JudikaturDSB

K121.894/0003-DSK/2013 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2013

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER, Mag. HUTTERER und Dr. GUNDACKER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 18. Jänner 2013 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Walter U*** (Beschwerdeführer) aus W*** vom 31. Juli 2012 gegen die Bundespolizeidirektion Wien, nunmehr Landespolizeidirektion Wien (Beschwerdegegnerin), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Abfrage zur Person des Beschwerdeführers im Zentralen Melderegister sowie in der Zentralen Informationssammlung in einem polizeilichen Verfahren wird entschieden:

1. Der Beschwerde wird teilweise s t a t t g e g e b e n und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch Abfrage im Zentralen Melderegister zu seinem Wohnsitz zum Zweck der Ermittlung einer Zustelladresse in seinem Grundrecht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt hat.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde a b g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 und Abs. 3, 8 Abs. 1 Z 1 des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 16, 28a, 53 Abs. 1 Z 3 und 57 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991 idgF; § 16a Abs. 4 und 9 des Meldegesetzes 1991 – MeldeG, BGBl. Nr. 9/1992 idgF; § 2 Z 3 und 4 des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 idgF.

B e g r ü n d u n g

A. Vorbringen der Parteien

In der am 31. Juli 2012 in der Geschäftsstelle der Datenschutzkommission nach Rechtsberatung mündlich zu Protokoll gegebenen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer unter Vorlage von Unterlagen vor, am 25. Juni 2012 um 08:00 Uhr bei der V*** (V*) ein Konvolut für den Präsidenten der V* beim Portier abgegeben zu haben, welches nur dem Präsidenten der V* persönlich ausgehändigt werden sollte. Er habe um Antwort ersucht und daher auf eine postalische Antwort gewartet. Am 3. Juli 2012 habe er ein Schreiben der (damaligen) Bundespolizeidirektion Wien/Polizeikommissariat **** mit dem Betreff „Ausfolgung von sichergestellten Gegenständen“, GZ ***, erhalten und er sei aufgefordert worden, am 19. Juli 2012 beim Polizeikommissariat **** zu erscheinen. Da der Beschwerdeführer am 19. Juli 2012 keine Zeit gehabt habe, sei er bereits am 11. Juli 2012 ohne Termin auf das Polizeikommissariat **** gegangen und habe dort das Konvolut in Empfang genommen. Das Konvolut sei zerfleddert gewesen. Es sei ihm erklärt worden, dass das Konvolut für eine Briefbombe gehalten und daher untersucht worden sei. Der Beschwerdeführer habe am selben Tag Kopien eines Polizeiberichts erhalten, welcher diese Aussage bestätigt habe. Die Polizei habe das Konvolut letztlich für unbedenklich gehalten. Da sich im Konvolut ein Lebenslauf des Beschwerdeführers befunden habe, seien eine ZMR- und eine EKIS-Anfrage durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer wolle Beschwerde gemäß § 31 DSG 2000 wegen Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung erheben, weil er die ZMR-Abfrage für unverhältnismäßig halte. Auch halte er die EKIS-Abfrage für unverhältnismäßig, weil bereits festgestellt worden sei, dass das Konvolut keine Bombe und keine Drohung oder Forderung enthalten habe. Der Beschwerdeführer legte anlässlich der Niederschrift die Ladung des Polizeikommissariats **** vom 2. Juli 2012 (GZ ***), den polizeilichen Bericht über den Einsatz am 26. Juni 2012, selbe GZ (mit Anlage EKIS- und ZMR-Abfrage sowie Lebenslauf des Beschwerdeführers), eine E-Mail-Nachricht der V* vom 17. Juli 2012, den Umschlags des Konvoluts sowie je ein Antwort-schreiben der (damaligen) Bundespolizeidirektion Wien, des Bundesministeriums für Justiz sowie des Bundesministeriums für Inneres vor, welche als Kopie der Niederschrift beigelegt wurden.

