JudikaturHandelsgericht Wien

1R1073/96g – Handelsgericht Wien Entscheidung

Entscheidung
12. März 1997

Kopf

Das Handelsgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Kreimel (Vorsitzender), Dr. Gumpinger und Dr. Dallinger in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in 1070 Wien, wider die beklagte Partei W*****, wegen S 15.830.58 samt Anhang (Rekursinteresse S 1.668,48) über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen die im Zahlungsbefehl vom 5.11.1996, GZ 6 C 3204/96m-2, aufgenommene Kostenentscheidung in nicht öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird abgeändert, sodaß sie einschließlich des nicht angefochtenen Teiles zu lauten hat wie folgt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.576,16 (darin enthalten S 5.226,-- Barauslagen und S 558,36 an 20 % USt) bestimmten Kosten des Zahlungsbefehles binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.196,16 (darin enthalten S 199,36 an 20 % USt) bestimmten Rekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin führt im Feld 10 der Mahnklage aus, daß die beklagte Partei mit ihr eine Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung für Serviceverpackungen (ELV) getroffen habe. Sie schulde der Klägerin hieraus für den Abrechnungszeitraum 1.4. bis 30.6.1994 und für den Abrechnungszeitraum 1.7 bis 30.9.1994 insgesamt den Betrag von S 15.830,58. In Feld 15 der Mahnklage führte die Klägerin weiters aus, die beklagte Partei sei aufgrund der Verpackungsverordnung zur Rücknahme und zur Wiederverwertung ihrer Verpackungen insoweit verpflichtet, als sie sich nicht nachweislich bestimmter Dritter zur Sammlung und Verwertung ihrer Verpackungsmaterialien bediene. Dies sei durch Abschluß einer ELV mit der Klägerin geschehen. Die beklagte Partei habe sich für den Fall ihres Zahlungsverzuges gegenüber der Klägerin verpflichtet, allfällige Mahnspesen und Portogebühren zu ersetzen. Im Feld 08 sprach die Klägerin Normalkosten nach TP 3 RATG und an sonstigen Auslagen/Kosten KSV-Mahnkosten in Höhe von S 4.236,-- an.

In dem angefochtenen Zahlungsbefehl bestimmte das Erstgericht die Kosten für die Mahnklage unter Zuerkennung der sonstigen Auslagen/Kosten nach TP 2 RATG.

Dagegen richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, daß für die Mahnklage Kosten nach TP 3 a RATG zugesprochen werden.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt Berechtigung zu.

Zu Recht verweist die Klägerin darauf, daß sie ihre Klage auf Zahlung des Lizenzentgeltes aufgrund auf einer mit ihr geschlossenen Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung gestützt habe, welche in der Aufzählung der Tarifpost 2 nicht enthalten sei. Die vorliegende Klage sei daher zwingend unter Tarifpost 3 A RATG zu subsumieren.

Unter TP 3 A I 1 a RATG fallen Klagen, soweit sie nicht in TP 2 genannt sind. Die Aufzählung der Klagen in TP 2 I 1 b RATG ist taxativ (EvBl 1935/595; AnwBl 1992, 680), sodaß dort nicht genannte Klagen grundsätzlich nach TP 3 A RATG zu honorieren sind, sofern sich nicht aus dem Klagsvorbringen die Möglichkeit ergibt, trotz nicht ausdrücklicher Anführung, die Klage dem Inhalt nach unter die in TP 2 genannten Klagen zu subsumieren, wie dies zum Beispiel bei Bürgschaftsklagen (wenn der Bürge für eine Darlehensforderung des Hauptschuldners haftet) zutrifft (WR 569).

Am 1.Oktober 1993 trat die Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und bestimmten Warenresten (VerpackVO), BGBL 1992/645, in Kraft. Die Verpackungsverordnung verpflichtet die Hersteller und Vertreiber zur unentgeltlichen Rücknahme, Sammlung und Verwertung (allenfalls auch Wiederverwendung) der von ihnen in Verkehr gebrachten bzw. verwendeten Verpackungen. Diese Verpflichtungen können auch durch dritte Personen im Rahmen von flächendeckenden Sammel- und Verwertungssystemen erfüllt werden. In der Praxis ist die Strategie der Pflichtenerfüllung durch Dritte vorherrschend. Diese Aufgabe wird durch private Unternehmen (Recyclinggesellschaften) übernommen, die auf kommerzieller Basis, wenn auch nicht unbedingt mit Gewinnzielen, flächendeckende Sammel- und Verwertungssysteme einrichten und betreiben. Die Einrichtung und Finanzierung der Systeme erfolgt über Lizenzverträge, die zwischen den Recyclinggesellschaften einerseits und den Herstellern und Vertreibern (Importeuren, Abpackern, Abfüllern) andererseits abgeschlossen werden. Diese Verträge bewirken zugleich auch eine Entlastung ("Entpflichtung") der Hersteller und Vertreiber von den sonst von ihnen selbst zu erfüllenden Pflichten zur Rücknahme, Sammlung, Verwertung oder Wiederverwendung. Zur Durchführung ihrer Sammel- und Verwertungsaufgaben schließen die Recyclinggesellschaften Verträge mit Gebietskörperschaften, mit Betreibern von Sortieranlagen, Entsorgungs- und Verwertungsunternehmen ab. Eine Gruppe von Unternehmen wird dabei durch die A***** (ARA) und die ihr zugeordneten Branchen-Recycling-Gesellschaft gebildet. Die ARA fungiert als "Dachgesellschaft" für die ihr zugeordneten Branchen-Recyclinggesellschaften. Sie schließt Lizenzvereinbarungen mit den Herstellern, Importeuren, Abpackern und Abfüllern ab und sie sorgt für den Abschluß von Entsorgungsverträgen mit den Branchen-Recyclinggesellschaften für die Einrichtung von Sammlungs- und Verwertungssystemen (Funk in RdU 1994, Seite 123 f).

