JudikaturDSB

K121.373/0003-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
23. November 2012

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

T E I L B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. GUNDACKER sowie der Schriftführerin Mag. HAJICEK in ihrer Sitzung vom 23. November 2012 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerden des Egon O*** (Beschwerdeführer) vom 26. Februar 2008 gegen den Magistrat der Stadt Wien (Beschwerdegegner) – näherhin: gegen die „Magistratsabteilung 25“, bzw. gegen das „Büro des amtsführenden Stadtrats für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung“ – wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten wird gemäß den § 1 Abs. 1 und 2, § 7, § 9 und § 31 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 13/2005, wie folgt entschieden:

Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt hat, dass er

1. die Daten des Beschwerdeführers, dass er bei einem schweren Autounfall vor *** Jahren ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe, für Zwecke der Konfliktbereinigung verwendet hat, und

2. diese Daten in weiterer Folge durch das Büro der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung für Zwecke eines Mietprozesses an das Bezirksgericht *** übermittelt hat.

B e g r ü n d u n g

A. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien

1. Der Beschwerdeführer legte zunächst mit E-Mail vom 12. Februar 2008 ein Schreiben der „Gebietsbetreuung Städtische Wohnhausanlagen“ an „Wiener Wohnen“ vom 20. März 2007 der Datenschutzkommission vor, in welchem u.a. von einem *** Jahre zurückliegenden schweren Unfall mit Schädelhirntrauma des Beschwerdeführers mit dem Bemerken die Rede ist:

„Möglicherweise lassen sich gewisse Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit auch darauf zurückführen“. Der Beschwerdeführer sah dadurch eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht durch die Magistratsabteilung (im Folgenden: MA) 40 der Gemeinde Wien verwirklicht, der er diese Daten ursprünglich anvertraut hatte, warf ihr „Veräußerung“ seiner Daten vor und behauptete eine Weitergabe seiner Daten durch die MA 25 der Gemeinde Wien an eine Firma Y***, an mehrere Privatpersonen und an „WIENER WOHNEN“ als Verwalterin der Wohnhausanlage, in der der Beschwerdeführer wohnt.

Um nähere Aufklärung hinsichtlich des behaupteten Sachverhalts ersucht, erläuterte der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 26. Februar 2008, dass die Daten über seinen Unfall aus seiner beim C*** Dienst Wien erfolgten Betreuung 1997 stammen müssten. Dieser Dienst, der – anders als vom Beschwerdeführer ursprünglich angenommen – nicht der MA 40, sondern dem Fonds A*** zuzurechnen sei, hätte diese Daten an die MA 25 (Gebietsbetreuung) weitergegeben. Die MA 25 wiederum habe diese Daten (mit dem vom Beschwerdeführer bereits vorgelegten Schreiben vom 20. März 2007) an „Wiener Wohnen“ sowie auch an eine Mieterin der vom Beschwerdeführer bewohnten Wohnhausanlage in Wien, Berta M***, weitergegeben. Schließlich habe „Wiener Wohnen“ diese Daten einem Rechtsanwalt weitergegeben, der diese Daten in einem vom Beschwerdeführer gegen „Wiener Wohnen“ angestrengten Mietprozess (Zl. ***) vor dem BG *** als Beweismittel verwendet habe, wobei der Beschwerdeführer den „Wohnbaustadtrat ***“ für diese Datenverwendung verantwortlich macht: „Das Stadtratbüro für Bauen, Wohnen, Wohnbau, A*** ist Auftraggeber von der Hausverwaltung WIENER WOHNEN“.

Abschließend führte der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 26. Februar 2008 wie folgt aus: „Ich zeige Ihnen hiermit an, dass der Magistrat der Stadt Wien/Fonds A***, die MA 25 und das Stadtratbüro für Bauen, Wohnen und Wohnbau A*** gegen § 31 DSG 2000 verstoßen hat, indem meine schützenswerten Daten ohne mein mündliches oder schriftliches Einverständnis an Dritte verbreitet und in Umlauf gebracht worden sind und jetzt auch bei Gericht gegen mich verwendet werden.“

2. Was die beschwerdegegenständliche Weitergabe von Daten durch einen Mitarbeiter der „C*** Dienste – Wien“ betrifft, hat die Datenschutzkommission mit Teilbescheid vom 11. Juli 2008, GZ K121.373/0030-DSK/2008, das Verfahren gegen den „Magistrat der Stadt Wien/Fonds A***“ (Bezeichnung laut Beschwerdevorbringen) eingestellt, da die C*** Dienste nicht dem „Fonds A***“ sondern – dem ebenfalls privatrechtlich eingerichteten – Fonds „Kuratorium für C*** Dienste – Wien“ zuzurechnen sind, weshalb auch der Beschwerdeführer seine Beschwerde gegen den Fonds A*** zurückgezogen hat. Die Behandlung der Beschwerde gegen das einen Auftraggeber des privaten Bereichs darstellende „Kuratorium für C*** Dienste“ wurde in dem Teilbescheid vom 11. Juli 2008, GZ K121.373/0030- DSK/2008 mangels Zuständigkeit zurückgewiesen.

