JudikaturDSB

K121.809/0009-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2012

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 13. Juli 2012 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde der Hermi Ä***(Beschwerdeführerin) aus Innsbruck, vertreten durch Mag. Jaro B***, Rechtsanwalt in Innsbruck, vom 23. Jänner 2012 (samt Ergänzung vom 6. Februar 2012) gegen die Bundespolizeidirektion Innsbruck (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung in den Rechten auf Geheimhaltung und Löschung durch Verwendung früherer Eintragungen im PAD und EKIS im Zuge einer Amtshandlung am 21. Jänner 2012 wird entschieden:

2. Im Ü b r i g e n wird die B e s c h w e r d e abgewiesen.

Rechtsgrundlagen: §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 und 3, 8 Abs. 4, 26 Abs. 1, 27 Abs. 1 und 31 Abs. 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, iVm §§ 1, 2, 3, 16 Abs. 2, 35, 57 Abs. 1 Z 6 und Abs. 3 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2011.

B e g r ü n d u n g

A. Vorbringen der Parteien

Die durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin behauptet in ihrer vom 23. Jänner 2012 datierenden, am selben Tag per Telefax bei der Datenschutzkommission eingelangten und mit Schreiben vom 6. Februar 2012 verbesserten Beschwerde eine Verletzung in folgenden Rechten:

„1. Dass ihre Daten nur nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verwendet werden;

2. Dass ihre Daten anlässlich der Amtshandlung wegen Lärmerregung nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiterverarbeitet werden, ohne dass es sich dabei um eine Weiterverwendung für wissenschaftliche oder statistische Zwecke gehandelt hätte;

3. dass die Daten für die Identitätsfeststellung und die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Lärmerregung verwendet wurden, obwohl sie für diesen Zwecke nicht wesentlich sind und deren Speicherung und Verwendung über diesen Zweck hinausgehen;

4. Dass die Einträge betreffend Drogen und Zuhälterei so verwendet werden, dass sie im Hinblick auf den Verwendungszweck im Ergebnis sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind, weil die Beschwerdeführerin im Zuhältereiverfahren Opfer war und im Verfahren wegen Drogen eine rechtskräftige Einstellung des Verfahrens längst vorgelegen ist.“

Die Beschwerdeführerin bzw. der sie vertretende Rechtsanwalt stellte den

„ANTRAG

festzustellen, dass die Beschwerdeführerin durch die aktuelle Speicherung, unterlassene Löschung und den Abruf der Daten aus früheren Ermittlungsverfahren wegen Zuhälterei und Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz in ihrem Recht auf Datenschutz verletzt wurde.“

Dazu brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei in der Nacht vom 20. auf den 21. Jänner 2012 von Beamten der Beschwerdegegnerin in einer Diskothek in der *** in Innsbruck in alkoholisiertem Zustand betreten und wegen des Verdachts der strafbaren Lärmerregung auf die Polizeiinspektion (kurz: PI) Q*** gebracht worden. Dort sei eine Identitätsfeststellung erfolgt. Im Zuge der Aufnahme der Personendaten der Beschwerdeführerin hätten die Polizeibeamten „nach Einsicht in ihre Rechner“ erwähnt, dass betreffend die Beschwerdeführerin Daten mit Bezug auf „Drogen“ und „Zuhälterei“ gespeichert seien. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin einmal wegen eines Drogendelikts und in einer Strafsache wegen Zuhälterei als Zeugin bzw. Opfer ausgesagt. Beide Verfahren seien längst abgeschlossen. Am nächsten Tag habe die Beschwerdeführerin auf der PI Q*** Auskunft verlangt. Ihr sei diese aber verweigert bzw. nur mitgeteilt worden, dass sie wegen Prostitution nach dem Landespolizeigesetz bestraft worden sei. Wegen der Verweigerung der Auskunft habe sie – so die Beschwerdeführerin auf Vorhalt der Datenschutzkommission – ein Löschungsbegehren für aussichtslos erachtet.

