1R660/96x – Handelsgericht Wien Entscheidung
Kopf
Das Handelsgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Kreimel (Vorsitzender), Dr. Pelant und Mag. Dr. Wanke-Czerwenka in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Kurt Schneider und Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, wider die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Christian Nurschinger, Rechtsanwalt in 1150 Wien, wegen S 31.679,-- samt Nebengebühren über die Rekurse der beklagten Partei gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 23.4.1996 und vom 15.3.1996, GZ 6 C 3266/94a-13 und -11, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Spruch
Den Rekursen wird keine Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses gegen den Beschluß vom 23.4.1996 selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist in beiden Fällen jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte S 31.679,-- s.A.. Die Adresse des Beklagten gab sie mit 1150 Wien, S*****gasse 17/3 an.
Am 31.10.1994 erließ das Erstgericht antragsgemäß einen Zahlungsbefehl. Auf dem Rückschein ist die Adresse des Beklagten handschriftlich auf S*****gasse 17/13 korrigiert. Im übrigen weist er aus, daß der Zahlungsbefehl nach zwei erfolglosen Zustellversuchen durch postamtliche Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist per 8.11.1994 zugestellt wurde. In der Folge erteilte das Erstgericht für diesen Zahlungsbefehl, der als nicht behoben retourniert wurde, die Vollstreckbarkeitsbestätigung.
Mit dem am 5.2.1996 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte der Beklagte u.a. Zustellung der Mahnklage, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Frist zur Erhebung des Einspruchs und die Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit (des Zahlungsbefehles). Zugleich erhob er gegen den erlassenen Zahlungsbefehl Einspruch. Diese Anträge begründete er im wesentlichen damit, daß ihm die gegenständliche Mahnklage (gemeint: der Zahlungsbefehl) unter der Adresse S*****gasse 17/3 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, obwohl er in der S*****gasse 17/13 wohnhaft sei. Die Hinterlegungsanzeige sei niemals zugekommen, es handlesich somit um einen nichtigen Zustellvorgang. Überdies habe er sich im Zustellzeitraum November 1994 im Raume Salzburg/Deutschland aufgehalten und sei erst Anfang Dezember 1994 an seinen Wohnsitz nach Wien zurückgekehrt, weshalb die Hinterlegung auch wegen Ortsabwesenheit nichtig sei. Aus diesen Gründen sei er, der Beklagte, durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gehindert gewesen, rechtzeitig Einspruch zu erheben, was die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertige.
Aufgrund dieser Anträge hat das Erstgericht den zuständigen Postzusteller und den Beklagten, der seine Einvernahme zum Beweis/zur Bescheinigung angeboten hat, als Auskunftspersonen geladen. Der Beklagte ist jedoch trotz eigenhändiger Übernahme der Ladung zum anberaumten Termin 23.2.1996 unentschuldigt nicht erschienen.
Mit Beschluß vom 15.3.1996, ON 11, wies das Erstgericht daraufhin die Anträge des Beklagten auf neuerliche Zustellung der Mahnklage und auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles vom 31.10.1994 ab; zugleich wies es den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück, während der Einspruch des Beklagten keine spruchmäßige Erledigung fand. Seine abschlägige Entscheidung begründete das Erstgericht damit, daß als bescheinigt gelte, daß der Zahlungsbefehl dem Beklagten nach Ankündigung eines zweiten Zustellversuchs am 4.11.1994 und "Verständigung durch Hinterlegung" am 7.11.1994 an der Adresse S*****gasse 17/13 in 1150 Wien per 8.11.1994 rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Daß "die Zustelladresse" tatsächlich auf Türnummer 13 vorgenommen worden sei, habe "ausreichend festgehalten werden" können. Da lediglich Zustellmängel geltend gemacht worden seien, liege kein Wiedereinsetzungsgrund vor.
Aufgrund dieses am 2.4.1996 zugestellten Beschlusses beantragte der Beklagte mit dem am 16.4.1996 zur Post gegebenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 23.2.1996 sowie die Ausschreibung einer neuerlichen Tagsatzung zur Einvernahme des Beklagten "als Partei bzw. Bescheinigungsmittel". Er, der Beklagte, habe im Zuge seiner neuen Beschäftigung als Programmierer in der 8. Arbeitswoche 1996 überraschend in Ungarn tätig sein müssen und unter dem großen Arbeitsdruck und dem Streß des überraschenden Aufbruchs nicht an die Möglichkeit gedacht, das Erstgericht von seiner Verhinderung zu verständigen. Ausdrücklich in eventu erhebt er außerdem gegen den Beschluß vom 15.3.1996 Rekurs aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß seinen Anträgen auf neuerliche Zustellung der Mahnklage sowie auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehles vom 31.10.1995 stattgegegeben werde; hilfsweise wird die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Einspruchsfrist) begehrt und ein Aufhebungsantrag gestellt.