3. Das gegenständliche Verfahren bezog sich somit nur auf die Beschwerdebehauptung, dass „die Magistratsabteilung 25 und das Stadtratbüro für Bauen, Wohnen und Wohnbau Stadtrat A*** gegen § 31 DSG 2000 verstoßen“ habe, wobei der Beschwerdeführer „der Magistratsabteilung 25“ die unzulässige Weitergabe seiner Daten an „Wiener Wohnen“ und an Frau Berta M*** (Mitbewohnerin der Wohnanlage in Wien ***) vorwirft, dem „Stadtratbüro“ die rechtswidrige Verwendung seiner Daten in einem Mietprozess vor dem BG ***.

3.1. Im Ermittlungsverfahren hat der Magistrat der Stadt Wien, der – auch nach dem Stand der Registrierungen im Datenverarbeitungsregister – als einheitlicher datenschutzrechtlicher Auftraggeber aller im Rahmen der Gemeinde Wien durchgeführten Datenanwendungen auftritt, als Beschwerdegegner Folgendes ausgeführt:

Die Weitergabe der inkriminierten Daten aus der Gebietsbetreuung an „Wiener Wohnen“ werde nicht bestritten.

a) Doch sei diese Weitergabe nicht dem Magistrat der Stadt Wien als Auftraggeber im Sinne des § 4 Z 4 DSG 2000 zuzurechnen, da die Gebietsbetreuung für den *** Bezirk von der MA 25 an die (private) Arbeitsgemeinschaft „ARGE I*** (im Folgenden kurz als ARGE bezeichnet) übertragen und von dieser in der Folge selbständig durchgeführt worden sei, weshalb diese als datenschutzrechtlicher Auftraggeber der beschwerdegegenständlichen Datenverwendung anzusehen sei. Die ARGE habe am 3. Mai 2005 auch eine dementsprechende Meldung beim Datenverarbeitungsregister eingebracht und sei ihr die DVR-Nummer *** zugeteilt worden (Stellungnahme vom 17. April 2008).

In seinen ergänzenden Eingaben vom 11. Juni 2008 wiederholte der Beschwerdegegner im Wesentlichen sein Vorbringen, dass Auftraggeber in dieser Angelegenheit ausschließlich die ARGE sei. Diese habe „als Personengemeinschaft“ eigenverantwortlich die Entscheidung getroffen, die Daten betreffend den Beschwerdeführer zu verwenden. Der Magistrat der Stadt Wien, Wiener Wohnen, habe keine Anweisung erteilt, Daten vom C*** Dienst Wien zu ermitteln oder an Wiener Wohnen weiterzugeben. Der Beschwerdegegner habe im Übrigen überhaupt keinen Einfluss auf den Einsatz von EDV betreffend die Durchführung der Gebietsbetreuung der ARGE. Vielmehr treffe die ARGE allein die Entscheidung darüber, welche Daten sie bei der Behandlung von Konfliktsituationen im Rahmen der Gebietsbetreuung verarbeite. Die in Rede stehenden Daten seien daher von der ARGE eigenständig und eigenverantwortlich ermittelt und weitergegeben worden.

b) Im konkreten Fall sei die ARGE von „Wiener Wohnen“ am 8. Februar 2007 darüber informiert worden, dass in einer bestimmten Wohnhausanlage im *** Bezirk ein „Waschküchenkonflikt“ entstanden sei; sie sei um „Betreuung“ in Form der Intervention zur Beilegung dieses Konflikts – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Beschwerdeführer – ersucht worden. Dabei sei der ARGE mitgeteilt worden, dass unter den Benützern der Waschküche in dieser Wohnhausanlage eine „angespannte“ Situation bestehe, bei der persönliche Motive im Vordergrund stünden. Im Zeitraum vom 8. Februar 2007 bis zum 20. März 2007 habe es daher regelmäßigen Kontakt zwischen der Mitarbeiterin der ARGE, Frau Ilse H***, und dem Beschwerdeführer gegeben. Da das Verhalten des Beschwerdeführers aus Sicht von Frau Ilse H*** durch eine spezielle Auffälligkeit gekennzeichnet und die Eskalation der Konfliktsituation zu befürchten gewesen sei, habe die Gebietsbetreuung den Fall bei einem der sogenannten „Vernetzungstreffen“ mit dem örtlich zuständigen C*** Dienst, zur Sprache gebracht. So habe Frau Ilse H*** die in Rede stehenden Daten über den Beschwerdeführer erfahren. Am 20. März 2007 habe Frau Ilse H*** diese Daten im Rahmen des Betreuungsauftrages an ihren Auftraggeber „Wiener Wohnen“ schriftlich weitergegeben, um ihrerseits zu begründen, warum eine Konfliktbeilegung außerordentlich schwierig sei (Stellungnahme vom 17. April 2008). Die ARGE habe über Befragen durch den Beschwerdegegner angegeben, die Daten zur Regelung des Waschküchenkonfliktes vom C*** Dienst ermittelt zu haben. Laut Angaben der ARGE seien Daten über die psychische Verfassung einer vom Konflikt betroffenen Person eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Abschätzung der Chancen einer Konfliktvermittlung (ergänzende Stellungnahme vom 11. Juni 2008).

Der Informationsfluss zwischen der ARGE und Wiener Wohnen beruhe auf den – der Stellungnahme beigelegten – „Besonderen Vertragsbestimmungen für die Wiener Gebietsbetreuungen“ und den „Internen Arbeitsgrundsätzen in der Zusammenarbeit von Wiener Wohnen und der Wiener Gebietsbetreuung für städtische Wohnhausanlagen“, die dem Auftragsverhältnis der ARGE zugrunde lägen.

c) Die vom Beschwerdeführer überdies behauptete Weitergabe der inkriminierten Daten an Frau M*** sei nicht erfolgt.

d) Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass im Internet auf der Kommunikationsplattform www.***.at die in Rede stehenden Daten des Beschwerdeführers ohnedies veröffentlicht seien.

