JudikaturHandelsgericht Wien

50R20/22f – Handelsgericht Wien Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2022

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Mag. a Michlmayr (Vorsitzende), Mag. a Schillhammer und den Richter KR Kubiczek in der Rechtssache der klagenden Partei A* , Vertriebsleiter, **-Gasse **, ** B*, vertreten durch Dr. Michael Wukoschitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C* AG , **, ** B*, vertreten durch Brenner Klemm Rechtsanwälte in Wien, wegen (zuletzt) EUR 250-- sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 30.11.2021, GZ 11 C 316/19d-39, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei innerhalb von 14 Tagen die Kosten der Berufungsbeantwortung von EUR 176,28 (darin EUR 29,30 USt) zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig .

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht den vom Kläger gem Art 7 Abs 1 lit a FluggastVO begehrten Ausgleichsanspruch von EUR 250,-- nach Verfahrensergänzung im zweiten Rechtsgang neuerlich ab. Dabei ging es von dem auf den Seiten 3 und 4 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen aus, worauf verwiesen wird.

Hervorgehoben wird daraus sinngemäß zusammengefasst, dass das Flugzeug auf dem Vorflug durch einen Blitzschlag beschädigt wurde, weshalb der vom Kläger gebuchte Flug annulliert werden musste. Das Umfliegen von Gewitterwolken war schon allein mangels Gewitterwolken am Wetterradar nicht indiziert. Dazu kam, dass das Flugzeug zum Zeitpunkt des Blitzschlags aufgrund der Nähe zum Landeflughafen bereits auf die Landepiste ausgerichtet war und kleinnavigatorische Maßnahmen schon aus diesem Grund gar nicht mehr möglich gewesen wären, ganz abgesehen davon, dass solche mangels Vorhersehbarkeit, ob und bejahendenfalls wann und wo ein Blitzschlag erfolgt, schon grundsätzlich nicht zielführend sind.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht auf die Bewertung des Blitzschlags als außergewöhnlichen Umstand iSv Art 5 Abs 3 FluggastVO durch das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang. Unter Bezugnahme auf die im zweiten Rechtsgang ergänzend getroffenen Feststellungen hielt es fest, das Risiko eines Blitzschlags hätte auch nicht durch Umfliegen von Gewitterwolken bzw kleinnavigatorische Maßnahmen iSd klägerischen Vorbringens verhindert werden können. Abgesehen davon habe die Beklagte auf Basis der Feststellungen alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Annullierung ergriffen. Auch wenn die Umbuchung eines individuellen Fluges keine zumutbare Maßnahme iSd Art 5 Abs 3 FluggastVO darstellt, sei der Kläger doch auf den nächstmöglichen Flug umgebucht worden. Diesem stehe daher kein Ausgleichsanspruch zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern, neuerlich verbunden mit der Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

Die Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Die Berufung richtet sich zusammengefasst neuerlich gegen die Beurteilung des Blitzschlags als außergewöhnlichen Umstand und gegen die Annahme, die Beklagte habe alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Annullierung ergriffen.

Die im Verfahren zentrale Regelung Art 5 Abs 3 FluggastVO besagt, dass ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet ist Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

1. Zum Blitzschlag als außergewöhnlichem Umstand

Ungeachtet des allfälligen Umstands eines bereits abschließend erledigten Streitpunkts im Zusammenhang mit der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils im ersten Verfahrensgang iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO (vgl Beschluss des Berufungsgerichts ON 13 bzw Klauser/Kodek , ZPO 17 § 496 E 66), werden dazu die Ausführungen des Berufungsgerichts im ersten Rechtsgang weitestgehend wiederholt und wie folgt ergänzt:

1.1. Für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands iSd Art 5 Abs 3 FluggastVO trägt das in Anspruch genommene Luftfahrtunternehmen die Behauptungs- und Beweislast ( Schmid , BeckOK FluggastrechteVO Art 5 Rn 176).