Mit Beschluß vom 23.4.1996, ON 13, hat das Erstgericht den primär erhobenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 23.2.1996 zurückgewiesen. Das Fernbleiben von dem zum Zwecke einer Bescheinigung anberaumten Termin sei nicht restituierbar. Darüberhinaus sei die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags nicht überprüfbar, weil er keine Behauptung darüber enthalte, wann das Hindernis, zur Einvernahme zu erscheinen, weggefallen sei bzw. wann Aufklärung erfolgte.
Auch diesen Beschluß bekämpft der Beklagte mit Rekurs. Gestützt auf den Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird beantragt, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 23.2.1996) stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind nicht berechtigt.
I. Zum Rekurs gegen den Beschluß vom 23.4.1996:
Einleitend ist festzuhalten, daß über diesen Rekurs primär und ungeachtet des Ergebnisses des Rekurses gegen den zeitlich vorangehenden Beschluß vom 15.3.1996 meritorisch zu entscheiden ist. Der Wiedereinsetzungsantrag, dessen Zurückweisung der gegenständliche Rekurs bekämpft, wurde nämlich vom Beklagten vorrangig gestellt, während der Rekurs gegen den Beschluß vom 15.3.1996 nur eventualiter erhoben wurde. Da die Partei bezüglich der Reihenfolge der Behandlung mehrerer Rechtsbehelfe wahlberechtigt ist (Fasching Lb2, Rz 1689), muß demgemäß die Frage der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Bescheinigungstagsatzung vom 23.2.1996 - sollte sich diese Frage in der Folge auch als obsolet erweisen - vorweg geklärt werden. Diesbezüglich tritt der Beklagte zunächst der Ansicht des Erstgerichtes entgegen, daß sein Fernbleiben von dem zu seiner Einvernahme als Auskunftsperson anberaumten Termin nicht restituierbar sei. Dabei geht er jedoch nicht auf die eigentliche Problematik ein, die darin liegt, daß die Wiedereinsetzung eine Versäumung voraussetzt, die Säumniswirkungen zur Folge hatte. Nach Fasching (aaO., Rz 577) kommt sie daher dann, wenn das Gericht von amtswegen auch den Standpunkt und das Vorbringen des Säumigen berücksichtigen muß - und das ist bei Erhebungen zur Klärung eines behaupteten Zustellmangels der Fall - nicht in Betracht. Demgegenüber hat die Judikatur, und zwar auch die des Rekursgerichtes, einen weniger strengen Standpunkt eingenommen und - bei Säumnis des als Partei zu Vernehmenden - die Wiedereinsetzung im Wege der Restituierbarkeit der befristeten Prozeßhandlung der Entschuldigung seines Fernbleibens bzw. der Antragstellung auf Verlegung der Tagsatzung (HG Wien in WR 227) oder ohne weiteres (OLG Wien in WR 731) für zulässig erachtet. Im vorliegenden Fall kann diese Problematik freilich auf sich beruhen; jedenfalls zutreffend hat das Erstgericht nämlich darauf hingewiesen, daß der Wiedereinsetzungsantrag nicht erkennen läßt, daß er innerhalb der vierzehntägigen Frist des § 148 Abs 2 ZPO erhoben worden wäre. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist. Nach dem Vorbringen des Beklagten, der auch bezüglich der die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages begründenden Umstände behauptungs- und bescheinigungsbelastet ist (hg. 1 R 169/93 uva), lag das die Versäumung begründende Hindernis in concreto im Auslandsaufenthalt des Beklagten in der 8. Arbeitswoche 1996. Dem Antrag des Beklagten läßt sich nicht entnehmen, daß dieser Auslandsaufenthalt über die achte Arbeitswoche hinaus angedauert hätte. Davon ausgehend hat die Wiedereinsetzungsfrist aber spätestens mit Beginn der 9. Arbeitswoche 1996 begonnen (26.2.1996), weshalb sich der am 16.4.1992 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag in der Tat als verspätet erweist. Wenn der Rekurswerber nach eigenen Worten "lediglich kursorisch" darauf hinweist, daß allfällige Unklarheiten über die Rechtzeitigkeit des Antrages durch seine Einvernahme abzuklären gewesen wären, so verkennt er, daß das Erstgericht im Sinn der den Wiedereinsetzungswerber treffenden Behauptungslast auch zur Rechtzeitigkeit des Antrags (siehe oben) zu amtswegigen Erhebungen in diese Richtung nicht verpflichtet ist (hg 1 R 325/91).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 154 ZPO.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