3.2. In seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2008 beantragte der Beschwerdeführer eine persönliche Vorsprache bzw. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Dem Beschwerdeführer wurde über sein Begehren am 17. Juli 2008 Akteneinsicht gewährt. Wie aus dem Aktenvermerk unter OZ 32 ersichtlich, benützte der Beschwerdeführer diese Gelegenheit zu einer persönlichen Vorsprache, die aber keine sachdienlichen Ergebnisse erbracht hat. Dasselbe gilt für die zahlreichen telefonischen Vorsprachen des Beschwerdeführers beim Geschäftsapparat der Datenschutzkommission (vgl. die diesbezüglichen Aktenvermerke).

3.3. a) Über Aufforderung der Datenschutzkommission, seinen Verdacht im Hinblick auf die von ihm behauptete Weitergabe seiner Daten an Frau M*** durch die MA 25 näher zu begründen, führte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 23. Juni 2008 aus, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, wer die Daten bezüglich seines Unfalles von 1994 an Frau Ilse H*** weitergegeben habe. Zwei Mieter seiner Wohnhausanlage hätten ihm erzählt, dass sie die in Rede stehenden Daten von Frau M*** erfahren hätten. Woher Frau M*** diese Daten hatte, hätten sie dem Beschwerdeführer allerdings nicht beantworten können.

b) In seiner Eingabe vom 30. Juni 2008 führte der Beschwerdeführer aus, am 23. Juni 2008 sei es um ca. 7 Uhr im Zusammenhang mit der Benützung der Waschküche zu einem Polizeieinsatz gekommen. Im Zuge dessen habe Frau M*** zu einem Polizeibeamten gesagt, dass „sie von der GEBIETSBETREUUNG FÜR STÄDTISCHE WOHNHAUSANLAGEN DI Peter B*** und Ilse H***“ die in Rede stehenden Daten erfahren habe.

c) In seiner Eingabe vom 23. Juli 2008 begehrte der Beschwerdeführer die Einvernahme der Zeugen Berta M***, Ilse H***, und DI Peter B***, wobei die Vereidigung von Frau M*** verlangt wurde.

3.4. a) Am 23. Juli 2008 als Zeugin einvernommen gab Frau M*** an, sie wohne seit 1999 in der Wohnhausanlage ***; sie habe von anderen Hausparteien erfahren, dass der Beschwerdeführer einen Autounfall gehabt habe. Dass der Beschwerdeführer durch diesen Unfall ein Schädelhirntrauma erlitten habe und dass der Unfall 1994 gewesen sein soll, habe sie nicht gewusst. Sie habe dies auch sicher nicht von Mitarbeitern der gebietsbetreuenden ARGE erfahren – sie wisse nicht einmal, ob Ilse H*** und DI Peter B*** über den Unfall des Beschwerdeführers Bescheid wüssten.

b) DI Peter B*** gab im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme am 24. Juli 2008 an, Wiener Wohnen sei an die Gebietsbetreuung mit dem Ersuchen, den „Waschküchenkonflikt“ zu lösen, herangetreten. Im Rahmen eines Gesprächs mit dem Beschwerdeführer am 8. März 2007 habe dieser ihm, Ilse H*** und Ute Z*** selbst erzählt, dass er 19*** einen schweren Verkehrsunfall gehabt habe. Dies gehe auch aus dem von ihm dokumentierten – in Kopie als Beilage der Datenschutzkommission vorgelegten – Betreuungsablauf in Bezug auf den „Waschküchenkonflikt“ hervor. Im Rahmen eines sodann mit dem C*** Dienst stattgefundenen „Vernetzungstreffen“ habe Frau Z*** erfahren, dass der Beschwerdeführer durch diesen Verkehrsunfall ein Schädelhirntrauma erlitten habe und insofern einige Zeit beim C*** Dienst in Betreuung war. Er selbst habe diese Daten weder an Frau M*** weitergegeben, noch habe er überhaupt über eine Krankheit des Beschwerdeführers gegenüber den anderen Mietern gesprochen. Er habe jedoch den Eindruck, dass die besondere Situation des Beschwerdeführers ohnedies im ganzen Haus bekannt sei.

c) Ilse H*** gab im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme am 5. August 2008 an, sie habe die in Rede stehenden Daten des Beschwerdeführers an Wiener Wohnen mit Schreiben vom 20. März 2007 übermittelt, um Verständnis für den Beschwerdeführer zu erlangen und insofern allfällig negative Folgen, wie zB. eine Delogierung, zu verhindern. Sie habe niemandem in der Wohnhausanlage des Beschwerdeführers, insbesondere auch nicht Frau M***, über den Verkehrsunfall des Beschwerdeführers und seine Folgen erzählt.

4. Mit Teilbescheid vom 19. August 2008, GZ K121.373/0043- DSK/2008, wies die Datenschutzkommission die Beschwerden gegen den Magistrat der Stadt Wien 1. – soweit sie sich auf die MA 25 beziehen – wegen Weitergabe von im Zuge der Gebietsbetreuung hervorgekommenen Daten des Beschwerdeführers an „Wiener Wohnen“ und an eine bestimmte Mitbewohnerin des vom Beschwerdeführer bewohnten Hauses ab, und 2. – soweit sie sich auf das Büro der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung bezieht – wegen Verwendung von Daten des Beschwerdeführers in einem Mietprozess vor dem Bezirksgericht *** infolge Unzuständigkeit der Datenschutzkommission zurück.

