JudikaturLG Feldkirch

2R168/12i – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 2012

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Ciresa und Dr. Mayrhofer als weitere Senatsmitglieder in der Exekutionssache der betreibenden Partei *****GmbH , *****, vertreten durch Dr. Hubert Fitz, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die verpflichtete Partei ***** H *****, wegen EUR 91,00 sA, über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bregenz vom 20. Juni 2012, 11 E 366/08b-27, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 12. Februar 2008 bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von EUR 91,00 sA die Fahrnisexekution sowie die Forderungsexekution nach § 294a EO. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. Mai 2008 wurde der Antrag der betreibenden Partei auf Zusammenrechnung der Bezüge der Verpflichteten bei der PVA in Dornbirn und der AHV-Pension in Liechtenstein rechtskräftig abgewiesen.

Am 25. April 2012 stellte die betreibende Partei neuerlich den Antrag auf Zusammenrechnung der Bezüge der Verpflichteten bei der Pensionsversicherungsanstalt und der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung. In der gemäß § 292k Abs 4 EO durchgeführten Einvernahme sprach sich die Verpflichtete gegen die Zusammenrechnung aus und gab ihren Witwenpensionsanspruch gegenüber der PVA mit monatlich netto EUR 341,40, 14 x jährlich, und ihren Anspruch auf Witwenrente gegenüber der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung mit monatlich CHF 1.045,00, 13 x jährlich, bekannt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der betreibenden Partei auf Zusammenrechnung der Bezüge bei der Pensionsversicherungsanstalt Vorarlberg und der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie den Antrag auf Kostenzuspruch mit der Begründung ab, dass gemäß Art 54 des Gesetzes über die Liechtensteinische Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) der Anspruch der Verpflichteten auf die Altersrente unverpfändbar sei und zur Folge dieser absoluten Unverpfändbarkeit eine Zusammenrechnung nicht erfolgen könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Stattgebung des Zusammenrechnungsantrags.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rekurs ist zulässig, weil § 517 ZPO nicht zur Anwendung gelangt, da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine im Zusammenhang mit der Fortsetzung der Exekution stehende gemäß § 65 Abs 2 EO handelt. Der Rekurs ist jedoch unbegründet.

Die Rekurswerberin bringt vor, dass nach der nunmehrigen Rechtsprechung im Sinne der Gleichbehandlung der Schuldner eine Pfändung der Ansprüche eines Schuldners bei der AHVG im Zuge einer Zusammenrechnung zulässig und der angefochtene Beschluss daher rechtswidrig sei.

§ 292 Abs 2 EO bestimmt, dass das Gericht bei einem Zusammentreffen mehrerer beschränkt pfändbarer Geldforderungen oder beschränkt pfändbarer Geldforderungen und Ansprüchen auf Sachleistungen des Verpflichteten gegen verschiedene Drittschuldner auf Antrag die Zusammenrechnung anzuordnen hat. Die Zusammenrechnung kann auch mit solchen beschränkt pfändbaren Geldforderungen erfolgen, auf die nicht Exekution geführt wird (3 Ob 3/03t mwN). Allerdings ist zu beachten, dass nur beschränkt pfändbare Forderungen der Zusammenrechnung unterliegen, nicht aber unpfändbare Forderungen, die gemäß § 291 Abs 1 Z 2 EO bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den nach § 291a  EO unpfändbaren Freibetrag stets vom Gesamtbezug abzuziehen sind. Die Zusammenrechnung einer beschränkt pfändbaren Forderung mit einer absolut unpfändbaren Forderung, die dem Verpflichteten gegenüber einem anderen Drittschuldner zusteht, ist daher auch nicht in der Weise zulässig, dass unter Heranziehung der unpfändbaren Forderung der zu pfändende Teil der beschränkt pfändbaren Forderung ermittelt wird (Angst/Jakusch/Mohr, EO 14 § 292 E 7; 3 R 273/98i, 1 R 214/09t, beide LG Feldkirch).

Richtet sich eine Geldforderung gegen einen ausländischen Drittschuldner, steht dies der Zusammenrechnung nach § 292 Abs 2 EO nicht entgegen. Allerdings ist auf im Ausland bestehende Pfändungsbeschränkungen Bedacht zu nehmen, sodass eine nach fremdem Recht unpfändbare Forderung nicht in eine Zusammenrechnung einbezogen werden darf (3 Ob 3/03t mwN; 16 R 182/09m LG Linz; 1 R 214/09t LG Feldkirch mwN).

Vorliegend hat die betreibende Partei eine Zusammenrechnung der Witwenpensionsansprüche der Verpflichteten bei der PVA mit der liechtensteinischen Witwenrente der Verpflichteten bei der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) beantragt. Es ist daher deren Pfändbarkeit nach liechtensteinischem Recht zu beurteilen.

