JudikaturDSB

K121.812/0006-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2012

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.

Folgende inhaltlich und sachverhaltsmäßig gleichen Bescheide sind am selben Tag (13. Juli 2012) ergangen:

GZ: K121.813/0006-DSK/2012

GZ: K121.814/0006-DSK/2012]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 13. Juli 2012 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Mag. Hugo Ä*** (Beschwerdeführer) aus X***, vertreten durch Mag. Erwin R***, Rechtsanwalt in **** Q***, vom 1. Februar 2012 (Einlangen bei der Datenschutzkommission), gegen das Bundesministerium für Inneres, Bundeskriminalamt (Beschwerdegegner), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge eines kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens (SOKO „****“, Zl. Z **** /1-II/BK****O, Observations-Zl. ****, Vorverfahren zum sogenannten „****prozess“, AZ: ****des Landesgerichts Wiener Neustadt), insbesondere durch Observation des Beschwerdeführers durch eine verdeckte Ermittlerin mit dem Decknamen (der Legende) „Henriette H****“ von April 2007 bis Juli 2008, wird entschieden:

- Die B e s c h w e r d e wird z u r ü c k g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen: § 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 6 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, und §§ 88 Abs. 2 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Partei

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer wandte sich, als Erstgenannter von insgesamt drei Beschwerdeführern, zunächst mit einer Beschwerde nach § 88 Abs. 2 SPG am 29. November 2010 an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (im Folgenden kurz: UVS Wien). Darin behauptete er eine Verletzung im Recht auf gesetzmäßiges Handeln der Sicherheitsbehörden dadurch, dass der Beschwerdeführer, als aktiver Tierschützer, strenger Veganer und Mitglied des „Vereins für *** Tierrechte“, Zielperson eines sicherheits- bzw. kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens (einer eigens eingerichteten „SOKO ****“) des Beschwerdegegners geworden sei, das im März 2010 zu einer Anklage gegen den Beschwerdeführer (u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation) und andere vor dem Landesgericht Wiener Neustadt geführt habe. Für diesen Zweck hätte der Beschwerdegegner – rechtswidrig – im April 2007 eine verdeckte Ermittlerin (im Folgenden kurz: VE) mit dem Decknamen „Henriette H****“ in den „Verein für *** Tierrechte“ eingeschleust, die sich bis zu ihrem Abzug im Juli 2008 an den politischen Vereinsaktivitäten beteiligt und darüber laufend Bericht erstattet hätte. Erst am 22. November 2010 habe der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Wiener Neustadt von diesen Fakten Kenntnis erlangt. Am 29. November 2010 erhob er deswegen Beschwerde an den UVS Wien.

Der UVS Wien leitete die Beschwerde – ohne bescheidförmigen Abspruch – am 26. Jänner 2012 (h.a. eingelangt am 1. Februar 2012) gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die Datenschutzkommission weiter. Im Begleitschreiben wird dazu ausgeführt, man stütze sich auf eine entsprechende Anregung des Beschwerdegegners, wonach hier § 90 SPG 2000 anzuwenden wäre, da „das verdeckte Eindringen in die Privatsphäre“ und das Ermitteln personenbezogener Daten „geradezu ein Charakteristikum verdeckter Ermittlungen“ darstelle. Im Übrigen sei das in Beschwerde gezogene Verfahren kriminalpolizeilicher Natur gewesen und habe sich „nur zum Schein auf das SPG gestützt“ , da die StPO damals noch keine entsprechenden Ermittlungsschritte vorgesehen habe. Eine Datenermittlung durch Anwendung oder Androhung von Befehls- oder Zwangsgewalt sei nicht einmal behauptet worden.

