JudikaturLG Feldkirch

2R371/11s – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
02. Januar 2012

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richter Hofrat Dr. Höfle als Vorsitzenden sowie Dr. Flatz und Dr. Fischer als weitere Senatsmitglieder in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin L***** G***** (*****), Pensionistin, *****, vertreten durch die IfS-Schuldenberatung gemeinnützige GmbH, Schießstätte 14, 6800 Feldkirch, diese vertreten durch Mag. Claudia Lecher-Tedeschi, Rechtsanwältin in Dornbirn, wegen Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 12. Dezember 2011, 16 S 52/08p-43, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert , dass er lautet:

Text

„Das Abschöpfungsverfahren wird für beendet erklärt. Der Schuldnerin wird die Restschuldbefreiung erteilt.“

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig .

Begründung:

Am 20.8.2008 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, wobei sie 23 Gläubiger mit offenen Forderungen von gesamt EUR 43.421,02 angab. Gleichzeitig begehrte sie die Annahme eines Zahlungsplans mit einer Quote von 7,74 % innerhalb von 7 Jahren. Für den Fall der Nichtannahme des Zahlungsplans beantragte sie die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens.

Mit Beschluss vom 26.8.2008 eröffnete das Erstgericht das angestrebte Schuldenregulierungsverfahren, wobei der Schuldnern die Eigenverwaltung nicht entzogen wurde (ON 12).

Nachdem bis zur Tagsatzung am 23.10.2008 keine Gläubiger Forderungen angemeldet hatten, kein Gläubiger zum Termin erschienen war und deshalb eine Abstimmung über den Zahlungsplan nicht vorgenommen werden konnte, beantragte die Schuldnerin die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens (ON 30).

Mit Beschluss vom 23.10.2008 leitete das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren ein und bestellte die ASB Schuldnerberatungen GmbH zur Treuhänderin. Die Konkursgläubiger wurden ersucht, der Treuhänderin eine Kontoverbindung zur Durchführung der Verteilung bekannt zu geben (ON 31).

Auch im Abschöpfungsverfahren haben bislang keine Gläubiger Forderungen angemeldet. Ab Jänner 2009 langten Gutschriften ein, sodass unter Berücksichtigung der Vergütungen der Treuhänderin per Ende des Jahres 2010 ein Positivsaldo von EUR 1.194,31 bestand.

Am 25.11.2011 beantragte die Schuldnerin, das Abschöpfungsverfahren gemäß § 213 Abs 1 Z 1 IO für beendet zu erklären und die Restschuldbefreiung zu erteilen. Sämtliche Treuhandkosten seien bezahlt und die Gläubiger hätten mindestens 50 % der angemeldeten Forderungen (50 % von null = null) erhalten (ON 40).

Mit Schreiben vom 29.11.2011 ersuchte die Treuhänderin, das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären, da keine Forderungen angemeldet worden seien und die Zeit von drei Jahren iSd § 213 Abs 1 Z 1 IO abgelaufen sei (ON 42).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag der Schuldnerin, das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären und die Restschuldbefreiung zu erteilen, mit der Begründung ab, das Abschöpfungsverfahren habe eine Regellaufzeit von 7 Jahren, weshalb die Gläubiger ihre Forderungen noch zur Anmeldung bringen könnten. Die Erteilung der Restschuldbefreiung wirke gegen alle Insolvenzgläubiger, gleichgültig, ob sie sich am Verfahren beteiligt haben oder nicht. Deshalb könne der Ausspruch über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und über die Erteilung der Restschuldbefreiung erst nach Ablauf der Regelzeit von 7 Jahren erfolgen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Schuldnerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass ihrem Antrag stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Nach Auffassung der Rekurswerberin stehe die Möglichkeit, dass nach Ablauf von drei Jahren Insolvenzgläubiger ihre Forderungen noch nachträglich anmelden könnten, der Anwendung des § 213 Abs 1 Z 1 IO nicht entgegen. Auch in anderen Fällen, in denen zumindest eine Forderungsanmeldung vorgelegen sei, sei bislang die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens nach § 213 Abs 1 Z 1 IO nicht verwehrt worden. Gläubiger hätten am Insolvenzverfahren auch eine gewisse Mitwirkungspflicht. Deshalb könne es nicht zu Lasten der Schuldnerin gehen, wenn bislang keine Gläubiger Forderungen angemeldet hätten.