5. In Folge dieser Entscheidung zog die ARGE ihre Meldung beim Datenverarbeitungsregister zurück.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 16. Dezember 2009, Zl B 1681/08-5, abgelehnt wurde. Unter Einem wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

7. Mit Erkenntnis vom 27. April 2012, Zl. 2010/17/0003-8, der Datenschutzkommission zugestellt am 14. Juni 2012, hob der Verwaltungsgerichtshof Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides (zur Gänze) und Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides, soweit er sich auf die Weitergabe von Daten durch die ARGE an Wiener Wohnen bezieht, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Im Übrigen wurde die Beschwerde (soweit sich Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheids auf die behauptete Weitergabe von Daten an eine Mitbewohnerin der Wohnhausanlage bezieht) als unbegründet abgewiesen.

Damit war die Verwaltungssache im aufgehobenen Umfang erneut zu entscheiden. Da der Sachverhalt unstrittig ist, hat ein fortgesetztes Ermittlungsverfahren nicht stattgefunden.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand nunmehr die Frage ist, ob der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß DSG 2000 verletzt hat, dass er 1. im Rahmen einer Überlassung durch die ARGE die Daten des Beschwerdeführers, er habe bei einem schweren Autounfall vor *** Jahren ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten, verwendet und 2. in einem vom Beschwerdeführer gegen „Wiener Wohnen“ angestrengten Mietprozess (Zl. ***) vor dem BG *** als Beweismittel zur Konfliktbereinigung verwendet habe.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Betreffend Gegenstand und Träger der „Gebietsbetreuung“

Zum Zweck der „Gebietsbetreuung“, die innerhalb des Magistrats der Stadt Wien zur MA 25 ressortiert, bestehen in Wien bezirks- und grätzelbezogene Serviceeinrichtungen, die teils von der MA 25 selbst, teils im Auftrag der MA 25 von privaten Auftragnehmer/innen geführt werden.

Die „Wiener Gebietsbetreuung“ stellt ein umfassendes Informations- und Beratungsangebot zu Fragen des Wohnens, des Wohnumfeldes, der Infrastruktur, der Stadterneuerung, des Gemeinwesens und des Zusammenlebens zur Verfügung.

Speziell zur Stärkung des harmonischen Zusammenlebens in städtischen Wohnhausanlagen und zur Verbesserung der damit verbundenen Wohn- und Lebensqualität werden von den eigens dafür eingerichteten Anlaufstellen der Wiener Gebietsbetreuung Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung im nachbarschaftlichen Umfeld aufgezeigt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus den auf der Homepage www.gebietsbetreuung.wien.at veröffentlichen Informationen zur Gebietsbetreuung.

Die Gebietsbetreuung für die städtischen Wohnhausanlagen im *** Bezirk wurde von der Gemeinde Wien (MA 25) der Arbeitsgemeinschaft „ARGE I***“ (im Folgenden: ARGE) übertragen. Diesem Auftragsverhältnis liegen die „Besonderen Vertragsbestimmungen für die Wiener Gebietsbetreuung“ vom Mai 2006 zugrunde, in welchen in Pkt. 7 (Datenschutz und Verschwiegenheit) festgelegt ist, welche diesbezüglichen Pflichten die Vertragspartner und Mitarbeiter gegenüber der Gemeinde Wien übernehmen. Diese Pflichten sind z.B. folgende:

„Alle relevanten Informationen und Daten zur Weiterführung der Arbeit der Gebietsbetreuung, sind von dem/der Auftragnehmer/in bei Leistungsende der MA 25 zu übergeben. Die zur Erstellung von Berichten, Dokumentationen, sowie von Beiträgen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit notwendigen Daten sind der MA 25 zur Verfügung zu stellen und gehen in das Eigentum der Stadt Wien über.“

Die zur Gebietsbetreuung eingerichteten Anlaufstellen nehmen „Betreuungsaufträge“ auch von anderen Stellen des Magistrats als der MA 25 oder auch von Privatpersonen (z.B. Bewohnern des betreuten Grätzels) entgegen. Insbesondere wird die Konfliktbetreuung in Wohnanlagen der Gemeinde Wien im Auftrag von Wiener Wohnen vorgenommen. Diesbezüglich gibt es „Interne Arbeitsgrundsätze in der Zusammenarbeit von Wiener Wohnen und der Wiener Gebietsbetreuung für städtische Wohnhausanlagen“.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdegegners in seiner Stellungnahme vom 17. April 2008 und den im Zusammenhang damit übermittelten Unterlagen.

2. Zur Datenverwendung zwecks Konfliktregelung im beschwerdegegenständlichen Fall:

Der Beschwerdeführer ist Mieter in einer städtischen Wohnhausanlage im *** Bezirk.

Am 8. Februar 2007 hat die Stadt Wien – Wiener Wohnen als (Haus)Verwalter der städtischen Wohnhausanlagen die gebietsbetreuende ARGE darüber informiert, dass in dieser Wohnhausanlage ein „Waschküchenkonflikt“ besteht. Die Stadt Wien – Wiener Wohnen hat insofern die ARGE um „Betreuung“ ersucht, und zwar näherhin „mit der Durchführung einer Konfliktregelung unter Einbeziehung des Beschwerdeführers“ beauftragt. Dabei hat Wiener Wohnen der ARGE mitgeteilt, dass unter den Benützern der Waschküche eine angespannte Situation bestehe, bei der persönliche Motive im Vordergrund stünden.

