1R518/96a – LG Feldkirch Entscheidung
Kopf
Beschluß
Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch den Vizepräsidenten des Landesgerichtes Dr. Dür als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Fußenegger und Dr. Höfle als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei Firma A*****, vertreten durch Dr. Franz Grauf, Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei Arthur R*****, vertreten durch Dr. Edelbert Giesinger, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 26.500,40 s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 28.10.1996, 3C 1048/94 k-30, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang abgewiesen wird.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit der am 1.7.1994 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei vom Beklagten aus der Lieferung von verschiedenem Autozubehör nach Klagseinschränkung einen Betrag von S 26.500,40 s.A.
Der Beklagte bestritt und wendete ein, er habe die geltend gemachten Rechnungsbeträge bereits vollständig bezahlt.
Mit Urteil des Erstgerichtes vom 13.9.1996, ON 27, wurde der Beklagte verpflichtet, der klagenden Partei den Betrag von S 24.347,45 s.A. zu bezahlen und die mit S 29.748,78 bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Das Mehrbegehren im Umfang von S 2.152,92 s.A. wurde abgewiesen.
Innerhalb der 4-wöchigen Berufungsfrist stellte der Beklagte den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang, insbesonders auf Beigebung eines Rechtsanwaltes.
Mit dem nun bekämpften Beschluß vom 28.10.1996 bewilligte das Erstgericht dem Beklagten die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis c und Z 3 ZPO. Zum Verfahrenshelfer wurde Dr. Reinhold *****, Rechtsanwalt in *****, bestellt. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung das Vermögensbekenntnis des Beklagten vom 24.10.1996 zugrunde. Danach bewohnt der Beklagte, der selbständiger Kaufmann ist, eine Mietwohnung, wofür er S 8.500,-- monatlich zu bezahlen hat. Er hat als selbständig Erwerbstätiger ein jährliches Reineinkommen von S 300.000,--. Der Beklagte ist bei der ***** sowohl für den geschäftlichen als auch für den privaten Bereich rechtsschutzversichert. Die Versicherungssumme beläuft sich auf S 150.000,--. Der Beklagte hat Schulden gegenüber der ***** in Höhe von S 800.000,--, gegenüber dem Finanzamt in Höhe von S 400.000,-- und gegenüber der Raiba ***** von S 600.000,--. Er ist sorgepflichtig für seine Ehegattin Renate R***** und seinen 10-jährigen Sohn S*****.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der fristgerecht erhobene und gemäß § 72 Abs 2 erster Satz ZPO zulässige Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Schließlich wird beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rekursverfahrens aufzuerlegen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist begründet.
Wenn die klagende Partei moniert, der angefochtene Beschluß sei mangels jeglicher Begründung aufzuheben, übersieht sie, daß gemäß § 428 Abs 1 ZPO ein Beschluß nur dann begründet werden muß, wenn über widerstreitige Anträge entschieden oder ein Antrag abgewiesen wird. Da hier beides nicht zutrifft, - ein Antrag auf Abweisung des Antrages des Beklagten auf Erteilung der Verfahrenshilfe wurde von der klagenden Partei in erster Instanz nicht gestellt - bestand keine unter der Sanktion der Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO stehende Begründungspflicht, zumal eine solche sich auch nicht aus den Bestimmungen der §§ 63 bis 73 ZPO ergibt.
