichkeiten von rund EUR 56.000,00 nicht einmal ansatzweise in angemessener Zeit begleichen. Den Überlegungen der Betreibenden zur Pfändung eines Jahresnettoeinkommens des Verpflichteten von EUR 18.908,80 stünden die Pfändungsschutzbestimmungen entgegen. Das Vermögensverzeichnis sei ein Jahr gültig, zwischenzeitige Änderungen der Vermögensverhältnisse seien nicht bekannt und würden sich auch nicht aus dem Akteninhalt ergeben. Daher liege offenkundige Zahlungsunfähigkeit vor.
Dagegen richtet sich der Rekurs der zu 3 E 2978/23b Betreibenden wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben. Einen Tag nach Einbringung des Rekurses brachte die Betreibende einen weiteren, als „Richtigstellung der Rekursanträge“ bezeichneten Schriftsatz ein, mit dem sie ihre Rekursanträge „präzisierte“: Sie beantragt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses in Abweisung der beschlussmäßigen Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Sie bringt vor, dass die Erhebungsergebnisse des Erstgerichts und die Angaben in der Drittschuldnererklärung sowie im Vermögensverzeichnis nicht übereinstimmten; der durchschnittliche Nettolohn variiere zwischen EUR 960,27 und EUR 1.461,65. Vor der Entscheidung wäre dem Verpflichteten ein neues Vermögensverzeichnis abzuverlangen gewesen, um von ihm den Vermögenszuwachs der letzten sieben Monate zu erfragen. Erst dann wäre eine „solide“ Grundlage für die Bewertung der Frage der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit vorhanden gewesen; seit dem letzten Vermögensverzeichnis hätten sich die „Angaben“ verändert bzw. verändern können. Das Erstgericht setze sich auch nicht mit den Unterhaltspflichten des Verpflichteten auseinander, insbesondere nicht mit jenen gegenüber der volljährigen Tochter. Sie habe am 14.3.2023 eine Abfrage in der Exekutionsdatenbank durchgeführt und lediglich sechs den Verpflichteten betreffende Datensätze gefunden; demnach bestünden nur EUR 36.186,47 (an Kapital) an offenen Forderungen. Das Erstgericht habe weder die Höhe der offenen Forderungen noch des Einkommens des Verpflichteten hinreichend erhoben. Auch die seit Jänner 2024 in regelmäßigen Abständen an sie erfolgenden Überweisungen durch den Drittschuldner seien ein Indiz dafür, dass der Verpflichtete die offenen Forderungen bedienen könne. Die Zahlungsunfähigkeit könne somit nicht offenkundig sein.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Zulässigkeit des Rekurses:
1.1. Nach § 517 Abs 1 ZPO, der gemäß § 78 Abs 1 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwenden ist, ist ein Rekurs gegen erstinstanzliche Beschlüsse nicht zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes, an dessen Stelle im Exekutionsverfahren der betriebene Anspruch tritt, EUR 2.700,00 nicht übersteigt. Die Rekursbeschränkung gilt nicht, wenn der anzufechtende Beschluss eines der in § 65 Abs 2 EO genannten Themen betrifft, also unter anderem für Beschlüsse, mit denen über die Bewilligung, Einstellung, Aufschiebung oder Fortsetzung der Exekution entschieden wird. Als Grundsatz kann der in § 65 Abs 2 EO gegebenen Aufzählung entnommen werden, dass der Rekurs immer dann unabhängig vom Wert des betriebenen Anspruchs zulässig ist, wenn es neben Geld- und Haftstrafen um die Frage der Einleitung bzw. Fortsetzung der Exekution an sich bzw. um den Bestand der einstweiligen Verfügung geht. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob die Entscheidung im Ergebnis eine Verweigerung des Exekutionsanspruchs des Betreibenden bzw. des endgültigen oder zeitlich befristeten Anspruchs des Verpflichteten auf Unterbleiben weiterer Exekutionsmaßnahmen bedeutet ( Jakusch in Angst/Oberhammer , EO 3 § 65 Rz 17; LG Korneuburg 21 R 198/21x).