Im Zeitraum vom 8. Februar 2007 bis zum 20. März 2007 hat es daher regelmäßigen Kontakt zwischen der Mitarbeiterin der ARGE, Frau Ilse H***, und dem Beschwerdeführer gegeben.

Am 8. März 2008 teilte der Beschwerdeführer Frau Ilse H***, Herrn DI Peter B*** und Frau Z*** im Rahmen eines Gespräches mit, dass er 19*** einen Verkehrsunfall gehabt habe. Dieser Unfall habe ihn sehr zurückgeworfen und er könne sich daher keine Eigentumswohnung leisten.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Aussagen von Ilse H*** und DI Peter Z*** im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme und ergeben sich auch aus dem von DI Peter Z*** vorgelegten Protokoll über den Betreuungsablauf „Waschküchenkonflikt“.

Im Rahmen eines „der regelmäßig stattfindenden Vernetzungstreffen“ mit dem örtlichen C*** Dienst erfuhr Frau Z***, dass der Beschwerdeführer durch diesen Verkehrsunfall ein Schädelhirntrauma erlitten hatte und insofern einige Zeit beim C*** Dienst in Betreuung war. Frau Z*** hat sodann Ilse H*** davon berichtet.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus den glaubhaften Aussagen von Ilse H*** und DI Peter B*** im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme. Dem entspricht auch grundsätzlich das Vorbringen des Beschwerdegegners in seiner Stellungnahme vom 17. April 2008.

Mit Schreiben vom 20. März 2007 teilte die „Gebietsbetreuung Städtische Wohnhausanlagen im *** Bezirk“ Wiener Wohnen u.a. folgendes mit:

„Über soziale Institutionen, mit denen wir uns vernetzen, haben wir auch in Erfahrung gebracht, dass Herr E*** vor *** Jahren einen schweren Autounfall hatte, bei dem er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat. Damals war er auch beim C*** Dienst in Betreuung. Möglicherweise lassen sich gewisse Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit auch darauf zurückführen.“

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben vom 20. März 2007. Dies wird auch vom Beschwerdegegner, vertreten durch die MA 26, in seiner Stellungnahme vom 17. April 2008 zugestanden.

3. Zur Datenverwendung im Mietrechtsprozess vor dem BG ***:

Der Beschwerdeführer hat die Stadt Wien – Wiener Wohnen mit Klage vom 20. November 2007 auf Zuhaltung des Mietvertrages geklagt.

Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Stadt Wien – Wiener Wohnen das Schreiben vom 20. März 2007, in welchem die beschwerdegegenständlichen Daten von der Gebietsbetreuung an Wiener Wohnen mitgeteilt wurden, durch ihren Rechtsanwalt im Mietprozess zu Beweiszwecken vorgelegt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde vom 26. Februar 2008 und aus dem Vorbringen des Beschwerdegegners vom 17. April 2008.

4. Zur Frage einer allgemeinen Verfügbarkeit der beschwerdegegenständlichen Daten:

Auf der Homepage www.***.at finden sich in einem anonym veröffentlichten Artikel über einen Streit in Bezug auf eine Waschküchenzuteilung im *** Bezirk Angaben darüber, dass ein Mieter 1994 einen Autounfall hatte. Diese Darstellung enthält allerdings keinen Hinweis auf allfällige gesundheitlichen Folgen des Autounfalls und weder Namen des Betroffenen noch eine vollständige Adresse der gegenständlichen Wohnhausanlage.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus der Einsicht in die Mieter Internetplattform www.***.at (der Text war auch der Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 17. April 2008 angeschlossen).

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die wesentlichen Bestimmungen des DSG 2000 sind in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I Nr. 13/2005 angegeben:

Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 lautet auszugsweise:

„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

…“

§ 4 Z 4 und 5 DSG 2000 lautet:

„Begriffsbestimmungen

§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

4. „Auftraggeber“: natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten (Z 9), und zwar unabhängig davon, ob sie die Verarbeitung selbst durchführen oder hiezu einen anderen heranziehen. Als Auftraggeber gelten die genannten Personen, Personengemeinschaften und Einrichtungen auch dann, wenn sie einem anderen Daten zur Herstellung eines von ihnen aufgetragenen Werkes überlassen und der Auftragnehmer die Entscheidung trifft, diese Daten zu verarbeiten. Wurde jedoch dem Auftragnehmer anläßlich der Auftragserteilung die Verarbeitung der überlassenen Daten ausdrücklich untersagt oder hat der Auftragnehmer die Entscheidung über die Art und Weise der Verwendung, insbesondere die Vornahme einer Verarbeitung der überlassenen Daten, auf Grund vo Rechtsvorschriften, Standesregeln oder Verhaltensregeln gemäß § 6 Abs. 4 eigenverantwortlich zu treffen, so gilt der mit der Herstellung des Werkes Betraute als datenschutzrechtlicher Auftraggeber;

5. „Dienstleister“: natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaft oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie Daten, die ihnen zur Herstellung eines aufgetragenen Werkes überlassen wurden, verwenden (Z 8);