Die Beschwerdegegnerin brachte am 29. Februar 2012, insbesondere durch einen im Zuge interner Ermittlungen erstellten Bericht des Stadtpolizeikommandos Innsbruck, einen Auszug der KPA-Vormerkungen der Beschwerdeführerin und eine Kopie der gegen die Beschwerdeführerin eingebrachten (Verwaltungsstraf ) Anzeige vom 21. Jänner 2012, vor, die Beschwerdeführerin sei in den frühen Morgenstunden des 21. Jänner 2012 vor einem Lokal in Innsbruck, * Straße 18, nach einem Assistenzersuchen des dortigen Türstehers in vermutlich stark alkoholisiertem Zustand angetroffen worden. Sie habe von den einschreitenden Beamten, die in Uniform, aber mit einem zivilen Dienstfahrzeug an den Vorfallsort gekommen waren, nach Streitschlichtung verlangt, sie im Auto mitzunehmen, nach abschlägiger Entscheidung aber begonnen, die Beamten laut als „Arschlöcher“ zu beschimpfen, diese zu stoßen und laut zu schreien. Auf Abmahnungen und die Aufforderung, sich auszuweisen, habe sie nicht reagiert, sodass ihre Festnahme gemäß § 35 VStG ausgesprochen und die Beschwerdeführerin auf die PI Q*** gebracht wurde. Dort sei es nicht gelungen, einen Alkomattest mit der Beschwerdeführerin durchzuführen, die weiterhin lautstark herumgeschrieen und die Aufforderungen der Beamten mit Worten wie „Verpiss dich!“ beantwortet habe. Wegen einer auffallenden Blaufärbung im Mundbereich habe man die Beschwerdeführerin auch nach Suchtgift gefragt und eine freiwillig gestattete Nachschau in deren Handtasche durchgeführt, die nichts Verdächtiges ergeben habe. Nach einem Telefonat mit einem Rechtsanwalt (Dr. B***) habe sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Führerschein ausgewiesen, worauf die Festnahme aufgehoben und die Beschwerdeführerin zum Verlassen der PI Q*** aufgefordert worden sei. Sie sei am selben Tag schriftlich zu GZ: A*/****/2012 beim Strafamt der Bundespolizeidirektion Innsbruck wegen Verdachts der Verwaltungsübertretungen nach § 82 SPG (Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht), § 1 Tiroler Landespolizeigesetz - TLPG (Lärmerregung) und § 11 TLPG (Anstandsverletzung) zur Anzeige gebracht worden. Im Zuge der Überprüfung der Identität der Beschwerdeführerin und wegen des äußeren Hinweises auf möglichen Suchtgiftgebrauch sei eine EKIS-Abfrage nach Daten der Beschwerdeführerin erfolgt, die vier Eintragungen wegen Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte im Zuständigkeitsbereich der Beschwerdegegnerin ergeben habe (aus Juli 2006 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung, aus November 2006 wegen Körperverletzung, aus April 2009 wegen Zuhälterei [Ermittlungen der Sicherheitsdirektion für Tirol – LKA] und aus Dezember 2010 wegen § 27 SMG). Eine Abfrage der PAD-Daten nach protokollierten Verfahrensdaten sei erst am nächsten Tag erfolgt, als sich die Beschwerdeführerin am 21. Jänner 2012 mittags nach der Amtshandlung erkundigt habe. Die anwesenden Beamten, andere als die Meldungsleger des nächtlichen Vorfalls, hätten dies so verstanden, dass die Beschwerdeführerin etwas über eine Anzeige von letzter Nacht wegen „Zuhälterei und Suchtgiftgesetz“ wissen wollte, dies im PAD überprüft und der Beschwerdeführerin versichert, dass es solche Ermittlungen nicht gebe, sondern nur solche wegen diverser Verwaltungsübertretungen.

Die Beschwerdeführerin hat nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens keine Stellungnahme mehr abgegeben (Zustellung am 13. März 2012 ausgewiesen).