Die Datenschutzkommission trug dem Beschwerdeführer zunächst mit Schreiben vom 17. Februar 2012, GZ: DSK-K121.812/0002-DSK/2012, gemäß § 31 Abs. 3 und 4 DSG 2000 die Behebung verschiedener Inhaltsmängel auf und hielt ihm vor, seit dem Abschluss der Aktivitäten der VE, der im für den Beschwerdeführer günstigsten Fall mit 31. Juli 2008 anzunehmen sei, sei das Beschwerderecht in Folge Ablaufs der Präklusionsfrist gemäß § 34 Abs. 1 2. Fall DSG 2000 seit Ablauf des 31. Juli 2011 erloschen. Eine Verzögerung der Weiterleitung an die Datenschutzkommission gehe diesfalls gemäß § 6 Abs. 1 AVG 2000 zu Lasten des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer brachte darauf mit Schriftsatz vom 1. März 2012 vor, er halte weiterhin den UVS Wien für eigentlich zuständig, da das sicherheitsbehördliche Ermittlungsverfahren als eine Einheit zu betrachten sei. Würde man jeden Akt der Datenverwendung als begründend für die Zuständigkeit der Datenschutzkommission ansehen, bliebe für eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate nach § 88 Abs. 2 SPG praktisch kein Raum. Er führe die Beschwerde dennoch aus bzw. verbessere sie. Nunmehr behauptete er, erst am 3. Februar 2011 (dem letzten Einvernahmetag der VE in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Wiener Neustadt) Kenntnis von dem beschwerenden Ereignis erlangt zu haben. Er betrachte sich durch „Verdeckte Ermittlungen gegen“ den Beschwerdeführer „durch die verdeckte Ermittlerin mit dem Decknamen „Henriette H****“, sowie damit in Zusammenhang stehende und auch daran anschließende Erhebungen, Aufzeichnungen und Datenverarbeitungen und Unterlassungen der ordnungsgemäßen Information“ des Beschwerdeführers „über die erwähnten Verwaltungsakte bis zum heutigen Tag“ als beschwert. Er stütze dies auf die §§ 87 und 88 Abs. 2 SPG, eventualiter auch auf § 31 Abs. 3 Z 1 DSG 2000. So seien die von der VE ermittelten Daten nach Abschluss der Erhebungen „erst richtig“ verarbeitet und für Zwecke der Anklageerhebung und der Beweisführung vor Gericht verwendet worden, und würden, etwa in Form eines DNA-Profils des Beschwerdeführers, bis heute gespeichert. Da dies teilweise noch andauere, sei auch die Dreijahresfrist gewahrt.

B. Sachverhaltsfeststellungen

Der Beschwerdeführer war von April 2007 bis Ende Juli 2008 Verdächtiger und Zielperson eines kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahrens (einer eigens eingerichteten „SOKO ****“) des Beschwerdegegners, die im März 2010 zu einer Anklage gegen den Beschwerdeführer (u.a. wegen Beteiligung als Mitglied in einer kriminellen Organisation, § 278a StGB) und andere vor dem Landesgericht Wiener Neustadt führte. Anlass waren kriminalpolizeiliche Ermittlungen nach verschiedenen Straftaten (u.a. Sachbeschädigungen und Anschläge gegen Mitarbeiter eines Unternehmens der Textilindustrie), für die unbekannte Täter im Kreise einer „A.L.F.“ (das Akronym wird meist als „Animal Liberation Front“/ „Tierbefreiungsfront“ gedeutet) gesucht wurden. Zu diesem Zweck schleuste der Beschwerdegegner im April 2007 eine VE mit dem Decknamen „Henriette H****“ in den „Verein für *** Tierrechte“ ein, die sich bis Juli 2008 an den politischen Vereinsaktivitäten beteiligte, in einer Mailingliste eingetragen war, u.a. heimlich DNA-Proben des Beschwerdeführers (durch Ansichbringen von leeren Wasserflaschen) sicherte, und über die Aktivitäten der im „Verein für *** Tierrechte“ organisierten Tierschützer gemeinsam mit Chefinspektor Egon D*** vom Bundeskriminalamt laufend Bericht erstattete. Die solcherart gewonnenen Informationen bildeten später die Grundlagen für Untersuchungshaft und Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer. Bis zum Ende des Einsatzes der VE wurde die Staatsanwaltschaft nicht mit diesem Ermittlungsverfahren befasst.

Erst am 22. November 2010 erlangte der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Wiener Neustadt davon Kenntnis, dass eine VE im Einsatz war, bis 3. Februar 2011 sagte die VE dann an mehreren Verhandlungstagen über ihre Wahrnehmungen als Zeugin vor Gericht aus (der Beschwerdeführer ist in erster Instanz von allen Anklagepunkten freigesprochen worden, das Urteil ist teilweise in Rechtskraft erwachsen).