…“

§ 7 DSG 2000 lautet:

„Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

1. sie aus einer gemäß Abs. 1 zulässigen Datenanwendung stammen und

2. der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis - soweit diese nicht außer Zweifel steht - im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und

3. durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“

§ 9 DSG 2000 lautet:

„Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung sensibler Daten

§ 9. Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden bei der Verwendung sensibler Daten ausschließlich dann nicht verletzt, wenn

1. der Betroffene die Daten offenkundig selbst öffentlich gemacht hat oder

2. die Daten in nur indirekt personenbezogener Form verwendet werden oder

3. sich die Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung aus gesetzlichen Vorschriften ergibt, soweit diese der Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses dienen, oder

4. die Verwendung durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht oder

5. Daten verwendet werden, die ausschließlich die Ausübung einer öffentlichen Funktion durch den Betroffenen zum Gegenstand haben, oder

6. der Betroffene seine Zustimmung zur Verwendung der Daten ausdrücklich erteilt hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder

7. die Verarbeitung oder Übermittlung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen des Betroffenen notwendig ist und seine Zustimmung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder

8. die Verwendung der Daten zur Wahrung lebenswichtiger Interessen eines anderen notwendig ist oder

9. die Verwendung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig ist und die Daten rechtmäßig ermittelt wurden oder

10. Daten für private Zwecke gemäß § 45 oder für wissenschaftliche Forschung oder Statistik gemäß § 46 oder zur Benachrichtigung oder Befragung des Betroffenen gemäß § 47 verwendet werden oder

11. die Verwendung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Auftraggebers auf dem Gebiet des Arbeits- oder Dienstrechts Rechnung zu tragen, und sie nach besonderen Rechtsvorschriften zulässig ist, wobei die dem Betriebsrat nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zustehenden Befugnisse im Hinblick auf die Datenverwendung unberührt bleiben, oder

12. die Daten zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, der medizinischen Diagnostik, der Gesundheitsversorgung oder - behandlung oder für die Verwaltung von Gesundheitsdiensten erforderlich ist, und die Verwendung dieser Daten durch ärztliches Personal oder sonstige Personen erfolgt, die einer entsprechenden Geheimhaltungspflicht unterliegen, oder

13. nicht auf Gewinn gerichtete Vereinigungen mit politischem, philosophischem, religiösem oder gewerkschaftlichem Tätigkeitszweck Daten, die Rückschlüsse auf die politische Meinung oder weltanschauliche Überzeugung natürlicher Personen zulassen, im Rahmen ihrer erlaubten Tätigkeit verarbeiten und es sich hiebei um Daten von Mitgliedern, Förderern oder sonstigen Personen handelt, die regelmäßig ihr Interesse für den Tätigkeitszweck der Vereinigung bekundet haben; diese Daten dürfen, sofern sich aus gesetzlichen Vorschriften nichts anderes ergibt, nur mit Zustimmung der Betroffenen an Dritte weitergegeben werden.“

2. Rechtliche Schlussfolgerungen:

a. Zur Frage der Auftraggebereigenschaft hinsichtlich der Gebietsbetreuung:

Der Beschwerdegegner behauptet, dass die datenschutzrechtliche Auftraggebereigenschaft ausschließlich bei jener privaten ARGE liege, die die Gebietsbetreuung für den *** Wiener Gemeindebezirk vertraglich vom Magistrat der Stadt Wien übernommen hat.

Ob jemand in einem bestehenden zivilrechtlichen Auftragsverhältnis als datenschutzrechtlicher Dienstleister – an den Daten überlassen wurden – oder als zweiter Auftraggeber – an den Daten übermittelt wurden – zu werten ist, ist daran zu prüfen, ob der zivilrechtliche Auftragnehmer die aufgetragene Leistung samt der damit verbundenen Datenverwendung auch aus eigenem erbringen dürfte oder nur gestützt auf die Berechtigung des Vertragspartners.

Im vorliegenden Fall hat die dem Beschwerdegegner zurechenbare (unselbständige) Unternehmung „Stadt Wien - Wiener Wohnen“ (siehe § 106 WStV) die ARGE als Gebietsbetreuung „mit der Durchführung einer Konfliktregelung unter Einbeziehung des Beschwerdeführers beauftragt“. Die Rechtsgrundlage für das Tätigwerden der ARGE im konkreten Fall, die die Benutzung der Daten des Beschwerdeführers zur Folge hatte, kann in der Rechtsstellung von Wiener Wohnen als (Haus)Verwaltung der städtischen Wohnhausanlagen gesehen werden. Dem Hauseigentümer Gemeinde Wien, vertreten durch Stadt Wien – Wiener Wohnen, ist ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 an der Benützung von Daten der Mieter, insbesondere für Zwecke der Streitbeilegung aus dem Mietverhältnis, zuzubilligen. Die ARGE konnte im konkreten Fall eine Berechtigung zur Verwendung von Daten des Beschwerdeführers aus der Rechtsstellung der Stadt Wien – Wiener Wohnen ableiten. Sie ist als datenschutzrechtlicher Dienstleister des Magistrats der Stadt Wien (dem Wiener Wohnen rechtlich zuzurechnen ist) tätig geworden. Der vom Beschwerdegegner ins Treffen geführte Umstand, dass der Magistrat bzw. Wiener Wohnen die Ermittlung der inkriminierten Daten nicht angeordnet habe, ist demgegenüber nicht relevant: Der Magistrat hat die Wahrnehmung von Aufgaben seines Tätigkeitsbereichs als Gemeinde (soziale Betreuung der Gemeindebürger), aber auch als Hauseigentümer (der Städtischen Wohnanlagen) an einen Privaten ausgelagert. In diesem Zusammenhang hat er unstrittig auch personenbezogene Daten an den Privaten weitergegeben. Die vom Beschwerdegegner vorgelegten Unterlagen über das Vertragsverhältnis zwischen dem Magistrat und der beauftragten ARGE legen die Annahme nahe, dass es sich um ein datenschutzrechtliches Dienstleistungsverhältnis handelt (vgl. die Feststellungen unter Pkt. C 1). Die Handlungen der ARGE sind daher datenschutzrechtlich dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnen.