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand im Kern die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin durch die im Zuge der Amtshandlungen am 21. Jänner 2012 erfolgten Datenabfragen (EKIS und PAD) in ihrem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger Daten verletzt hat, weiters, ob die Rechte der Beschwerdeführerin auf Auskunft oder Löschung verletzt wurden.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin wurde in den frühen Morgenstunden des 21. Jänner 2012 vor dem Lokal „****“ in Innsbruck, *** Straße **, nach einem Streit und einem Assistenzersuchen des dortigen Türstehers, von den Beamten der Streife „**00“, Inspektorin Susi D*** und Inspektor Heribert X***, in vermutlich stark alkoholisiertem Zustand angetroffen. Sie verlangte von den einschreitenden Beamten, die in Uniform, aber mit einem zivilen Dienstfahrzeug an den Vorfallsort gekommen waren, nach Streitschlichtung, sie im Auto mitzunehmen. Nach abschlägiger Entscheidung begann sie, die Beamten laut als „Arschlöcher“ zu beschimpfen, diese zu stoßen und laut zu schreien. Auf Abmahnungen und die Aufforderung, sich auszuweisen, reagierte sie nicht, sodass Inspektorin D*** ihre Festnahme gemäß § 35 VStG aussprach, worauf die Beschwerdeführerin auf die PI Q*** gebracht wurde. Dort gelang es nicht, einen Alkomattest mit der Beschwerdeführerin durchzuführen, die weiterhin lautstark herumschrie, protestierte und die Aufforderungen der Beamten mit Worten wie „Verpiss dich!“ beantwortete. Wegen einer auffallenden Blaufärbung im Mundbereich fragte man die Beschwerdeführerin auch nach Suchtgift und führte eine freiwillig gestattete Nachschau in deren Handtasche durch, die nichts Verdächtiges ergab. Bekannt waren zu diesem Zeitpunkt lediglich der Name und die nicht-österreichische Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin. Es wurde daher durch Inspektor Wörndle eine Abfrage des EKIS (Elektronisches kriminalpolizeiliches Informationssystem) durchgeführt, die folgende Identitätsdaten und Vormerkungen im kriminalpolizeilichen Aktenindex ergab:

Familienname: Ä***, geb. ***, früher ***

Vornamen: Hermi, früher *** ***

Geschlecht: WEIBLICH

Geburtsdatum: *9 1* 19**

Geburtsort: H*** UNGARN

Eltern: *** U ***

Staatsangeh.: UNGARN

Nach einem Telefonat mit einem Rechtsanwalt (vermutlich Mag. B***, der nunmehrige Beschwerdevertreter) wies sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Führerschein aus, worauf die Festnahme aufgehoben und die Beschwerdeführerin zum Verlassen der PI Q*** aufgefordert wurde. Sie wurde noch am selben Tag schriftlich zu GZ: A*/****/2012 beim Strafamt der Bundespolizeidirektion Innsbruck wegen Verdachts der Verwaltungsübertretungen nach § 82 SPG (Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht), § 1 Tiroler Landespolizeigesetz - TLPG (Lärmerregung) und § 11 TLPG (Anstandsverletzung) zur Anzeige gebracht.

Eine Abfrage des PAD nach protokollierten Verfahrensdaten erfolgte erst, als sich die Beschwerdeführerin am 21. Jänner 2012 mittags auf der PI Q*** nach der Amtshandlung erkundigte.

Die anwesenden Beamten, andere als die Meldungsleger des nächtlichen Vorfalls, verstanden dies so, dass die Beschwerdeführerin etwas über eine Anzeige von letzter Nacht wegen „Zuhälterei und Suchtgiftgesetz“ wissen wollte, überprüften dies im PAD (dem Aktenprotokollierungs- und Verfahrensdokumentationssystem der Bundespolizei) und versicherten der Beschwerdeführerin, dass es solche Ermittlungen nicht gebe, sondern nur solche wegen diverser Verwaltungsübertretungen.

