JudikaturDSB

K121.956/0009-DSK/2013 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2013

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Dr. BLAHA, Mag. ZIMMER und Dr. GUNDACKER sowie des Schriftführers Dr. SCHMIDL in ihrer Sitzung vom 26. Juni 2013 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des M. N. (Beschwerdeführer), vertreten durch W*** Rechtsanwaltspartnerschaft, vom 11. März 2013 gegen die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz als Sicherheitsbehörde (Beschwerdegegnerin), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Anfertigung eines Lichtbildes (Frontalansicht) des Beschwerdeführers im Rahmen einer Vernehmung wird entschieden:

- Der B e s c h w e r d e wird s t a t t g e g e b e n und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch Anfertigung eines Lichtbildes (Frontalansicht) im Rahmen der Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigten in einem kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren in den Räumlichkeiten der Polizeiinspektion X*** am 16. Februar 2013 in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung

schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt hat.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 16 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 3, 64, 65 Abs. 1, 4 und 5, 71 Abs. 3 Z 3, 77 Abs. 1 und 2, 90 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, idgF.

B e g r ü n d u n g

A. Vorbringen

1. In seiner am 15. März 2013 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde, über Aufforderung ergänzt mit Eingabe vom 25. März 2013, bringt der Beschwerdeführer vor, am 16. Februar 2013 aufgrund einer Vorladung vom 4. Februar 2013 bei der Polizeiinspektion X*** zu einer polizeilichen Anhörung erschienen zu sein. Der die Amtshandlung durchführende Polizist habe vom Beschwerdeführer verlangt, dass er sich fotografieren lasse, was der Beschwerdeführer verweigert habe. Schließlich habe der Polizist gegen den Willen des Beschwerdeführers ein Lichtbild (Frontalansicht) des Beschwerdeführers angefertigt. Für diese Handlung gebe es keine Rechtsgrundlage, die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung gemäß § 118 der Strafprozessordnung – StPO bzw. gemäß § 65 Abs. 1 SPG seien nicht gegeben gewesen. Zur Zuständigkeit der Datenschutzkommission wurde ausgeführt, dass das Anfertigen des Lichtbildes eine Angelegenheit der Sicherheitsverwaltung betreffe. Für ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren gemäß §§ 117 ff StPO habe es mangels Vorliegen eines konkreten Tatverdachts keinen Anlass gegeben. Eine Zuständigkeit der Datenschutzkommission gemäß § 90 SPG sei daher gegeben. Es werde beantragt festzustellen, dass der Beschwerdeführer durch die Anfertigung eines Lichtbildes gegen seinen Willen am 16. Februar 2013 durch einen Beamten der Polizeiinspektion Leibnitz in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt worden sei.

Der Eingabe vom 25. März 2013 beigeschlossen ist die an den Beschwerdeführer adressierte „Ladung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren“ vom 4. Februar 2013, ausgestellt durch einen Polizeibeamten der Polizeiinspektion X***, wegen „§ 27 ff Suchtmittelgesetz“, mit welcher der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, am 13. Februar 2013 von 10:00 Uhr bis voraussichtlich 11:00 Uhr in der Polizeiinspektion X*** zu erscheinen. Als Gegenstand der Vernehmung wird „Ihre Suchtmittelaktivitäten“ angegeben. Als Sicherheitsbehörde wird die Beschwerdegegnerin genannt.

2. Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2013 vor, dass gegen den Beschwerdeführer von der Polizeiinspektion X*** im Frühjahr 2013 unter der Zahl B*** ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz durchgeführt worden wäre. Der Beschwerdeführer sei im Zuge umfangreicher Ermittlungen als Suchtmittelabnehmer ausgeforscht worden. Weiters sei der Beschwerdeführer von mehreren Personen beschuldigt worden, Suchtgift an Minderjährige weitergegeben zu haben. Zur Befragung des Beschwerdeführers als Beschuldigten sei dieser gemäß § 153 StPO geladen worden, wobei er dieser Ladung am 16. Februar 2013 nachgekommen sei. Im Zuge der Befragung sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, sich einem Urintest bzw. einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen. Beides habe er verweigert. Nach der Befragung sei von einem Organ der Polizeiinspektion X*** ein Lichtbild des Beschwerdeführers mit der Absicht, sich die Identität des Beschwerdeführers bestätigen zu lassen, angefertigt worden. Im gegenständlichen Fall sei dieses Lichtbild einem weiteren, namentlich näher genannten Beschuldigten gezeigt worden. Am 25. März 2013 sei der Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft Graz erstattet worden. Noch vor der Übermittlung des Abschlussberichts sei die Beschwerdegegnerin von der Polizeiinspektion X*** am 16. Februar 2013 ersucht worden, dem Beschwerdeführer die erkennungsdienstliche Behandlung bescheidmäßig vorzuschreiben. Das Anfertigten des Lichtbildes im vorliegenden Fall stelle eine erkennungsdienstliche Behandlung dar, die dazu gedient habe, das Lichtbild gemäß § 71 Abs. 3 Z 3 SPG allfälligen Tatzeugen zu zeigen und dadurch die Wiedererkennung des Beschwerdeführers zu ermöglichen. Das Lichtbild sei nicht in der erkennungsdienstlichen Evidenz gespeichert und ausschließlich Tatzeugen gezeigt worden. Die auf § 65 Abs. 1 SPG gestützte erkennungsdienstliche Behandlung sei somit gesetzmäßig und gerechtfertigt gewesen, weshalb eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten nicht festgestellt werden könne.

Der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin beigeschlossen sind – soweit verfahrensrelevant –

a) der Bericht der Polizeiinspektion X*** vom 16. Februar 2013 an die Beschwerdegegnerin;

b) der Abschlussbericht der Polizeiinspektion X*** an die Staatsanwaltschaft Graz vom 25. März 2013;

c) das Vernehmungsprotokoll des Beschwerdeführers vom 16. Februar 2013 sowie die Vernehmungsprotokolle anderer Personen;

d) die Niederschrift der Beschwerdegegnerin vom 15. April 2013 mit dem Polizeibeamten, der die Vernehmung am 16. Februar 2013 durchführte.

3. Die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin wurde dem Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Erhalt übermittelt und von diesem nach Ausweis des Rückscheines am 23. April 2013 nachweislich übernommen. Eine Stellungnahme langte binnen der gestellten Frist bei der Datenschutzkommission nicht ein.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdeführer durch die von einem Organ der Beschwerdegegnerin im Rahmen der Vernehmung am 16. Februar 2013 gegen seinen Willen durchgeführte Anfertigung eines Lichtbildes in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung verletzt wurde.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Polizeiinspektion X*** führte im Frühjahr 2013 ein kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Übertretung des Suchtmittelgesetzes durch. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer mit Ladung vom 4. Februar 2013 zur Vernehmung als Beschuldigter in Bezug auf seine Suchtmittelaktivitäten für den 13. Februar 2013 in die Polizeiinspektion X*** geladen.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den unbestrittenen Angaben in der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin sowie auf der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ladung.

Der Beschwerdeführer erschien am 16. Februar 2013 zur Vernehmung in der Polizeiinspektion X***. Er wurde vom vernehmenden Polizeibeamten aufgefordert, sich einem Urintest und einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, was der Beschwerdeführer verweigerte. Nach Abschluss der Vernehmung fertigte der einvernehmende Beamte gegen den Willen des Beschwerdeführers ein Lichtbild (Frontalansicht) des Beschwerdeführers an und speicherte dieses vorübergehend auf seinem Arbeitsplatz, um es in Folge potentiellen Tatzeugen zu zeigen. Das Lichtbild wurde X.Y. im Rahmen von dessen Zeugenvernehmung gezeigt, wobei X.Y. den Beschwerdeführer eindeutig erkannte.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den unbestrittenen Angaben in der Beschwerde sowie in der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin und auf dem von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Zeugenvernehmungsprotokoll des X.Y., weiters auf der von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Niederschrift vom 15. April 2013.

Die Polizeiinspektion X*** erstattete am 16. Februar 2013 einen Bericht an die Beschwerdegegnerin, wonach der Beschwerdeführer die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung verweigert hatte und ersuchte die Beschwerdegegnerin, dem Beschwerdeführer gemäß § 77 Abs. 2 und 3 SPG mit Bescheid die Verpflichtung zur Mitwirkungen an der erkennungsdienstlichen Behandlung für den 1. März 2013 aufzuerlegen.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Bericht der Polizeiinspektion X*** vom 16. Februar 2013.