Nach § 213 Abs 1 Z 1 IO ist das Abschöpfungsverfahren (zwingend) für beendet zu erklären, wenn drei Jahre der Laufzeit der Abtretungserklärung verstrichen sind und die Insolvenzgläubiger während des Insolvenz- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 50 % der Forderungen erhalten haben. Durch diese Bestimmung soll der Schuldner motiviert werden, besondere Anstrengungen zu unternehmen, um seine Gläubiger rasch zu befriedigen (AB 1330 BlgNR 18. GP 3; Feil, Insolvenzordnung 7 § 213 Rz 2; Deixler-Hübner, Privatkonkurs 2 Rz 182; Kodek, Privatkonkurs Rz 661; Mohr, Privatkonkurs 2 120; Konecny, Restschuldbefreiung bei insolventen natürlichen Personen, ÖBA 1994, 911 insb 923). Die beiden Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Auch wenn die 50%ige Quote bereits früher erreicht wurde, ist eine vorzeitige Beendigung des Abschöpfungsverfahrens jedenfalls erst nach einer Laufzeit von drei Jahren möglich (RPflE 2002/31; RPflE 2009/127).

Bei der Beurteilung der Höhe der Quote ist auf die Forderungen rechtzeitig anmeldender Konkursgläubiger abzustellen (Kodek, Privatkonkurs Rz 671 f; Mohr, Privatkonkurs 2 121; Mohr in Konecny/Schubert, KO § 213 Rz 4). Dass ein Gläubiger wegen Nichtanmeldung oder verspäteter Prüfungsklage weniger erhalten hat, schadet nicht.

Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass innerhalb der Laufzeit von drei Jahren überhaupt keine Gläubiger Forderungen angemeldet haben. Es stellt sich daher die Frage, was als Bezugsgröße für die Errechnung der 50-Prozent-Quote heranzuziehen ist. Jedenfalls ist nicht auf die vom Schuldner im Eröffnungsantrag angeführten Verbindlichkeiten abzustellen. Vielmehr kommt es grundsätzlich auf die Forderungen rechtzeitig anmeldender Insolvenzgläubiger an. Wenn nun aber Gläubiger, die jedenfalls eine gewisse Mitwirkungspflicht in einem Insolvenzverfahren trifft, nicht einmal bis drei Jahre nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens Forderungen angemeldet haben, kann dies nicht die vorzeitige Beendigung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschulderteilung iSd § 213 Abs 1 Z 1 IO hindern. Jedes andere Ergebnis wäre – wie dies im Rekurs zutreffend dargelegt wird – ein Wertungswiderspruch zu der Konstellation, bei der etwa nur ein Gläubiger eine niedrige Forderung angemeldet hätte, die zu 50 % aus den abgeschöpften Mitteln des Schuldners befriedigt worden wäre. Es ist nicht einzusehen, dass ein Schuldner dann schlechter gestellt sein sollte, wenn sich Gläubiger am Insolvenzverfahren überhaupt nicht beteiligen und keine Forderungen anmelden. Ungeachtet der Bestimmung des § 207 IO, wonach Gläubiger grundsätzlich ihre Ansprüche noch nachträglich geltend machen können und deshalb das pfändbare Einkommen vom Treuhänder zunächst zurückzuhalten ist, um dem Schuldner die Erlangung der Restschuldbefreiung auch gegenüber den nicht anmeldenden Gläubigern zu ermöglichen, ist es hier nicht erforderlich, vorerst die Regellaufzeit von sieben Jahren abzuwarten und erst dann über die Restschuldbefreiung zu entscheiden, wie dies vom Erstgericht vertreten wurde.

Deshalb ist dem Rekurs der Schuldnerin Folge zu geben und der angefochtene Beschluss dahin abzuändern, dass das Abschöpfungsverfahren für beendet erklärt und der Schuldnerin die Restschuldbefreiung erteilt wird.

In Anbetracht der Höhe der von der Schuldnerin selbst angegebenen Forderungen übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil – soweit ersichtlich – keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliegt, ob das Abschöpfungsverfahren auch dann vorzeitig mit Restschuldbefreiung iSd § 213 Abs 1 Z 1 IO beendet werden darf, wenn überhaupt keine Forderungen angemeldet wurden.

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