60R89/15s – Handelsgericht Wien Entscheidung
Kopf
Das Handelsgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Richter Hofrat Dr. Schmidt (Vorsitzender), die Richterin Dr. in Wittmann-Tiwald und den Richter Dr. Steinberger in der Rechtssache der klagenden Partei A*** *** , vertreten durch Mag. Robert Baum, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E*** G*** , vertreten durch Dr. Philipp Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.193,50 samt Anhang, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 15. Oktober 2015, 8 C 29/15w, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 373,68 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten EUR 62,28 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Honorare für steuerliche Beratungs- und Vertretungstätigkeit von insgesamt EUR 4.193,50. Der Zahlungsbefehl vom 20. Jänner 2015 wurde nach einem Zustellversuch an der Geschäftsadresse Ottakringer Straße 201/16, 1160 Wien, bei der zuständigen Postgeschäftsstelle 1165 hinterlegt, wobei die Abholfrist am 28. Jänner 2015 begann. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde im Postkasten eingelegt. Die Sendung wurde unbehoben an das Erstgericht zurückgesandt.
Der alleinige Geschäftsführer der Beklagten C *** G *** (im Folgenden: Geschäftsführer) war vom 29. Dezember 2014 bis Juli 2015 im Ausland. G *** G *** , Ex-Ehefrau des Geschäftsführers und im Zustellzeitpunkt Angestellte der Beklagten, leerte regelmäßig den Postkasten. Das Erstgericht bestätigte die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 20. August 2015 die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung, die Zustellung des Zahlungsbefehls, in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Bei der in der Mahnklage angegebenen Adresse habe es sich im Zustellzeitpunkt um keine Abgabestelle gehandelt, weil der Geschäftsführer bereits seit längerer Zeit dauernd ortsabwesend (in Spanien) gewesen sei. Dies sei der Klägerin auch bekannt gewesen. Der Zahlungsbefehl sei der Beklagten nie zugestellt worden.
Die Klägerin entgegnete, dass der Aufenthalt des Geschäftsführers keinen Einfluss auf den Sitz der Gesellschaft habe, wo auch bei Abwesenheit des Geschäftsführers zugestellt werden könne. Es sei Sache der Gesellschaft, eine mit Vollmacht ausgestattete Person am Sitz der Gesellschaft bereitzuhalten.
Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Erstgericht die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls auf, ordnete die neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehls an die Beklagte an und verpflichtete (berichtigt) die Klägerin zum Kostenersatz an die Beklagte.
Das Erstgericht stellte nach Vernehmung der Zustellerin, des Geschäftsführers sowie von G *** G *** den auf den Seiten 2 und 3 der Beschlussausfertigung wiedergegebenen Sachverhalt als bescheinigt fest.
Ergänzend zum eingangs dargestellten, im Rekursverfahren unstrittigen Sachverhalt traf es noch folgende - bekämpfte – Feststellungen, wonach G *** G *** keine Postvollmacht gehabt hätte und nicht habe festgestellt werden können, ob G *** G *** die Hinterlegungsanzeige zugegangen sei.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Zahlungsbefehl sei der Beklagten nicht wirksam zugestellt worden, weshalb die Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Abs 3 EO aufzuheben gewesen sei. Die Hinterlegung des Zahlungsbefehls am Sitz der Gesellschaft (wo auch die Verwaltung tatsächlich geführt worden sei), sei unwirksam gewesen, weil die einzig vertretungsbefugte Person im Ausland aufhältig gewesen und nicht innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs der Klägerin aus den Rekursgründen der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag im Sinne der Abweisung der Anträge der Beklagten; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Zur Beweisrüge
Die Rekurswerberin bekämpft – erkennbar – die Feststellungen zur fehlenden Postvollmacht an G *** G *** sowie zum Zugang der Hinterlegungsanzeige. Allerdings übersieht die Rekurswerberin, dass die Beweiswürdigung im Rekursverfahren nicht bekämpft werden kann, wenn das Erstgericht – wie hier – die Feststellungen anhand der Aussagen von Personen getroffen hat, die es selbst unmittelbar vernommen hatte ( Kodek in Rechberger, ZPO 4 § 526 Rz 5 und 7; RIS-Justiz RS0012391).
Zur Beweisrüge ist daher nicht Stellung zu nehmen.
2. Zur Rechtsrüge
2.1. Die Rekurswerberin bemängelt, das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Ex-Frau des Geschäftsführers eine General- und Postvollmacht besitze und an der Geschäftsadresse wohne. Postvollmacht könne auch mündlich erklärt werden. Es würden Feststellungen fehlen, ob der Ex-Frau des Geschäftsführers Postvollmacht gemäß § 13 Abs 2 ZustG erteilt worden und die Zustellung durch Hinterlegung wirksam gewesen sei. Die Abwesenheit des Geschäftsführers habe nicht zur Unwirksamkeit geführt. Die Ex-Frau des Geschäftsführers habe regelmäßig den Briefkasten entleert und rechtzeitig von der Zustellung Kenntnis erlangt.