1.2.1. In Betracht kommt hier die in § 65 Abs 2 EO genannte Ausnahme der Fortsetzung – allenfalls auch der Aufschiebung – der Exekution. Es ist zu prüfen, ob die vorliegende Beschlussfassung unter diesen Tatbestand zu subsumieren ist, zumal sich dies aus dem Spruch der angefochtenen Entscheidung – der Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit – (allein) nicht ergibt. Den Materialien zur Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx; BGBl I Nr. 86/2021), mit der § 49a EO über die offenkundige Zahlungsunfähigkeit eingeführt wurde, ist zu entnehmen, dass mit dieser Reform des Vollstreckungsrechts die Schnittstelle zwischen Exekutions- und Insolvenzrecht geregelt und das Vorliegen einer offenkundigen Zahlungsunfähigkeit vom Gericht wahrgenommen und festgestellt werden solle. Um den Grundgedanken der Unterscheidung zwischen Exekutions- und Insolvenzverfahren Rechnung zu tragen, werde vorgeschlagen, dass bei offenkundiger Zahlungsunfähigkeit mit dem Exekutionsverfahren innezuhalten ist. Die Fortsetzung des Exekutionsverfahrens nach § 49a Abs 3 EO sei dann nur auf Antrag des betreibenden Gläubigers vorgesehen. Ein Grund zur Fortsetzung sei, dass Zahlungsunfähigkeit nicht mehr vorliege (ErlRV 770 BlgNR XXVII. GP, 15 f).
1.2.2. Die Bekanntmachung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit bringt mit sich, dass nicht nur das Exekutionsverfahren, in dem die offenkundige Zahlungsunfähigkeit festgestellt wurde, sondern sämtliche Exekutionsverfahren auf das bewegliche Vermögen des Verpflichteten ruhen (4 R 265/22b des Rekursgerichts mN). Bei offenkundiger Zahlungsunfähigkeit soll ein Exekutionsverfahren ruhen, ein Gläubiger soll stattdessen ein Gesamtvollstreckungsverfahren beantragen können, auch wenn es an der Kostendeckung fehlt ( Konecny , Gesamtreform des Exekutionsrechts, ZIK 2020, 211). Um dem Ansatz der Rechtsordnung, dass nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Forderungen nicht im Exekutionsverfahren, sondern im Insolvenzverfahren hereingebracht werden sollen, zum Durchbruch zu verhelfen, sieht § 49a EO ein Innehalten des Exekutionsverfahrens bei offenkundiger Zahlungsunfähigkeit vor. Ist eine verpflichtete Partei offenkundig zahlungsunfähig, so ruhen alle anhängigen Exekutionsverfahren. Im Hinblick auf dieses Ruhen der Verfahren als unmittelbare gesetzliche Folge der Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit liegt somit im Sinne obiger Erwägungen ein in § 65 Abs 2 EO geregelter Fall der Beschlussfassung über die Fortsetzung der Exekution an sich vor (so auch LG Korneuburg 21 R 198/21x).
1.3. Der Rekurs ist somit ungeachtet des EUR 2.700,00 nicht übersteigenden betriebenen Anspruchs zulässig .
Der Rekurs ist jedoch nicht zielführend .
