JudikaturHandelsgericht Wien

1R122/97f – Handelsgericht Wien Entscheidung

Entscheidung
10. September 1997

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Kreimel (Vorsitzender), Dr. Dallinger und KR Gauster in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr. Kurt Schneider, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wider die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, wegen S 68.635,60 samt Anhang über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 11.6.1996, 12 C 53/96y-8, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 36.169,96 samt 10 % Zinsen aus S 39.894,80 vom 1.2.1993 bis 29.2.1996 und aus S 36.169,96 ab dem 1.3.1996 zu zahlen.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 32.465,64 samt 10 % Zinsen aus S 35.808,80 vom 1.2.1993 bis 29.2.1996 und aus S 32.465,64 ab dem 1.3.1996 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.376,43 (Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen; im übrigen werden die Verfahrenskosten gegeneinander aufgehoben".

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.793,10 (Barauslagen) bestimmten Kosten zu ersetzen; im übrigen werden die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, der Klägerin Zahlung im Sinne des in der mündlichen Streitverhandlung vom 22.4.1996 (AS 21) eingeschränkten Klagebegehrens zu leisten.

Die dazu auf den Seiten 2 bis 3 der Urteilsausfertigung getroffenen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht dahingehend, daß der Einwand der Beklagten, die Klagsforderungen seien gemäß Art. 32 CMR verjährt, nicht zu Recht bestehe. Unter diese Bestimmung fallen die geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückforderung irrtümlich doppelt gezahlter Frachtkosten oder irrtümlich ohne entsprechende Gegenleistung des Transporteurs geleisteten Zahlungen nicht. Gerade auf irrtümliche Doppelzahlung und damit irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld stütze die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche. Dieser Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB unterliege der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1479 ABGB, sodaß die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien.

Auf die Fragen, inwieweit eine Kontokorrentvereinbarung zwischen den Streitteilen bestanden habe oder ein Anerkenntnis vorliege, sei nicht weiter einzugehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern, aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Darin führt die Beklagte aus, daß den Ausführungen des Erstgerichtes, bereicherungsrechtliche Ansprüche seien von Art. 32 CMR nicht umfaßt, nicht gefolgt werden könne. Zwar sei in dieser Bestimmung nicht genau definiert, welche Ansprüche der darin normierten Verjährung unterliegen, doch handle es sich nach der herrschenden Lehre um alle Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung. Darunter fallen auch solche Ansprüche, die gar nicht auf die Bestimmungen der CMR zu gründen seien. Art. 32 CMR stelle eine Schutzbestimmung für den Frachtführer dar, sodaß auch Ansprüche gegen den Frachtführer auf Rückzahlung zu viel bezahlter Fracht dieser Verjährungsbestimmung unterliegen. Gerade Bereicherungsansprüche zeigen die Notwendigkeit einer derartigen Schutzbestimmung auf, weil sie nach österreichischem Recht erst nach 30 Jahren verjähren würden. Würde man Bereicherungsansprüche nicht der kurzen Verjährung der CMR unterstellen, käme man zu dem im Frachtgeschäft untragbaren Ergebnis, daß der Frachtführer über Jahrzehnte die Kontrolle über sämtliche seiner Geschäfte aufrechterhalten müßte. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Erstgericht zum Ergebnis kommen müssen, daß die klagsweise geltend gemachte Forderung gemäß Art. 32 CMR verjährt sei.

Die Klägerin beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben.

Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zugestanden ist von der Klägerin, daß die geltend gemachten Rechnungsbeträge und rückgeforderten Zahlungen in Rechtsverhältnissen ihren Grund haben, die der CMR unterliegen. Darin liegt ein Geständnis des diesen Rechtsverhältnissen zugrunde liegenden Tatsachenkomplexes, der die Voraussetzung der Anwendbarkeit der CMR bildet (Stohanzl, ZPO MGA14, E 32f zu § 266), die auch im Rechtsmittelverfahren nicht in Zweifel gezogen wird. Entsprechende Feststellungen zur Frage, ob die den Grund der Forderungen und Zahlungen vom Erstgericht festgestellten "Speditionsleistungen" solche waren, die dem § 412 Abs. 2 oder § 413 Abs. 1 HGB unterliegen, was erst die Anwendbarkeit der CMR auf Speditionsleistungen begründen würde (vgl. Thume, Komm. zur CMR, Rz 5 zu Art. 32), sind daher entbehrlich.

