K202.109/0003-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. BLAHA, Mag. ZIMMER, Mag. MAITZ-STRASSNIG und Dr. GUNDACKER sowie der Schriftführerin Mag. HAJICEK in ihrer Sitzung vom 18. April 2012 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über den Antrag der W*** Gesellschaft – österreichische Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, W*** Institut für COPD und Pneumologische Epidemiologie (Antragstellerin), aus Wien vom 12. Oktober 2011 auf Genehmigung einer Stichprobe aus dem Zentralen Melderegister und die nachfolgende Verwendung dieser Daten im Rahmen der Austrian **** Study wird entschieden:
Rechtsgrundlagen: § 46 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 und § 47 Abs. 4 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Antragstellerin und Sachverhalt
Die Antragstellerin brachte in dem vom 12. Oktober 2011 datierenden und am 13. Oktober 2011 per E-Mail bei der Datenschutzkommission eingelangten Antrag vor, die Durchführung einer epidemiologischen Studie, bezeichnet als „Austrian **** Study“ (**** = Akronym für ****) zu planen. Forschungsgegenstand sei insbesondere der Verlauf der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD = chronic obstructive pulmonary disease). Der natürliche Verlauf dieser Krankheit sei bisher nur unzureichend erforscht. Ziel der Austrian **** Study sei es, a) den natürlichen Verlauf der Lungenfunktion in Abhängigkeit vom Alter in einer repräsentativen österreichischen Population zu untersuchen, b) die Prävalenz der COPD und die Entstehung/Progredienz der wichtigsten pulmonalen Symptome (Husten, Auswurf und Atemnot) zu evaluieren, c) die Prävalenz der wichtigsten Komorbiditäten der COPD (z.B. kardiovaskulär, metabolisch und kognitiv) zu erfassen und d) den Einfluss sozioökonomischer Faktoren, eventuell bestehender Komorbiditäten und der Exposition gegenüber inhalativer Schadstoffe auf den natürlichen Abfall der Lungenfunktion über die Zeit zu analysieren. An der Studie bestehe auch ein näher dargelegtes wichtiges öffentliches Interesse. Dazu werde eine repräsentative Stichprobe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen benötigt, für die (laut einem dem Antrag als Beilage angeschlossenen „Rekrutierungsprogramm“) in Phase I der Studie in sechs Wiener Gemeindebezirken und sechs niederösterreichischen Landgemeinden als zukünftige Probandinnen und Probanden rekrutiert werden sollen. Die dafür erforderlichen Daten sollen durch das Bundesministerium für Inneres aus dem Datenbestand des Zentralen Melderegisters ermittelt werden. Vorgesehen ist in Phase I ein Versand von Einladungsschreiben an 80.000 Betroffene in Wien und 20.000 in Niederösterreich, wodurch bei einer angenommenen Rücklaufquote von 10 Prozent die erhofften 10.000 Probandinnen und Probanden rekrutiert werden sollen.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Antrag sowie aus öffentlich zugänglichen, allgemein verfügbaren Daten (Homepage der W***-Gesellschaft, http://www.***.ac.at).
B. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
§ 46 und 47 DSG 2000 lauten samt Überschriften:
„ Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46 . (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.
(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten nur
verwendet werden.
(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn
Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.
(3a) Einem Antrag nach Abs. 3 ist jedenfalls eine vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsbefugten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (§ 367 Abs. 1 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.
(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.
(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.
Zurverfügungstellung von Adressen zur Benachrichtigung und Befragung von Betroffenen
§ 47 . (1) Soweit gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, bedarf die Übermittlung von Adreßdaten eines bestimmten Kreises von Betroffenen zum Zweck ihrer Benachrichtigung oder Befragung der Zustimmung der Betroffenen.
