4R585/98y – LG für ZRS Graz Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Marburgerkai 49, Abteilung 4, hat als Rekursgericht durch die Richter Hofrat Dr. Gaster (Vorsitz), Dr. Wetzelberger und Dr. Seyffertitz in der Exekutionssache der betreibenden Partei *****, vertreten durch *****Rechtsanwalt in *****, wider die verpflichtete Partei *****, vertreten durch *****Rechtsanwälte in *****, wegen S 120.000,-- samt Anhang, über die Rekurse der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Voitsberg je vom 7.10.1998, 8 E 666/98p, ON 15 und ON 16, in nicht-öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Spruch
I.) Die Entscheidung über die Rekurse wird verbunden.
II.) Beiden Rekursen wird F o l g e gegeben.
Der angefochtene Beschluß vom 7.10.1998, ON 15, der hinsichtlich der Abweisung des Kostenmehrbegehrens von S 4,32 als unbekämpft unberührt zu bleiben hat, wird im übrigen - als nichtig - aufgehoben.
Der angefochtene Beschluß vom 7.10.1998, ON 16, wird gleichfalls als nichtig aufgehoben.
Dem Erstgericht (der zuständigen Exekutionsrichterin) wird die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens aufgetragen.
III.) Die für die Rekurse verzeichneten Kosten sind als solche des Zwischenstreites über den Verwertungsantrag zu behandeln. Die Entscheidung hierüber bleibt der neuerlichen Beschlußfassung des Erstgerichtes vorbehalten.
Text
Begründung:
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz bewilligte als Titelgericht mit Beschluß vom 6.3.1998 im Verfahren 21 Cg 271/97p der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei die Exekution zur Sicherstellung einer Forderung von S 120.000,-- samt Anhang aufgrund des Wechselzahlungsauftrages dieses Gerichtes vom 6.11.1997 durch Pfändung und Verwahrung beweglicher Sachen und durch Pfändung der Gewerbeberechtigung sowie der zugrundeliegenden Konzession der verpflichteten Partei nach den §§ 341, 334 EO. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag (durch Zwangsverwaltung des Unternehmens) behielt das Titelgericht dem Bezirksgericht Voitsberg als Exekutionsgericht vor. Dieser Beschluß ist unbekämpft rechtskräftig geworden.
Der Gerichtsvollzieher des Erstgerichtes pfändete am 30.3.1998 die Pfandgegenstände Postzahlen 8 und 10 bis 12 des Pfändungsprotokolles E 6986/85.
Am 12.6.1998 langte ein Schriftsatz der betreibenden Partei ein. Sie stellte den Antrag, die Zwangsverwaltung des Sägewerkes des Verpflichteten (mangels Deckung der betriebenen Forderung durch die Fahrnisexekution) zu bewilligen.
Das Erstgericht beraumte für den 22.9.1998 eine Tagsatzung zur Verhandlung über diesen Verwertungsantrag an. Daran nahmen beide Parteien (ihre Machthaber) teil und legten Kostennote.
Mit dem erstangefochtenen Beschluß ON 15 bestimmte das Erstgericht (ein Rechtspfleger) die Kosten der betreibenden Partei mit S 11.159,28 als weitere Exekutionskosten und wies ein Mehrbegehren von S 4,32 ab.
Mit dem zweitangefochtenen Beschluß ON 16 wies es (auch durch den Rechtspfleger) das Kostenbegehren der verpflichteten Partei für die Teilnahme an der Tagsatzung ab. Es begründete seine Entscheidung damit, daß dem Verpflichteten in der Exekution grundsätzlich kein Kostenersatz zustehe. Ein Zwischenstreit liege nicht vor.
Gegen diese beiden Beschlüsse richten sich jeweils fristgerechte Rekurse der verpflichteten Partei.
Sie bekämpft den Beschluß ON 15 (erkennbar nur im Kostenzuspruch) mit dem Antrag auf Abänderung dahin, das Kostenbegehren zur Gänze abzuweisen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Kosten seien im Sinn des § 74 EO zur Rechtsverwirklichung der betreibenden Partei nicht notwendig gewesen. Dem Antrag auf Zwangsverwaltung fehle die Rechtsgrundlage. Darüberhinaus bringt der Rekurswerber (unter anderem) vor, daß das Verfahren hinsichtlich der Zwangsverwaltung gemäß § 17 Abs.2 Z 2 RPflG dem Wirkungskreis des Rechtspflegers entzogen sei und Richterzuständigkeit vorliege.
Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens ist rechtskräftig geworden.
