K121.864/0006-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. GUNDACKER sowie der Schriftführerin Mag. HAJICEK in ihrer Sitzung vom 23. November 2012 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Dipl. Ing. Johannes H*** (Beschwerdeführer) aus 1020 Wien vom 27. Mai 2012 gegen die Wien Energie Stromnetz Gesellschaft m.b.H wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge unzulässiger Datenermittlung bei Vertragsabschluss (betreffend die Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers) und Löschung von Daten wird entschieden:
- Die B e s c h w e r d e wird z u r ü c k g e w i e s e n.
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 5, 5 Abs. 2, 31 Abs. 2 und 32 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999, iVm §§ 30 Abs. 1 und 2, 32 Abs. 1 und 2 und 69 des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes 2005 - WElWG 2005, LGBl Nr. 46/2005 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Partei und Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer brachte in seiner vom 27. Mai 2012 datierenden und am selben Tag per E-Mail bei der Datenschutzkommission eingelangten und ausdrücklich als „Beschwerde gem. § 31 Abs 2 ivm § 1 Abs 1 DSG 2000“ bezeichneten Eingabe vor, dass die als Beschwerdegegnerin bezeichnete Wien Energie Stromnetz Gesellschaft m.b.H. anlässlich des Abschlusses von Netznutzungsverträgen (auf einem in Kopie vorgelegten Vertragsformular mit der Bezeichnung VT3AN UM NA) die Staatsbürgerschaft der Kunden, darunter auch seine, erheben würde bzw. erhoben hätte. Aus seiner Sicht stelle dies eine unzulässige Verarbeitung sensibler Daten (zur rassischen bzw. ethnischen Herkunft) dar, für die kein gesetzlicher Zweck erkennbar sei. Er sehe darin eine überschießende und mit dem Zweck eines Netznutzungsvertrags unvereinbare Datenverwendung, durch die er sich in seinem Recht auf Geheimhaltung als verletzt erachte. Er stellte den Antrag, „die Datenschutzkommission möge feststellen, dass die Erfassung der Staatsbürgerschaft im Rahmen des Netznutzungsvertrags entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes erfolgt – daher zu unterlassen ist. Sowie, dass die Verwendung der bereits erfassten Staatsbürgerschaftsdaten entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes erfolgte – die erfassten Daten daher gemäß § 27 Abs 1 DSG 2000 zu löschen sind.“ Ein an die Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. gerichtetes Löschungsbegehren hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2012 (Vorhalt und Parteiengehör), GZ: DSK-K121.864/0002-DSK/2012, hat die Datenschutzkommission dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass sie sich in vorläufiger Annahme als zur Entscheidung über dieses Anbringen unzuständig erachte, da die Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. in einer jedermann zugänglichen Rechtsform des Privatrechts eingerichtet sei. Dem Beschwerdeführer wurde zu dieser Frage unter Fristsetzung Gehör eingeräumt.
Der Beschwerdeführer brachte daraufhin mit Schreiben vom 28. Juni 2012 vor, er berufe sich darauf, dass die Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. als Netzbetreiber im liberalisierten Strommarkt gemäß § 30 Abs. 1 und 2 des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (WElWG 2005) gesetzlich verpflichtet sei, entsprechend den gesetzlichen und behördlich genehmigten Bedingungen allen Nutzungsberechtigten Netzzugang zu gewähren. Beim Abschluss des entsprechenden Vertrages sei die Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. daher „in Vollziehung der Gesetze“ tätig geworden. Er halte seine Beschwerde und die gestellten Anträge daher aufrecht.
B. Verfahrensgegenstand :
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Gegenstand dieses Verfahrens vorerst die Frage ist, ob ein als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eingerichtetes Unternehmen, das ein Energieversorgungsnetz (Stromnetz) betreibt, beim Abschluss von Netznutzungsverträgen mit Endkunden „in Vollziehung der Gesetze“ tätig wird oder nicht, die Datenschutzkommission dementsprechend zur Entscheidung der vorliegenden Beschwerde zuständig ist, in weiterer Folge in eventu die Fragen, ob die Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. berechtigt war, Daten zur Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers zu verarbeiten und ob sie verpflichtet ist, diese Daten zu löschen.