Die Polizeiinspektion X*** erstattete am 25. März 2013 einen Abschlussbericht gemäß § 100 Abs. 2 Z 4 StPO an die Staatsanwaltschaft Graz, welchem u.a. die Vernehmungsprotokolle des Beschwerdeführers sowie des X.Y. beigeschlossen waren, wobei der Beschwerdeführer verschiedener Suchtmittelaktivitäten – unter anderem der Weitergabe von Suchtmittel an andere – beschuldigt wurde. Hingewiesen wurde auch darauf, dass der Beschwerdeführer nicht geständig sei und die Durchführung eines Urintests und einer erkennungsdienstlichen Behandlung verweigert habe.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Abschlussbericht der Polizeiinspektion X*** an die Staatsanwaltschaft Graz vom 25. März 2013.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 31 Abs. 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Beschwerde an die Datenschutzkommission

§ 31.

[…]

(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.“

Die §§ 16, 22, 64 f, 71, 77 und 90 SPG lauten auszugsweise:

„Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung

§ 16. (1) Eine allgemeine Gefahr besteht

1. bei einem gefährlichen Angriff (Abs. 2 und 3)

oder

2. sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen (kriminelle Verbindung).

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder

„Vorbeugender Schutz von Rechtsgütern

§ 22. […]

(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die §§ 53 Abs. 1, 53a Abs. 2 bis 4 und 6, 57, 58 und 58a bis d, sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt.“

„Erkennungsdienst

Begriffsbestimmungen

§ 64. (1) Erkennungsdienst ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das weitere Verarbeiten und Übermitteln dieser Daten.

(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen, die seine Wiedererkennung ermöglichen, wie insbesondere die Abnahme von Papillarlinienabdrücken, die Vornahme von Mundhöhlenabstrichen, die Herstellung von Abbildungen, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, die Vornahme von Messungen oder die Erhebung von Stimm- oder Schriftproben.

(3) Erkennungsdienstliche Behandlung ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, an dem der Betroffene mitzuwirken hat.

(4) Erkennungsdienstliche Daten sind personenbezogene Daten, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt worden sind.

(5) Personsfeststellung ist eine abgesicherte und plausible Zuordnung erkennungsdienstlicher Daten zu Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort und Namen der Eltern eines Menschen.

(6) Soweit die Zulässigkeit einer Maßnahme nach diesem Hauptstück vom Verdacht abhängt, der Betroffene habe einen gefährlichen Angriff begangen, bleibt diese Voraussetzung auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der entsprechenden gerichtlich strafbaren Handlung (§ 16 Abs. 2) bestehen.“

„Erkennungsdienstliche Behandlung

§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

[…]

(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.“

„Übermittlung erkennungsdienstlicher

Daten

§ 71. […]

(3) Außer in den Fällen des Abs. 1 dürfen erkennungsdienstliche Daten, die gemäß § 65 Abs. 1 oder 3 oder gemäß § 66 Abs. 1 ermittelt wurden, nur unter folgenden Voraussetzungen übermittelt werden:

[…]

3. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 an Tatzeugen, sofern anzunehmen ist, sie würden anhang der Daten zur Identifikation des Täters beitragen;“

„Verfahren

§ 77. (1) Die Behörde hat einen Menschen, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern.

(2) Kommt der Betroffene der Aufforderung gemäß Abs. 1 nicht nach, so ist ihm die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 bescheidmäßig aufzuerlegen; dagegen ist eine Berufung nicht zulässig. Eines Bescheides bedarf es dann nicht, wenn der Betroffene auch aus dem für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Grunde angehalten wird.“

„Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen

über den Datenschutz

§ 90. Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“

2. Rechtliche Schlussfolgerungen:

Die Beschwerde hat sich als berechtigt erwiesen.

2.1. Zur Zuständigkeit der Datenschutzkommission

2.1.1. § 90 SPG sieht eine Zuständigkeit der Datenschutzkommission in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung vor. Die Datenschutzkommission stellte unter Punkt B. fest, dass gegen den Beschwerdeführer kriminalpolizeiliche Ermittlungen durchgeführt wurden, was gemäß § 22 Abs. 3 SPG zur grundsätzlichen Unanwendbarkeit des SPG – und damit zur Unzuständigkeit der Datenschutzkommission – führen würde.

Nach den Erläuterungen im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (AB 240 dB XVIII. GP S. 3) ist es geradezu typisch, dass Menschen, die in den Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung geraten sind, nach den in den Bestimmungen des SPG über den Erkennungsdienst festgelegten Regeln behandelt werden. Für sie gilt somit insoweit (neben der StPO) das SPG. Im Sinne des § 22 Abs. 3 SPG endet eine bis zur Klärung der Tat mögliche parallele Anwendbarkeit des SPG neben der StPO mit der Klärung der Identität des Verdächtigen. Ab diesem Zeitpunkt gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0339).

Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, dass auch im Zuge eines kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens von Organen der Sicherheitspolizei durchgeführte Maßnahmen als Maßnahmen der Sicherheitspolizei anzusehen sind, wenn ein direkter Auftrag der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichtes an die Organe der Sicherheitspolizei nicht vorliegt und ein Bezug zum Vollzugsbereich des SPG gegeben ist (vgl. dazu bspw. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 2000, Zl. 95/01/0595, in welchem dieser explizit auf erkennungsdienstliche Maßnahmen Bezug nimmt, und vom 24. März 2004, Zl. 98/12/0515, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Dezember 2010, VfSlg. 19.281).

2.1.2. Ein Vorbringen dahingehend, dass die in Beschwerde gezogenen Amtshandlungen der Polizeiinspektion X*** am 16. Februar 2013 auf Anordnung einer Justizbehörde (Gericht oder Staatsanwaltschaft) gesetzt worden sind, liegt nicht vor, und es ist auch im Zuge des Ermittlungsverfahrens nichts in diese Richtung deutendes hervorgekommen. Auf allen zeitlich entsprechenden Aktenstücken ist als verantwortliche Sicherheitsbehörde die Beschwerdegegnerin angeführt. Weiters ergibt sich aus dem – unbestrittenen – Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass gegen den Beschwerdeführer der Verdacht vorlag, er hätte Suchmittel auch an andere weitergegeben und dass er nicht geständig sei, so dass der Bezug zur Abwehr eines (weiteren) gefährlichen Angriffs gemäß § 16 Abs. 2 Z 4 iVm § 22 Abs. 3 SPG und damit zum Vollzugsbereich des SPG gegeben war (vgl. zur erfahrungsgemäß hohen Wiederholungsgefahr bei Sichtmitteldelikten auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0653).

Die Datenschutzkommission ist daher zur Entscheidung der vorliegenden Beschwerde zuständig.

2.2. In der Sache selbst

2.2.1. Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 2 DSG 2000 sind behördliche Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung zulässig. Das Anfertigen eines Lichtbildes einer Person stellt unzweifelhaft eine erkennungsdienstliche Maßnahme dar, wie sich aus § 64 Abs. 2 SPG ergibt. § 65 Abs. 1 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden auch, einen Verdächtigen einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen. Folglich bestimmt § 65 Abs. 4 SPG, dass der, der erkennungsdienstlich zu behandeln ist, an den erforderlichen Handlungen mitzuwirken hat. § 65 Abs. 5 SPG wiederum legt den Sicherheitsbehörden bestimmte Informationspflichten gegenüber jedem, der erkennungsdienstlich behandelt wird, auf. Weigert sich ein Mensch, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung trotz Aufforderung zu unterziehen, so kann die Sicherheitsbehörde ihm diese Verpflichtung gemäß § 77 Abs. 2 SPG bescheidmäßig auferlegen. Daten, die in Übereinstimmung mit § 65 Abs. 1 SPG ermittelt wurden, können auch an Tatzeugen übermittelt werden, sofern anzunehmen ist, sie würden anhand der Daten zur Identifikation des Täters beitragen (§ 71 Abs. 3 Z 3 SPG).

2.2.2. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer formlos aufgefordert, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, was dieser verweigerte. Folglich wurde die Beschwerdegegnerin von der Polizeiinspektion X*** ersucht, dem Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 77 Abs. 2 SPG bescheidmäßig aufzuerlegen. Statt die bescheidmäßige Anordnung abzuwarten, wurde jedoch von dem die Vernehmung durchführenden Beamten ein Lichtbild des Beschwerdeführers angefertigt, mit der Absicht, dieses Tatzeugen, die nach Ausweis der Akten teilweise ebenfalls am 16. Februar 2013 einvernommen wurden, zu zeigen, um so die Identifikation des Beschwerdeführers sicherzustellen. Da der handelnde Beamte im Vollzugsbereich des SPG tätig wurde, ist dessen Verhalten der Beschwerdegegnerin zuzurechnen.

Dadurch, dass der die Vernehmung durchführende Beamte den Beschwerdeführer somit trotz dessen Weigerung einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzog, obwohl die hiefür normierten gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen, hat die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten verletzt.

2.3. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

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