II. Zum Rekurs gegen den Beschluß vom 15.3.1996, ON 11:
Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht der Rekurswerber geltend, daß das Erstgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß bereits auf dem Rückschein die Zustelladresse auf Türnummer 13 "vorgenommen worden" sei; bei Durchführung eines mängelfreien Verfahrens hätte es feststellen müssen, daß als Zustelladresse eben nicht Tür 13 angegeben war, weshalb nicht von einer rechtswirksamen und ordnungsgemäßen Zustellung ausgegangen werden könne. Diesen Ausführungen liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, daß die unrichtige Anschrift auf einer behördlichen Sendung die Zustellung unwirksam mache. Diese Auffassung ist freilich verfehlt; entscheidend ist nur, daß die Zustellung tatsächlich an der richtigen Abgabestelle - ungeachtet der falschen Anschrift - stattfindet (VwGH in RdW 1996, 616). Zwar ist der Zusteller insoweit an die behördlich verfügte Zustelladresse gebunden, als er nicht an einer anderen als an der von der Zustellbehörde bestimmten Abgabestelle zustellen darf (Walter-Mayer, Zustellrecht, Anm. 10 zu § 5 ZustG), doch steht dies der Korrektur einer erkennbar nur verschriebenen Anschrift nicht im Wege. Eine solche Korrektur stellt nämlich keine eigenmächtige Auswahl einer anderen Abgabestelle dar, vielmehr wird dadurch nur dem ohnehin beabsichtigten Zustellort Rechnung getragen. Die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise ergibt sich auch aus § 88 Abs 1 Z 3 ZPO, woraus abzuleiten ist, daß es - ausnahmsweise - genügt, nur eine annähernde Bezeichnung der Abgabestelle vorzunehmen und die Ermittlung der genauen Anschrift dem Zusteller zu überlassen (Walter-Mayer, aaO). Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß auch eine unrichtige Schreibweise des Namens des Empfängers, die die Feststellung seiner Identität nicht hindert, die Wirksamkeit der Zustellung nicht berührt (Stohanzl, ZPO14, E 1. zu § 5 ZustG); umso weniger kann eine unrichtige Angabe der Adresse, soweit sie eine klare Identifizierung der gewollten Abgabestelle zuläßt, die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung beeinflussen. Wie schon betont, kommt es lediglich darauf an, daß die Zustellung an der richtigen Abgabestelle vorgenommen wird. Diese, dem angefochtenen Beschluß erkennbar zugrundeliegende Feststellung zieht der Beklagte aber gar nicht in Zweifel.
Zur behaupteten unrichtigen rechtlichen Beurteilung beschränkt sich der Beklagte auf die apodiktische Aussage, daß keine rechtswirksame und ordnungsgemäße Zustellung vorliege. Das entspricht nicht den Anforderungen an eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge. Zwar vertritt die Judikatur, daß das Rekursgericht bei Beurteilung der Sache ungeachtet der erhobenen Rekursgründe verpflichtet ist, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses umfassend zu überprüfen (Stohanzl, aaO., E 8 zu § 526; JBl 1961, 34), doch kann dies nur insoweit gelten, als der Rekurswerber zumindest erkennen läßt, durch welche Elemente des angefochtenen Beschlusses er sich für beschwert erachtet. Hat er dagegen etwa - wie im vorliegenden Fall - die Mißachtung einzelner Punkte seines Antrags im bekämpften Beschluß hingenommen und diese Mißachtung in seinem Rekurs nicht einmal ansatzweise moniert, so muß das als Fallenlassen der ursprünglichen Behauptung verstanden werden. Ein amtswegiges Aufgreifen eines solchen Umstandes (hier der ursprünglich behaupteten Ortsabwesenheit des Beklagten, mit der sich das Erstgericht im angefochtenen Beschluß nicht auseinandergesetzt hat) kommt dann aber nicht in Betracht.
Im Ergebnis bedeutet das, daß auch dem Rekurs gegen den Beschluß vom 15.3.1996 kein Erfolg beschieden sein kann. Soweit dieser Rekurs auf die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruchs abzielt, ist dem Erstgericht beizupflichten, daß dem Wiedereinsetzungsantrag kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund zugrunde liegt, weil er ausschließlich auf Zustellfehler gestützt wird.
Eine Kostenentscheidung hat zu entfallen, weil der Beklagte keine Kosten verzeichnet hat.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.