Bereits am 29. November 2010 erhob er deswegen Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 3 B-VG und § 88 Abs. 2 SPG an den UVS Wien. Dieser leitete die Beschwerde am 26. Jänner 2012 gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die Datenschutzkommission weiter, wo sie am 1. Februar 2012 eingelangt ist.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf vom UVS Wien und vom Beschwerdeführer (mit den vorliegenden Schriftsätzen) vorgelegten Aktenkopien (so u.a. die Stellungnahme des Beschwerdegegners vor dem UVS Wien vom 10. Februar 2011, Zl. BMI-***BK/*/2011), auf dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers sowie nicht aktenkundigen, aber allgemein bekannten Tatsachen (hinsichtlich des Ausgangs des sogenannten „****prozesses“). Hinsichtlich des Zeitpunkts der Kenntnisnahme vom Einsatz der VE wird dem ursprünglichen Vorbringen in der UVS-Beschwerde vom 29. November 2010 gefolgt. Das ergänzende Vorbringen vom 1. März 2012, erst später (am letzten Tag der Einvernahme der VE) von den „beschwerenden Tatsachen“ erfahren zu haben, steht in deutlichem Widerspruch zum eigenen Handeln des Beschwerdeführers, der bereits Ende November 2010 den UVS Wien angerufen hatte, was wohl zwingend eine Kenntnis der dort vorzubringenden Fakten bedingt.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1, 2 und 5 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) […] (4)

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

§ 31 Abs. 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Beschwerde an die Datenschutzkommission

§ 31 . (1) […]

(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.“

§ 34 Abs. 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Gemeinsame Bestimmungen

§ 34 . (1) Der Anspruch auf Behandlung einer Eingabe nach § 30, einer Beschwerde nach § 31 oder einer Klage nach § 32 erlischt, wenn der Einschreiter sie nicht binnen eines Jahres, nachdem er Kenntnis von dem beschwerenden Ereignis erlangt hat, längstens aber binnen drei Jahren, nachdem das Ereignis behauptetermaßen stattgefunden hat, einbringt. Dies ist dem Einschreiter im Falle einer verspäteten Eingabe gemäß § 30 mitzuteilen; verspätete Beschwerden nach § 31 und Klagen nach § 32 sind zurückzuweisen.“

§ 22 Abs. 3 SPG lautete samt Überschrift idF BGBl. I Nr. 104/2002 bis 31. Dezember 2007:

„Vorbeugender Schutz von Rechtsgütern

§ 22 . (1) Den Sicherheitsbehörden obliegt […]

(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die §§ 57 und 58 sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt.“

§ 22 Abs. 3 SPG lautet in der geltenden Fassung seit 1. Jänner 2008:

„Vorbeugender Schutz von Rechtsgütern

§ 22 . (1) Den Sicherheitsbehörden obliegt [...]

(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die §§ 53 Abs. 1, 53a Abs. 2 bis 4 und 6, 57, 58 und 58a bis d, sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt.“

§ 87 SPG lautet samt Überschrift:

„Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher

Maßnahmen

§ 87 . Jedermann hat Anspruch darauf, daß ihm gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht.“

§ 88 SPG lautet samt Überschrift:

„Beschwerden wegen Verletzung subjektiver

Rechte

§ 88 . (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG).

(2) Außerdem erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

(3) Beschwerden gemäß Abs. 1, die sich gegen einen auf dieses Bundesgesetz gestützten Entzug der persönlichen Freiheit richten, können während der Anhaltung bei der Sicherheitsbehörde eingebracht werden, die sie unverzüglich dem unabhängigen Verwaltungssenat zuzuleiten hat.

(4) Über Beschwerden gemäß Abs. 1 oder 2 entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g und 79a AVG.“

§ 90 SPG lautet samt Überschrift:

„Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über

den Datenschutz

§ 90 . Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“

§ 6 Abs. 1 AVG lautet:

§ 6 . (1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Die vorliegende Beschwerde erweist sich wegen Unzuständigkeit der Datenschutzkommission als unzulässig.

fehlende Zuständigkeit der Datenschutzkommission

Da rein faktisch inzwischen jedes behördliche Ermittlungsverfahren mit der regelmäßig automationsunterstützten Verwendung personenbezogener Daten verbunden ist, muss auf die speziellen rechtlichen Charakteristika der in Beschwerde gezogenen Handlungen und der als verletzt bezeichneten Rechte abgestellt werden, um zu sinnvollen und sachgerechten Zuständigkeitsabgrenzungen zu gelangen. Andernfalls würde man regelmäßig zu einer Beinahe-Allzuständigkeit der Datenschutzkommission gelangen, die gleichzeitig, wie vom Beschwerdeführer zutreffend angemerkt, mit einer Entwertung anderer Rechtsschutzverfahren, wie des Beschwerderechts nach § 88 Abs. 2 SPG, Hand in Hand gehen müsste.

