JudikaturLG Feldkirch

1R13/11m – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2011

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht hat durch den Präsidenten Dr. Bildstein als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Flatz und Dr. Troll als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei ***** M *****, vertreten durch Dr. Richard Bickel, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, gegen die beklagte Partei Dr. ***** G *****, wegen EUR 565,52 sA, infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 30. November 2010, 20 C 485/10b-10, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Text

Das angefochtene Urteil wird abgeändert , dass dieses lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 565,52 samt 4 % Zinsen seit 15.5.2010 zu bezahlen und die mit EUR 639,66 (darin enthalten EUR 55,00 Barauslagen und EUR 97,44 USt) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 249,02 (darin enthalten EUR 31,34 USt und EUR 61,00 Barauslagen) bestimmten Kosten der Berufung zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreites sind Schadenersatzansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dessen Vertretung durch die Rechtsanwaltskanzlei G***** OG in einem Erbrechtsstreit im Verfahren 31 A 527/08k des BG Feldkirch. In diesem Verfahren wurde mit Beschluss vom 28.12.2009 festgestellt, dass ***** M***** aus dem Titel des Testaments Alleinerbe ist. ***** L***** und ***** M*****, deren Erbantrittserklärungen abgewiesen wurden, wurden zur ungeteilten Hand verpflichtet, dem Testamentserben die mit EUR 10.704,01 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen. Dieser Beschluss wurde dem Kläger mit E-Mail vom 7.1.2010 übermittelt.

Mit der am 16.6.2010 überreichten Klage begehrte der Kläger EUR 565,52 zuzüglich 4 % Zinsen ab 15.5.2010 und brachte vor, RA Dr. W*****, der ***** M***** im Verfahren über das Erbrecht vertrat, habe den Beklagten mehrfach ersucht, er möge seinen Mandanten zur Zahlung der zugesprochenen Kosten auffordern. Der Beklagte habe diese Aufforderung jedoch nicht an den Kläger weitergeleitet. Mangels Kenntnis der Zahlungsverpflichtung habe der Kläger nicht bezahlt, weshalb am 19.4.2010 die Fahrnis- und Gehaltsexekution bewilligt worden sei. Der Kläger habe erst mit Zustellung der Exekutionsbewilligung von der Zahlungspflicht Kenntnis erlangt. Durch die unrichtige Rechtsberatung durch den Beklagten sowie durch die Unterlassung der Weiterleitung eines Forderungsschreibens von RA Dr. W***** vom 1.3.2010 seien Exekutionskosten in Höhe von EUR 565,52 entstanden. Der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, die Exekutionsführung und die angefallenen Kosten zu vermeiden. Er hätte den offenen Honorarbetrag umgehend nach Erhalt des Forderungsschreibens beglichen.

Der Beklagte hat bestritten, kostenpflichtige Klagsabweisung beantragt und eingewendet, der Beschluss gemäß § 161 AußStrG sei zum Zeitpunkt der Exekutionsführung weder rechtskräftig noch vollstreckbar gewesen. Die Vollstreckbarkeit dieses Beschlusses sei erst mit der Einantwortung des Nachlasses eingetreten, was bis zur Beendigung des Vollmachtsverhältnisses der als OG auftretenden Rechtsanwaltskanzlei G***** anfangs März nicht geschehen sei. Der Kläger, der bereits am 7.1.2010 Kenntnis von seiner Zahlungsverpflichtung erlangt habe, hätte den Exekutionsbewilligungsbeschluss anfechten müssen. Seine Rechtsmeinung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des Beschlusses über das Erbrecht habe der Beklagte auf namhafte Lehrmeinungen gestützt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die auf den Seiten 4 bis 7 des Urteiles angeführten Feststellungen, auf die das Erstgericht verweist und von denen folgende hervorgehoben werden:

Am 20.1.2010 rief der Kläger beim Beklagten an. Unter anderem wurde die Kostenfrage besprochen. Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass es Lehrmeinungen gäbe, wonach die Kostenbestimmung erst mit der Einantwortung fällig werde. Es gäbe dazu aber noch keinen veröffentlichten Gerichtsbeschluss. Der vorliegende Erbrechtsbeschluss sei ein Vorabbeschluss. Dieser sei nicht zur Rechtskraft fähig. Die darin genannten Kosten würden auch dieses Schicksal teilen.