Dem Polizeibericht vom 26. Juni 2012 ist – zusammengefasst – zu entnehmen, dass zwei Polizeibeamte am 26. Juli 2012 um 18:11 Uhr zum Haus der V* am S***platz *5 in 1**0 Wien wegen eines aufgefundenen verdächtigen Pakets beordert worden seien. Dort sei den Beamten mitgeteilt worden, dass ein an den Präsidenten der V* adressiertes Paket von einem unbekannten Boten abgegeben worden wäre. Da eine Briefbombensendung nicht ausgeschlossen werden habe können, sei das Paket zunächst in einen Raum im Keller gebracht und anschließend die Polizei alarmiert worden. Ein Polizeibeamter habe das Paket gesichtet. Da auch er eine Briefbombensendung nicht habe ausschließen können, sei ein sachkundiges Organ der Polizei verständigt worden, welches schließlich das Paket geöffnet habe. Im Paket hätten sich mehrere Schwarz-weiß-Fotos, handschriftliche Zettel, Abschlusszeugnisse und ein Lebenslauf des Beschwerdeführers befunden. Es seien keine bedenklichen Gegenstände vorgefunden worden, weiters keine Hinweise auf Drohungen bzw. Forderungen. Eine am „26.12.2012“ um 20:00 Uhr durchgeführte EKIS-Abfrage mit den Daten des Beschwerdeführers sei negativ verlaufen.

Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 10. August 2012 zunächst zur EKIS-Abfrage vor, dass die einschreitenden Polizeibeamten zutreffender Weise vom Vorliegen der Aufgabe der Gefahrenerforschung im Sinne des § 28a Abs. 1 SPG ausgegangen seien. Es sei auch nachvollziehbar, dass diese für sie nach der „Entwarnung“ durch das sprengstoffkundige Organ nicht beendet gewesen sei, sondern aufgrund der Eigenart der Überbringung, Gestaltung und des Inhaltes des Paketes auch eine genauere Untersuchung im Hinblick auf mögliche, in dem 3-4 cm dicken Papierkonvolut enthaltene Drohungen und Erhebungen zur Person des Überbringers beziehungsweise Verfassers umfasst habe. Die Befugnis zur Ermittlung und zum Weiterverarbeiten von Daten sei auf § 53 Abs. 1 Z 3 SPG gestützt worden und es sei – nicht wie im Polizeibericht vom 26. Juni 2012 irrtümlich angeführt am 26. Dezember 2012, sondern am 26. Juni 2012 – eine Abfrage der gemäß § 57 SPG geführten zentralen Informationssammlung „EKIS“ erfolgt. Im Hinblick auf eine etwaige Strafanzeige sei es das Ziel gewesen, durch diese Anfrage Informationen über einen möglichen Zusammenhang des Beschwerdeführers mit möglichen vorangegangenen gefährlichen Angriffen zu erhalten. In diesem Zusammenhang sei zu bemerken, dass die Anfrage zu einem negativen Ergebnis geführt habe, da durch die (damalige) Bundespolizeidirektion Wien als datenschutzrechtlicher Auftraggeber zum Anfragezeitpunkt keine den Beschwerdeführer betreffenden personenbezogenen Daten in den kriminalpolizeilichen Evidenzen verarbeitet worden seien.

Zur Anfrage im Zentralen Melderegister (ZMR) führte die Beschwerdegegnerin aus, dass die Beamten im Zuge der Sichtung der Dokumente das Nationale des Beschwerdeführers festgestellt hätten, wobei bei der Verschriftung des Sachverhaltes im PAD aufgefallen sei, dass eine weitere Wohnadresse angegeben gewesen sei, welche, wie sich im Nachhinein herausgestellt habe, zum Zeitpunkt der Amtshandlung nicht mehr aufrecht gewesen sei. Um eine ordnungsgemäß Ausfolgung der Dokumente sicherzustellen, sei gemäß § 16a Abs. 9 MeldeG eine Anfrage via ZMR mit dem Ziel gestellt worden, eine zustellfähige Meldeadresse zu verifizieren.

Der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin war ein Bericht der (damaligen) Bundespolizeidirektion Wien/Stadtkommando **** vom 7. August 2012 angeschlossen, deren wesentlicher Inhalt in der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin zusammengefasst wiedergegeben wurde.

Dem Beschwerdeführer wurde die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin zum Parteiengehört übermittelt und er gab dazu mit Schreiben vom 21. August und vom 23. August 2012 eine allgemeine Stellungnahme ab, in welcher er die Vorgangsweise der Polizei in seinem Fall erneut kritisierte.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die ermittelnden Polizeibeamten in dem geführten polizeilichen Verfahren zu Recht zur Person des Beschwerdeführers eine Anfrage im Zentralen Melderegister (ZMR) beziehungsweise in der Zentralen Informationssammlung gemäß § 57 SPG (EKIS) vorgenommen haben.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer übergab am 25. Juni 2012 gegen 08:00 Uhr ein Paket mit aufgeklebtem Briefkuvert persönlich dem Portier im Haus der V* am S***platz *5 in 1**0 Wien, welches an den Präsidenten der V* persönlich adressiert war. Auf dem Kuvert ist neben anderen Vermerken (wie „Bote“, „Künstlerpost“, „Querdenker“ oder „Wenn du ein Schiff bauen willst, trommle die Männer zusammen. Bringe ihnen nicht bei, Hammer, Säge u.a. zu verwenden, sondern lehre sie, die Sehnsucht nach dem weiten, weiten Ozean“) als Absender „Walter U***, A***gasse ***, 1**0 W*** (***)“ vermerkt sowie die E-Mail-Adresse „Walter.U***@**mail.com“.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner vor der Datenschutzkommission zu Protokoll gegebenen Beschwerde, welche von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurden, sowie der der Beschwerde beigefügten Kopie des Kuverts.