In der Entscheidung D* (31.1.2013 C-12/11) hob der EuGH hervor, dass der Begriff „außergewöhnliche Umstände“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wörtlich auf Umstände „abseits des Gewöhnlichen“ abstellt. Im Zusammenhang mit dem Luftverkehr bezeichnet der Begriff „außergewöhnlicher Umstand“ ein Vorkommnis, das seiner Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen; die fehlende Beherrschbarkeit der Gefahr ist dabei aber nicht das letztausschlaggebende Kriterium. Ist ein Vorkommnis aber schon nicht „außergewöhnlich“, weil es Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens (betriebstypisches Risiko) ist, kommt es auf die Frage der Beherrschbarkeit nicht mehr an ( Schmid , aaO Rn 24 f).

Für die Beurteilung der Umstände als außergewöhnlich ist somit maßgeblich, dass sie sich von denjenigen Ereignissen unterscheiden, mit denen typischerweise bei der Durchführung eines einzelnen Flugs gerechnet werden muss. Das bedeutet, dass einem Luftfahrtunternehmen auch die unvermeidbaren Hindernisse für die planmäßige Durchführung eines Flugs seiner Risikosphäre zugewiesen werden, die nicht aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragen und somit bestenfalls ungewöhnlich, aber nicht außergewöhnlich sind ( Schmid , aaO Rn 28).

In der Entscheidung E* (4.5.2017 C-315/15) erachtete der EuGH die durch einen Vogelschlag verursachte Beschädigung eines Flugzeugs als außergewöhnlichen Umstand. Vogelschläge seien „mangels untrennbarer Verbundenheit mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs („[not] intrinsically linked to the operating system of the aircraft“) ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar“. Folglich seien sie als „außergewöhnlicher Umstand“ iSv von Art 5 der FluggastVO einzustufen (Rn. 24).

Daran anknüpfend qualifizierte das Handelsgericht Wien als Berufungsgericht – im Sinn eines „acte clair“ (RS0123074) – auch ein Blitzschlag als außergewöhnlichen Umstand. Bei beiden Ereignissen handle es sich um von außen wirkende (Natur-)Ereignisse (HG Wien vom 24.7.2017 zu 1 R 42/17y, vom 14.8.2017 zu 60 R 9/17d und vom 18.12.2017 zu 1 R 131/17m).

1.2. Unter Berufung auf die vom EuGH gefällte Entscheidung F* (14.11.2014 C-394/14) argumentiert der Kläger, die Kollision eines Treppenfahrzeugs mit einem Flugzeug sei Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit von Luftfahrtunternehmen, weil diese regelmäßig mit Situationen konfrontiert sind, die sich aus dem Einsatz von Treppenfahrzeugen ergeben. Damit stelle eine solche Kollision keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Dies gelte auch für einen Blitzschlag.

Dabei übersieht der Kläger die Begründung des EuGH für die Qualifikation der Kollision als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens: Treppenfahrzeuge oder Gangways ermöglichten es den Fluggästen im Flugverkehr, aus dem Flugzeug ein- und auszusteigen (Rn. 19). Einem Vogel- oder Blitzschlag kommt allerdings evidenter Maßen keine vergleichbare Unterstützungsfunktion zur Bewältigung des Flugverkehrs zu. Vielmehr handelt es sich dabei in beiden Fällen um ein von außen wirkendes (Natur-)Ereignis und damit um einen außergewöhnlichen Umstand.

1.3. In der vom Kläger weiters ins Treffen geführten Entscheidung C. Van der Lans/Koninklije Luchtvaart Maatschappij (17.9.2015, C-274/14) hatte der EuGH ein „ aufgetretenes technisches Problem“ zu beurteilen, das nicht im Zusammenhang mit einem von außen wirkenden (Natur-)Ereignis stand (vgl Spruch bzw Rn. 9). Die Entscheidung ist daher für den vorliegenden Fall nicht relevant.

1.4. Schließlich argumentiert der Kläger, bei einem Blitzschlag bestehe – im Gegensatz zum Vogelschlag - ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang mit dem Betrieb des Luftfahrzeugs dadurch, dass die für einen Blitzschlag notwendige elektrische Spannung im Allgemeinen vom Luftfahrzeug selbst ausgeht.

Selbst wenn dies stimmen sollte, vermag das Argument nicht zu überzeugen, weil auch der Vogelschlag ohne die schlichte Existenz des Luftfahrzeugs nicht denkbar wäre. Insofern bedurfte es auch keiner Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens zu dieser Frage.

