K202.120/0002-DSK/2013 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. GUNDACKER, Mag. HUTTERER, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Mag. HEILEGGER sowie des Schriftführers Dr. SCHMIDL in ihrer Sitzung vom 10. April 2013 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über den Antrag der Y*** GmbH (Antragstellerin) vom 24. September 2012, auf Genehmigung der Verwendung von personenbezogenen Daten für Zwecke des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „*** E-Cars ***“, wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, entschieden:
Der Antragstellerin wird die Genehmigung erteilt, für Zwecke des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „*** E-Cars ***“ Bilddaten zu ermitteln und auszuwerten, dies unter der aufschiebenden Bedingung, dass die durch das Forschungsprojekt entstehende Datenanwendung (§ 4 Z 7 DSG 2000) gemäß §§ 17ff DSG 2000 beim Datenverarbeitungsregister gemeldet und registriert wird.
Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen werden folgende Auflagen erteilt:
a. Die Bildauflösung ist so zu wählen, dass tunlichst weder KFZ-Kennzeichen noch Gesichter der Betroffenen erkennbar sind.
b. Die aufgezeichneten Bilddaten sind entsprechend § 14 Z 5 DSG 2000 sicher zu verwahren.
c. Die Einsicht in die und die Auswertung der aufgezeichneten Bilddaten darf nur durch bestimmte, geschulte, über § 15 DSG 2000 aufgeklärte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Antragstellerin erfolgen, deren Verlässlichkeit im Umgang mit Daten entsprechend § 46 Abs. 3 DSG 2000 gewährleistet ist.
d. Die aufgezeichneten Bilddaten sind, sobald sie für das gegenständliche Forschungsprojekt nicht mehr benötigt werden, jedenfalls aber mit Abschluss des Forschungsprojekts, zu löschen.
e. Eine Veröffentlichung der Bilddaten darf nur in anonymisierter Form erfolgen.
Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idgF (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.
B e g r ü n d u n g
Die Antragstellerin beabsichtigt, für Zwecke des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „*** E-Cars ***“ auf öffentlichen Straßen Testfahrten mit Elektroautos durchzuführen und dabei mittels Kamera den Straßenraum aus der Sicht des Fahrers zu erfassen und aufzuzeichnen. Gemäß § 46 Abs. 3 DSG 2000 wird die Genehmigung zur Verwendung dieser Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik beantragt.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Die Antragstellerin ist Projektleiter im Forschungs- und Entwicklungsprojekt „*** E-Cars ***“, welches vom Österr. Verkehrssicherungsfond (Projektnummer ***) im Rahmen der ersten Ausschreibung zum Thema „sicher – elektro – mobil“ gefördert wird.
Ziel des Projekts ist die Untersuchung der Auswirkungen von Elektroautos auf Fahrdynamik und Verkehrskonflikte. Dazu sollten Testfahrten sowohl mit einem Elektroauto als auch einem konventionellen Pkw (benzin- oder dieselgetrieben) durchgeführt werden. Die Teststrecke (auf öffentlichen Straßen) ist rund 45 km lang und befindet sich im Norden von Wien sowie dem angrenzenden Umland. Die Fahrer rekrutieren sich aus Mitarbeitern der Projektpartner und externen Probanden. Diese werden vor Fahrtantritt mündlich über die geplante Datenerfassung aufgeklärt und erklären sich mit ihrer Unterschrift auf der Haftungsfreizeichnungserklärung bereit, ihre Daten zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung zu stellen.
Das Messsystem [...] besteht pro Fahrzeug aus zwei Smartphones. Das erste Smartphone dient dabei als reiner Beschleunigungssensor und ist im Bereich der Mittelkonsole platziert. Das zweite Smartphone wird über einen Saugnapf an der Innenseite der Windschutzscheibe befestigt und so ausgerichtet, dass die integrierte Kamera inkl. Weitwinkelobjektiv den Straßenraum aus der Sicht des Fahrers überwacht. Die GPS-Erfassung erfolgt ebenfalls über dieses Gerät.
Um Verkehrskonflikte sensor-basiert identifizieren zu können, werden Videos und fahrdynamische Daten seitens der Antragstellerin aufgezeichnet. Dies erlaubt die Analyse der auftretenden sicherheitsrelevanten Konflikte und eventueller Zusammenhänge zur E-Mobilität.
Das öffentliche Interesse liegt im Nutzen für die Straßenverkehrssicherheit in Österreich. Neben der strittigen schlechteren Wahrnehmbarkeit von E-Cars aufgrund der verringerten Lärmemission sind auch die aufgrund der Antriebstechnik und des vergleichsweise hohen Eigengewichts veränderten Fahreigenschaften zu beachten. Es ist zu klären, ob durch dieses „neuartige“ Fahren das Fahrverhalten so beeinflusst wird, dass dadurch Risiken bzw. Verkehrskonflikte entstehen. Das vorliegende Projekt soll dazu beitragen, die Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit zu objektivieren.