Den Beschluß ON 16 bekämpft der Rekurswerber insoweit, als ihm die von ihm verzeichneten Kosten nicht zugesprochen wurden. Er beantragt dessen Abänderung dahin, die Kosten wie verzeichnet mit S 7.439,52 zuzuerkennen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Auch hier bringt der Rekurswerber vor, daß das Verfahren entgegen den Verfahrensvorschriften des RPflG vom Rechtspfleger geführt worden sei, obwohl Richterzuständigkeit bestehe. Im übrigen liegen - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - die Voraussetzungen für die Annahme eines Zwischenstreites vor, der den Kostenzuspruch rechtfertige.
Die Rekurse erweisen sich als zielführend.
Rechtliche Beurteilung
Beide angefochtenen Beschlüsse wurden - wie bereits dargestellt - von einem Rechtspfleger des Erstgerichtes gefaßt.
Zutreffend weist der Rekurswerber darauf hin, daß gemäß § 17 Abs.2 Z 2 RPflG zum Wirkungskreis des Rechtspflegers die Exekution zur Sicherstellung nach den §§ 371, 372 EO (...) durch die im § 374 Abs.1 EO angeführten Exekutionsmittel gehört, ausgenommen jedoch die Zwangsverwaltung.
Nach herrschender Rechtsprechung (SZ 46/18 u.a., zuletzt 3 Ob 114/98f [= ecolex 1998, 840], 3 Ob 214/98m) ist die Sicherungsexekution durch Zwangsverwaltung nicht auf Liegenschaften beschränkt, sie kann sich auch gegen gewerbliche Unternehmungen richten.
Es fällt auf, daß im § 17 Abs.2 Z 2 RPflG nun nicht - wie in der Exekution zur Befriedigung - unterschieden wird, daß (nur) die Zwangsverwaltung von Liegenschaften Richtersache und die Verwertung gepfändeter Unternehmen nach den §§ 331 ff EO durch Zwangsverwaltung grundsätzlich Rechtspflegersache ist.
In der Literatur befaßt sich Schimik, Die Exekution zur Sicherstellung, Seite 175 f, nicht mit dem vorliegenden Abgrenzungsproblem. Die Kommentatoren Heller-Berger-Stix gehen noch von der alten Rechtslage vor dem RPflG 1985 aus. Veröffentlichte Rechtsprechung ist nicht feststellbar.
Die Zuständigkeiten des Rechtspflegers sind taxativ im Gesetz genannt, es sind letztlich Ausnahmen von der umfassenden richterlichen Zuständigkeit.
Das Rekursgericht geht - schon um gegebenenfalls nichtige Verfahren zu vermeiden - von einem umfassenden Begriff der "Zwangsverwaltung" in der Ausnahmebestimmung des § 17 Abs.2 Z 2 EO aus, wie er auch im § 374 EO verwendet wird. § 17 Abs.2 Z 2 EO ist nach Ansicht des Rekursgerichtes nicht teleologisch zu reduzieren.
Daraus folgt, daß das Verfahren betreffend die Zwangsverwaltung des Unternehmens im Rahmen der Sicherungsexekution Richtersache ist.
Nach herrschender Ansicht (vgl. SZ 46/41, 47/37 u.a.; Fasching, Kommentar IV, 116 u.a.) liegt Nichtigkeit im Sinn von § 477 Abs.1 Z 2 ZPO (iVm § 514 ZPO, § 78 EO) vor, falls ein Rechtspfleger in einer Sache entscheidet, für die der Richter zur Entscheidung berufen ist.
Als Folge ist die betroffene Entscheidung gemäß § 477 ZPO (§ 78 EO) aufzuheben.
Eine Sanierung tritt nicht dadurch ein, daß die zuständige Richterin im Vorlagebericht - wie hier - sich der Entscheidung des Rechtspflegers anschließt (vgl. NZ 1988, 162).
Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO iVm § 78 EO. § 51 ZPO (iVm § 78 EO) ist im Fall der Aufhebung allein der Entscheidung (vgl. Fasching II, § 51, Anm.2), nicht aber eines vorangegangenen Verfahrens, nicht anwendbar (vgl. Arb 11.006 mwN).
Ein Rekurs gegen eine aufhebende Entscheidung ist nur zulässig, wenn dies das Rekursgericht ausspricht (§ 527 Abs.2, § 528 ZPO iVm § 78 EO).
Eine solche Zulässigkeitserklärung kommt jedoch schon deswegen kraft Gesetzes nicht in Betracht, weil Entscheidungsgegenstand Kosten sind (§ 528 Abs.2 Z 3 ZPO iVm § 78 EO). Der Rekurs ist demnach im Ergebnis jedenfalls unzulässig. Dies brauchte in der Entscheidung nicht ausgedrückt zu werden.