1.5. Zusammengefasst mangelt es von außen wirkenden (Natur-)Ereignissen wie Vogelschlägen und Blitzschlägen gleichermaßen an der untrennbaren Verbundenheit mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind (vgl EuGH Pešková/Travel Service C-315/15), weshalb beide Vorkommnisse als außergewöhnliche Umstände iSv Art 5 Abs 3 FluggastVO einzustufen sind.

Die Definition des EuGH besagt im Ergebnis nichts anderes, als dass ein Flugzeug ohne Vogelschlag in der Lage ist zu fliegen bzw den Flug durchzuführen, was auf den Blitzschlag ebenso zutrifft, weshalb insofern in beiden Fällen von einem von außen wirkenden (Natur-)Ereignis und damit von einem außergewöhnlichen Umstand iSv Art 5 Abs 3 FluggastVO auszugehen ist. Folgerichtig stellt die Kollision eines Treppenfahrzeugs mit dem Flugzeug keinen außergewöhnlichen Umstand dar, weil Treppenfahrzeuge eine Unterstützungsfunktion zur Bewältigung des Flugverkehrs zukommt (vgl Punkt 1.2.).

Selbst unter dem Blickwinkel des Kriteriums der Außergewöhnlichkeit betrachtet kann kein Unterschied zwischen einem Vogelschlag und einem Blitzschlag erkannt werden, mag es sich bei letzterem auch um ein Wetterphänomen handeln (aA uU Schmid , BeckOK FluggastrechteVO Rn 109: „… kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine andere Kammer des EuGH … “).

Das Berufungsgericht sieht daher auch im vorliegenden Fall keinen Grund, von seiner stRspr abzuweichen.

1.6. Die diesem Ergebnis entgegen stehende Ansicht der Europäischen Kommission in Form eines für das Verfahren C-672/20 erstatteten Schriftsatzes ist naturgemäß weder für den EuGH, noch für nationale Gerichte bindend. Nicht zuletzt entscheidet die Europäische Kommission die Auslegungsfrage bekannter Maßen nicht gleich einem Gericht, sondern schlägt, wie sie selbst festhält, diesem eine bestimmte Auslegung nur vor (./D Rn 47.). Nach Zurücknahme des Vorabentscheidungsersuchens durch das Landesgericht Korneuburg vom 23.11.2020 zu 22 R 258/20a strich der EuGH das Verfahren ohne Entscheidung aus dem Register ( Schmid , BeckOK FluggastrechteVO Rn 109).

Dazu kommt, dass das Berufungsgericht die Ausführungen in einem weiteren Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Korneuburg vom 4.5.2021 zu 22 R 201/20v nicht teilt. Es mag sein, dass ein Flugzeug die Aerodynamik bzw den aerodynamischen Auftrieb nutzt, um fliegen zu können. Das trifft aber genau so gut auf einen – allenfalls einen Vogelschlag verursachenden - Vogel zu. Selbst wenn also an einem Blitzschlag ein aerodynamischer Prozess, oder, wie das Landesgericht Korneuburg in seinem Vorabentscheidungsersuchen ausführt, eine damit im Zusammenhang stehende instabile Atmosphäre beteiligt sein sollte (vgl S 7), wäre damit für den Kläger und die von ihm intendierte Auslegung nichts gewonnen. Nach Zurücknahme des Vorabentscheidungsersuchens strich der EuGH das entsprechende Verfahren zu C-336/21 ohne Entscheidung aus dem Register (aaO).

1.7. Aus folgenden Gründen bedarf es aber auch nicht, wie vom Kläger neuerlich angeregt, der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zu der mit dem Blitzschlag im Zusammenhang stehenden Auslegungsfrage:

Insb enthält die Formulierung des Klägers im zweiten Verfahrensgang – ähnlich wie im ersten Verfahrensgang – eine dahingehende Vermutung, dass Blitzschläge meist vom Flugzeug selbst ausgelöst werden. Selbst wenn man dies so annehmen bzw ausdrücken wollte und es insofern auch so wäre, käme es nach Ansicht des Berufungsgerichts darauf aber auch gar nicht an (vgl Punkt 1.4. zweiter Absatz).