Aus der Tatsache allein, dass in einem Behördenverfahren personenbezogene Daten, das heißt „Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist“ (§ 4 Z 1 DSG 2000), verwendet worden sind, kann daher noch keine Zuständigkeit der Datenschutzkommission abgeleitet werden.

Seit Inkrafttreten der DSG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 133/2009, am 1. Jänner 2010 ist überdies zu beachten, dass datenschutzrechtlich relevante Handlungen, die ein Staatsorgan „im Dienste der Gerichtsbarkeit“ vornimmt, nicht mehr der Kognition der Datenschutzkommission unterliegen (funktionaler Organbegriff, vgl. RV, 472 BlgNR XXIV GP, 13).

Dies trifft insbesondere auf die gesamte „Datensammlung“ zu, die Organe der Kriminalpolizei für Zwecke einer späteren strafrechtlichen Anklage über das Handeln natürlicher oder juristischer Personen vornehmen (das kriminalpolizeiliche Ermittlungsverfahren gemäß 2. Hauptstück der StPO in der seit 1. Jänner 2008 gemäß BGBl. I Nr. 19/2004 anzuwendenden Fassung). Es handelt sich, so § 18 Abs. 1 SPG, um Tätigkeiten und „Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG)“ . Da die Staatsanwälte und mit ihnen auch die Staatsanwaltschaften gemäß Art. 90a B-VG zu den Organen der Gerichtsbarkeit zählen, ist auch kriminalpolizeiliche Arbeit im Ermittlungsverfahren unter Leitungs- und Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft und des zuständigen Gerichts (§§ 20 Abs. 1 und 99 Abs. 1 StPO) eine Tätigkeit „im Dienste der Gerichtsbarkeit“ . Schon der im Beschwerdefall zeitlich bereits im ersten Teil der Tätigkeit der VE (bis 1. Jänner 2008) anwendbare § 22 Abs. 3 SPG legte fest, dass Ermittlungen gegen bestimmte, einer Straftat für verdächtig erachtete Personen, nach den Bestimmungen der StPO zu führen sind, demnach nicht zur eigentlichen Sicherheitsverwaltung zählen.

Die Datenermittlung betreffend bestimmte Verdächtige für Zwecke kriminalpolizeilicher Ermittlungsverfahren kann daher zwar grundsätzlich gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000 nicht vor der Datenschutzkommission angefochten werden (seit 1. Jänner 2008 war hier jedoch gemäß § 106 Abs. 1 iVm § 514 Abs. 1 StPO wegen Verletzung subjektiver Rechte im Ermittlungsverfahren der Rechtsbehelf des Einspruchs beim zuständigen Strafgericht möglich, allerdings nur insoweit, als eine Ermittlungsmaßnahme unter Verletzung der StPO angeordnet oder durchgeführt wurde und nach § 107 StPO das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen worden ist).

Die vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.281/2010 vorgenommene Auslegung von § 106 Abs. 1 StPO betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate von jener der Gerichte und nicht die Zuständigkeit der Datenschutzkommission, die nach § 31 Abs. 2 DSG 2000 zu beurteilen ist. Aus dem Erkenntnis ergibt sich, dass Beschwerden über polizeiliches Handeln im Dienste der Strafjustiz, das die Sicherheitsbehörde „aus eigener Macht“ setzt (Fehlen oder Überschreiten einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung), aufgrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltentrennung nicht in die Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit fallen.

