JudikaturLG Feldkirch

3R316/13p – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
26. November 2013

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richterin Hofrätin Dr. Kempf als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Kallina und Dr. Weißenbach als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei ***** T***** S *****, vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH Dornbirn, gegen die beklagte Partei R***** S *****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 30. Oktober 2013, 1 C 53/13b-7, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Text

Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren mit der am 2. Oktober 2013 erhobenen Klage, dass die von den Streitteilen am 19. Juli 2007 vor dem Standesamt der Stadt D***** zu Nr. *****/2007 geschlossene Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten geschieden wird.

Über ihren Antrag vom 9. Oktober 2013 bewilligte das Erstgericht der Beklagten die Verfahrenshilfe im vollen Umfang. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2013 bestellte der Ausschuss der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer MMag. Christoph Rümmele, Rechtsanwalt in Dornbirn, zum Verfahrenshelfer der Beklagten.

Mit dem in der Verhandlungstagsatzung vom 24.10.2013 verkündeten, am 30. Oktober 2013 schriftlich ausgefertigten Beschluss erklärte das Erstgericht die der Beklagten bewilligte Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO für erloschen, und sprach aus, dass die bewilligte Verfahrenshilfe im Übrigen unberührt bleibt.

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Beklagte zwischenzeitlich – also nach Bestellung des Verfahrenshilfevertreters – Rechtsanwalt Mag. Klaus P. Pichler mit der Vertretung im gegenständlichen Ehescheidungsverfahren bevollmächtigt habe, der die Beklagte im Rahmen der mündlichen Streitverhandlung vom 24.10.2013 bereits vertreten habe und auch im weiteren Verfahren als bevollmächtigter Rechtsanwalt vertreten werde. Es sei daher die Aufrechterhaltung der Verfahrenshilfe nicht mehr erforderlich. Sinn und Zweck der vorläufigen unentgeltlichen Beigabe eines Rechtsanwalts sei es nicht, für eine doppelte Vertretung einer Partei im gerichtlichen Verfahren zu sorgen, sondern einer Partei, die sich eine anwaltliche Vertretung nicht leisten könne, eine solche zu ermöglichen. Da sich die Beklagte nunmehr eines gewählten Vertreters bediene, sei kein Grund ersichtlich, weshalb ihr neben ihrem bevollmächtigten Vertreter weiterhin ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer zur Seite gestellt werden sollte. Eine Doppelvertretung sei jedenfalls nicht erforderlich und als mutwillig im Sinne des § 68 Abs 1 ZPO anzusehen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Begehren, den angefochtenen Beschluss (ersatzlos) aufzuheben.

Der bestellte Verfahrenshelfer beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Die Revisorin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht begründet.

Die Rekurswerberin argumentiert, die Bestellung eines frei gewählten Vertreters sei kein Grund, eine bewilligte Verfahrenshilfe für erloschen zu erklären. Deren Voraussetzungen, nämlich die entsprechende Knappheit von finanziellen Mitteln, lägen nach wie vor vor. Von einer Doppelvertretung könne auch keine Rede sein, zumal der nunmehr frei gewählte Vertreter anstelle des bestellten Verfahrenshelfers tätig werde. Durch die Wahl eines frei bestellten Vertreters, der anstelle des bestellten Verfahrenshelfers tätig werde, werde der vom Gericht angenommene Tatbestand einer Doppelvertretung nicht erfüllt. Vielmehr ruhe mit der Beauftragung eines frei gewählten Vertreters die Verpflichtung des bestellten Verfahrenshilfevertreters, in der gegenständlichen Rechtssache tätig zu werden. Bei Beendigung des Vertretungsverhältnisses zum frei gewählten Vertreter lebe die Vertretungsbefugnis bzw Vertretungspflicht des bescheidmäßig bestellten Verfahrenshilfevertreters wieder auf, ohne dass es eines neuerlichen Antrages nach § 64 Abs 1 Z 3 ZPO bedürfe.

Dieser Ansicht schließt sich das Rekursgericht aus folgenden Gründen nicht an. Der Verfahrenshilfeanwalt bezieht seine Vertretungsmacht unmittelbar aus dem Gesetz. Er bedarf daher keiner weiteren Prozessvollmacht seiner Partei, wohl aber ihrer Zustimmung zur Wirksamkeit von Verfügungen über den Streitgegenstand (Zib in Fasching/Konecny §§ 31, 32 ZPO Rz 13 mwN).