Mit Schreiben vom 1.3.2010 forderte RA Dr. ***** W***** die G***** OG auf, seinen Klienten (damals den Kläger) zur Überweisung der zugesprochenen Kosten bis längstens 5.3.2010 zu veranlassen, widrigenfalls er umgehend den Gesamtbetrag von EUR 10.924,55 zuzüglich Zinsen in Exekution ziehen würde. Der Beklagte leitete diese Nachricht zu diesem Zeitpunkt auf Grund eines Zustellfehlers nicht an den Beklagten weiter.

Am 8.4.2010 wurde durch das Bezirksgericht Feldkirch die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Beschlusses 31 A 527/08k, Bezirksgericht Feldkirch, vom 28.12.2009 bestätigt. Über Antrag des Betreibenden ***** M***** vom 13.4.2010 wurde am 19.4.2010 durch das Bezirksgericht Feldkirch die Fahrnis- und Gehaltsexekution bewilligt. Im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung vom 21.4.2010 traf der Kläger auf RA Dr. ***** W*****, der ihn über den gestellten Exekutionsantrag informierte. Der Kläger zahlte daraufhin den in Exekution gezogenen Betrag sofort ein. Der Kläger wusste zu diesem Zeitpunkt nichts von dem auf dem Beschluss vorhandenen Bestätigungen der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit. Hätte der Kläger gewusst, dass er den Betrag bezahlen muss, hätte er dies auch getan. Die Exekutionsbewilligung wurde dem Kläger am 22.4.2010 zugestellt. Die Kosten des Exekutionsverfahrens betrugen EUR 565,52.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, ein Beschluss nach § 161 AußStrG sei nur iVm der rechtskräftigen Einantwortung der Rechtskraft fähig. Der rechtlichen Argumentation des Klägers, wonach eine Entscheidung hinsichtlich des Kostenpunktes, nicht jedoch in der Hauptsache rechtskräftig und vollstreckbar werde, könne das Gericht nicht folgen. Eine unrichtige Rechtsberatung durch den Beklagten liege nicht vor. Der Kläger sei im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht verhalten gewesen, sich gegen die Exekutionsbewilligung rechtlich zur Wehr zu setzen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Berufung des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat eine Berufungsbeantwortung erstattet und beantragt, die Berufung des Klägers abzuweisen (gemeint: der Berufung nicht Folge zu geben).

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Beklagte – dessen Passivlegitimation im Rechtsmittelverfahren ( zu Recht ) nicht mehr bestritten wird – im Rahmen des ursprünglichen Mandatsverhältnisses, auch wenn dieses bereits aufgelöst war, selbstverständlich verpflichtet gewesen wäre, das Forderungsschreiben von RA Dr. W***** vom 1.3.2010 an den Kläger weiterzuleiten. Diese (auf einen vom Beklagten zu vertretenden Zustellfehler zurückzuführende) Unterlassung vermag auf Grund der Feststellungen des Erstgerichtes eine Haftung des Beklagten jedoch deshalb nicht zu begründen, da den Feststellungen die Kausalität dieser Unterlassung für den eingetretenen Schaden nicht entnommen werden kann. Das Erstgericht hat nämlich dazu, dass der Beklagte sofort bezahlt hätte, wenn er dieses Schreiben erhalten hätte, keine Feststellungen getroffen (sondern lediglich dazu, er hätte bezahlt, wenn er von seiner Zahlungspflicht gewusst hätte).