Eine schriftliches Auskunfts- oder Löschungsbegehren betreffend eigene Daten wurde von der Beschwerdeführerin nicht gestellt.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der von der Beschwerdegegnerin mit Stellungnahme vom 29. Februar 2012, Zl. P*/****/2012, vorgelegten Urkundenkopien, insbesondere (hinsichtlich des Verlaufs der die Beschwerdeführerin betreffenden Amtshandlungen) auf die Sachverhaltsdarstellung in der Anzeige vom 21. Jänner 2012, Zl. A*/2****/2012 der PI Q***, auf den Bericht des Stadtpolizeikommandos Innsbruck vom 20. Februar 2012, GZ:

++++/****/2012-**, sowie die angeschlossenen Ausdrucke aus KPA und PAD. Andere Auskunftsbegehren, als jene anlässlich des Besuches der Beschwerdeführerin auf der PI Q*** zu Mittag nach dem Vorfall wurden weder behauptet, noch sind solche im Zuge des Ermittlungsverfahrens hervorgekommen.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 bis 4 lautet samt Überschrift:

„Grundrecht auf Datenschutz

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs. 3 sind nur unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen zulässig.“

§ 7 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“

§ 8 Abs. 4 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nicht-sensibler Daten

§ 8 . (1) [...] (3)

(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

§ 26 Abs. 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Auskunftsrecht

§ 26 . (1) Ein Auftraggeber hat jeder Person oder Personengemeinschaft, die dies schriftlich verlangt und ihre Identität in geeigneter Form nachweist, Auskunft über die zu dieser Person oder Personengemeinschaft verarbeiteten Daten zu geben. Mit Zustimmung des Auftraggebers kann das Auskunftsbegehren auch mündlich gestellt werden. Die Auskunft hat die verarbeiteten Daten, die Informationen über ihre Herkunft, allfällige Empfänger oder Empfängerkreise von Übermittlungen, den Zweck der Datenverwendung sowie die Rechtsgrundlagen hiefür in allgemein verständlicher Form anzuführen. Auf Verlangen eines Betroffenen sind auch Namen und Adressen von Dienstleistern bekannt zu geben, falls sie mit der Verarbeitung seiner Daten beauftragt sind. Wenn zur Person des Auskunftswerbers keine Daten vorhanden sind, genügt die Bekanntgabe dieses Umstandes (Negativauskunft). Mit Zustimmung des Auskunftswerbers kann anstelle der schriftlichen Auskunft auch eine mündliche Auskunft mit der Möglichkeit der Einsichtnahme und der Abschrift oder Ablichtung gegeben werden.“

§ 27 Abs. 1 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

„Recht auf Richtigstellung oder Löschung

§ 27 . (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar

2. auf begründeten Antrag des Betroffenen.

Der Pflicht zur Richtigstellung nach Z 1 unterliegen nur solche Daten, deren Richtigkeit für den Zweck der Datenanwendung von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit verwendeter Daten bewirkt nur dann einen Berichtigungsanspruch, wenn sich aus der Unvollständigkeit im Hinblick auf den Zweck der Datenanwendung die Unrichtigkeit der Gesamtinformation ergibt. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen, es sei denn, daß ihre Archivierung rechtlich zulässig ist und daß der Zugang zu diesen Daten besonders geschützt ist. Die Weiterverwendung von Daten für einen anderen Zweck ist nur zulässig, wenn eine Übermittlung der Daten für diesen Zweck zulässig ist; die Zulässigkeit der Weiterverwendung für wissenschaftliche oder statistische Zwecke ergibt sich aus den §§ 46 und 47.“

Die §§ 1 bis 3 SPG lauten samt Überschriften:

„Anwendungsbereich

§ 1 . Dieses Bundesgesetz regelt die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei.“

„Besorgung der Sicherheitsverwaltung

§ 2 . (1) Die Sicherheitsverwaltung obliegt den Sicherheitsbehörden.

(2) Die Sicherheitsverwaltung besteht aus der Sicherheitspolizei, dem Paß- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.“

„Sicherheitspolizei

§ 3 . Die Sicherheitspolizei besteht aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.“

§ 16 SPG idF BGBl. I Nr. 100/2005 lautete:

„Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;

Gefahrenerforschung

§ 16 . (1) Eine allgemeine Gefahr besteht

1. bei einem gefährlichen Angriff (Abs. 2 und 3) oder

2. sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz verbinden, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen (kriminelle Verbindung).

(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand

2. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder

(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.

