JudikaturDSB

K121.750/0003-DSK/2012 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2012

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HEILEGGER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. HILD in ihrer Sitzung vom 24. Februar 2012 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des M*** in *** (Beschwerdeführer), vertreten durch L*** Rechtsanwälte, vom 23. August 2011 (ha. eingelangt am 25. August) gegen das Stadtjugendamt des Magistrats der Stadt *** (Beschwerdegegner), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wird entschieden:

- Die Beschwerde wird a b g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1 und 2 und § 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 102 Außerstreitgesetz (AußStrG), BGBl I Nr 111/2003 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien

1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner im Zuge eines Verfahrens zur Feststellung der Höhe der Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers in einem Schreiben vom 11. Oktober 2010 (welches der Beschwerde beiliegt) an den Dienstgeber des Beschwerdeführers, die Y*** Gesellschaft mbH, betreffend die Höhe seines Einkommens, den Vor- und Zunamen sowie das Geburtsdatum des Unterhaltsberechtigten genannt hat. Die Zulässigkeit zur Einholung von derartigen Auskünften werde dabei nicht in Frage gestellt. Mit der Nennung des vollen Namens und des Geburtsdatums des Unterhaltsberechtigen sei aber sowohl für den Arbeitgeber des Beschwerdeführers selbst als auch für einen unbestimmten Kreis von Mitarbeitern und Arbeitskollegen die Unterhaltspflicht ersichtlich und könnten Rückschlüsse daraus gezogen werden, ob es sich beim Unterhaltsberechtigten um ein eheliches, voreheliches oder außereheliches Kind handle. Ein Vertraulichkeitsvermerk fehlte auf dem Schreiben ebenso. Der Beschwerdeführer fühlte sich in seinem Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG 2000 verletzt und beantragte, die Datenschutzkommission möge mit Bescheid feststellen, dass er durch das Schreiben des Beschwerdegegners zu GZ ***** vom 11. Oktober 2010 in seinem im DSG 2000 verankerten Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt wurde.

2. In seiner Stellungnahme vom 9. September 2011 bestritt der Beschwerdegegner den Sachverhalt nicht und verwies darauf, dass das bezogene Schreiben vom 11. Oktober 2010 auf Grundlage von § 102 Abs. 2 und 3 AußStrG ergangen sei. Potenziell könnten damit Geheimhaltungsinteressen des Kindes selbst verletzt sein, solche Interessen (nämlich die Geheimhaltung des Umstandes, wer sein Vater sei) sehe der Beschwerdegegner als Vertreter des Kindes aber als nicht gegeben an, weshalb der Kindesname im Schreiben genannt worden sei. Es sei unvermeidlich, dass bei einer Anfrage iSd § 102 Abs. 2 AußStrG an den Arbeitgeber des Unterhaltspflichtigen angegeben werde, dass es sich um die Unterhaltspflicht des Betroffenen handle. Da das Jugendamt als Vertreter gemäß § 212 Abs. 2 ABGB als Person des Privatrechts agiere, sei auch die im Verkehr mit anderen Personen des Privatrechts (wie der Arbeitgeber des Beschwerdeführers) geltende Verpflichtung, die Person des Vertretenen konkret zu nennen, einzuhalten. Die Bekanntgabe der Kinderdaten liege daher im überwiegenden berechtigten Interesse des Kindes und des Jugendwohlfahrtsträgers und sei für diesen für die Wahrnehmung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Kindesunterhaltsansprüche eine wesentliche Voraussetzung. Auch der Arbeitgeber dürfe Daten betriebsintern nicht ungehindert zur Kenntnis zu bringen.

Die Direktion des Magistrats der Stadt ***, über welche die Stellungnahme des Beschwerdegegners eingebracht wurde, ergänzte, dass es sich bei § 212 Abs. 2 ABGB um eine Vertretung ex lege handle, für die der Offenlegungsgrundsatz (Verweis auf 3 Ob 279/02d) gelte, dh dem Dritten müsse die Information zugänglich sein, dass der ihm Gegenüberstehende nicht für sich selbst, sondern für einen anderen handle. Aus einem Umkehrschluss zu 1 Ob 2322/96v ergebe sich jedenfalls, dass die Offenlegung dabei eine ausdrückliche sein dürfe. Dies mache im Interesse der Rechtssicherheit auch Sinn, da der Dritte im Fall der Forderungseinbringung auch wissen müsse, wer gegen wen einen Anspruch geltend mache und aus welchem Titel dies geschehe, da ja sonst jedermann mit einer beliebigen Behauptung solche Ansprüche geltend machen könne. Im Übrigen sei das DSG 2000 gar nicht einschlägig, weil die Information weder aus einer automationsunterstützten Datenanwendung gestammt habe noch eine sonstige Verwendung iSd DSG 2000 gewesen sei, sondern eine Informationsverpflichtung aus dem Wesen der Vertretung aus ABGB und somit eine verpflichtende Mitteilung aufgrund eines tatsächlich bestehenden Vertretungsverhältnisses darstelle, die schon in der Natur der Sache keiner Datenverarbeitung oder Verwendung bedürfe.