Ob gegen die Angaben des Beklagten Bedenken bestehen und sie daher durch entsprechende Bescheinigungen glaubhaft zu machen gewesen wären (§ 66 Abs 2 ZPO), kann dahingestellt bleiben. Denn schon nach den vom Erstgericht offenbar für glaubhaft und vollständig gehaltenen Vermögensangaben des Beklagten liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine im Rahmen des Geschäftsbetriebes des Beklagten entstandene Forderung der klagende Partei, deren Bestand der Beklagte mit der Begründung bestreitet, er habe die Rechnungsbeträge bereits bezahlt. Die mit dieser Prozeßführung verbundenen Aufwendungen sind sohin zu den Geschäftsunkosten zu zählen. Es kann nun nicht Sinn der im Rahmen der Verfahrenshilfe vorgesehenen Begünstigungen sein, einem Betrieb Geschäftsunkosten abzunehmen (vgl 1 R 274/96, 5 R 353/85, 4 R 194/94 OLG Innsbruck). Für den Beklagten ist es ohne weiteres möglich, sich gegen überhöhte Prozeßkostenrisiken durch Abschluß einer entsprechenden Rechtsschutzversicherung abzudecken. Wie sich aus dem Vermögensbekenntnis Punkt 9. ergibt, hat der Beklagte auch tatsächlich eine Rechtsschutzversicherung für den privaten und geschäftlichen Bereich abgeschlossen.
Verfahrenshilfe ist einer Partei gemäß § 63 ZPO soweit zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen - dies ist mehr als der notdürftige, aber weniger als der standesgemäße (EF 39.145) - Unterhaltes zu bestreiten. Der notwendige Unterhalt ist dann beeinträchtigt, wenn unter Berücksichtigung der zu erwartenden Prozeßkosten keine genügenden Mittel für eine einfache Lebensführung des Antragsstellers und seiner Familie verbleiben (Fasching, Kommentar, Ergänzungsband 8; EF 34.364, 41.656, 57.732 ua). Da für die Unterhaltsansprüche die Privatentnahmen als Bemessungsgrundlage herangezogen werden (Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 235 mwH), muß dies umsomehr bei der Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenshilfe gelten (EvBl 1996/73).
Der Beklagte ist für seine Gattin und ein Kind unterhaltspflichtig. Nach den Angaben im Vermögensbekenntnis erzielt er ein jährliches Reineinkommen von S 300.000,--. Dies entspricht einem Monatsbetrag von S 25.000,--. Angesichts dieser finanziellen Situation des Unternehmens des Beklagten ist davon auszugehen, daß die als Geschäftsunkosten anzusehenden Prozeßaufwendungen in den zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Unkosten untergebracht werden können (EvBl 1996/73). Dabei ist vor allem auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe (erst) für das Berufungsverfahren beantragt hat. Der damit verbundene Prozeßkostenaufwand ist angesichts der Höhe des Streitwertes nicht so groß, daß bei Nichtbewilligung der Verfahrenshilfe der notwendige Unterhalt des Beklagten und seiner Familie gefährdet wäre.
Da die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Beklagten nicht vorliegen, ist dem Rekurs der klagenden Partei Folge zu geben und der Antrag des Beklagten auf Gewährung der Verfahrenshilfe abzuweisen.
Die klagende Partei hat für ihren erfolgreichen Rekurs Kosten verzeichnet und beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rekursverfahrens aufzuerlegen. Dies bietet erneut Anlaß, die bisherige ständige Rechtssprechung des Rekursgerichtes kritisch zu hinterfragen, wonach das Verfahren über die Gewährung der Verfahrenshilfe ein Zwischenstreit besonderer Art mit amtswegigen Elementen ist, weshalb ein gegenseitiger Kostenersatz nicht vorgesehen sei (1 R 57/94, 1 R 219/96 f, 1 R 388/96 h, 1 R 489/96 m uva). Diese bisherige Rechtssprechung des erkennenden Rekursgerichtes orientierte sich an der ausführlich begründeten Entscheidung des OLG Graz in JBl 1974, 630. Das LGZ und OLG Wien vertreten differenzierte Meinungen. Während etwa in EF 72.926, 72.928, 76.044 ein Kostenersatzanspruch im Rekursverfahren nach § 72 ZPO verneint worden ist, wurden in den Entscheidungen EF 39.135, 41.653, 46.435, 41.643, 46.635, 49.304, 57.729, 60.804, 66.976 die Kosten eines erfolgreichen Rekurses sowohl des Antragsstellers als auch des Antragsgegners als weitere Verfahrenskosten bestimmt.