(4) Gefahrenerforschung ist die Feststellung einer Gefahrenquelle und des für die Abwehr einer Gefahr sonst maßgeblichen Sachverhaltes.“

§ 35 SPG idF BGBl. I Nr. 114/2007 lautete samt Überschrift:

„Identitätsfeststellung

§ 35 (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt,

(2) Die Feststellung der Identität ist das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlaß gebotenen Verläßlichkeit zu erfolgen.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.“

§ 57 SPG idF BGBl. I Nr. 114/2007 lautete samt Überschrift (auszugsweise):

„Zentrale Informationssammlung; Zulässigkeit der Ermittlung

Verarbeitung und Übermittlung,

§ 57 . (1) Die Sicherheitsbehörden dürfen Namen, Geschlecht, frühere Namen, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnanschrift, Namen der Eltern und Aliasdaten eines Menschen ermitteln und im Rahmen einer Zentralen Informationssammlung samt dem für die Speicherung maßgeblichen Grund, einer allenfalls vorhandenen Beschreibung des Aussehens eines Menschen und seiner Kleidung und einem allenfalls erforderlichen Hinweis auf das gebotene Einschreiten für Auskünfte auch an andere Behörden verarbeiten, wenn

[...]

(2) Wenn der Zweck einer Datenverarbeitung nicht in der Speicherung von Personendatensätzen gemäß Abs. 1 besteht, dürfen die Sicherheitsbehörden Namen, Geschlecht, Geburtsdatum sowie Geburtsort und Wohnanschrift von Menschen erfassen und zusammen mit Sachen oder rechtserheblichen Tatsachen im Rahmen der Zentralen Informationssammlung für Auskünfte auch an andere Behörden speichern, sofern dies für die Erreichung des Zweckes der Datenverarbeitung erforderlich ist.

(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, die von ihnen in der Zentralen Informationssammlung gespeicherten Daten zu benützen. Übermittlungen der gemäß Abs. 1 und Abs. 2 verarbeiteten Daten sind an Behörden für Zwecke der Sicherheitsverwaltung und der Strafrechtspflege zulässig und Übermittlungen der gemäß Abs. 1 verarbeiteten Daten sind an Behörden in Angelegenheiten der Verleihung (Zusicherung) der Staatsbürgerschaft zulässig. Im Übrigen sind Übermittlungen nur zulässig, wenn hiefür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

a) Beschwerden wegen Verletzung des Löschungs- oder Auskunftsrechts

Diese Beschwerden sind offenkundig unbegründet bzw. ist das diesbezügliche Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin nicht geeignet, eine Verletzung in den diesbezüglichen Rechten darzustellen.

Dazu fehlt es an einer deutlichen Darlegung der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ein schriftliches Auskunfts- oder Löschungsbegehren an die Beschwerdegegnerin gestellt und diese selbiges nicht oder abschlägig beantwortet hat. Betreffend ein Löschungsbegehren fehlt eine solche Behauptung überhaupt, hinsichtlich eines Verlangens nach Auskunft konnten die sachverhaltsmäßigen Feststellungen getroffen werden, die nur den Schluss zulassen, dass die Beschwerdeführerin einige Stunden nach der Amtshandlung wissen wollte, ob nur aktuell neuerlich auf Grund des nächtlichen Vorfalles gegen sie wegen Zuhälterei und Suchtmitteldelikten ermittelt würde. Dies kann als allgemeines mündliches Auskunftsbegehren, aber nicht als spezielles Auskunftsbegehren gemäß § 26 Abs. 1 DSG 2000 gedeutet werden. Im Übrigen bedarf ein nur mündlich gestelltes Auskunftsbegehren zu seiner Wirksamkeit gemäß § 26 DSG 2000 der Zustimmung des AGs, die diesfalls nicht vorliegt.

Hinsichtlich der Löschung von Daten kann eine Verletzung in diesem subjektiven Recht, schon im Hinblick auf die Präklusionsregel des § 34 Abs. 1 DSG 2000, nur nach Geltendmachung desselben beim jeweils im Einzelfall für die Daten datenschutzrechtlich verantwortlichen Auftraggeber erfolgen.

