K121.841/0011-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. HUTTERER, Mag. HEILEGGER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 17. Oktober 2012 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde der Dr. Caroline S*** (Beschwerdeführerin) aus **** E*** vom 22. April 2012 gegen den Magistrat der Stadt Wien (Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Anbringung eines Vermerks auf einem Zustellkuvert wird entschieden:
- Der B e s c h w e r d e wird F o l g e g e g e b e n und festgestellt, dass der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat, dass er auf dem Kuvert des am 22. Juli 2011 übermittelten Zustellstücks (RSb-Briefsendung mittels Formular gemäß Anlage 4/2 zur Zustellformularverordnung), enthaltend das Straferkenntnis vom 21. Juli 2011, GZ: MA 67-PA-**3*4*/1*/8, den handschriftlichen Vermerk „Straferk.“ anbringen und das Dokument so versenden ließ.
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 1 und 2, 31 Abs. 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 27 des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 idgF, und §§ 1 und 2 Abs.1 der sowie Anlage 4/2 zur Zustellformularverordnung 1982 (ZustFormV), BGBl. Nr. 600/1982 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer am 22. April 2012 per E-Mail eingebrachten (und mit Schreiben vom 9. Mai 2012 verbesserten) Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner (durch die Magistratsabteilung 67 – Parkraumüberwachung) ihr das Schreiben vom 21. Juli 2011 (Briefsendung mit Zustellnachweis RSb) mit dem handschriftlichen Vermerk „Straferk.“ außen auf dem Kuvert zustellen habe lassen. Auf ihren Vorhalt hin habe der Beschwerdegegner zwar ihren geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung abgelehnt, aber zugestanden, dass diese „Beschlagwortung“ in Zukunft durch eine Ziffernkombination ersetzt werde.
Der Beschwerdegegner brachte (durch die Magistratsabteilung 26 – Datenschutz und E-Government) mit Stellungnahme vom 27. Juni 2012 vor, der entsprechende Vermerk sei keinen unbefugten Personen zur Kenntnis gelangt, da die Mitarbeiter der Post in ihrer Funktion als behördliche Zustellorgane dem Beschwerdegegner zuzurechnen seien und überdies durch besondere Vorschriften (§ 5 Abs. 1 des Postmarktgesetzes) zur Verschwiegenheit verpflichtet würden. Der Sachverhalt selbst werde nicht bestritten. Überdies sei die entsprechende Praxis bereits geändert und die in Beschwerde gezogene Beschlagwortung durch eine für Außenstehende nicht nachvollziehbare Ziffernkombination ersetzt worden.
Die Beschwerdeführerin brachte nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens mit Stellungnahme vom 21. Juli 2012 vor, die Ansicht des Beschwerdegegners übersehe, dass ein solcher Vermerk auf dem Zustellstück keinem rechtmäßigen Zweck diene, insbesondere nicht bei der Zustellung. Selbst angesichts möglicher Geheimhaltungsvorschriften bestehe doch kein Grund, warum Postmitarbeiter (eventuell auch weniger mit den Vorschriften vertraute Aushilfskräfte in den Sommermonaten) vom Inhalt Kenntnis erlangen sollten. Sie sehe sich dadurch „an den Pranger gestellt“ und beantrage, die Rechtsverletzung festzustellen.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner berechtigt war, durch Anbringung eines handschriftlichen Vermerks „Straferk.“ auf einem Zustellstück in das Recht auf Geheimhaltung der Beschwerdeführerin einzugreifen.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdegegner, handelnd durch seine Magistratsabteilung 67 (Parkraumüberwachung), ließ der Beschwerdeführerin in der zweiten Julihälfte 2011 das Straferkenntnis vom 21. Juli 2011, GZ: MA 67-PA-**3*4*/1*/8, zustellen. Die Zustellung erfolgte durch Mitarbeiter der Österreichischen Post AG als Rückscheinbrief mit zulässiger Ersatzzustellung (RSb) in einem Kuvert gemäß Formular 4/2 zu § 22 des Zustellgesetzes. An der oberen Kante des Kuverts, zwischen dem Freimachungsvermerk und dem Aufdruck der Geschäftszahl, wurde dabei der handschriftliche Vermerk „Straferk.“ angebracht.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf dem unbestrittenen und durch eine Kopie des Zustellkuverts (Scan, Attachment/Beilage zum E-Mail der Beschwerdeführerin vom 9. Mai 2012) bewiesenen Sachverhaltsvorbringen der Beschwerdeführerin.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift (Unterstreichung durch die DSK):
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
Die §§ 1, 4, 5, 22 Abs.1 und 2 und § 27 Zustellgesetz – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 111/ 2010 lauten samt Überschriften:
„ Anwendungsbereich
§ 1 . Dieses Bundesgesetz regelt die Zustellung der von Gerichten und Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Dokumente sowie die durch sie vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden.“
„ Stellung des Zustellers
§ 4 . Wer mit der Zustellung betraut ist (Zusteller), handelt hinsichtlich der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Zustellung als Organ der Behörde, deren Dokument zugestellt werden soll.