(2) Wenn allerdings angesichts der Auswahlkriterien für den Betroffenenkreis und des Gegenstands der Benachrichtigung oder Befragung eine Beeinträchtigung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen unwahrscheinlich ist, bedarf es keiner Zustimmung, wenn
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor und würde die Einholung der Zustimmung der Betroffenen gemäß Abs. 1 einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, ist die Übermittlung der Adreßdaten mit Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß Abs. 4 zulässig, falls die Übermittlung an Dritte
erfolgen soll.
(4) Die Datenschutzkommission hat auf Antrag eines Auftraggebers, der Adressdaten verarbeitet, die Genehmigung zur Übermittlung zu erteilen, wenn der Antragsteller das Vorliegen der in Abs. 3 genannten Voraussetzungen glaubhaft macht und überwiegende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen der Übermittlung nicht entgegenstehen. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten als Auswahlkriterium, notwendig ist.
(5) Die übermittelten Adreßdaten dürfen ausschließlich für den genehmigten Zweck verwendet werden und sind zu löschen, sobald sie für die Benachrichtigung oder Befragung nicht mehr benötigt werden.
(6) In jenen Fällen, in welchen es gemäß den vorstehenden Bestimmungen zulässig ist, Namen und Adresse von Personen, die einem bestimmten Betroffenenkreis angehören, zu übermitteln, dürfen auch die zum Zweck der Auswahl der zu übermittelnden Adreßdaten notwendigen Verarbeitungen vorgenommen werden.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Entgegen der Annahme der Anstragstellerin kann das beschriebene Vorhaben nicht auf § 46 Abs. 3 DSG 2000, die Genehmigung der Datenverwendung für Zwecke wissenschaftlicher Forschung, gestützt werden. Eine solche würde erst beginnen, sobald Probandinnen und Probanden rekrutiert und deren medizinische Daten für Zwecke der „Austrian **** Study“ verarbeitet würden.
(Wie bei den meisten derartigen medizinischen Forschungsvorhaben wäre es in diesem Fall, da die Teilnahme auf Freiwilligkeit des entsprechend informierten Probanden beruhen würde, problemlos möglich, dessen Zustimmung einzuholen. Damit wäre gemäß § 46 Abs. 2 Z 2 DSG 2000 die Datenverwendung auch ohne Genehmigung der Datenschutzkommission möglich.)
Gegenstand des Antrages in dieser Frühphase des Projektes ist nicht die Datenverwendung für Zwecke der medizinischen Forschung, sondern die Zurverfügungstellung von Adressdaten zur Rekrutierung von Probandinnen und Probanden durch Versand entsprechender Aufforderungsschreiben nach einem vom Antragsteller ausgearbeiteten Verarbeitungsschema („Rekrutierungsplan“).
Dieser Tatbestand fällt jedoch unter § 47 DSG 2000. Die Antragstellerin ist im gegebenen Zusammenhang gesetzlich jedoch nicht berechtigt (im prozessrechtlichen Sinne: aktiv legitimiert), einen Antrag gemäß § 47 Abs. 4 DSG 2000 zu stellen. Der Gesetzgeber hat dieses Recht nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung dem datenschutzrechtlichen Auftraggeber vorbehalten, der die Daten für die Benachrichtigung oder Befragung der Betroffenen zur Verfügung stellt, das heißt die Daten im Endeffekt an den oder die durch den beantragten Bescheid begünstigten Datenempfänger übermitteln soll (arg. „Die Datenschutzkommission hat auf Antrag eines Auftraggebers, der Adressdaten verarbeitet , die Genehmigung zur Übermittlung zu erteilen“). Auf die inhaltliche Beurteilung des Vorhabens bzw. dessen Genehmigungsfähigkeit kommt es bei dieser Eingangsfragestellung des Verfahrens noch gar nicht an.
Der Antrag war daher spruchgemäß zurückzuweisen.
Eine Vorschreibung von (Eingabe ) Gebühren entfällt im Hinblick auf § 2 Z 3 GebG und den wissenschaftlichen Zweck der beabsichtigten Datenverwendung