Eine Verletzung im Recht auf Löschung ist nur dann möglich, wenn der Betroffene an den Auftraggeber ein Löschungsbegehren nach § 27 Abs. 1 Z 2 DSG 2000 gerichtet hat (Bescheid der Datenschutzkommission vom 20. 5. 2005, GZ: K121.002/0008- DSK/2005, RS1, RIS).

b) Verletzung im Recht auf Geheimhaltung

Dieser Teil des Beschwerdevorbringens hat sich als berechtigt erwiesen.

Die Beschwerdeführerin war zu keinem Zeitpunkt der Amtshandlung eines gefährlichen Angriffs gemäß § 16 Abs. 2 SPG verdächtig ; die Nachschau in ihren Effekten im Hinblick auf ein mögliches Suchtmitteldelikt blieb ja ergebnislos. Die übrigen Anzeichen (Blaufärbung der Lippen) waren für einen entsprechenden Anfangsverdacht zu unbestimmt.

Betreffend die Beschwerdeführerin wurden aber jedenfalls am 21. Jänner 2012 mehrere Datensätze gemäß § 57 Abs. 1 Z 6 SPG betreffend frühere oder noch laufende kriminalpolizeiliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts gerichtlich strafbarer Handlungen verarbeitet.

§ 57 Abs. 3 Satz 2 SPG beschränkt die Übermittlung von Daten der Zentralen Informationssammlung (hier durch Zweckänderung gemäß § 4 Z 12 DSG 2000) auf Zwecke der Sicherheitsverwaltung und der Strafrechtspflege. Der einzige hier in Frage kommende Übermittlungszweck jedoch war die Identitätsfeststellung der Beschwerdeführerin als Beschuldigte nach drei möglichen Verwaltungsübertretungen.

Die Ermächtigung zur Identitätsfeststellung gemäß § 35 SPG war auf diesen Sachverhalt nicht anwendbar, woraus bereits indirekt e contrario folgt, dass kein Fall einer sicherheitspolizeilichen Identitätsfeststellung vorlag. Das Verwaltungsstrafwesen gehört nicht zur „Aufrechterhaltung der allgemeinen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ iSd § 3 SPG und ist auch kein sonstiges Aufgabengebiet der Sicherheitsverwaltung gemäß § 2 Abs. 2 SPG.

Das VStG regelt eine Identitätsfeststellung nicht.

§ 8 Abs. 4 Z 2 DSG 2000 ermächtigt zur Verwendung strafrechtlich relevanter Daten, wenn dies für „Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe ist“.

Selbst wenn man diese Bestimmung für anwendbar hielte, schlägt eine Abwägung gemäß § 7 Abs. 3 SPG hier aber zu Ungunsten der Beschwerdegegnerin aus.

Für eine Identitätsfeststellung zwecks Erstattung einer hinsichtlich der Person der Beschuldigten abgesicherten Verwaltungsstrafanzeige hätte es, in Kenntnis des Namens der Beschuldigten, ausgereicht, nach Meldedaten der Beschwerdeführerin zu suchen oder die Beschwerdeführerin, wie dies letztlich auch geschehen ist, noch deutlicher darauf hinzuweisen, dass durch eine Ausweisleistung sowie die Einstellung des strafbaren Verhaltens auch die Festnahmegründe (§ 35 Z 1 und 3 VStG) wegfallen würden.

Die Kenntnis von möglichen früheren kriminalpolizeilichen Verdachtsfällen war hier für den zu verfolgenden Zweck, die eindeutige, gesicherte Identifizierung der Beschwerdeführerin, nicht von entscheidendem Nutzen und damit keine wesentliche Voraussetzung für die Aufgabenerfüllung. Aus einem KPA-Eintrag lassen sich nämlich keine Daten ablesen, die eine Übereinstimmung des gefundenen Personendatensatzes mit der Beschwerdeführerin ermöglichten. Dazu hätte wiederum ein Lichtbildausweis oder eine andere, der Beschwerdeführerin gesichert zugeordnete Abbildung, zu Vergleichszwecken herangezogen oder ein Identitätszeuge befragt werden müssen.

Daraus folgt, dass die Abfrage der KPA-Daten nicht rechtmäßig erfolgt ist.

Es waren daher die spruchgemäßen Feststellungen zu treffen.

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