3. Im Parteiengehör bestritt der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. September 2011 die Notwendigkeit eines Hinweises und einer Offenlegung im Sinn des § 212 Abs. 2 ABGB, weil sich bereits aus § 102 Abs. 3 AußStrG, auf den im Schreiben vom 11. Oktober 2010 Bezug genommen worden sei, ergebe, dass der Beschwerdegegner gesetzlicher Vertreter des Pflegebefohlenen sei. Auch werde nicht die Rechtsansicht geteilt, dass für den Dienstgeber nicht klar wäre, wer gegen wen einen Anspruch geltend mache und aus welchem Titel, da Gegenstand des bezogenen Schreibens nicht die Klärung der Berechtigung von Forderungen und Unterhaltsansprüchen sei, sondern nur die Klärung der Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen. Der Dienstgeber dürfe die Auskunft auch nicht verweigern. Die Ausführungen des Beschwerdegegners vermögen ein rechtliches Interesse des Unterhaltsberechtigten daher nicht aufzuzeigen. Im Gegenteil würden die Nachteile überwiegen, neben den Argumenten in der Beschwerde komme hinzu, dass damit Lebensumstände preisgegeben würden, welche wegen des Bezuges zum Sexualleben des Beschwerdeführers als sensible Daten schützenswert seien. Es genüge daher, in Auskunftsersuchen an Dienstgeber unter Hinweis auf § 102 AußStrG auf eine Unterhaltspflicht ohne Nennung von Unterhaltsberechtigten hinzuweisen. Der Anwendungsbereich des DSG 2000 sei gegeben.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob ihn der Beschwerdegegner dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß DSG 2000 verletzt hat, indem er im Schreiben vom 11. Oktober 2010 zu GZ ***, an seinen Dienstgeber, die Y*** Gesellschaft mbH, im Betreff den vollen Namen sowie das Geburtsdatum seines unterhaltsberechtigten Sohnes genannt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist, per Urteil des Bezirksgerichts *** vom 12. Jänner 2003 rechtskräftig festgestellt, Vater des minderjährigen N*** und für diesen unterhaltspflichtig. Im Jahr 2010 beantragte die Kindesmutter eine Erhöhung des Unterhaltsbetrages. Mit Schreiben des Beschwerdegegners vom 27. September 2010 an den Beschwerdeführer (pA dessen rechtsanwaltliche Vertretung) wurde dieser unter Bezugnahme auf § 102 AußStrG aufgefordert, binnen 14 Tagen Nachweise über sein Einkommen in den letzten 12 Monaten an den Beschwerdegegner zu übermitteln.

Mit Schreiben der Vertreter des Beschwerdeführers vom 12. Oktober 2010 wurde in der Folge der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 übermittelt und jener für das Jahr 2009, da damals noch nicht vorliegend, in Aussicht gestellt.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 richtete der Beschwerdegegner folgendes, (soweit wesentlich) wörtlich wiedergegebenes Schreiben an den sich aus einer Sozialversicherungsauskunft ergebenden Dienstgeber des Beschwerdeführers, die Y*** Ges.m.b.H.:

„Y*** GESELLSCHAFT M.B.H.

***-Straße 00

*0*0 ***

Zahl (bitte bei Antwortschreiben anführen)

*** 11.10.2010

Betreff

Unterhaltspflicht Ihres/r Dienstnehmers/in M***, geb. ***, gegenüber dem minderjährigen N***, geb. ***

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der minderjährige N*** wird hinsichtlich seiner / ihrer Unterhaltsansprüche vom X*** vertreten. In dieser Eigenschaft ersuchen wir, die beiliegenden Formulare betreffend den Lohn bzw. den Gehalt des / der Vorgenannten hinsichtlich des Zeitraumes der letzten 24 Monate bzw. seit Beschäftigungsbeginn auszufüllen … und innerhalb einer Woche zurück zu senden.

Auf Ihre gesetzliche Pflicht zur Auskunftserteilung wird hingewiesen. Sollten Sie diese Pflicht grob schuldhaft nicht erfüllen und uns bzw. dem von uns vertretenen Kind deshalb Verfahrenskosten entstehen, könnten Sie vom Gericht auf Antrag zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet werden. Rechtsgrundlage:

§§ 102 f. Außerstreitgesetz (BGBl I Nr. 111/2003).

