JudikaturHandelsgericht Wien

1R967/96v – Handelsgericht Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Juli 1997

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Hinek (Vorsitzender), Dr. Pelant und KR Engelhardt in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Kurt Schneider und Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, wider die beklagte Partei Dr. R*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des P*****, wegen S 35.641,27 samt Nebengebühren über die Berufung der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 10.9.1996, 7 C 1585/96f-6, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat wie folgt:

"Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 35.641,27 samt 7 % Zinsen aus S 15.244,75 seit 21.2.1996 und aus S 20.396,52 seit 4.4.1996 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.450,08 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin enthalten S 1.241,68 Ust) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.031,12 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 563,52 Ust und S 2.650,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 12.1.1996 wurde zu 23 S 28/96d über das Vermögen des P***** der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt.

1989/1990 hatten der Gemeinschuldner und die Klägerin einen Mietvertrag über eine Fernsprechnebenstellenanlage samt Zubehör abgeschlossen. Punkt 6.3. der Vertragsbedingungen sieht vor, daß das auf unbestimmte Zeit eingegangene Vertragsverhältnis von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum 30.6. oder 31.12. eines jeden Kalenderjahres mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt werden kann. Die Mieterin (= der Gemeinschuldner) verzichtet jedoch auf die Dauer von 10 vollen Kalenderjahren ab Beginn der Verpflichtung zur Mietenzahlung auf die Ausübung dieses Kündigungsrechtes.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin eine restliche Miete für das erste Quartal 1996 und die volle Miete für das zweite Quartal 1996. § 23 Abs. 1 KO enthalte nur eine Begünstigung des Masseverwalters hinsichtlich der einzuhaltenden Kündigungsfrist, nicht jedoch hinsichtlich der Kündigungstermine. Da § 1116 ABGB für bewegliche Sachen keinen Kündigungstermin vorsehe, müßten die vertraglich vereinbarten Kündigungszeitpunkte 30.6. und 31.12. eines jeden Kalenderjahres gelten. Eine vom beklagten Masseverwalters gem. § 23 KO ausgesprochene Kündigung könne daher erst mit 30.6.1996 wirksam werden, die bis dahin auflaufenden Mietentgelte seien als Masseforderungen voll zu befriedigen.

Der Beklagte bestreitet und wendet u.a. ein, daß er gegenüber einer Mitarbeiterin der Klägerin am 25.1.1996 telefonisch unter Bezug auf § 23 KO und § 1116 ABGB unter Einhaltung einer 24-stündigen Frist die Kündigung des gegenständlichen Mietvertrages ausgesprochen habe. Dieser sei daher per 26.1.1996 aufgelöst worden, sodaß der Klägerin nur der bis zu diesem Zeitpunkt angefallene Mietzins bezahlt worden sei. Da der Masseverwalter das Bestandverhältnis zum frühest möglichen Zeitpunkt beenden können solle, sei er berechtigt gewesen, die Aufkündigung unter Einhaltung der 24-stündigen Frist des § 1116 ABGB zu erklären.