Im vorliegenden Fall war der Einsatz der VE nicht durch eine entsprechende Anordnung der Staatsanwaltschaft gedeckt. Der Beschwerdegegner rechtfertigt seine Vorgangsweise jedenfalls nicht mit der Behauptung, einem Auftrag der Staatsanwaltschaft entsprochen zu haben, sondern verweist lediglich auf die kriminalpolizeiliche Natur des Verfahrens. Vor diesem Hintergrund sind die vom Beschwerdeführer beanstandeten Aktivitäten der VE grundsätzlich als der Exekutive zurechenbare Verwaltungsakte im Sinne des Art 20 Abs. 1 B-VG anzusehen.

Schon aus der Natur eines verdeckten Einsatzes aber auch aus dem Parteienvorbringen ergibt sich, dass dabei keine Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt worden ist. Entsprechend § 88 Abs. 2 SPG sind die Unabhängigen Verwaltungssenate auch für Beschwerden von Personen zuständig, die behaupten, „auf andere Weise“ – als durch Befehls- und Zwangsgewalt – durch „die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein...“. Im Vergleich zu diesem allgemeinen Auffangtatbestand sind die Voraussetzungen für die Zuständigkeit der Datenschutzkommission nach § 90 SPG spezifischer und könnten abhängig von den Umständen des Falls als lex specialis angesehen werden. Demnach entscheidet die Datenschutzkommission gemäß § 31 DSG 2000 über Beschwerden wegen einer Rechtsverletzung durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes.

Der Beschwerdeführer lässt allerdings in Hinblick auf die Weiterleitung seiner Beschwerde vom UVS Wien an die Datenschutzkommission keinerlei Zweifel daran, dass Beschwerdekern gerade nicht ein datenschutzrechtliches Begehren ist. Er rügt vielmehr ausdrücklich einen Eingriff in sein subjektives Recht auf Gesetzmäßigkeit der Sicherheitsverwaltung gemäß § 87 iVm § 88 Abs. 2 SPG, welches Recht jedenfalls nicht vor der Datenschutzkommission geltend gemacht werden kann (ob der ursprünglich angerufene UVS Wien im Lichte des oben gesagten zuständig wäre, kann für die Datenschutzkommission dahingestellt bleiben). Überhaupt sieht der Beschwerdeführer offenkundig weniger sein Recht auf Geheimhaltung von Daten als vielmehr aufgrund des „durch Täuschung hergestellten persönlichen Kontaktes“ und der „Einschleichung in die Wohnung“ sein Privatleben, seine Eigentumsrechte sowie Ansprüche nach § 87 SPG auf sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur im gesetzlich zulässigen Umfang durch Handlungen des Beschwerdegegners als verletzt.

Für die Geltendmachung all dieser Rechte besteht keine Zuständigkeit der Datenschutzkommission.

Entsprechend der zuvor beschriebenen Ansichten wurde die Beschwerde auch auf § 88 SPG gestützt zunächst an den UVS Wien gerichtet und erst in der Folge an die Datenschutzkommission weitergeleitet. Begehren und Begründung des Beschwerdeführers konzentrieren sich durchwegs auf andere als datenschutzrechtliche Aspekte. Der Beschwerdeführer moniert auch in seinem ergänzenden Vorbringen vom 1. März 2012, dass die ursprünglich eingebrachte wie auch „die gegenständliche – auftragsgemäß verbesserte - Beschwerde sich nicht gegen die von der verdeckten Ermittlerin ausgehende Datenermittlung richtet“, sondern gegen die aus seiner Sicht SPG- und StPO - widrige Ermittlungsmethode. Für diese Rechtmäßigkeitsbeurteilung erachtet er den Unabhängigen Verwaltungssenat für zuständig.

Der Beschwerdeführer beanstandet daher auch im Sinne eines Eventualbegehrens nur formal – aber inhaltlich nicht weiter ausgeführt – die Rechtswidrigkeit von Datennutzungen, die durch die rechtswidrige Ermittlungsmethode erst ermöglicht worden seien. Wie eingangs ausgeführt, muss bei der Abgrenzung von § 88 Abs. 2 und § 90 SPG auf die beanstandeten Handlungen und die als verletzt erachteten Rechte abgestellt werden. Beides begründet im vorliegenden Fall nicht die Zuständigkeit der Datenschutzkommission. Im Übrigen wurde das Vorbringen über die Art und den Umfang der Verwendung von Daten vom Beschwerdeführer trotz Mängelbehebungsauftrag nicht weit genug konkretisiert, um in der Sache selbst entscheiden zu können.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde daher zurückzuweisen.

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