Die Antragstellerin ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut mit europäischer Dimension, das sich mit den zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft beschäftigt. Das *** konzentriert sich dabei auf die Entwicklung von Lösungen für sichere, umweltverträgliche, sowie kosten- und energieeffiziente Mobilität. Als Alleinstellungsmerkmal gilt der ganzheitliche Ansatz einer systemischen Betrachtung von Fahrzeug, Transportinfrastrukturen und Personenmobilität, welcher neue Wege in der Forschungslandschaft eröffnet. In diesem Projekt kommen Mitarbeiter aus den Geschäftsfeldern *** zum Einsatz, die bereits bei den unterschiedlichsten Projekten zu den Themen Fahrdynamik und Verkehrssicherheit jahrelange Erfahrungen mitbringen (zB ***). Es stehen drei hausinterne Messfahrzeuge, welche mit den unterschiedlichsten Sensoren im Bereich der Straßenzustandserkennung und Fahrdynamik ausgestattet sind, zur Verfügung.
Eine Kennzeichnung der Fahrzeuge findet nicht statt, da der Untersuchungszweck gefährdet würde und Leihautos der Firma *** eingesetzt werden.
Dem Antrag beigelegt ist ein Lebenslauf des das Projekt durchführenden DI Egon H***, aus dem sich Berufserfahrung, Weiterbildung, Publikationen und Mitbetreuungen von Diplomarbeiten zum Thema ergeben.
Die durch die Datenermittlung entstehende Datenanwendung wurde im Datenverarbeitungsregister zu DVR *** der P*** GmbH gemeldet. Das Meldeverfahren wurde nach Mitteilung der Antragstellerin vom 20. Juni 2012, wonach die P*** GmbH im Firmenbuch gelöscht wurde und mit der Antragstellerin verschmolzen wurde, eingestellt. Dies wurde der Antragstellerin mit Schreiben vom 31. Juli 2012 unter dem Hinweis, bei beabsichtigtem Betrieb der Datenanwendung als Y*** erneut eine Meldung einzubringen, mitgeteilt. Eine Meldung zu DVR *** der Antragstellerin erfolgte bis dato nicht.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag vom 24. September 2012, der Stellungnahme vom 20. Dezember 2012, betreffend Unterlassung der Kennzeichnung aus einem Telefonat vom 21. Jänner 2012 und der Vorlage des Lebenslaufes mit Schreiben vom selben Tag. Die Feststellungen zum Registerstand sind den jeweiligen Registrierungsakten zu DVR *** bzw. DVR *** entnommen.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist.
Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:
„Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.
(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten nur
(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn
1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und
2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und
3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.
Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.
(3a) Einem Antrag nach Abs. 3 ist jedenfalls eine vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsbefugten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (§ 367 Abs. 1 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.
(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.
(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“
Die Datenschutzkommission hat schon mehrfach festgestellt, dass Bilddaten (bestimmbare) personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 sind (vgl. für viele den Bescheid vom 21. Jänner 2009, GZ K121.425/0003-DSK/2009). Das DSG 2000 ist somit einschlägig. Gleichzeitig liegen mit diesen Bilddaten aber keine sensiblen Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) vor.
Bilddaten sollen nun für wissenschaftliche Zwecke ermittelt und ausgewertet werden. Die Verwendung personenbezogener Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik unterliegt der Sondervorschrift des § 46 DSG 2000 (und nicht etwa den §§ 50a ff DSG 2000, die Videoüberwachung zu anderen Zwecken regeln). Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und Z 2 nicht vorliegen, sodass die geplante Datenverwendung nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 3 und 3a DSG 2000 erfolgen kann.
Diese Genehmigung hat die Datenschutzkommission zu erteilen, wenn
1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und
2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und
3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller hat dafür ausreichend das öffentliche Interesse (Straßenverkehrssicherheit, Untersuchung von Konfliktpotential im Straßenverkehr) an der beantragten Verwendung (§ 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) dargelegt sowie die fachliche Eignung (Z 3 leg. cit.) (akademischer Hintergrund) in der Person des Projektleiters glaubhaft gemacht. Auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 ist im gegenständlichen Fall gegeben:
die Einholung der Zustimmung der Betroffenen ist mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich, weil der Kreis der Betroffenen ein von vornherein unbestimmter ist.
Da die Daten durch die Antragstellerin erst ermittelt werden, war eine Erklärung iSd § 46 Abs. 3a DSG 2000 nicht erforderlich.
Die Genehmigung war daher zu erteilen, allerdings einerseits unter der aufschiebenden Bedingung der Meldung der entstehenden Datenanwendung (§ 4 Z 7 DSG 2000) an das Datenverarbeitungsregister gemäß §§ 17ff DSG 2000 sowie andererseits an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen. Die aufschiebende Bedingung erklärt sich dadurch, dass das Registrierungsverfahren zur Meldung der P*** GmbH, die das gegenständliche Forschungsprojekt betraf, aufgrund der Auflösung des Rechtsträgers eingestellt wurde und eine Meldung seitens der Antragstellerin bis dato nicht erfolgte. Die Auflagen a., d. und e. sind notwendig, um im Sinn des § 7 Abs. 3 DSG 2000 (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) sowie des § 46 Abs. 5 DSG 2000 (Beseitigung des Personenbezugs, sobald für die wissenschaftliche Arbeit nicht mehr notwendig) einen möglichst schonenden Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz vorzunehmen. Die Auflagen b. und c. dienen der Datensicherheit bzw. der Einhaltung des Datengeheimnisses.
Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.