Nach Beschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches sprach das Erstgericht mit dem angefochtenen Zwischenurteil aus, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Ausgehend von den auf den Seiten 1 und 2 der Urteilsausfertigung (AS 25 und AS 27) getroffenen Feststellungen, auf die verwiesen wird, gelangte es in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, daß § 23 Abs. 1 KO die Kündigung eines Bestandvertrages unter Einhaltung der gesetzlichen oder der vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist zulasse, ohne jedoch eine Bestimmung hinsichtlich eines Kündigungstermines zu enthalten. Auch § 1116 ABGB sehe für bewegliche Sachen keinen Kündigungstermin vor, weshalb der beklagte Masseverwalter an die vertraglich vorgegebenen Kündigungstermine - 30.6. und 31.12. eines jeden Kalenderjahres - gebunden sei. Die von ihm erklärte Kündigung sei daher erst mit 30.6.1996 wirksam geworden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Als Verfahrensmangel und in weiterer Folge als sekundären Feststellungsmangel macht der Beklagte geltend, daß das Erstgericht Feststellungen unterlassen habe, wonach er mündlich gegenüber einer Mitarbeiterin der Klägerin am 25.1.1996 unter Bezug auf § 23 KO und § 1116 ABGB das gegenständliche Bestandverhältnis betreffend die Fernsprechnebenstellenanlage unter Einhaltung einer 24-stündigen Frist aufgekündigt habe. Richtig ist, daß diese Feststellungen vom Erstgericht nicht getroffen worden sind. Dazu bestand aber auch keine Veranlassung, weil das entsprechende Vorbringen des Beklagten in seinem Einspruch (vgl. AS 7) seitens der Klägerin nie bestritten worden ist. Diese trat vielmehr in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ON 4 (und auch in der Folge) nur der Rechtsansicht des Beklagten entgegen, daß eine Aufkündigung des Bestandsverhältnisses jederzeit, bloß unter Einhaltung der 24-stündigen Frist des § 1116 ABGB, möglich sei. Sämtliches Tatsachenvorbringen des Beklagten wurden dagegen ausdrücklich oder zumindest schlüssig im Sinn des § 267 ZPO zugestanden; auch aus der Berufungsbeantwortung ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin die zur Debatte stehende Behauptung des Beklagten in Frage stellen wollte. Ohne daß es einer ausdrücklichen Feststellung bedurfte, ist daher die in der Berufung aufgeworfene Tatsache der rechtlichen Beurteilung der Berufungsentscheidung zugrunde zu legen.

Die Streitteile gehen übereinstimmend davon aus, daß die gegenständliche Fernsprechnebenstellenanlage als bewegliche Sache zu behandeln sei. Ferner erkennen beide, daß die Kündigung eines Bestandverhältnisses über eine bewegliche Sache mangels vertraglicher Vereinbarungen nach der dispositven Regelung des § 1116 ABGB zu beurteilen ist. Demnach muß derjenige, welcher den Vertrag aufheben will, dem anderen die Mietung einer (beweglichen) Sache 24 Stunden vorher aufkündigen, als die Abtretung erfolgen soll. Richtig ist nun, daß diese Bestimmung nur eine Anordnung bezüglich der einzuhaltenden Kündigungsfrist trifft. Bezüglich des Kündigungstermines - das ist jener in jeder Kündigung notwendig anzugebende Zeitpunkt, mit dem das Bestandverhältnis erlöschen soll (Würth in Rummel2, Rz 18 zu § 1116) - enthält sie keine ausdrückliche Aussage. Das heißt aber nicht, wie Erstgericht und Klägerin vermeinen, daß insoweit nichts geregelt ist. Aus dem Schweigen des § 1116 ABGB zur Frage eines Kündigungstermins hinsichtlich beweglicher Sachen kann nämlich nur geschlossen werden, daß die Kündigung an jedem beliebigen Tag (unter Einhaltung einer Frist von 24 Stunden) erfolgen kann. In diesem Sinne ist daher jeder Tag Kündigungstermin bzw. möglicher Endigungstermin, was den Vertragsparteien im Ergebnis - Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung unterstellt - größtmöglichen Spielraum offen läßt. Von dieser Überlegung ausgehend kann aber an der Berechtigung des beklagten Masseverwalters, das Bestandverhältnis in concreto jederzeit unter Einhaltung der 24-stündigen Frist, unter Berufung auf § 23 Abs. 1 KO, aufzukündigen, kein Zweifel bestehen. Das ergibt sich ganz klar aus der auch von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidung des OGH vom 2.5.1989, 5 Ob 549/89 (RdW 1989, 270 = SZ 62/83), wonach die Aufkündigung eines Bestandverhältnisses durch den Masseverwalter zwar unter Einhaltung der vorgegebenen Kündigungstermine zu erfolgen hat, der Masseverwalter jedoch das Mietverhältnis zum frühest möglichen Zeitpunkt beenden können soll, und zwar je nachdem, ob der aus den gesetzlichen Vorschriften oder der Vereinbarung abgeleitete Endzeitpunkt früher liegt. Der aus den gesetzlichen Vorschriften abgeleitete Endzeitpunkt ist gemäß den obigen Ausführungen jeder beliebige Tag, was eben der Wertung der dispositiven gesetzlichen Regelung, bei beweglichen Sachen eine jederzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses zu ermöglichen, entspricht. Der Standpunkt der Klägerin, mangels eines gesetzlichen Kündigungstermines sei auf den vereinbarten Endzeitpunkt und somit auf den 30.6. (bzw. den 31.12.) eines jeden Jahres abzustellen, übersieht, daß es in diesem Sinne an einem gesetzlichen Kündigungstermin gar nicht mangelt. Im übrigen würde die Argumentation der Klägerin konsequent fortgedacht zu dem Ergebnis führen, daß bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung über den Kündigungstermin ein Bestandverhältnis über bewegliche Sachen im Rahmen des § 23 Abs. 1 KO überhaupt nicht aufgekündigt werden könnte! Daß dieses Resultat nicht den gesetzlichen Zielvorstellungen entspricht, bedarf keiner Erörterung. Teleologie des § 23 Abs. 1 KO ist es nämlich, dem Masseverwalter den Ausstieg aus einem für die Masse nicht günstigen Bestandvertrag zu ermöglichen, wobei dem Kündigungsgegner lediglich ein Anspruch auf Ersatz des durch die Abkürzung der Bestandzeit erwachsenden Schadens, wenn die Kündigung nicht dem Vertrag gemäß, sondern nach dem Gesetz (§ 560 ZPO, § 1116 ABGB) zu einem früheren Zeitpunkt vorgenommen wird, zuerkannt wird (EvBl 1977/90). In diesem Zusammenhang verdient auch das Argument des Beklagten Beachtung, wonach die Ansicht der Klägerin im Hinblick auf § 560 ZPO zu unüberbrückbaren Wertungswidersprüchen bezüglich der Auflösbarkeit von Bestandverträgen über bewegliche und über unbewegliche Sachen führen würde; sofern nur die vertraglichen Kündigungstermine entsprechend gewählt werden, ließe sich § 23 Abs. 1 KO bezüglich beweglicher Sachen ungehindert unterlaufen, was freilich unter Bedachtnahme auf den zwingenden Charakter dieser Vorschrift (§ 25a KO) nicht rechtens sein kann.