Die Klägerin begehrt nach Einschränkung des Klagebegehrens (AS 21) die Zahlung der Klagspositionen a) Guthaben aus laufender Verrechnung: S 35.808,80 und b) Rückforderung einer Doppelzahlung der Rechnung Nr. 188.054: S 39.894,80, in Summe daher S 75.703,60, abzüglich eines Betrags von S 7.068,--, mit dem gegen eine Forderung der Beklagten aus erbrachten Speditionsleistungen (Beilage ./C) mit Erklärung vom 11.3.1996 (Beilage ./D) aufgerechnet wurde.

Gemäß Art. 32 CMR verjähren Ansprüche aus einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung grundsätzlich in einem Jahr, wobei die Frist in den gegenständlich in Betracht kommenden Fällen mit dem Ablauf einer Frist von 3 Monaten nach dem Abschluß des Beförderungsvertrags beginnt (Z 1).

Nach herrschender Auffassung sind sämtliche Ansprüche aus einer CMR-Beförderung in den Normbereich des Art. 32 CMR einbezogen (Thume, Komm. zur CMR, Anm. 1 zu Art. 32 mwN), insbesondere auch der Anspruch auf Zahlung der Fracht (Koller, Transportrecht3, Anm. 6 zu Art. 32 CMR). Ob ein Anspruch auf Rückzahlung doppelt geleisteter Fracht Art. 32 CMR unterliegt, wurde von deutschen Gerichten unterschiedlich beurteilt (Nachweise bei Koller aaO). Nach Koller greift Art. 32 CMR nur ein, wenn ein Transportvertrag im Sinn des Art. 1 CMR geschlossen wurde (aaO, Anm. 1 zu Art. 32), weshalb diese Bestimmung zum Beispiel auf Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung wegen des Transports von Mehrfracht nicht in Frage komme (a.A.: Herber-Piper, CMR-Komm., Rz 8 zu Art. 32).

Der OGH hat entschieden, daß ein Anspruch auf Rückgewähr zuviel gezahlter Fracht der einjährigen Verjährungsfrist des Art. 32 CMR unterliegt (SZ 49/3), weil es auch bei der Beurteilung der Frage, ob der Absender im Vertrauen auf die Richtigkeit der ihm erteilten Rechnung zu viel Fracht gezahlt habe, um die dem Frachtführer zustehende Vergütung gehe, und ein sachlicher Zusammenhang mit einer der CMR unterliegenden tatsächlich ausgeführten Beförderung gegeben sei (ähnlich BGH in NJW 1972, 1003). Auch in einem Fall, in dem strittig war, ob sich die gelegten Rechnungen nur auf von der Klägerin beförderte Güter beziehen oder auch auf solche, die nicht von der Klägerin befördert wurden, hat der OGH erkannt, daß auch hier die Grundlage der Berechnung der Frachtkosten strittig war und es letztlich um die Höhe der Frachtkosten gehe, weshalb Art. 32 CMR zur Anwendung gelange.

Verallgemeinernd läßt sich daher sagen, daß Art. 32 CMR nur Ansprüche erfaßt, die mit der Güterbeförderung in einem Zusammenhang stehen und eine Grenze dort liegt, wo der innere Zusammenhang mit dem CMR-Transport verloren geht (so Thume aaO, Rz 51 zu Art. 32). Ein solcher Zusammenhang kann nicht bloß ein ursächlicher sein (so offenbar LG Wuppertal in VersR 1993, 249), sondern muß bei Beachtung des Regelungszwecks (= Schutzzwecks zugunsten des Frachtführers; vgl. SZ 55/49) die Anwendung des Art. 32 CMR geboten sein.

