JudikaturHandelsgericht Wien

1R329/97x – Handelsgericht Wien Entscheidung

Entscheidung
03. Februar 1998

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Kreimel (Vorsitzender), Dr. Schinzel und KR Gauster in der Rechtssache der Klägerin D*****gesmbH, *****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Rechtsanwalt in 1222 Wien, wider die Beklagte S***** GesmbH, *****, vertreten durch Mag. Michael Pilz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wegen S 63.840,-- (Berufungsinteresse: S 48.960,--) samt Anhang über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 24.2.1997, 11 C 1323/96f-9, nach öffentlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.802,24 (darin enthalten S 1.127,04 Ust und S 40,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die Klagsforderung mit S 48.960,-- samt Anhang als zu Recht bestehend und wies die Aufrechnungseinrede der Beklagten ab. Unter gleichzeitiger Abweisung "des Mehrbegehrens" wurde die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die vorgenommenen Ausbelichtungen und Probedrucke S 48.960,-- samt 5 % Zinsen seit 20.4.1996 und 5 % Zinseszinsen seit 28.5.1996 kostenpflichtig zu bezahlen. Ausgehend von den auf den Seiten 2 bis 6 der Urteilsausfertigung (= AS 73 bis 81) getroffenen Feststellungen, auf die der Kürze halber verwiesen wird, gelangte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, es wäre der Beklagten, einer Werbeagentur, möglich gewesen, Einsicht in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das grafische Gewerbe zu erlangen. Aufgrund der länger dauernden Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien seien diese Bedingungen schlüssig vereinbart und Vertragsinhalt geworden. Punkt IV.4. der Bedingungen zufolge könne der Auftraggeber nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufrechnen; zudem stünden einem Auftraggeber, der Vollkaufmann im Sinne des HGB ist, Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsrechte nicht zu. Aufgrund des zwischen den Streitteilen geltenden Aufrechnungsverbots hätten die "Compensandoeinreden" der Beklagten abgewiesen werden müssen. Während die Honorarnote Beilage ./B nicht bestritten worden sei, habe das Beweisverfahren nicht ergeben, daß die Fehler im Prospekt "OBI-Heimwerkermärkte" auf mangelhafte Arbeiten der Klägerin zurückzuführen waren (Beilage ./2). Hinsichtlich des zweiten Auftrags habe es zwischen den Parteien die Übereinkunft gegeben, diesen nicht durchzuführen, wobei die Gründe hiefür in der Sphäre der Klägerin gelegen gewesen seien. Gemäß § 1168 ABGB stehe der Klägerin daher für den zweiten Auftrag ("grüner Hintergrund") ein Werklohn nicht zu (Beilage ./A).

Gegen den "klagsstattgebenden Teil dieses Urteils in Höhe von S 48.960,-- und hinsichtlich der Abweisung der Aufrechnungseinrede" der Beklagten richtet sich deren Berufung aus den Rechtsmittelgründen der "unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung" sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung klagsabweisend abzuändern oder aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsschöpfung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Mit ihren Ausführungen zum Berufungsgrund der "unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellungen" verstößt die Beklagte gegen das Gebot, die angezogenen Berufungsgründe getrennt darzustellen. Dies hindert zwar nicht die Behandlung der Berufung, doch gehen allfällige Unklarheiten zu ihren Lasten. In einem solchen Fall sind die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers nur insoweit beachtlich, als sie einem der geltend gemachten Berufungsgründe mit hinreichender Deutlichkeit zugeordnet werden können (Fasching Lb2, Rz 1695; EvBl 1961/274).

Den Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellungen führt die Beklagte im Folgenden überhaupt nicht aus. Darunter würden unzutreffende Tatsachenfeststellungen aufgrund der unrichtigen Anwendung von Erfahrungssätzen oder aufgrund unzutreffender Erfahrungssätze fallen (Fasching aaO, Rz 1770). In diese Richtung zeigt die Berufung aber nichts auf. Soferne sie unvollständige Tatsachenfeststellungen, sohin rechtliche Feststellungsmängel releviert, hat dies der Rechtsrüge zugeordnet zu werden. Denn es stellt eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar, wenn das Erstgericht infolge unrichtiger Rechtsansicht wesentliche Feststellungen zu treffen unterließ (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 4 zu § 496 mwN). Nun kann aber dem angefochtenen Urteil entnommen werden, daß das Erstgericht die von der Berufungswerberin offensichtlich gewünschten Feststellungen keinesfalls aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht nicht getroffen hat, sondern weil die Beweisergebnisse nicht dementsprechend waren.

Gestützt auf (daten-)technische Überlegungen ("Überspielung der Original-Cartridge" auf die Festplatte der Klägerin; Lieferung sogenannter "Iris"-Druckvorlagen), stellt die Berufungswerberin dem vom Erstgericht festgestellten einen anderen Sachverhalt gegenüber. Es kann ihr zugestanden werden, daß sie damit ein durchaus mögliches Geschehen zur Darstellung bringt. Nun gehört es aber zum Wesen der freien Beweiswürdigung, daß sich die Tatsacheninstanz für eine von mehreren widersprechenden Schilderungen aufgrund ihrer Überzeugung, daß sie mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (3 Ob 658/81 ua). Insofern hat das Erstgericht seine Feststellungen nachvollziehbar begründet. Die Berufungswerberin, welche auf die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils kaum eingeht, vermag dagegen keine Argumente zu bringen; sie beschränkt sich vielmehr darauf, aus dem von ihr angenommenen technischen Ablauf Schlußfolgerungen zu ziehen. Warum etwa der Zeugin H***** und der Geschäftsführerin der Beklagten mehr Glaubwürdigkeit zukommen soll als den Zeugen K***** und R*****, ist nicht zu erkennen. Die Frage, ob die Lithografien mit den Druckvorlagen hätten verglichen werden müssen, betrifft schließlich nicht mehr den Tatsachenbereich.