Der Kläger bringt in seiner Rechtsrüge vor, der Beklagte habe den Kläger unrichtig beraten. Dem ist zuzustimmen. Zwar ist die Rechtsansicht, wonach ein Beschluss nach § 161 AußStrG der Rechtskraft nur in Verbindung mit der rechtskräftigen Einantwortung fähig ist, durchaus zutreffend, doch ist keineswegs „systemwidrig“, dass die Rechtskraft der Kostenentscheidung in einem solchen Beschluss unabhängig von der rechtskräftigen Einantwortung eintritt. Die Möglichkeit einer Teilrechtskraft ist Bestandteil des streitigen und außerstreitigen zivilrechtlichen Verfahrens. Unabhängig davon, dass ein Beschluss über das Erbrecht nach § 161 AußStrG nur in Verbindung mit der rechtskräftigen Einantwortung der Rechtskraft fähig ist, erwächst die Kostenentscheidung bei nicht fristgerechter Bekämpfung in Rechtskraft. Die gegenteilige Auffassung würde zum kuriosen und jedenfalls völlig unbefriedigendem Ergebnis führen, dass mangels Einantwortung an die im Streit über das Erbrecht siegreiche Partei (aus welchen Gründen immer) auch die Entscheidung über die Kosten nie in Rechtskraft erwachsen und die in diesem Streit jedenfalls erfolgreiche Partei nie einen Kostenersatz erlangen könnte. Während die Entscheidung über das Erbrecht selbst erst mit der rechtskräftigen Einantwortung rechtskräftig wird, tritt die Rechtskraft hinsichtlich der Kosten nach Ablauf der diesbezüglichen Rechtsmittelfrist ein.

Allein die nach Auffassung des Rekursgerichtes unzutreffende Rechtsansicht des Beklagten im Zusammenhang mit der Rechtskraft der Kostenentscheidung vermag dessen Haftung nicht zu begründen, da diese Ansicht gerade im Hinblick auf die Entscheidung Ob 186/09b und im Hinblick auf den Umstand, dass eine gesicherte Rechtsprechung dazu fehlt, nicht als unvertretbar angesehen werden kann. Verfehlt war allerdings die unterlassene Beratung des Klägers durch den Beklagten anlässlich der Besprechung der Kostenfrage am 20.1.2010, die Kosten trotz der von ihm vertretenen Ansicht zu bezahlen. Mag die Rechtsmeinung des Beklagten auch vertretbar sein, so liegt doch ein Verstoß gegen die anwaltliche Sorgfaltspflicht gegenüber seiner Mandanten vor, wenn die Zahlungspflicht aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 28.12.2009 zu 31 A 527/08k festgestanden hat und die Bezahlung dieser Kosten unbestritten jedenfalls erfolgen musste. In diesem Fall, dem Mandanten nicht die umgehende Bezahlung seiner Kostenschuld anzuraten, sondern diesem wenig sinnvoll das Risiko einer kostenrechtlichen Abklärung der keinesfalls im Sinne der Rechtsmeinung des Beklagten geklärten Rechtslage aufzubürden, stellt einen Beratungsfehler dar. Ist der Kläger unbestritten verpflichtet, die Kosten aus dem Verfahren über das Erbrecht zu tragen, so kann diesem nicht zugemutet werden, allenfalls eine Exekutionsführung samt Rekurserhebung und die damit verbundenen Kosten zu riskieren, nur um eine unklare Rechtslage abzuklären. Die unterlassene Aufklärung des Beklagten, die Kosten rechtzeitig vor einer Exekutionsführung zu bezahlen, stellt einen rechtswidrigen Beratungsfehler durch den Beklagten dar, der zum Schaden des Klägers geführt hat. Damit ist die Haftung des Beklagten gegründet und der Berufung des Klägers Erfolg beschieden.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Diese wurden durch den Klagsvertreter richtig verzeichnet.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

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