Zustellverfügung
§ 5 . Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.“
„ Zustellnachweis
§ 22 . (1) Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.
(2) Der Übernehmer des Dokuments hat die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen. Verweigert er die Bestätigung, so hat der Zusteller die Tatsache der Verweigerung, das Datum und gegebenenfalls das Naheverhältnis des Übernehmers zum Empfänger auf dem Zustellnachweis zu vermerken. Der Zustellnachweis ist der Behörde unverzüglich zu übersenden.“
„ Ausstattung der Dokumente; Zustellformulare;
Zustellnachweise
§ 27 . Soweit dies erforderlich ist, hat die Bundesregierung durch Verordnung nähere Bestimmungen über
§§ 1 und 2 Abs. 1 Zustellformularverordnung 1982 – ZustFormV, BGBl. Nr. 600/1982 idF BGBl. II Nr. 152/2008, lauten:
„ § 1 . Für Zustellungen im Inland gemäß dem 2. Abschnitt des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl. Nr. 200/1982, in der Fassung des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 5/2008, stehen folgende in der Anlage angeschlossene Formulare zur Verfügung:
§ 2 . (1) Bei Zustellungen durch einen Zustelldienst sind die Formulare 1, 3/1 oder 3/2 sowie 4/1 oder 4/2 zu verwenden, bei Zustellungen durch Organe der Gemeinden die Formulare 1, 5 und 6. Bei Zustellungen durch Bedienstete der Behörden sind das Formular 1 und, sofern die für die Zustellung erforderlichen Angaben dem Zusteller nicht auf andere Weise bekanntgegeben werden, die Formulare 5 und 6 zu verwenden.“
Die Anlage 4/2 zur ZustFormV hat folgenden Wortlaut und folgendes Aussehen (Größe kleiner als Original):
[Anmerkung Bearbeiter: grafische Darstellung hier nicht reproduzierbar, es wird auf die im Bundesgesetzblatt kundgemachte Anlage verwiesen.]
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Beschwerde hat sich als berechtigt erwiesen.
Der Umstand, dass jemandem ein Straferkenntnis zugestellt wird bzw. wurde, ist ohne Zweifel ein für den Betroffenen schützenswertes personenbezogenes Datum im Sinn des § 4 Z 1 DSG 2000. Da der in Rede stehende Vermerk auf dem RSb-Brief einer Behörde zuzurechnen ist, im vorliegenden Fall dem Magistrat der Stadt Wien als Verwaltungsstrafbehörde 1. Instanz, wäre für die gewählte Vorgangsweise eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich. Die oben zit. Bestimmungen des Zustellgesetzes vermögen jedoch das in den Datenschutz eingreifende Verhalten der Behörde nicht zu tragen. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das von der Behörde anlässlich der Zustellung verwendete Formular 4/2 der Anlage zur Zustellformularverordnung 1982 einen derartigen, auf den Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes Bezug nehmenden Vermerk nicht vorsieht und diese Verordnung auch nicht als ein „Gesetz“ im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 angesehen werden kann (vgl. zB dazu Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG, Kommentar, 2. Auflage, 12. EL, Anm. 16, und Jahnel, Datenschutzrecht, Rz 2/57). Aber auch die Bestimmung des § 5 ZustG, wonach die Zustellverfügung ua. die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten hat, vermag eine diesbezüglich geeignete gesetzliche Grundlage nicht darzustellen, zumal nicht nachvollzogen werden kann, warum für die Zustellung der auf dem RSb-Brief außen angebrachte Vermerk „Straferk.“ von Bedeutung sein sollte.
Dass für Mitarbeiter der Behörde und für die als Organe der Behörde bei der Zustellung tätigen Mitarbeiter der Österreichischen Post AG gesetzliche oder arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflichten gelten, vermag die Missachtung des in § 1 DSG 2000 verbrieften verfassungsmäßigen Grundrechtes auf Datenschutz nicht zu rechtfertigen, zumal dieser Schutz grundsätzlich auch in jenen Fällen gilt, in denen der Empfänger eines personenbezogenen Datums einer gesetzlichen oder arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt.
Der Beschwerde war daher spruchgemäß Folge zu geben, die entsprechenden Feststellungen waren gemäß § 31 Abs. 7 DSG 2000 zu treffen. Hinsichtlich der Wirkungen dieses Feststellungsbescheids wird auf § 40 Abs. 4 DSG 2000 verwiesen.