Die letztgenannten Entscheidungen orientierten sich an der Rechtsprechung des OLG Innsbruck JBl 1977, 324, die sich in dem Leitsatz zusammenfassen läßt: "Die Kosten eines erfolgreichen Rekurses im Verfahren zur Verfahrenshilfe sind weitere Verfahrenskosten."
Die Begründung der Entscheidung JBl 1977, 324 ist überzeugend. Ihr liegt der dogmatisch zutreffende Ansatz zugrunde, daß das Verfahren in Verfahrenshilfeangelegenheiten ein Inzidenzverfahren im Zivilprozeß ist, sodaß grundsätzlich die Bestimmungen der ZPO und sohin auch jene über den Kostenersatz (§§ 40 ff ZPO) Anwendung zu finden haben. Sie setzt sich auch mit Billigkeitserwägungen auseinander und kommt zu der Schlußfolgerung, daß nicht einzusehen sei, wieso im Rahmen eines Zivilprozesses vorgenommene und in der ZPO geregelte Prozeßhandlungen, die immerhin dem vom Gesetz verfolgten Zweck der Verhinderung eines Mißbrauches dienen, von der allgemeinen Kostenersatzpflicht der §§ 40 ff ZPO ausgenommen sein sollen. Gemäß § 72 Abs 2 erster Satz ZPO steht auch dem Gegner gegen die nach diesem Titel ("Verfahrenshilfe") ergehenden Beschlüsse der Rekurs zu. Eine Einschränkung des Kostenersatzrechtes ist aus dem Gesetz nicht ableitbar. Das Rekursrecht des Gegners (eingeführt durch das Verfahrenshilfegesetz BGBl 1973/569) soll die Kontrollmöglichkeiten verbessern und gegen den Mißbrauch der Verfahrenshilfe wirksamer schützen (Fasching, Kommentar, Ergänzungsband Anm 3 zu § 72 ZPO; Fucik in Rechberger, Rz 2 zu § 72 ZPO; AnwBl 1995/6066). Gerade aus diesen Überlegungen erscheint es unbillig, dem obsiegenden Gegner den Kostenersatzanspruch für das erfolgreiche Rechtsmittel abzusprechen.
Dieser Auffassung ist auch das OLG Linz gefolgt und hat in Abkehr von seiner bisherigen Judikatur in der Entscheidung AnwBl 1994/4770 ausgesprochen, daß die Kosten eines erfolgreichen Rekurses gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe das Schicksal der Kosten in der Hauptsache teilen.
In der bereits zitierten Entscheidung des OLG Innsbruck JBl 1977, 324 wurde auch ausführlich und überzeugend begründet, daß es nicht gerechtfertigt wäre, dem Rekurswerber Kosten für einen erfolgreichen Rekurs in Verfahrenshilfeangelegenheiten ohne Rücksicht auf den Verfahrensausgang zuzuerkennen. Dazu wurde ausgeführt, ein gesondertes, von der Hauptsache völlig unabhängiges Zwischenverfahren, das den Zwischenstreit für die Instanz endgültig erledige und daher einen von der Hauptsache unabhängigen Kostenersatzanspruch eröffne, liege nicht vor, denn die Frage der Verfahrenshilfe könne jederzeit neuerlich aufgerollt werden. Darüber hinaus würden Lehre und Rechtsprechung einen gesonderten Kostenersatz für Zwischenstreitigkeiten stets nur dann für berechtigt erachten, wenn es sich um Streitigkeiten handle, über die schon in I. Instanz kontradiktorisch aufgrund gegensätzlicher Anträge der Parteien verhandelt worden sei. Dies sei aber nach dem Gesetz aufgrund eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe nicht der Fall. Zu einem solchen Antrag sei gemäß §§ 72 f ZPO der Gegner nicht einzuvernehmen und es finde darüber auch keine mündliche Verhandlung statt (§ 72 Abs 1 ZPO). Die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe habe vielmehr von Amts wegen durch das Gericht zu erfolgen (§ 65 Abs 2, § 66 Abs 2 ZPO). Es bestehe daher auch keine Begründungspflicht stattgebender Beschlüsse. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß dem Gegner der antragsstellenden Partei durch Schaffung des Rekursrechtes nur eine Hilfestellung bei der Wahrung fiskalischer Interessen des Staates eingeräumt worden sei und er an der Gewährung oder Verweigerung der Verfahrenshilfe für den Antragsteller kein eigenes prozessuales Interesse haben könne. Daher könne von einem selbständigen kontradiktorischen Verfahren bei Prüfung der Gewährung der Verfahrenshilfe nicht die Rede sein. Die Sache sei vielmehr ähnlich einer zwischen Gericht und einer Partei bestandenen und von Amts wegen zu klärenden Streitfrage zu behandeln. Diesfalls seien die Kosten der Endentscheidung vorzubehalten.