Es ist nun nicht einzusehen, aus welchem Grund eine rechtsgrundlose Zahlung an den Frachtführer als Empfänger eine Privilegierung deshalb erfahren sollte, weil ein ursächlicher Zusammenhang mit einem der CMR unterliegenden Transport besteht. Dies würde bedeuten, daß es einen Unterschied machte, ob irrtümlich und rechtsgrundlos unter (naturgemäß fälschlichem) Bezug auf einen der CMR unterliegenden Transport geleistet würde oder ohne einen solchen Bezug; im ersten Fall würde die Verjährungsfrist ein Jahr betragen, im zweiten Fall 30 Jahre. Dies zeigt, daß der OGH in beiden oben dargelegten Entscheidungen nicht ohne Grund der Frage Bedeutung beigemessen hat, ob im Fall der Rückforderung in Wahrheit die Höhe der Frachtkosten den Streitpunkt darstellte. In diesem Fall ist der erforderliche Zusammenhang zur Beförderung gegeben, sodaß es auch gerechtfertigt erscheint, in ihrem Bestand von der Vereinbarung über die Höhe der Frachtkosten abhängige Bereicherungsansprüche der kurzen Verjährung der CMR zu unterstellen (vgl. SZ 55/49).

Gerade diese Erwägungen treffen jedoch auf die irrtümliche Mehrfachzahlung von Fracht, bei der die Höhe der Fracht überhaupt nicht strittig ist, nicht zu. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung versehentlich doppelt gezahlter Fracht unterliegt daher nicht der kurzen Verjährungsfrist des Art. 32 CMR (so auch LG Essen VersR 1993, 248), sondern § 1478 ABGB und damit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren.

Soweit die Klägerin ein "Guthaben aus laufender Verrechnung" geltend macht, ist die rechtliche Begründung des Erstgerichts unverständlich, wonach es sich auch dabei (konkludent) um eine irrtümliche Doppelzahlung handle.

Gemäß Art. 32 Z 3 CMR gilt für die Hemmung der Verjährung (unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 2) das Recht des angerufenen Gerichtes. Dieses Recht gilt auch für die Unterbrechung der Verjährung.

Die Klägerin stützt ihren Ansprich in Höhe von S 35.808,80 auf ein mit Schreiben vom 21.1.1993 (einer von der Beklagten erstellten Abrechnung, Beilage ./A) erfolgtes Saldoanerkenntnis der Beklagten im laufenden Kontokorrent (AS 9). Zwar lassen die Klagsbehauptungen Angaben zu Abrechnungszeiträumen und -zeitpunkten vermissen, doch hat die Beklagte keinen substantiierten Einwand gegen die behauptete Saldenfeststellung per 21.1.1993 (AS 9) erhoben. Darin liegt ein Zugeständnis im Sinne des § 267 ZPO (vgl. Rechberger in Rechberger, Komm. zur ZPO, Rz 5 zu § 267) auch bezüglich des für den Beginn der Verjährung der Forderung aus dem Rechnungsabschluß maßgeblichen Zeitpunkts des Ablaufes der Rechnungsperiode (Schönherr-Nitsche, HGB MGA27, E 23a).

Trotz der durch die Einstellung in das Kontokorrent bedingten Hemmung der Verjährung (Demuth in Thume, aaO, Rz 89 zu Art. 32) war das Guthaben in Höhe von S 35.808,80 im Zeitpunkt der Erhebung der Klage verjährt.

Daß dieser Saldo vorgetragen worden wäre, hat die Klägerin zwar in der Berufungsbeantwortung, nicht aber im Verfahrens erster Instanz behauptet (§ 482 ZPO).

Da die Klägerin in ihrer Erklärung hinsichtlich einer Einschränkung des Klagebegehrens um S 7.068,-- nicht zu erkennen gegeben hat, welche ihrer Forderungen davon betroffen sein sollte, ist davon auszugehen, daß eine anteilsmäßige Kürzung vorzunehmen ist. Zur Entscheidung steht daher nach der Klagseinschränkung aus dem Titel Guthaben aus laufender Verrechnung ein Betrag von S 32.465,64 und aus dem Titel Doppelverrechnung ein Betrag von S 36.169,96.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 und 50 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf §§ 500 Abs. 2 Z 2, 502 Abs. 2 ZPO. Eine Zusammenrechnung der geltend gemachten Ansprüche hatte gemäß § 55 Abs. 1 und 5 JN nicht zu erfolgen.

Rückverweise