Abgesehen davon wird auf das Vorliegen eines „acte claire“ verwiesen (vgl Punkt 1.1. letzter Absatz).

Allgemein ist dazu zu sagen, dass das nationale Gericht nur dann seiner Vorlagepflicht enthoben ist, wenn eine Frage der Auslegung bereits Gegenstand einer Vorabentscheidung des EuGH war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass die Beantwortung der Frage gar nicht zweifelhaft sein kann bzw insofern für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bleibt. Bei klaren Regelungen oder einer eindeutigen Rechtsprechung des EuGH erübrigt sich damit schon im Sinn der „acte clair“-Theorie eine Anrufung des EuGH (RS0082949 insb [T3][T4] ua; C.I.L.F.I.T. ua/Ministero della Sanità ua , 27.3.1981 C-238/81).

Die Beurteilung, ob die richtige Anwendung des europäischen Rechts derart offenkundig ist, dass von einer Vorlage abgesehen werden kann, bleibt grundsätzlich den nationalen Gerichten überlassen. Die Prüfung ist allerdings nicht aus der subjektiven Sicht des jeweiligen nationalen Gerichts vorzunehmen, sondern unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft (RS0123074). Ein Verzicht des Gerichts, den EuGH anzurufen, muss im Ergebnis also jedenfalls die Ausnahme bleiben, die va dann nicht zum Tragen kommt, wenn gegensätzliche Entscheidungen von Vorinstanzen vorliegen bzw bei der Auslegung in den Mitgliedstaaten immer wieder Schwierigkeiten auftreten ( Ferreira ua/Estado português , 9.9.2015 C-160/14).

Das Berufungsgericht hegt seiner stRspr gemäß, va aber auf Basis der vorliegendenfalls herangezogenen und auch heranzuziehenden Entscheidung des EuGH in der vorliegenden Auslegungsfrage die richtige Anwendung des Unionsrechts für derart offenkundig, dass keinerlei vernünftige Zweifel im Hinblick auf die im Zusammenhang mit dem Blitzschlag stehende Auslegungsfrage verbleiben (vgl Punkt 1.5.).

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann auch von einer Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen keine Rede sein. Wie das Landesgericht Korneuburg in seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 4.5.2020 selbst ausführte, „ erwägt es“ lediglich „(weiterhin) “ (vgl S 7), von seiner bisherigen stRspr abzuweichen, im Rahmen derer es einen Blitzschlag als außergewöhnliches Ereignis qualifiziert hat. Eine dahingehend abschlägige Entscheidung ist bis dato allerdings – soweit ersichtlich – nicht ergangen. Dazu kommt, dass die vom Landesgericht Korneuburg in seinem Vorabentscheidungsersuchen angeführte Entscheidung des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 31.3.2017 zu 11 C 227/16m insofern nicht einschlägig erscheint, als diese vor der Entscheidung des EuGH betreffend Vogelschlag ( Pešková/Travel Service, 4.5.2017 C-315/15) ergangen ist. Von „ immer wieder auftretenden Schwierigkeiten bei der Auslegung“ im obgenannten Sinn kann angesichts dessen keine Rede sein. Soweit ersichtlich, trifft dies nicht nur auf innerstaatliche Gerichte, sondern auch auf die Gerichte der Mitgliedstaaten zu ( Schmid , BeckOK FluggastrechteVO Rn 110).

2. Zum Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen

2.1. Damit ein Gericht beurteilen kann, ob alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden sind, bedarf es eines konkreten und substantiierten Vortrags des Luftfahrtunternehmens, aufgrund welcher Umstände es (hier) zur Annullierung kam und welche Möglichkeiten zur Verfügung standen, um diese bzw deren Folgen zu verhindern (HG Wien, 50 R 58/21t unter Verweis auf 50 R 42/20p, 1 R 125/20h uvm; vgl auch Schmid , BeckOK FluggastrechteVO 13 Art 5 Rn 254, 261).

Dem beklagten Luftfahrtunternehmen kann zwar nicht abverlangt werden, Vorbringen zu jeder entferntesten auch nur denkmöglichen Maßnahme zu erstatten. Vorzutragen sind aber Prozessbehauptungen zu Maßnahmen, die sich auch bei eingeschränkten Kenntnissen des Flugverkehrs geradezu aufdrängen oder die zumindest bei lebensnaher Betrachtung in Erwägung gezogen werden müssen (LG Korneuburg, 22 R 40/20t).

