2R81/99t – LG für ZRS Graz Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Marburgerkai 49, Abteilung 2, hat als Rekursgericht durch dessen Richter Dr. Heinz Lackner (Vorsitz), Dr. Willibald Gindra-Vady und Dr. Reinhard Klepeisz im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für *****, geb. am 15.1.1924, Pensionistin, *****, vertreten durch die Verfahrenssachwalterin *****, geprüft wird, über den Rekurs der Sachwalterin gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19.1.1999, 15 P 202/98i-5, den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben und der angefochtene Beschluß in dessen Abänderung behoben.
Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs.1 AußStrG ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Am 1.12.1998 regte *****, die Beigebung eines Sachwalters für ***** an. Die Betroffene erlitt Mitte September 1998 einen Schlaganfall und danach eine Gehirnblutung. Sie befand sich im LKH Graz, Neurologie, in Behandlung.
Die am 3.12.1998 durchgeführte Erstanhörung ergab, daß die Betroffene zeitlich, örtlich und persönlich nicht mehr orientiert war. Mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 10.12.1998 wurde für ***** zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 238 Abs.1 AußStrG (Verfahrenssachwalter) und zum einstweiligen Sachwalter zur Besorgung folgender dringender Angelegenheiten bestellt: Einkommensverwaltung, Unterbringung der Betroffenen in einem Pflegeheim.
Bei der Zustellung dieses Beschlusses an die Betroffene stellte sich heraus, daß diese nunmehr in *****, aufhältig ist. Daraufhin verfügte das Erstgericht ohne weitere Erhebungen mit dem angefochtenen Beschluß die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs.1 und 2 JN an das Bezirksgericht Stainz.
Der von der einstweiligen Sachwalterin dagegen erhobene Rekurs ist berechtigt.
Die Rekurswerberin bringt vor, daß ihr ständiger Hauptwohnsitz in Graz sei und sie auch für ***** einen Pflegeplatz in der Stadt Graz suche. Der Privatpflegeplatz Lannach habe gezwungenermaßen vorläufig genommen werden müssen, da in Graz derzeit kein Pflegeplatz frei war.
Dazu ist grundsätzlich folgendes zu sagen:
Rechtliche Beurteilung
§ 111 Abs.1 JN erlaubt in Durchbrechung des Grundsatzes der perpetuatio fori (§ 29 JN) die unmittelbare Übertragung der Zuständigkeit vom bisher zuständigen Pflegschaftsgericht an das Gericht, in dessen Sprengel der Pflegebefohlene seinen Lebensmittelpunkt verlagert hat, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen ist. Die Bestimmung bezweckt, die wirksamste Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes sicherzustellen und ermöglicht eine Ausnahme vom Grundsatz der perpetuatio fori. § 111 JN ist als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen und daher nur dann anzuwenden, wenn das Gericht, dem übertragen werden soll, eindeutig besser in der Lage ist, die pflegschaftsbehördlichen Agenden zu besorgen als das übertragende Gericht (EFSlg 82.101 bis 82.106).
Abgesehen davon, daß im vorliegenden Fall vom Erstgericht gar nicht erhoben wurde, ob die Heimunterbringung der Betroffenen in Lannach auf Dauer erfolgte, was ebenfalls eine Voraussetzung der Zuständigkeitsübertragung bildet (EFSlg 75.988, 82.115), hindern nach ständiger Rechtsprechung offene Anträge eine Zuständigkeitsübertragung dann, wenn das übertragende Gericht infolge der bereits durchgeführten Erhebungen schon Eindrücke gewonnen hat, die es am besten selbst verwerten kann (EFSlg 63.954, 72.840, 82.129).
Da im Sachwalterschaftsverfahren dem persönlichen Eindruck des Richters vom Vorliegen einer Schutzbedürftigkeit des Betroffenen besondere Bedeutung zukommt (vgl. § 236 AußStrG), scheint es grundsätzlich zweckmäßig, daß der Richter, der die Erstanhörung durchführte, auch die endgültige Entscheidung über die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters trifft. Gerade im vorliegenden Fall wäre zufolge des schlechten körperlichen und geistigen Zustandes der Betroffenen deren Erscheinen bei der vom Bezirksgericht Stainz durchzuführenden mündlichen Verhandlung wahrscheinlich unmöglich (§ 240 AußStrG).
Die Frage der Zweckmäßigkeit einer Zuständigkeitsübertragung stellt sich insbesondere auch dann, wenn diese zwischen benachbarten Bezirksgerichten erfolgen soll. Auch dies spricht im vorliegenden Fall gegen eine Zuständigkeitsübertragung.
Die angefochtene Entscheidung war daher in Stattgebung des Rekurses der Sachwalterin in deren Abänderung zu beheben, sodaß es vorläufig bei der Zuständigkeit des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz zu verbleiben hat.
Der ordentliche Revisionsrekurs war wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 14 Abs.1 AußStrG nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt (EFSlg 82.121), und das Rekursgericht im grundsätzlichen der bisherigen Rechtsprechung des Höchstgerichtes in ähnlichen Fällen folgte.