In diesem Zusammenhang ist die Rechtsnatur des Lizenzvertrages, welcher namentlich jedenfalls nicht in TP 2 RATG erwähnt ist, zu prüfen, um allenfalls eine Einordnung desselben unter die in TP 2 RATG genannten Klagstypen zu ermöglichen. Die Frage nach der Rechtsnatur des Lizenzvertrages wird dabei so lange gestellt, wie man Lizenzen kennt, also Erlaubniserteilungen von dem grundsätzlichen Verbot, Schutzrechte bzw. Patente und Anmeldungen hierauf sowie Know-how zu benutzen (Henn, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag, Seite 27). Als Vertragstypen, unter welche Lizenzverträge eingeordnet werden können, stehen zur Verfügung Mietverträge, Pachtverträge, Nießbrauch, Gesellschaftsvertrag, Kaufvertrag, Leihvertrag sowie die Beurteilung als Vertrag eigener Art (Henn, aaO, Seiten 55 ff mwN).

Wenn nun auch von einem Teil der neueren Lehre mit berechtigten Argumenten die Einordnung des Lizenzvertrages vor allem unter die Regelungen des Pachtvertrages befürwortet wird (Stumpf, Lizenzvertrag, Rz 23 mwN), so hat sich doch im Bereich der deutschen Gerichtsbarkeit seit dem Urteil des Reichsgerichtes vom 11.11.1933, RGZ 142/212, für den deutschen Rechtsbereich und in der internationalen Lehre und Rechtsprechung die Ansicht durchgesetzt, daß es sich beim Lizenzvertrag um einen Vertrag sui-generis handelt, das heißt einen Vertrag eigener Art, der nicht schlechthin unter die bestehenden bürgerlich rechtlichen Vertragstypen wie Kauf, Miete und Pacht eingeordnet werden kann (Henn aaO, Seite 73). Der Lizenzvertrag kann sohin zwar im konkreten Fall Bestandteile verwandter Verträge aufweisen und wird in der Regel auch solche aufweisen ("gemischter" Vertrag), ohne daß dies jedoch rechtsbegrifflich notwendig ist, woraus folgt, daß hinsichtlich der entsprechend anzuwendenden Rechtsregeln auf den Einzelfall abzustellen ist, also auf die je nach dem besonderen Zweck des betreffenden Vertrags getroffenen Abreden der Parteien (Lüdecke, Fischer, Lizenzverträge, Seite 32f).

Wenn man nun noch berücksichtigt, daß unter einer Gesellschaft eine durch Rechtsgeschäft begründete Rechtsgemeinschaft mindestens zweier Personen, um einen bestimmten gemeinsamen Zweck durch organisiertes Zusammenwirken zu erreichen, verstanden wird (Kastner Grundriß5, Seite 12) so bedeutet dies umgelegt auf den konkreten Fall, daß gewisse gesellschaftsrechtliche Elemente zwischen den Streitteilen insoferne nicht geleugnet werden können, als durch Bezahlung des Lizenzentgeltes durch die beklagte Partei im Zusammenwirken mit der Leistung der Klägerin als Zweck eine Entpflichtung des Beklagten herbeigeführt wird. Eine Subsumierung des konkreten Lizenzvertrages unter rein bestandrechtliche Bestimmungen oder sonstige der den in TP 2 RATG aufgezählten Klagen zugrundeliegenden Vertragstypen scheidet somit jedenfalls aus und ist die vorliegende Klage daher nach TP 3 A RATG zu honorieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO in Verbindung mit § 11 RATG. Kostenrekurse sind nach TP 3 A RATG zu entlohnen, wobei die Bemessungsgrundlage der obsiegte Betrag ist, soweit dieser S 1.000,-- übersteigt. Bemessungsgrundlage war hier der obsiegte Betrag von S 1.668,48.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO.

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