JudikaturJustiz12Os124/22k

12Os124/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Fitzthum in der Strafsache gegen * F* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * K* gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 11. August 2022, GZ 48 Hv 30/22g 84, sowie über seine Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokurator in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in A./I./3./ und A./II./, in B./ iVm A./I./3./ und A./II./ sowie in der Subsumtion der zu A./I./1./ und 2./ angeführten Taten (auch) unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG, demgemäß auch in den die Angeklagten * K* und * F* betreffenden Aussprüchen über die Strafe (einschließlich der jeweiligen Vorhaftanrechnung) und im Ausspruch über die Einziehung sowie der Beschluss gemäß § 494a StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

M it seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und der (impliziten) Beschwerde wird der Angeklagte K* auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten K* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach ( ergänze : § 12 zweiter Fall StGB) § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 1 SMG, § 15 StGB (A./I./1./ und 2./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 StGB, § 28 Abs 1 erster Satz SMG (A./I./3./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (A./II./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (C./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Ecstasy-Tabletten mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 34 % MDMA, Amphetamin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 10 %, Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 64 % Cocain sowie Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,85 % Delta 9 THC und 11,18 % THCA

A./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

I./1./ von Deutschland nach Österreich „eingeführt“, indem er die nachgenannten Suchtgiftmengen im „Darknet“ bestellte und im Postweg an die Adresse der Eltern des F* liefern ließ, und zwar jeweils „zumindest ca 100 Stück Ecstasy-Tabletten“ Ende 2018 (a./) und im April/Mai 2019 (b./) sowie jeweils „zumindest ca 150 Gramm Amphetamin“ Ende 2019/Anfang 2020 (c./) und im Jänner/Februar 2020 (d./) und

I./2./ dies in zwei weiteren Fällen versucht, und zwar vor dem 30. Juli 2020 ca 30 Gramm Kokain (a./) und vor dem 19. Juni 2021 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten (b./), wobei diese Postsendungen durch Beamte des Zollamts sichergestellt wurden,

„wobei er die Straftat nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG gewerbsmäßig beging bzw zu begehen suchte und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist“;

I./3./ „mit dem Vorsatz zu besitzen versucht, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar die unter Punkt A./I./2./a./ und b./ angeführten Suchtgiftmengen“;

II./ einem anderen überlassen, und zwar

1./ im Zeitraum von Ende 2018 bis Februar 2022 F* in wiederholten Angriffen teils durch gewinnbringenden Verkauf insgesamt ca 35 Gramm Cannabiskraut;

2./ „nicht mehr feststellbare Suchtgiftmengen aus den unter Punkt A./I./1./ angeführten Suchtgiftmengen [teils] durch gewinnbringenden Verkauf […] an * R* und eine Vielzahl weiterer namentlich nicht mehr feststellbarer Suchtgiftkonsumenten“,

„wobei er die Straftat nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist“;

C./ erworben und besessen, indem er „bei nicht mehr festzustellenden Dealern“ zumindest 0,3 Gramm Kokain, 15,7 Gramm Amphetamin, 2,6 Gramm MDMA und 10 Gramm Cannabiskraut ankaufte und bis zu seiner Festnahme am 23. März 2022 an seiner Wohnadresse verwahrte.

[3] Der Angeklagte F* wurde – unbekämpft – (zu B./) schuldig erkannt, zur Ausführung der zu A./I./ und A./II./2./ genannten strafbaren Handlungen des K* dadurch beigetragen zu haben, „dass er dem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Adresse seiner Eltern für die Suchtgiftlieferungen zur Verfügung stellte, die Pakete abholte und K* zum Inverkehrsetzen des Suchtgifts ausfolgte, wobei er im Gegenzug zumindest ca 15 Gramm Cannabiskraut von diesem erhielt“.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*, welche sich – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – als teilweise berechtigt erweist.

[5] D ie gegen A./II./ des Schuldspruchs gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass die Konstatierung, der Beschwerdeführer habe anderen „insgesamt ca 35 Gramm Cannabiskraut“ (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,85 % Delta-9-THC und 11,18 % THCA [US 2 und 10]) und „nicht mehr feststellbare Suchtgiftmengen aus den unter Punkt A./I./1./ angeführten Suchtgiftmengen“ überlassen (US 3 und 9 f), die (der Subsumtion nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zugrunde liegende) Annahme der Tatbegehung in Ansehung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift nicht trägt.

[6] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen zwingt zur Aufhebung des Punktes A./II./ des Schuldspruchs.

[7] Im Ergebnis zutreffend macht die gegen A./I./3./ des Schuldspruchs gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) geltend, dass den Entscheidungsgründen keine Feststellungen zu einer der Ausführung – fallbezogen der Erlangung und Ausübung des Gewahrsams an (einer die Grenzmenge [§ 28b SMG] übersteigenden Menge) Suchtgift durch den Beschwerdeführer (vgl RIS-Justiz RS0088344) – unmittelbar vorangehenden Handlung (als notwendiger Manifestation seines [im Übrigen gleichfalls nicht konstatierten] Handlungsentschlusses) zu entnehmen sind (vgl RIS-Justiz RS0124906, RS0089740; Bauer/Plöchl in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 27/1 ff, 62 und 69).

[8] Da auch die Tatbeschreibung im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; US 3) diese fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen vermag (RIS-Justiz RS0114639; Ratz , WK StPO § 281 Rz 15 und 580), erfordert dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) die Kassation von Schuldspruch A./I./3./.