Von seiner Berechtigung zur jederzeitigen Aufkündigung des gegenständlichen Bestandvertrages, unter Einhaltung der 24-stündigen Frist, hat der Beklagte am 25.1.1996 (siehe oben) Gebrauch gemacht. Daß diese Aufkündigung telefonisch und nicht gemäß Punkt 6.3. der Vertragsbedingungen mittels eingeschriebenen Briefes erfolgte, spielt schon deshalb keine Rolle, weil sich die Klägerin auf jene Formvorschrift in concreto nicht berufen hat. Ebensowenig hat sie in Abrede gestellt, daß die vom Beklagten unstrittig erbrachte Teilzahlung auf die von ihr für das erste Quartal gelegte Rechnung den Zeitraum von der Konkurseröffnung (12.1.1996) bis zum 26.1.1996 abdecke, weshalb im Ergebnis davon auszugehen ist, daß ihr aus dem gegenständlichen Titel keine Masseforderung mehr zusteht.

Der Berufung des Beklagten ist daher spruchgemäß Folge zu geben. Ergänzend sei noch der Vollständigkeit halber angemerkt, daß die von der Klägerin in 1. Instanz angeführte Entscheidung des Berufungsgerichtes zu 1 R 383/92 das gegenständliche Problem nur am Rande gestreift hat. Die nunmehrige eingehende Beschäftigung mit dem Thema muß jedenfalls zu dem hier gezeigten Ergebnis führen. Zu hg. 1 R 628/96s wiederum war der Klägerin in einem parallel gelagerten Fall lediglich deshalb ein Erfolg beschieden, weil der dort beklagte Masseverwalter keine taugliche Kündigungserklärung abgegeben hat.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO.

Gemäß § 502 Abs. 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig.

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