2. Zur inhaltlichen Berechtigung des Rekurses:
Voranzustellen ist, dass der am Tag nach der Rekurserhebung eingebrachte Schriftsatz zur „Richtigstellung der Rekursanträge“ gegen die Einmaligkeit des Rechtsmittels verstößt; beachtlich sind somit nur die zeitlich früheren – im Übrigen ohnedies zutreffenden (vgl Sloboda in Fasching/Konecny ³ IV/1 § 527 ZPO Rz 12 f [Stand 1.9.2019, rdb.at]) – Rechtsmittelanträge (vgl RS0100170; RS0041666 ua)
2.1. Wenn sich in einem Exekutionsverfahren bei einem zur Ermittlung von Vermögen stattfindenden Vollzug durch das Vollstreckungsorgan oder einen Verwalter herausstellt, dass die verpflichtete Partei offenkundig zahlungsunfähig ist, so hat das Vollstreckungsorgan oder der Verwalter nach diesem Vollzug mit der Vollziehung der ihm aufgetragenen Exekutionshandlungen innezuhalten, soweit nicht Vermögensobjekte zugunsten des betreibenden Gläubigers verpfändet worden sind oder gesetzliche Pfandrechte bestehen (§ 49a Abs 1 EO idF GREx). In diesem Fall hat das Exekutionsgericht dies nach Einvernehmung der Parteien mit Beschluss festzustellen und nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses die offenkundige Zahlungsunfähigkeit öffentlich bekannt zu machen (§ 49a Abs 2 EO idF GREx).
2.2. Hintergrund dieser Regelung ist, dass bei Zahlungsunfähigkeit der verpflichteten Partei gegen diese bestehende Forderungen in einem Insolvenzverfahren hineingebracht werden sollen. Selbst wenn nämlich eine betreibende Partei in einem Exekutionsverfahren gegen eine zahlungsunfähige verpflichtete Partei einen Teil ihrer Forderung bezahlt bekommt, muss sie diesen Betrag bei späterer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oft zurückzahlen, weil ein Anfechtungstatbestand vorliegt. Es erschien dem Gesetzgeber daher zweckmäßig, dass eindeutige Fälle der Insolvenz im Exekutionsverfahren wahrgenommen und das Exekutionsverfahren abgebrochen wird. Es obliegt dann den betreibenden Parteien, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen (ErlRV 770 BlgNR XXVII. GP, 3 und 15). Damit auch alle anderen Gläubiger der verpflichteten Partei – und nicht nur die betreibende Partei des Exekutionsverfahrens, in dem die offenkundige Zahlungsunfähigkeit der verpflichteten Partei festgestellt wurde – vom Vorliegen der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit der verpflichteten Partei Kenntnis erlangen, um sodann ihre Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens hereinzubringen, ist der rechtskräftige Beschluss in der Ediktsdatei kundzumachen (ErlRV 770 BlgNR XXVII. GP, 16; vgl auch 4 R 265/22b des Rekursgerichts).
Der Umstand, dass die Rekurswerberin vom Drittschuldner seit Jänner 2024 monatlich die pfändbaren Bezugsteile des Verpflichteten überwiesen erhält, ist somit für die Frage der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten ohne Belang.
2.3. Zu klären ist also, ob offenkundige Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten vorliegt. Eine Definition der „offenkundigen Zahlungsunfähigkeit“ trifft die Exekutionsordnung nicht. Die Zahlungsunfähigkeit ist daher im Sinne der Bestimmung des § 66 IO und der dazu ergangenen Judikatur zu ermitteln (LGZ Wien 46 R 264/23y VdRÖ-E-147-2023; LG Linz 14 R 72/22i VdRÖ-E-065-2022). Zahlungsunfähigkeit bedeutet demnach, dass der Schuldner mangels parater Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu bezahlen und sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald beschaffen kann (RS0064528 [T4]). Sie liegt vor, wenn keine flüssigen Mittel mehr vorhanden sind, um die Verbindlichkeiten fristgerecht abdecken zu können, und wenn auch keine Aussicht mehr besteht, dass sich dieser Zustand nach einer verhältnismäßig kurzen Dauer ändern werde (RS0094978). Nach der Rechtsprechung wird die Zahlungsstockung als eine vorübergehende Liquiditätsschwäche von der Zahlungsunfähigkeit so abgegrenzt, dass Zahlungsunfähigkeit dann zu attestieren ist, wenn der Schuldner nicht 95 % aller fälligen Verbindlichkeiten bezahlen kann bzw. – bei Unternehmern – nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten die dafür erforderlichen Mittel beschaffen kann (RS0126561; 3 Ob 99/10w [Pkt. VII]; LGZ Wien 46 R 264/23y VdRÖ-E-147-2023; LG Linz 14 R 72/22i VdRÖ-E-065-2022). Diese Rechtslage hat das Erstgericht im angefochtenen Beschluss völlig zutreffend dargestellt.