C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften:
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 5 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) [...] (4) [...]
(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“
Die §§ 5, 31 Abs. 2 und 32 Abs. 1 DSG 2000 lauten samt Überschriften:
„ Öffentlicher und privater Bereich
§ 5 . (1) Datenanwendungen sind dem öffentlichen Bereich im Sinne dieses Bundesgesetzes zuzurechnen, wenn sie für Zwecke eines Auftraggebers des öffentlichen Bereichs (Abs. 2) durchgeführt werden.
(2) Auftraggeber des öffentlichen Bereichs sind alle Auftraggeber,
(3) Die dem Abs. 2 nicht unterliegenden Auftraggeber gelten als Auftraggeber des privaten Bereichs im Sinne dieses Bundesgesetzes.“
„ Beschwerde an die Datenschutzkommission
§ 31 . (1) [...]
(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.“
„ Anrufung der Gerichte
§ 32 . (1) Ansprüche wegen Verletzung der Rechte einer Person oder Personengemeinschaft auf Geheimhaltung, auf Richtigstellung oder auf Löschung gegen natürliche Personen, Personengemeinschaften oder Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, sind, soweit diese Rechtsträger bei der behaupteten Verletzung nicht in Vollziehung der Gesetze tätig geworden sind, auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.“
Die §§ 30, 32 und 69 WElWG 2005 lauten samt Überschriften:
„ Geregelter Netzzugang
§ 30 . (1) Netzbetreiber sind verpflichtet, den Netzzugangsberechtigten den Netzzugang zu den jeweils genehmigten Allgemeinen Netzbedingungen und den von der Regulierungsbehörde jeweils bestimmten Systemnutzungsentgelten zuzüglich der Beiträge, Förderbeiträge und Zuschläge und Abgaben nach den elektrizitätsrechtlichen Vorschriften auf Grund privatrechtlicher Verträge (Netzzugangsvertrag) zu gewähren.
(2) Die Netzzugangsberechtigten haben einen Rechtsanspruch, auf Grundlage der jeweils genehmigten allgemeinen Netzbedingungen und der von der Regulierungsbehörde jeweils bestimmten Systemnutzungsentgelte zuzüglich der Beiträge, Förderbeiträge und Zuschläge sowie der Abgaben nach den elektrizitätsrechtlichen Vorschriften die Nutzung der Netze zu begehren.
(3) Netzbetreiber haben zusätzlich zu den Systemnutzungsentgelten und den Beiträgen, Förderbeiträgen und Zuschlägen sowie Abgaben nach den elektrizitätsrechtlichen Vorschriften die von ihnen zu entrichtende Abgabe nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 (Gebrauchsabgabe), LGBl. für Wien Nr. 20/1966 in der jeweils geltenden Fassung, an die Netzzugangsberechtigten anteilsmäßig weiter zu verrechnen. Die Netzbetreiber haben den einzuhebenden Anteil an der Gebrauchsabgabe in Form eines Aufschlages zu den Systemnutzungsentgelten festzulegen und in geeigneter Weise zu veröffentlichen.“
„ Verweigerung des Netzzuganges
§ 32 . (1) Ein Netzbetreiber kann den Netzzugang aus nachstehenden Gründen ganz oder teilweise verweigern:
(2) Der Netzbetreiber hat die Verweigerung dem Netzzugangsberechtigten unter Berücksichtigung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen schriftlich zu begründen.