2.2. Im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls (28. Jänner 2015) hielt sich der Geschäftsführer bereits rund vier Wochen im Spanien auf. Es kann dahingestellt bleiben, ob deshalb der Sitz der Gesellschaft an der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsadresse überhaupt noch als Abgabestelle iSd § 2 Z 5 ZustG qualifiziert werden kann, weil bereits im Zustellzeitpunkt absehbar war, dass der Geschäftsführer nicht bloß vorübergehend sich in Spanien aufhalten wird. Die Zustellung durch Hinterlegung ist nämlich schon aus folgenden Gründen unwirksam:
2.3. Gemäß § 17 Abs 3 ZustG gelten hinterlegte Sendungen als nicht zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte; doch wird die Zustellung an den der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
Empfängerin des Zahlungsbefehls war die Beklagte. Ist die Empfängerin somit keine natürliche Person, so bestimmt § 13 Abs 3 ZustG, dass die Sendung einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen ist. Wer ein solcher Vertreter ist, richtet sich grundsätzlich nach den die Organisation der Person regelnden gesetzlichen oder vertraglichen Vorschriften oder aus darauf gestützten Organbeschlüssen ( Wessely in Frauenberger-Pfeiler ua, Zustellrecht² § 13 Rz 5). Ein Vertreter im Sinn des § 13 Abs 3 ZustG einer GmbH ist in erster Linie der organschaftliche Vertreter, der Geschäftsführer. Vertreter kann aber auch etwa ein Prokurist sein.
Als Zwischenergebnis wird festgehalten, dass die Hinterlegung unwirksam ist, weil der Geschäftsführer bei Hinterlegung ortsabwesend war und nicht innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurückkehrte.
2.4. § 13 Abs 2 ZustG ermöglicht die Zustellung an einen Postbevollmächtigten. Danach darf bei Zustellungen unter anderem durch Organe der Post auch an eine gegenüber der Post zur Empfangnahme solcher Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen ist. Damit können Zustellungen an den Empfänger auch im Wege einer bevollmächtigten Person bewirkt werden. Solche Zustellungen sind auch dann wirksam, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (und solcherart eine Ersatzzustellung oder eine solche durch Hinterlegung nicht in Betracht käme). Die bevollmächtigte Person nach § 13 Abs 2 ZustG ist jedoch weder Empfänger noch Ersatzempfänger, weshalb eine Zustellung durch Hinterlegung bei ihrer Abwesenheit ausscheidet (3 Ob 45/08a; Wessely in Frauenberger-Pfeiler ua, Zustellrecht² § 13 ZustG Rz 5 mwN).
2.5. Zum Fall
Die Rekurswerberin behauptet eine wirksame Zustellung an die Postbevollmächtigte gemäß § 13 Abs 2 ZustG. Sie übersieht aber, dass eine Hinterlegung bei auch bloß vorübergehender Abwesenheit der Postbevollmächtigten ausscheidet.
Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es genügt, die Postvollmacht von der vertretenen Person ihrem Vertreter zu erklären (RIS-Justiz RS0106118; Gitschthaler in Rechberger, ZPO 4 § 87 [13 ZustG] Rz 1;) oder ob hiefür eine ausdrückliche Vollmacht gegenüber dem Zustelldienst notwendig ist ( Stumvoll in Fasching/Konecny II/2 Anh § 87 [§ 13 ZustG], Rz 12; Wessely in Frauenberger-Pfeiler ua, Zustellrecht² § 13 ZustG Rz 5).
Schon deshalb liegen die behaupteten sekundären Feststellungsmängel nicht vor. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach den Feststellungen die Beklagte keine Postvollmacht an G *** G *** erteilte. Aus der Beweiswürdigung ergibt sich, dass das Erstgericht damit nicht (bloß) eine gegenüber der Post erklärte Postvollmacht meinte, sondern, dass die Beklagte gegenüber G *** G *** (überhaupt) keine Postvollmacht erteilte. Das Erstgericht führte dazu aus, dass sich in der vorgelegten Vollmacht keine Hinweise oder Bezugnahmen auf die Beklagte befunden hätten.
2.6. Zusammengefasst ist die im konkreten Fall vorgenommene Zustellung durch Hinterlegung unwirksam, weil einerseits der Vertreter der Beklagten (nach § 13 Abs 3 ZustG) im Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend war und nicht innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurückkehrte und andererseits eine Zustellung durch Hinterlegung auch bei bloß vorübergehender Abwesenheit der Postbevollmächtigten ausscheidet.
3. Der Rekurs erweist sich somit als nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 1 und Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.