Die Bestellung eines Verfahrenshilfevertreters hindert die Partei aber nicht, einem anderen Rechtsanwalt Prozessvollmacht zu erteilen (3 Ob 70/88 = ÖJZ 1989/49 = JBl 1989, 51; Fasching Lehrbuch 2 Rz 485; Zib aaO § 30 ZPO Rz 21, §§ 31, 32 Rz 13). Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes allein führt auch noch nicht (ex lege) zum Erlöschen der Verfahrenshilfe im Sinne des § 68 Abs 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung erlischt die Verfahrenshilfe ex lege nur wegen des Todes der Partei; insofern bedarf es daher auch keines gerichtlichen Beschlusses. Ansonsten kann die Verfahrenshilfe nur durch gerichtlichen Beschluss für erloschen erklärt werden (EF 64.030; M. Bydlinski in Fasching/Konecny 2 § 68 ZPO Rz 7; LG Feldkirch 2 R 38/09t).

Ob die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes einen Erlöschungsgrund darstellt, über den von Amts wegen oder auf Antrag beschlussmäßig zu entscheiden ist, wurde sowohl zu 3 Ob 70/88 als auch in der Entscheidung des Landesgerichtes Feldkirch 2 R 38/09t ausdrücklich offen gelassen. § 68 Abs 1 ZPO regelt diesen Fall nicht (ausdrücklich). Nach dieser Bestimmung hat das Prozessgericht von Amts wegen oder auf Antrag – auch des bestellten Rechtsanwalts – die Verfahrenshilfe soweit zur Gänze oder zum Teil für erloschen zu erklären, als Änderungen in den Vermögensverhältnissen der Partei dies erfordern, oder die weitere Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Der letzte Halbsatz des § 68 Abs 1 ZPO bezieht sich offenkundig auf § 63 Abs 1 erster Satz ZPO, wonach Bewilligungsvoraussetzung ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint, wovon hier natürlich keine Rede sein kann.

Zu prüfen ist, ob eine Gesetzeslücke vorliegt. Eine solche liegt vor, wenn das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und die Ergänzung aber auch nicht vom Gesetz gewollten Beschränkungen widerspricht (RIS-Justiz RS0098756 [T6], 2 Ob 32/08g). Es ist aber nicht Sache der Rechtsprechung, eine allenfalls als unbefriedigend erachtete Gesetzesbestimmung zu ändern (RIS-Justiz RS0009099; RS0008880). Nun ergibt sich aus den Regelungen zur Verfahrenshilfe die klare Absicht des Gesetzgebers, Personen, die aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, die Vertretung durch einen Verfahrenshilfeanwalt zu ermöglichen, soweit deren Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wurde für die Partei ein Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe bestellt, gibt das Gesetz dem Gericht im Rahmen des § 68 ZPO die Handhabe, die Verfahrenshilfe bei Änderung der Verhältnisse für erloschen zu erklären oder zu entziehen. Als solche – wenn auch im Gesetz nicht ausdrücklich angeführte – Änderung der Verhältnisse ist es anzusehen, wenn eine Partei, der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt wurde, nunmehr selbst einen frei gewählten Rechtsanwalt bevollmächtigt, auch wenn sich ihre finanziellen Verhältnisse nicht geändert haben. Es liegt auf der Hand, dass der Gesetzeszweck gerade nicht darin besteht, dass in solchen Fällen neben dem nunmehr agierenden frei gewählten Rechtsanwalt ein Verfahrenshilfevertreter die Interessen der Partei vertritt und es im Belieben der Partei steht, wer nun gerade für sie im Prozess auftritt, unklar ist, an wen Zustellungen zu erfolgen haben, wem bei unter Umständen widersprüchlichen Prozesserklärungen und Anträgen der Vorzug gebührt, und nicht zuletzt, ob der Verfahrenshilfeanwalt aufgrund seiner unmittelbar aus dem Gesetz resultierenden Vertretungsmacht (und -pflicht) neben dem gewählten Anwalt die Interessen der Partei zu vertreten hätte. Schon gar nicht leuchtet aus den Verfahrenshilfevorschriften ein Wille des Gesetzgebers hervor, sozusagen eine Verfahrenshilfe im Vorratswege durch Beigebung eines Rechtsanwaltes, der immer dann herangezogen wird, wenn er gerade benötigt wird, zu gewährleisten. Nach Auffassung des Rekursgerichts liegt eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch Analogie in der Weise zu schließen ist, dass ein Erlöschensgrund auch dann vorliegt, wenn eine Partei den Verfahrenshilfeanwalt durch einen frei gewählten Rechtsanwalt mit Prozessvollmacht austauscht (in diesem Sinn auch Fasching Lehrbuch 2 Rz 485).

Der angefochtene Beschluss ist daher zu bestätigen.

Eine Kostenentscheidung kann entfallen, da sowohl die Rekurswerberin als auch der Verfahrenshelfer (im Hinblick auf § 72 Abs 3 ZPO zutreffend) keine Kosten verzeichnet haben.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

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