Da es der Berufung sohin nicht gelungen ist, beim Gericht zweiter Instanz Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu wecken, werden die getroffenen Feststellungen auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt (§ 498 ZPO).

Davon ausgehend muß auch die Rechtsrüge der Beklagten versagen. Hierin wird von der Berufungswerberin zunächst (Punkt 1.) ein Verstoß der Klägerin gegen § 1168a ABGB moniert. Die Klägerin hätte die Beklagte warnen müssen, daß die übermittelten Unterlagen (Dateien) zur sachgemäßen Herstellung von Lithografien offenbar untauglich sind. Mit diesem Einwand verstößt die Beklagte vorweg gegen das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot (Kodek aaO, Rz 4 vor § 461). Außerdem kann keine Rede davon sein, daß die Mangelhaftigkeit der Dateien nach den getroffenen Feststellungen für die Klägerin, welche die Arbeiten unter großem Zeitdruck durchführen mußte, erkennbar gewesen ist (UA, Seite 3; vgl. Krejci in Rummel, ABGB I2, Rz 26 zu § 1168a). Daß der Computer der Klägerin "abstürtzte", woraus die Beklagte die Erkennbarkeit des von ihr gelieferten mangelhaften Materials folgert, ist dem angefochtenen Urteil mit keinem Wort zu entnehmen.

Unter Punkt 2. ihrer Rechtsrüge setzt sich die Beklagte mit der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes zur Frage der Geltung der "Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Liefer- und Zahlungsbedingungen) für das grafische Gewerbe", zusammengestellt im Jahr 1992 vom Hauptverband der grafischen Unternehmungen Österreichs, auseinander (Beilage ./D). Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht zum Ergebnis kommen müssen, daß die AGB hier nicht - und zwar auch nicht schlüssig - Vertragsinhalt wurden. Von einer stillschweigenden Annahme ihrer Geltung könne keine Rede sein, wenn vor Vertragsabschluß niemand oder nichts auf diese Bedingungen verweise. Auch bei einer längeren Geschäftsverbindung könnten höchstens einzelne Vertragsbedingungen (zum Beispiel ein Eigentumsvorbehalt oder die Leistung bankmäßiger Zinsen), die auf Rechnungen enthalten seien, für künftige Abschlüsse Bedeutung erlangen.

Dem entgegen ist anerkannt, daß etwa die AÖSp als stillschweigend vereinbarter Vertragsinhalt anzusehen sind, wenn der Auftraggeber des Spediteurs von ihrem Bestehen Kenntnis hatte oder nach der Art seines Handelsgewerbes Kenntnis haben mußte (HS 20.391 mwN). Eine solche Kenntnis des Auftragsgebers muß jedenfalls bei Kaufleuten nach der Art des von ihnen betriebenen Handelsgewerbes angenommen werden (RdW 1991, 45). Dies bedeutet, daß bei Kaufleuten in verwandten oder solchen Branchen, die immer wieder zusammmenarbeiten, die Kenntnis der Existenz standardisierter Geschäftsbedingungen auf Seiten des Auftragnehmers vorauszusetzen ist.

Daß Derartiges im vorliegenden Fall, wo beide Parteien Formkaufleute sind (§ 6 HGB, § 61 Abs. 3 GmbHG), angenommen werden muß, liegt auf der Hand. Die Verwendung allgemeiner, von einer Interessensvertretung zusammengestellter und mitunter auch veröffentlichter Geschäftsbedingungen im Wirtschaftsleben kann keinesfalls als ungewöhnlich oder überraschend angesehen werden. Die Vermerke auf den Rechnungen der Klägerin wiesen auf diese Bedingungen auch nicht kleingedruckt, sondern durchaus in die Augen fallend hin (Beilagen ./A bis ./C). Wie oft dies seit der Aufnahme der Geschäftsverbindung zwischen den Streitteilen im Jahr 1995 im einzelnen geschehen ist, kann unter den gegebenen Umständen dahingestellt bleiben.

Von der Beklagten wurde auch kein Vorbringen in der Richtung erstattet, daß sie von den Bedingungen laut Beilage ./D nichts gewußt habe und nach der Art ihres Tätigkeitsbereiches auch nichts habe wissen können. Ebensowenig behauptete sie, daß die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Liefer- und Zahlungsbedingungen) für das grafische Gewerbe" inhaltlich ungewöhnlich seien (§ 864a ABGB). Die Behauptungs- und Beweislast für die Nachteiligkeit und Ungewöhnlichkeit einer in AGB enthaltenen Klauseln trifft denjenigen, der sich auf ihre Unwirksamkeit beruft (MGA ZPO14, E 20 zu § 864a). Im übrigen müßte die gröbliche Nachteiligkeit eines Aufrechnungsverbotes, welches in Geschäftsbedingungen recht häufig vorgesehen ist, auch deshalb verneint werden, weil es die Beklagte an der Geltendmachung ihrer vermeintlichen Schadenersatzansprüche allein in diesem Verfahren hindert (SZ 27/197). Die Geltung des Aufrechnungsverbotes könnte überhaupt dahinstehen, weil die Leistung der Klägerin nach den getroffenen Feststellungen keine Mängel aufgewiesen hat, für die jene einzustehen hätte.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet sich auf § 502 Abs. 2 ZPO.

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