2.4. Das Erstgericht geht von einem monatlichen Nettoeinkommen des Verpflichteten in Höhe von EUR 1.664,34 und somit ohnedies von einem höheren Betrag als die Rekurswerberin aus. Seiner rechtlichen Beurteilung ist zu entnehmen, dass es – wie auch die Rekurswerberin – nur eine Unterhaltspflicht des Verpflichteten annimmt. Ausgehend davon führt es völlig zutreffend aus (§§ 500a, 526 Abs 3 ZPO iVm § 78 Abs 1 EO), dass nur ein Betrag von EUR 124,34 pro Monat vom Arbeitseinkommen des Verpflichteten pfändbar ist, pro Jahr also EUR 1.692,08. Die Argumentation der Rekurswerberin, welche auf das vom Verpflichteten erzielbare Jahresnettoeinkommen abstellt, lässt die Pfändungsbeschränkungen des § 290a EO gänzlich außer Acht. Ausgehend von der Drittschuldnererklärung vom 11.1.2024, wonach die offene Forderung der Betreibenden EUR 3.984,18 beträgt, ist der Verpflichtete somit weder unter Zugrundelegung des tatsächlich pfändbaren Betrages von EUR 124,34 pro Monat noch eines von den Betreibenden ohne nähere Begründung angenommenen pfändbaren Bezugsteils von EUR 320,00 in der Lage, die Forderungen der Rekurswerberin binnen drei Monaten zu 95 % zu befriedigen. Ob dafür bei einem – wie hier – Nichtunternehmer in Anlehnung an die Bestimmungen der §§ 99b, 153 und 264 EO eine Frist von bis zu einem Jahr zur Verfügung steht (LG Korneuburg 21 R 117/22m mN), kann hier dahingestellt bleiben, weil bei der notwendigen Gesamtbetrachtung der Zahlungs(un)fähigkeit des Verpflichteten jedenfalls die Forderung der Betreibenden des verbundenen Verfahrens 3 E 3094/21h in Höhe von EUR 20.981,05 per 20.7.2023 zu berücksichtigen ist. Ob gegen den Verpflichteten lediglich 6 oder doch 31 noch nicht beendete Verfahren mit Kapitalforderungen von EUR 36.186,47 oder mehr als EUR 56.000,00 anhängig sind, ist somit ohne rechtliche Relevanz.
2.5. Der Vorwurf der Rekurswerberin, das Erstgericht habe die Höhe des Einkommens des Verpflichteten nicht hinreichend erhoben, ist nicht nachvollziehbar, hat das Erstgericht doch zeitnah vor der Beschlussfassung Lohn-/Gehaltsabrechnungen für die Monate davor eingeholt (ON 17).
2.6. Das Erstgericht war entgegen der Ansicht der Rekurswerberein auch nicht gehalten, vom Verpflichteten ein neues Vermögensverzeichnis abzufordern. Wie schon das Erstgericht zutreffend ausführte, ist ein Vermögensverzeichnis grundsätzlich ein Jahr gültig (§ 49 Abs 1 EO). Innerhalb dieses Jahres ist ein neues Vermögensverzeichnis vom Verpflichteten nur dann abzugeben, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Verpflichtete nach Abgabe des ersten Vermögensverzeichnisses Vermögen erworben hat. Derartiges haben die Rekurswerberin und das Land Steiermark nicht behauptet.
2.7. Der angefochtene Beschluss entspricht somit der geltenden Rechtslage und ist in einem mangelfreien Verfahren ergangen. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
3. Die Rekurskostenentscheidung ist Folge davon und gründet sich auf § 40, 50 ZPO iVm § 78 Abs 1 EO.
4. Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 Abs 1 EO.