Die Beschwerdegegnerin (damals noch Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ****) führte aufgrund einer Meldung der V* am 26. Juni 2012 einen Einsatz im Haus der V* durch. Den vor Ort einschreitenden Beamten wurde das Paket des Beschwerdeführers gezeigt und die Vermutung geäußert, dass es sich um eine Briefbombensendung handeln könnte. Da die einschreitenden Beamten dies ihrerseits nach Durchführung eines Augenscheins nicht völlig ausschließen konnten, wurde ein sprengstoffkundiges Organ angefordert, welches das Paket sowie das Kuvert öffnete. In dem Kuvert befand sich – neben anderen Dokumenten mit teilweise unzusammenhängenden Aussagen sowie diversen Fotos – auch ein Lebenslauf des Beschwerdeführers. Am 26. Juni 2012 wurde im Zuge der Anfertigung des Einsatzberichtes festgestellt, dass im PAD eine weitere Wohnadresse des Beschwerdeführers aufschien, weshalb eine Abfrage im ZMR zur Person des Beschwerdeführers durchgeführt wurde, um eine Zustelladresse zu ermitteln. Der ZMR-Auszug zeigt sämtliche Wohnsitze des Beschwerdeführers von 1976 bis zum Zeitpunkt der Abfrage. Eine Ebenfalls zur Person des Beschwerdeführers durchgeführte Abfrage im EKIS zum Zweck der Gefahrenerforschung verlief negativ.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem der Beschwerde beigelegten ZMR- und dem EKIS-Auszug, dem beigelegten Polizeibericht vom 26. Juni 2012 sowie den Ausführungen der Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme, die nicht bestritten wurden.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

Die §§ 7 und 8 DSG 2000 lauten auszugsweise samt Überschrift:

„Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) …

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, dass die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und dass die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“

“Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nicht-sensibler Daten

§ 8. (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht oder

…“

Die §§ 16, 28a, 53 und 57 SPG lauten auszugsweise:

„Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung

§ 16. (1) Eine allgemeine Gefahr besteht

1. bei einem gefährlichen Angriff (Abs. 2 und 3)

oder

2. sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen (kriminelle Verbindung).

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder

handelt.

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

(4) Gefahrenerforschung ist die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhaltes.“

„Sicherheitspolizeiliche

Aufgabenerfüllung

§ 28a. (1) Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, obliegt den Sicherheitsbehörden, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenerforschung.

(2) Die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen zur Erfüllung der ihnen in diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in die Rechte eines Menschen eingreifen.

(3) In die Rechte eines Menschen dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht.“

„Zulässigkeit der Verarbeitung

§ 53. (1) Die Sicherheitsbehörden dürfen personenbezogene Daten ermitteln und weiterverarbeiten

3. für die Abwehr gefährlicher Angriffe (§§ 16 Abs. 2 und 3 sowie 21 Abs. 2); einschließlich der im Rahmen der Gefahrenabwehr notwendigen Gefahrenerforschung (§ 16 Abs. 4 und § 28a);

…“

„Zentrale Informationssammlung; Zulässigkeit der Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung

§ 57. (1) Soweit dies jeweils für die Erreichung des Zweckes der Datenanwendung erforderlich ist, dürfen die Sicherheitsbehörden Namen, Geschlecht, frühere Namen, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnanschrift, Namen der Eltern und Aliasdaten sowie ein Lichtbild eines Menschen ermitteln und im Rahmen einer Zentralen Informationssammlung samt dem für die Speicherung maßgeblichen Grund, einer allenfalls vorhandenen Beschreibung des Aussehens eines Menschen und seiner Kleidung sowie einem Hinweis auf bereits vorhandene, gemäß § 75 Abs. 1 verarbeitete erkennungsdienstliche Daten und einem allenfalls erforderlichen Hinweis auf das gebotene Einschreiten für Auskünfte auch an andere Behörden verarbeiten, wenn

5. gegen den Betroffenen im Zusammenhang mit der Abwehr oder Aufklärung gefährlicher Angriffe oder mit der Abwehr krimineller Verbindungen ermittelt wird;

…“

§ 16a MeldeG lautet auszugsweise:

„Zulässigkeit des Verwendens der Daten des Zentralen Melderegisters

§ 16a.