Dem entspricht auch das öffentliche Auftreten der im Bereich der Gebietsbetreuung tätigen privaten Auftragnehmer: Sie alle firmieren unter der Bezeichnung „Gebietsbetreuung der Stadt Wien“, sodass auch gegenüber den Bürgern kein Zweifel darüber gelassen wird, dass für die Stadt Wien gehandelt wird (siehe etwa auch die Web-Auftritte der Gebietsbetreuung, wo sie ausdrücklich als „eine Dienstleistung im Auftrag der Magistratsabteilung 25“ bezeichnet wird).

Dass Wiener Wohnen – als tatsächlicher Auftraggeber einer Betreuungsleistung im konkreten Beschwerdefall – innerhalb des Magistrats der Stadt Wien nicht der MA 25 zuzurechnen ist, sondern ein unselbständiges Unternehmen innerhalb des Magistrats darstellt, ist datenschutzrechtlich nicht erheblich, da der Magistrat der Stadt Wien als einheitlicher datenschutzrechtlicher Auftraggeber zu sehen ist (vgl. § 4 Z 4 DSG 2000 und die die Stadt Wien betreffenden Registrierungen im DVR); es gibt daher datenschutzrechtlich auch nur Dienstleister „des Magistrats der Stadt Wien“.

Dieser rechtlichen Beurteilung ist im Ergebnis auch der Verwaltungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis gefolgt.

b. Zur Zulässigkeit der beschwerdegegenständlichen Datenverwendung zur Konfliktregelung:

i. Vom Beschwerdegegner wurde u.a. vorgebracht, dass die Daten über den Unfall des Beschwerdeführers in seinem Wohnumfeld ohnehin allgemein bekannt, ja sogar im Internet veröffentlicht seien.

Wie festgestellt wurde, finden sich auf der vom Beschwerdegegner zitierten Mieter-Internetplattform zwar Angaben zum Fall des Beschwerdeführers, dies aber ohne jegliche Identifikationsdaten. Auch hat die Einvernahme von Zeugen ergeben, dass zwar das Faktum des Unfalls, nicht aber die exakten gesundheitlichen Begleitumstände (Schädel-Hirntrauma) unter den Mitbewohnern bekannt sind. Davon, dass es sich bei den beschwerdegegenständlichen Daten um allgemein verfügbare Daten handle, deren Verwendung keinen datenschutzrechtlichen Beschränkungen unterliege, kann daher nicht ausgegangen werden.

ii. An der elektronischen Verarbeitung der inkriminierten Daten durch die ARGE als Gebietsbetreuer besteht angesichts des Faktums der (damaligen) Meldung der ARGE an das Datenverarbeitungsregister, angesichts des Erscheinungsbildes des Schreibens an Wiener Wohnen vom 20. März 2007 sowie auch angesichts der auf dem Schreiben angegebenen mehrfachen elektronischen Adressen des Dienstleisters, die den Gebrauch elektronischer Datenverarbeitung belegen, kein Zweifel.

iii. Die inkriminierten Daten wurden im Rahmen eines „Vernetzungstreffens“ bekannt, an dem eine Vertreterin der gebietsbetreuenden ARGE in deren Funktion als Dienstleister des Magistrats der Stadt Wien teilgenommen hatte. Zweck der Kenntnisnahme und weiteren Verwendung der Daten durch die Gebietsbetreuung war die Auslotung der Möglichkeit der Erfüllung des Auftrags zur Konfliktbereinigung zwischen dem Beschwerdeführer und anderen Mietern jener Wohnhausanlage der Stadt Wien, in der der Beschwerdeführer wohnt. Die Gebietsbetreuung hatte nach intensiven Kontakten mit dem Beschwerdeführer offenbar den Eindruck, dass eine Konfliktregelung nur sehr schwer möglich sein werde, dass dem Beschwerdeführer angesichts der Folgen seines Unfalls aber mit einem erhöhten Ausmaß an Toleranz begegnet werden müsse. Die Mitteilung an Wiener Wohnen, das den Auftrag zur Konfliktbereinigung im vorliegenden Fall gegeben und als Vertreter des Hauseigentümers ein tatsächliches und auch rechtliches Interesse an der Herstellung eines konfliktfreien Zustands im Zusammenleben der Mieter des vom Beschwerdeführer bewohnten Wohnhauses hatte, diente ganz offensichtlich dem Zweck, die Unwahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Konfliktregelung ebenso wie die Erforderlichkeit besonderer Geduld darzulegen.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die Zulässigkeit der Verwendung von Gesundheitsdaten nach dem Regime des § 9 DSG 2000 zu beurteilen.