Das OLG Innsbruck hat die in der Leitentscheidung JBl 1977, 324 vertretene Auffassung beibehalten und judiziert in ständiger Rechtssprechung (etwa 5 R 137/84, 4 R 296/91, 4 R 118/95, 4 R 1052/95 b) in diesem Sinne.
Der erkennende Senat schließt sich diesen Argumenten in Abkehr von seiner bisherigen Judikatur an. Gerade im vorliegenden Fall hat der Rekurs eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Verfahrenshilfe verhindert, was auch dem Allgemeinwohl dient. Es ist nicht einzusehen, warum der Beklagte für den Fall, daß er im Rechtsstreit unterliegt, der klagenden Partei nicht auch die Kosten des Rekurses zu ersetzen hätte.
Das Rekursgericht spricht daher gemäß § 52 Abs 1 ZPO aus, daß die Rekurskosten das Schicksal der Kosten in der Hauptsache zu teilen haben.
Eine verfahrensrechtliche Besonderheit liegt hier insoweit noch vor, als das erstinstanzliche Urteil bereits erlassen war, als der Beklagte den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt hat. Die Rekurskosten sind daher als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln. Sollte der Beklagte schlußendlich keine Berufung erheben, so wäre dies ein Fall des § 54 Abs 2 ZPO. Das Erstgericht hätte dann in einem gesonderten Beschluß entsprechend dem Ausgang des Hauptverfahrens über die Rekurskosten der klagenden Partei zu entscheiden. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, daß nach Ansicht des Rekursgerichtes als Bemessungsgrundlage für die Rekurskosten der Streitwert der Hauptsache heranzuziehen ist (AnwBl 1995/6066) und nicht etwa der nach § 12 Abs 4 lit c RATG (EF 44.007, 57.729). Daß im Zusammenhang mit der Zuerkennung eines Rekursrechtes an den Gegner nach § 72 Abs 2 ZPO keine ausdrückliche Regelung der Bemessungsgrundlage erfolgte, kann wohl nur so verstanden werden, daß eben, wie bei sonstigen Zwischenstreitigkeiten (etwa über die Zuständigkeit, die Streitabhänigkeit, die Klagsänderung, die Nebenintervention oder über einen Unterbrechungsantrag) die allgemeinen Bestimmungen über den Streitwert und über die Bemessungsgrundlage zu gelten haben (§§ 54 ff JN, § 3 RATG).
Im gegenständlichen Fall wäre als Kostenbemessungsgrundlage allerdings nicht der im Rekurs angeführte Betrag von S 26.500,40 anzusetzen, da die klagende Partei die Abweisung des Mehrbegehrens unbekämpft gelassen hat. Die Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenshilfe und der dagegen erhobene Rekurs erfolgten bereits im Berufungsverfahren, weshalb das Berufungsinteresse als Bemessungsgrundlage zu dienen hat. Dieses beläuft sich auf S 24.347,45.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung jedenfalls unzulässig.