(4) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Organen von Gebietskörperschaften, Gemeindeverbänden, Gerichtskommissären im Sinne des Gerichtskommissärsgesetzes und den Sozialversicherungsträgern auf deren Verlangen eine Abfrage im Zentralen Melderegister in der Weise zu eröffnen, dass sie, soweit dies zur Besorgung einer gesetzlich übertragenen Aufgabe erforderlich ist, den Gesamtdatensatz bestimmter Menschen im Datenfernverkehr ermitteln können.

(9) Soweit die in Abs. 4 genannten Stellen Bundesgesetze vollziehen, für die im Rahmen eines Verfahrens der Hauptwohnsitz eines Menschen maßgeblich ist, haben sie sich in jedem Fall, in dem sie sich von Amts wegen oder auf Antrag mit dieser Sache des Betroffenen befassen, von der sachlichen Richtigkeit ihrer Wohnsitzanknüpfung durch Ermittlung des Gesamtdatensatzes des Betroffenen zu überzeugen;

erforderlichenfalls hat diese Stelle die zuständige Meldebehörde zu verständigen.“

§ 2 Z 3 und 4 ZustG lautet:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

3. “Zustelladresse”: eine Abgabestelle (Z 4) oder elektronische Zustelladresse (Z 5);

4. “Abgabestelle”: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;

…“

2. Rechtliche Schlussfolgerungen:

Die Beschwerde hat sich als teilweise berechtigt erwiesen.

2.1. Auf dem vom Beschwerdeführer abgegebenen Paket war unstrittig die Adresse des Beschwerdeführers vermerkt. Dieselbe Adresse geht auch aus dem im Paket mitgesendeten Lebenslauf des Beschwerdeführers hervor. Beides befand sich zum Zeitpunkt der ZMR-Abfrage im Besitz der Beschwerdegegnerin. Sie konnte somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unter dieser Adresse postalisch erreichbar sein wollte. Wenn die Beschwerdegegnerin vorbringt, dass im Zuge der Ermittlungsarbeiten eine weitere Adresse des Beschwerdeführers im PAD ausfindig gemacht werden konnte und deshalb, um eine Zustelladresse zu ermitteln, eine Abfrage im ZMR gemäß § 16a Abs. 9 MeldeG erforderlich gewesen sei, so ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass § 16a Abs. 9 MeldeG explizit darauf abstellt, dass für den der Abfrage zugrunde liegenden Gesetzesvollzug der Hauptwohnsitz eines Menschen maßgeblich ist. Da es der Beschwerdegegnerin vorliegend jedoch nur darauf ankam, eine Zustelladresse (vgl. dazu die Legaldefinition des § 2 Z 3 und 4 ZustG, die eben nicht auf das Erfordernis des Hauptwohnsitzes abstellt) zu ermitteln und diese sich eindeutig einerseits aus dem Absendevermerk auf dem Kuvert und andererseits aus dem Lebenslauf des Beschwerdeführers ergab, erwies sich die Abfrage im ZMR als nicht von § 16a Abs. 9 MeldeG gedeckt und somit als unrechtmäßige Beschränkung des Anspruchs auf Geheimhaltung durch eine Behörde gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000. Selbst wenn man von der Zulässigkeit einer Abfrage im ZMR ausgehen wollte, so erwies sich diese vorliegend – aufgrund des oben Ausgeführten – als nicht notwendig und somit im Sinne des § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 DSG 2000 als nicht gelindestes Mittel. Selbst im Falle einer zulässigen ZMR-Abfrage hätte mit einer einfachen Abfrage gemäß § 16 Abs. 1 MeldeG betreffend den aktuellen (Haupt )Wohnsitz des Beschwerdeführers das Auslangen gefunden werden können (vgl. dazu den Bescheid der Datenschutzkommission vom 7. Juni 2005, GZ K121.006/0007- DSK/2005). Der Beschwerde war daher in diesem Punkt stattzugeben.