Insofern zeigt der Kläger zwei Punkte auf, wobei nach Wegfall der Argumente betreffend das Umfliegen von Gewitterwolken bzw kleinnavigatorische Maßnahmen aufgrund der Ergebnisses des zweiten Verfahrensgangs einerseits die von der Beklagten durchgeführte Überprüfung und Reparatur des Flugzeugs, andererseits die von ihr vorgenommene Umbuchung verbleiben.

Vorweg wird dazu festgehalten, dass der Kläger diese beiden Umstände in seiner Berufung im ersten Verfahrensgang mit keinem Wort erwähnte. Wie sogleich dargelegt wird, sind die entsprechenden Ausführungen des Klägers in seiner Berufung im zweiten Verfahrensgang ohnedies unberechtigt, sodass dahingestellt bleiben kann, ob insofern der Grundsatz der Rspr Berücksichtigung findet, wonach auch im Fall einer Aufhebung gem § 496 Abs 1 Z 3 ZPO wie im ersten Verfahrensgang (vgl Beschluss des Berufungsgerichts ON 13) abschließend erledigte Streitpunkte nicht wieder aufgerollt werden können ( Klauser/Kodek , ZPO 17 § 496 E 66).

Aus dem gleichen Grund kann ebenso dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit der Behauptung, er hätte im Fall der Durchführung der Reparatur in G* wesentlich früher befördert werden können (vgl dazu unten), gegen das Neuerungsverbot iSv § 481 Abs 1 ZPO verstößt (vgl Prot v 16.12.2019, ON 7, im ersten Verfahrensgang bzw Vorbringen der Beklagten auf S 5 sowie Erwiderung des Klägers auf S 6, die sich auf das Infragestellen des Beginns der Überprüfung beschränkt).

2.2. Zur „Überprüfung und Reparatur“

Diesbezüglich beruft sich der Kläger auf folgende Feststellungen des Erstgerichts: „ Die nach Feststellung von Schäden infolge Blitzschlags anschließenden technischen Überprüfungen dauern ca fünf bis sechs Stunden; erst wenn diese Überprüfungen positiv abgeschlossen sind, kann das Flugzeug wieder eingesetzt werden. Auch das gegenständliche Fluggerät durchlief eine solche technische Überprüfung. Es wurden leichtere Beschädigungen festgestellt und nach einem Leerflug nach B* wurden weitere Arbeiten am Flugzeug vorgenommen, ehe es um 14 Uhr des Folgetages wieder für Flugeinsätze zur Verfügung stand.“ (UA, S 3).

Zudem ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes, dass die durch einen Blitzschlag verursachten Schäden beim Landeanflug entstanden waren und sich das Flugzeug um 19.30 Uhr in Parkposition befunden hatte, als Schmauchspuren festgestellt worden waren. Der hier in Rede stehende Folgeflug wurde dann schließlich um 20.54 Uhr annulliert. Der planmäßige Abflug wäre für 20.00 Uhr vorgesehen gewesen. Am nächsten Tag trat der Kläger um 10.55 Uhr via H* seinen Ersatzflug an.

In dem Zusammenhang vermisst der Kläger zusammengefasst und soweit erkennbar zunächst ganz allgemein gehalten Vorbringen der Beklagten dazu, welche personellen, materiellen und finanziellen (vmtl gemeint) Mittel diese einsetzte, um die Überprüfung (erg: und die Reparatur) möglichst rasch durchführen zu können. Im Anschluss daran zieht der Kläger konkret die Notwendigkeit des Leerflugs nach B* (Zielflughafen) in Zweifel und vermisst Vorbringen zur Frage, warum die Reparatur nicht im G* (Startflughafen) durchgeführt werden hätte könne. Mit dem so reparierten Flugzeug hätte der Kläger deutlich früher als mit dem gebuchten Ersatzflug (vmtl gemeint: am nächsten Tag um 10.55 Uhr via H*) befördert werden können.