Gemäß Art 211 des Gesetzes vom 24. November 1971 über das Exekutions- und Rechtssicherungsverfahren (Liechtensteinische Exekutionsordnung – liEO, LGBl 1972/32/2 idgF) unterliegen die Ansprüche auf Löhne, Gehälter, Pensionen und alle anderen Einkünfte auf Grund bestehender oder bestandener Dienst- oder Arbeitsverhältnisse der Exekution in dem durch Regierungsverordnung festzusetzenden Ausmaß. Nach Art 1 der Verordnung vom 1. Juli 2008 über die Festsetzung der pfändungsfreien Beträge bei Exekutionen auf Arbeits- und Diensteinkommen (LGBl 2008/169) sind bei Exekutionen auf Einkommen in Sinne von Art 211 der liEO darin ziffernmäßig angeführte Mindestbeträge, die sich bei Unterhaltspflichten entsprechend erhöhen, unpfändbar. Weiters sind gemäß Art 3 lit a dieser Verordnung bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens die nach Art 210 der liEO der Pfändung entzogenen Bezüge in Abzug zu bringen. Nach Art 210 Abs 1 der liEO sind ua unpfändbar die Ansprüche auf

a) Unterstützungen und Leistungen des Landes, der Gemeinden und andere öffentlicher Einrichtungen bei Hilfsbedürftigkeit, Krankheit oder Todesfall;

b) andere in oder auf Grund von Gesetzen als unpfändbar erklärte Leistungen.

Art 54 des liechtensteinischen Gesetzes vom 14. Dezember 1952 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung – liAHVG (LGBl 1952/29 idgF) bestimmt, dass jeder Anspruch auf Renten unabtretbar, unverpfändbar und der Zwangsvollstreckung entzogen und jede Abtretung oder Verpfändung nichtig ist. Damit sind Rentenforderungen nach dem liAHVG nach Art 210 Abs 1 lit d liEO unpfändbar und nach Art 3 der Verordnung über die Festsetzung der pfändungsfreien Beträge bei Exekutionen auf Arbeits- und Diensteinkommen bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens in Abzug zu bringen. Erst der danach verbleibende Rest des Gesamteinkommens unterliegt der Pfändung (Klocker, Zusammenrechnung (un-)pfändbarer Forderungen – gegensätzliche Rechtsprechung des VwGH/OGH, DRdA 2006, 160).

Damit unterscheidet sich die liechtensteinische Rechtslage in der Behandlung unpfändbarer Geldforderungen im Rahmen der Forderungsexekution vom Schweizer Recht. Zwar sind nach Art 92 Abs 1 Z 9a des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR281.1 idgF) Rentenansprüche gemäß Art 20 des Schweizer Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SchAHVG; SR831.10 idgF) oder solche gemäß Art 50 des Schweizer Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (SchIVG; SR831.20 idgF) ebenfalls unpfändbar und der Zwangsvollstreckung entzogen. Das bedeutet aber noch nicht, dass sie nach Schweizer Recht bei der Bestimmung des pfändungsfreien Existenzminimums völlig außer Ansatz bleiben. Denn zur Bestimmung des für den Schuldner und seine Familie unbedingt notwendigen unpfändbaren Einkommensteils nach Art 93 SchKG ist nach Schweizer Recht vom Gesamteinkommen auszugehen, welches aus einer oder gleichzeitig mehreren Einkunftsquellen bestehen kann. Hat der Schuldner Einkünfte, die gemäß Art 92 Z 9a leg cit unpfändbar sind, und daneben auch noch anderweitiges, beschränkt pfändbares Einkommen, so kann der zusammen mit den unpfändbaren Einkünften den Notbedarf übersteigende Teil des beschränkt pfändbaren Einkommens gepfändet werden, weil der Schuldner seinen Lebensunterhalt in diesem Fall teilweise oder gar gänzlich aus den unpfändbaren Forderungen bestreiten kann. Die Unpfändbarkeit einer Rente oder anderen Leistungen hat also nach Schweizer Recht – im Gegensatz zum liechtensteinischen und österreichischen Recht – lediglich zur Folge, dass diese nicht selbst gepfändet werden dürfen, nicht aber, dass der Schuldner neben diesen noch einen seinem Notbedarf entsprechenden Teil des Einkommens beanspruchen könnte (2 R 16/07d LG Feldkirch mwN).

Damit können zwar nach Schweizer Recht Rentenbezüge auf Grund des SchAHVG und des SchIVG zur Bestimmung des pfändungsfreien Existenzminimums berücksichtigt werden, nicht aber liechtensteinische Rentenbezüge nach dem liAHVG, die nach Art 3 der Verordnung vom 1. Juli 2008 über die Festsetzung der pfändungsfreien Beträge bei Exekutionen auf Arbeits- und Diensteinkommen nicht in die unpfändbaren Mindestbeträge eingerechnet werden dürfen. Es hat daher das Erstgericht zu Recht eine Zusammenrechnung beschränkt pfändbarer Forderungen mit liechtensteinischen Rentenbezügen nach dem liAHVG abgelehnt.

Dem Rekurs der betreibenden Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß §§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO, 78 EO jedenfalls unzulässig.

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