2.2. Die Beschwerde erweist sich jedoch als unbegründet, soweit sie die Abfrage im EKIS betrifft. Gemäß §§ 16, 28a und 53 Abs. 1 Z 3 SPG sind die Sicherheitsbehörden zur Gefahrenerforschung und zur Gefahrenabwehr (u.a. auch zur Abwehr gefährlicher Angriffe) verpflichtet und dürfen zu diesem Zweck personenbezogene Daten ermitteln und weiterverarbeiten. Die erläuternden Bemerkungen zur SPG-Novelle 2006, BGBl. I Nr. 158/2005, mit welcher § 53 Abs. 1 Z 3 zuletzt novelliert wurde, führen dazu folgendes aus (1188 dB XXII. GP S.5, Unterstreichungen nicht im Original):

„Mit der SPG-Novelle 2000 wurde § 28a Abs. 1 SPG geschaffen, um klarzustellen, dass jeder Gesetzesauftrag zur Gefahrenabwehr implizit stets auch die Teilaufgabe der Gefahrenerforschung umfasst. (Bereits die Stammfassung des SPG enthielt in den Definitionen des § 16 Abs. 4 den Hinweis auf diese Teilaufgabe, allerdings ohne daran spezifische Befugnisse zu knüpfen.) Der Begriff der Gefahrenerforschung des § 28a Abs. 1 ist so zu verstehen, dass die Sicherheitsbehörden bereits bei einem, durch bestimmte Indizien erhärtetem Gefahrenverdacht die Frage zu beantworten haben, ob überhaupt eine Gefahr vorliegt, die sicherheitspolizeiliches Einschreiten erforderlich macht . Es wurde durch die Textierung des § 28a damit außer Streit gestellt, dass im Verdachtsfall Gefahrenerforschung der Gefahrenabwehr vorangehen muss , aber die zur Aufgabenerfüllung notwendige Informationsgewinnung wurde im 4. Teil des SPG nicht verankert. Im Regelfall wird es aber notwendig sein, durch die Erhebung von Informationen (auch personenbezogener Daten) das Vorliegen einer Gefahr zu bestätigen und Aufschluss über die Möglichkeiten ihrer Bekämpfung zu geben, oder festzustellen, dass keine Gefahr gegeben ist und die Aufgabe samt Datenermittlung zu beenden ist . Wenn die Ermächtigung zu Dateneingriffen gemäß § 53 Abs. 1 Z 2a bei der weit im Vorfeld von konkreten Gefahren angesiedelten „erweiterten Gefahrenerforschung“ des § 21 Abs. 3 zulässig ist, so muss dies umso mehr auch gelten, um einen durch Indizien hinreichend konkretisierten Verdacht auf den Grund zu gehen.

Wenn beispielsweise per Internet vage Drohungen gegen einen ausländischen Staatsbesuch ausgestoßen werden, haben die Sicherheitsbehörden im Wege der Datenermittlung die Gefährdungssituation einzuschätzen.

Ähnlich verhält es sich, wenn etwa ein Fan eine im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeit durch das Schreiben von Briefen und Versuche der Kontaktaufnahme belästigt, und andeutet, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit (etwa anlässlich einer Autogrammstunde) eine „Handlung setzen zu wollen, die Aufmerksamkeit erregt“, so obliegt es der Exekutive, durch das Sammeln von Informationen über diese Person herauszufinden, ob ein gefährlicher Angriff gegen die Person des öffentlichen Lebens droht und allenfalls durch adäquate Maßnahmen vorzukehren.

Es erfolgt daher in § 53 Abs. 1 in Z 3 eine Klarstellung dahingehend, dass die Verwendung von personenbezogenen Daten in einer Datenanwendung auch für die Gefahrenerforschung gemäß § 28a Abs. 1 zulässig ist.

Der Beschwerdegegnerin kann aufgrund der auf dem Kuvert sichtbaren Vermerke, der Eigenart des Konvoluts sowie der im Paket bzw. Kuvert befindlichen Dokumente, die – was der Beschwerdeführer nicht bestritten hat – nicht zusammenhängende, teilweise unverständliche Aussagen enthielten, nicht entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund dessen zum Zweck der – prioritär durchzuführenden – Gefahrenerforschung eine Abfrage in der Zentralen Informationssammlung gemäß § 57 SPG zur Person des Beschwerdeführers durchführte, um allenfalls adäquate Vorkehrungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Für die Verwendung personenbezogener Daten des Beschwerdeführers bestand in diesem Fall eine gesetzliche Ermächtigung, weshalb sich die behördliche Beschränkung des Rechts auf Geheimhaltung als rechtmäßig gemäß §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 DSG 2000 einerseits aber auch gemäß §§ 28a Abs. 3 und 53 Abs. 1 Z 3 SPG erwies.

Die Beschwerde war daher in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

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