[9] Im Umfang der rechtlichen Unterstellung der in A./I./1./ sowie 2./ des Schuldspruchs angeführten Taten (auch) unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell Z 5) zutreffend auf, dass die angenommene Qualifikation in Bezug auf die Einfuhr von Suchtgift nur dann in Betracht kommt, wenn gerade diese Tathandlung in der Absicht begangen wurde, aus ihr selbst (und nicht etwa – wie hier konstatiert – aus dem späteren gewinnbringenden Verkauf des eingeführten Suchgifts [US 2 und 10]) eine Einnahme zu erzielen (vgl dazu 15 Os 163/12b; 14 Os 7/15h; Schwaighofer in WK 2 SMG § 27 Rz 64 und § 28a Rz 26).

[10] Damit vermögen die getroffenen Feststellungen die Subsumtion des Täterverhaltens (auch) unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG – zufolge zirkulärer Verwendung der verba legalia ohne Herstellung eines Sachverhaltsbezugs – nicht zu tragen.

[11] Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde zur Gewerbsmäßigkeitsqualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG erübrigt sich damit.

[12] Soweit sich die Subsumstionsrüge (Z 10) gegen die Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster Fall SMG in Ansehung der Punkte A./I./1./ und 2./ des Schuldspruchs richtet, legt sie nicht dar, weshalb die dazu angeführten Passagen der Verantwortung des Beschwerdeführers (ON 83.1 S 6 f) indizieren sollten, dass er gerade diese Taten (nämlich die Einfuhr und nicht etwa das [teils gewinnbringende] Überlassen des Suchtgifts durch Tausch oder Verkauf) vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen (vgl RIS-Justiz RS0118580; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 600).

[13] Mit Blick auf das Erfordernis kumulativen Vorliegens der in § 27 Abs 5 SMG genannten Voraussetzungen (zuletzt 15 Os 55/22k [mwN]) ist auf die Gewöhnung dieses Angeklagten an Suchtmittel nicht weiter einzugehen.

Zur amtswegigen Maßnahme betreffend F*:

[14] Zufolge der faktischen Bezogenheit des sonstigen Tatbeitrags (RIS Justiz RS0089552, RS0090016; Fabrizy in WK 2 StGB § 12 Rz 109 f; Bauer/Plöchl in WK 2 StGB §§ 15, 16 Rz 13, 21) setzt die Strafbarkeit des (zu B./) als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannten Angeklagten F* Konstatierungen voraus, dass der unmittelbare Täter zumindest das objektive Versuchsstadium erreicht hat.

[15] Im Umfang von B./ in Verbindung mit A./I./3./ und A./II./ erfordern die oben dargestellten Rechtsfehler mangels Feststellungen auch die Aufhebung des Schuldspruchs dieses Angeklagten (§ 281 Abs 1 Z 10 iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[16] Das Erstgericht sprach „gemäß § 26 StGB in Verbindung mit § 34 SMG“ die Einziehung des „sichergestellten Suchtgifts“ aus (vgl US 6 und 14), ohne dazu auf konkrete, einem der Angeklagten zuzuordnende Suchgiftmengen Bezug zu nehmen. Solcherart wird der Gegenstand dieses Ausspruchs nicht ausreichend determiniert (RIS-Justiz RS0121298 [T9]), was zu von dem davon betroffenen Angeklagten nicht geltend gemachter, ihm zum Nachteil gereichender (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO führt und zur Aufhebung (auch) dieses Ausspruchs zwingt.

[17] Die Generalprokuratur spricht sich für eine amtswegige Aufhebung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der Punkte A./I./1./a./ und b./ sowie 2./b./ des Schuldspruchs wegen eines Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) aus. Sie führt aus:

„Mit der Schuldspruch A./I./1./a./ und b./ sowie 2./b./ zugrunde liegenden Feststellung, der Angeklagte * K* habe zweimal 'zumindest ca 100 Stück Ecstasy Tabletten' (US 8 erster Absatz) mit einem als notorisch erachteten durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 34 % MDMA (US 10) von Deutschland über den Postweg nach Österreich eingeführt und dies in Ansehung weiterer 1000 Stück solcher Tabletten versucht (US 10 f), wird zwar die (versuchte) Einfuhr von Suchtgift (§ 27 Abs 1 Z 1 fünfter Fall SMG), nicht aber Tatbegehung in Ansehung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift (§ 28a Abs 1 zweiter Fall SMG) zum Ausdruck gebracht, weil die genaue Menge tatverfangener Substanz (hier MDMA) offen bleibt. Mangels Konstatierungen zu einem bei diesem Angeklagten allenfalls bestehenden Additionsvorsatz (vgl US 10; siehe dazu RIS-Justiz RS0112225, RS0124018, RS0131856 [T1]) scheidet im Übrigen auch eine Zusammenrechnung mit den weiteren zu A./I./1./ und 2./ genannten Suchtgiftmengen aus.“

[18] Dem ist zu entgegnen, dass schon allein die zu A./I./2./ a ./ angeführte Menge von 30 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 64 % (US 10) die Subsumtion unter § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG trägt.

[19] Es war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass – wie aus dem Spruch ersichtlich – mit Aufhebung vorzugehen (§ 285e StPO). Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[20] Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (RIS-Justiz RS0101558), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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