(3) Für die Beurteilung der Netzzugangsberechtigung sind diejenigen Rechtsvorschriften anzuwenden, die in jenem Land gelten, in dem derjenige, der einen Antrag gemäß § 21 Abs. 2 ElWOG 2010 stellt, seinen Sitz (Hauptwohnsitz) hat. Für die Beurteilung der Netzzugangsverweigerungsgründe sind jene Rechtsvorschriften anzuwenden, die am Sitz des Netzbetreibers gelten, der den Netzzugang verweigert hat.“
„ Behörde
§ 69 . (1) Sofern im Einzelfall nichts anderes bestimmt ist, ist die sachlich und örtlich zuständige Behörde im Sinne dieses Gesetzes die Landesregierung.
(2) Die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren obliegt in erster Instanz der Bezirksverwaltungsbehörde, über Berufungen entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Datenschutzkommission ist zur Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache unzuständig.
Da der Beschwerdeführer eine Verletzung in den Rechten auf Geheimhaltung und auf Löschung behauptet, wäre für eine förmliche, rechtskraftfähige Entscheidung darüber der Zivilprozessweg zu beschreiten. Das Beschwerdeverfahren nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 steht hier nicht offen, da der bezeichnete Beschwerdegegner eine Gesellschaft m.b.H. ist, somit ein Rechtsträger, wie er in § 32 Abs. 1 DSG 2000 genannt ist. Aus der Tatsache, dass die Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. beim Abschluss von Netzzugangsverträgen wegen ihrer gebietsmäßigen Monopolstellung als Netzanbieter in ihrer Vertragsfreiheit starken gesetzlichen Beschränkungen gemäß den §§ 30 Abs. 1 und 2 und 32 Abs. 1 und 2 WElWG 2005 unterliegt (und der Abschluss eines solchen Vertrages bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen demnach vom Vertragswerber erzwungen werden kann), ist nicht der Schluss zu ziehen, dass der Vertragsabschluss selbst als Akt der Gesetzesvollziehung zu deuten ist. Gesetzeskonformes Verhalten im Sinn der Rechts- oder Gesetzesverwirklichung ist nicht mit der Vollziehung von Gesetzen gleichzusetzen. So vollzieht etwa auch der Kraftfahrer, der ein „Anhalten“ gebietendes Lichtzeichen (§ 38 Abs. 5 StVO) beachtet und anhält, dadurch nicht das Gesetz, sondern befolgt es nur.
Zu den Auftraggebern des öffentlichen Bereichs gemäß § 5 Abs. 2 DSG 2000 zählen in Formen des Privatrechts eingerichtete Rechtsträger dann, wenn sie hoheitliche Aufgaben vollziehen (so Lehner in Bauer/Reimer (Hg.), Handbuch Datenschutzrecht (2009), 127; vgl. auch die Erwägungen der Datenschutzkommission im Fall einer Beschwerde gegen einen aus einer Landesverwaltung in Form einer Ges.m.b.H.
ausgegliederten Rechtsträger [Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft] im Bescheid vom 27. April 2007, K121.283/0005-DSK/2007, RIS).
Für eine für den gegebenen Zusammenhang durch gesetzliche Beleihung erfolgte behördliche Befugnis der Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. gibt es im WElWG 2005 keinen Anhaltspunkt; Behörden sind vielmehr die in § 69 WElWG 2005 bezeichneten Wiener Landesbehörden.
Die in Beschwerde gezogene Datenermittlung der Staatsbürgerschaft durch die Wien Energie Stromnetz Ges.m.b.H. erfolgte daher nicht gemäß § 32 Abs. 1 DSG 2000 „in Vollziehung der Gesetze“ . Daraus folgt, dass Unterlassungs- und Löschungsanspruch hier gerichtlich geltend zu machen gewesen wären bzw. bis zum Ende der Frist gemäß § 34 Abs. 1 DSG 2000 noch geltend gemacht werden können.
Da somit keine Verwaltungsbehörde zuständig ist, kam auch die nur verwaltungsintern mögliche Weiterleitung gemäß § 6 Abs. 1 AVG nicht in Frage.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß zur Beendigung des anhängigen Verfahrens formell zurückzuweisen.