Im Rahmen des § 9 hat sich die Datenschutzkommission – wie in weiterer Folge auch der Verwaltungsgerichtshof – mit den Bestimmungen der Z 3 (Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung ergibt sich aus gesetzlichen Vorschriften, soweit diese der Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses dienen) und der Z 9 (Verwendung ist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde notwendig und die Daten wurden rechtmäßig ermittelt) auseinander gesetzt.

Dabei deckt § 9 Z 3 DSG 2000 nicht schon jede Verwendung von Daten, die für die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen (hier: die Verpflichtung des Vermieters, Mieter vor störenden Eingriffen anderer Mieter möglichst zu schützen) von Bedeutung sein können. § 9 Z 3 DSG 2000 setzt voraus, dass eine gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung vorliegt (vgl. zB Duschanek/Rosenmayr-Klemenz , Datenschutzgesetz 2000, § 9 Punkt 3). Es genügt somit nicht, dass eine gesetzliche Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln besteht (hier: nach dem MRG), sondern die gesetzliche Verpflichtung oder Ermächtigung muss sich auf die Verwendung der Daten beziehen (vgl. den Hinweis [zur Erläuterung, wann ein öffentliches Interesse im Sinne des § 9 Z 9 DSG 2000 angenommen werden könne] in den EB zur RV zum DSG 2000, 1613 BlgNR, 20. GP, 41, auf „die Datenverwendungsbestimmungen im Rahmen der Banken- und Versicherungsaufsicht“).

Im gegebenen Fall sind Vorschriften dieser Qualität weder der Rechtsordnung im Allgemeinen, noch dem MRG im Besonderen zu entnehmen.

Es bleibt daher zu prüfen, ob die Verwendung der gesundheitsbezogenen Daten des Beschwerdeführers im Rahmen der Konfliktregelung unter dem Gesichtspunkt einer voraussichtlich wesentlichen Bedeutung für die Entscheidung des Vermieters darüber, ob er angesichts der andauernden Konfliktsituation eine allfällige Auflösung des Mietverhältnisses anstreben soll oder nicht, durch § 9 Z 9 DSG 2000 gedeckt wäre.

Dabei stellt § 9 Z 9 DSG 2000 auf die „Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde“ ab. Es kommt nicht darauf an, dass eine Datenermittlung „in den rechtlichen Interessen“ einer Partei eines Zivilrechtsverhältnisses „gedeckt“ ist (vgl. das Urteil des OGH vom 29. Juni 2006, 6ObA 1/06z). Wenngleich nach den Materialien zum DSG 2000 (vgl. EB zur RV, 1613 BlgNR, 20. GP, 41) Z 9 auch „die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten im Vorfeld einer gerichtlichen – oder verwaltungsbehördlichen – Auseinandersetzung“ einschließt, wobei die Verwendung im Rahmen des Versuchs einer außergerichtlichen Streitbeilegung ausdrücklich erwähnt wurde, rechtfertigt dies nicht eine Verwendung der gesundheitsbezogenen Daten des Beschwerdeführers (vgl. die Begründung im aufhebenden Erkenntnis des VwGH vom 27. April 2012). Überdies ist eine Notwendigkeit zur Verwendung der genannten Gesundheitsdaten im konkreten Zusammenhang nicht dargelegt.

Da auch keine andere der in § 9 DSG 2000 normierten Bestimmungen erfüllt ist, war die Verwendung der gesundheitsbezogenen Daten durch den Beschwerdegegner unzulässig und der Beschwerde daher wie in Spruchpunkt 1 insoweit stattzugeben.

c. Zur Zulässigkeit der Verwendung der beschwerdegegenständlichen Daten in einem gerichtlichen Verfahren:

Die Beschwerde richtet sich auch gegen „das Büro des Wohnbaustadtrats“, da dieses seine Daten in einem – vom Beschwerdeführer gegen die Gemeinde Wien angestrengten – Mietprozess verwendet habe.

i. Hiezu ist zunächst auszuführen, dass der Magistrat der Stadt Wien einheitlicher datenschutzrechtlicher Auftraggeber für alle Datenanwendungen der Gemeinde Wien ist und daher auch gegenüber der vorliegenden Beschwerde als Beschwerdegegner anzusehen ist – Rechtsgrundlage für diese Sichtweise ist § 4 Z 4 DSG 2000, wonach „Auftraggeber“ nicht nur Rechtsträger, sondern auch „Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe“ sein können.

ii. Im vorliegenden Fall fühlt sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung dadurch verletzt, dass die Stadt Wien – Wiener Wohnen Gesundheitsdaten des Beschwerdeführers ihrem sie im Mietverfahren vor dem BG *** gegen den klagenden Beschwerdeführer vertretenden Rechtsanwalt und in weiterer Folge in diesem Verfahren selbst als Beweismittel vorgelegt hat.

Für die Rechtfertigung der Verwendung der gesundheitsbezogenen Daten des Beschwerdeführers im gegenständlichen Mietverfahren könnte allenfalls § 9 Z 9 DSG 2000 in Frage kommen. Die Verwendung der Daten „zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen des Auftraggebers vor einer Behörde“ (bzw. einem Gericht) setzt aber die rechtmäßige Ermittlung (bzw. Weiterverarbeitung) voraus. Dass dies im gegenständlichen Fall gerade nicht gegeben war, wurde unter b. bereits dargelegt.

Der Beschwerde war daher auch in diesem Punkt stattzugeben (Spruchpunkt 2).

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