Das einzige, was der Kläger in dem Zusammenhang erkennbar kritisiert bzw greifbar behauptet, ist, dass er im Fall auch der Reparatur vor Ort in G* „deutlich früher“ zum Zielflughafen in B* befördert werden hätte können, dazu habe die Beklagte kein Vorbringen erstattet. Die Annullierung selbst stellt der Kläger damit erkennbar nicht, jedenfalls nicht mit der nötigen Deutlichkeit in Frage. Er ist aber offensichtlich der Meinung, dass das beschädigte Flugzeug im Fall einer Reparatur gleich vor Ort in G*, dh im Anschluss an die fünf- bis sechsstündige Überprüfung wesentlich vor 10.55 Uhr des Folgetages als Ersatzflugzeug zur Verfügung gestanden wäre.

Die Behauptung der deutlich früheren Beförderung im Fall auch der Reparatur vor Ort in G*, dh letztlich im Fall der Unterlassung des rund zwei Stunden dauernden Flugs von G* nach B*, kann allerdings nicht nachvollzogen werden, zumal der Kläger die grundsätzliche Dauer der Überprüfung und Reparatur unabhängig von deren Ort (von 19.30 Uhr bis 14.00 Uhr des Folgetages abzüglich rund zwei Stunden Flugzeit) nicht, jedenfalls nicht ausreichend deutlich in Frage stellt.

Im Ergebnis kann daher im vorliegenden Fall in der Unterlassung von Vorbringen, warum die Reparatur nicht vor Ort in G* erfolgte, keine Verletzung der Behauptungs- und in weiterer Folge auch keine Verletzung der Beweispflicht der Beklagten gesehen werden.

2.3. Zur „Umbuchung“

Dazu wird vorweg auf die bezughabenden Feststellungen des Erstgerichts verwiesen: „ Nachdem dem Kläger bekannt wurde, dass der Flug nicht durchgeführt werden kann, hat er noch von Bord aus versucht, auf den nächsten Flug der Beklagten von G* nach B* am Morgen des nächsten Tages umzubuchen. Das … Reisebüro übermittelte dem Kläger … einen Reiseplan, der einen Flug … am [nächsten Tag] um 7.00 Uhr auswies; der Status dieser Buchung wurde mit „bestätigt“ ausgewiesen und in den Anmerkungen wird darauf hingewiesen, dass die Reservierung … geändert wurde und der Kläger sein E-Ticket vor Ort beim Schalter der beklagten Partei ändern lassen soll. Die Umbuchung funktionierte letztlich nicht; der Grund dafür kann nicht festgestellt werden. Gängig ist, dass nicht alle von einer Annullierung betroffenen Fluggäste auf dem nächsten Flug Platz haben. Der Kläger … wurde auf einen Flug [am nächsten Tag] um 10.55 Uhr und Zwischenstopp in H* umgebucht. Dabei handelte es sich letztlich um den raschest möglichen Flug. “ (UA, S 4).

Der Kläger steht insofern auf dem Standpunkt, dass er über einen früheren bestätigten Ersatzflug verfügt habe und die Negativfeststellung zum Grund für die mangelnde Möglichkeit der Umschreibung des Tickets der Beklagten anzulasten sei bzw diese damit gerade nicht bewiesen habe, dass keine andere Möglichkeit einer direkten oder indirekten Beförderung mit geringerer Verspätung bestanden habe.

Die Argumentation des Klägers kann nicht nachvollzogen werden und steht auch nicht im Einklang mit den Feststellungen. Er übersieht, dass für ihn im Ergebnis gerade keine Möglichkeit bestand, bereits um 7.00 Uhr von G* nach B* zu fliegen, vielmehr den unbekämpfbaren erstgerichtlichen Feststellungen entsprechend, die auf der Aussage des Zeugen I* beruhen (vgl UA, S 5), die rascheste Möglichkeit der vom Kläger dann auch um 10.55 Uhr via H* angetretene Flug war. Aus dieser Feststellung geht unzweifelhaft hervor, dass es auch der Beklagten nicht möglich gewesen wäre, den Kläger für den Flug bereits um 7.00 Uhr umzubuchen.

3. Zusammenfassung, Kosten, Revisionszulässigkeit

Auf Grundlage der voranstehenden Ausführungen war der Berufung des Klägers ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 500 Abs 2 Z 2, 502 Abs 2 ZPO.

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