…“

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen sind unbestritten und ergeben sich aus der Beschwerde und der Stellungnahme des Beschwerdegegners. Das bezogene Schreiben war der Beschwerde beigelegt.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung des § 1 DSG 2000 lautet auszugsweise:

„§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. …“

§ 4 Z 1 und Z 2 DSG 2000 lauten:

„Definitionen

§ 4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. „Daten“ („personenbezogene Daten“): Angaben über Betroffene (Z 3), deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; „nur indirekt personenbezogen“ sind Daten für einen Auftraggeber (Z 4), Dienstleister (Z 5) oder Empfänger einer Übermittlung (Z 12) dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, daß dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann;

2. „sensible Daten“ („besonders schutzwürdige Daten“): Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben;

…“

§ 5 DSG 2000 lautet:

„Öffentlicher und privater Bereich

§ 5. (1) Datenanwendungen sind dem öffentlichen Bereich im Sinne dieses Bundesgesetzes zuzurechnen, wenn sie für Zwecke eines Auftraggebers des öffentlichen Bereichs (Abs. 2) durchgeführt werden.

(2) Auftraggeber des öffentlichen Bereichs sind alle Auftraggeber,

1. die in Formen des öffentlichen Rechts eingerichtet sind, insbesondere auch als Organ einer Gebietskörperschaft, oder

2. soweit sie trotz ihrer Einrichtung in Formen des Privatrechts in Vollziehung der Gesetze tätig sind.

(3) Die dem Abs. 2 nicht unterliegenden Auftraggeber gelten als Auftraggeber des privaten Bereichs im Sinne dieses Bundesgesetzes.“

Die §§ 7 und 8 DSG 2000 lauten auszugsweise:

„Zulässigkeit der Verwendung von

Daten

§ 7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

1. sie aus einer gemäß Abs. 1 zulässigen Datenanwendung stammen und

2. der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis - soweit diese nicht außer Zweifel steht - im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und

3. durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung nicht-sensibler Daten

§ 8. (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht oder

4. überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern.

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten

1. für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder

…“

§ 102 Außerstreitgesetz (AußStrG), BGBl I Nr 111/2003 idgF, lautet:

„Auskunftspflichten

§ 102. (1) Personen, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist, haben dem Gericht hierüber Auskunft zu geben und die Überprüfung von deren Richtigkeit zu ermöglichen.

(2) Das Gericht kann auch das Arbeitsmarktservice, die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung und andere Sozialleistungen gewährende Stellen um Auskunft über Beschäftigungs- oder Versicherungsverhältnisse oder über Einkommen von Personen ersuchen, deren Einkommen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist. Kommt jemand den Pflichten nach Abs. 1 nicht nach, so kann auch dessen Dienstgeber um Auskunft ersucht werden. Steht die Unterhaltspflicht dem Grunde nach fest und kann das Gericht die Höhe des Unterhalts nicht auf andere Weise feststellen, so kann es auch die Finanzämter um Auskunft ersuchen.

(3) Die Auskunftsersuchen nach Abs. 1 und Abs. 2 erster und zweiter Satz stehen auch dem Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlichem Vertreter von Pflegebefohlenen zu.

(4) Die Auskunftsersuchen sind so zu gestalten, dass dem Auskunftspflichtigen die rasche, vollständige und nachvollziehbare Beantwortung ermöglicht wird. Die Ersuchten sind zur Auskunftserteilung verpflichtet.“

§ 212 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), JGS Nr. 946/1811 idF BGBl. I Nr. 58/2004, lautet:

„§ 212. (1) Der Jugendwohlfahrtsträger hat, soweit es nach den Umständen geboten scheint, den gesetzlichen Vertreter eines im Inland geborenen Kindes innerhalb angemessener Frist nach der Geburt über die elterlichen Rechte und Pflichten, besonders über den Unterhaltsanspruch des Kindes, gegebenenfalls auch über die Feststellung der Vaterschaft, in Kenntnis zu setzen und ihm für die Wahrnehmung der Rechte des Kindes seine Hilfe anzubieten.

(2) Für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes sowie gegebenenfalls in Abstammungsangelegenheiten ist der Jugendwohlfahrtsträger Vertreter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.

(3) Für andere Angelegenheiten ist der Jugendwohlfahrtsträger Vertreter des Kindes, wenn er sich zur Vertretung bereit erklärt und die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.

(4) Durch die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers wird die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt, jedoch gilt § 154 a sinngemäß. Der Jugendwohlfahrtsträger und der sonstige gesetzliche Vertreter haben einander über ihre Vertretungshandlungen in Kenntnis zu setzen.

(5) Die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers endet, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft, der Jugendwohlfahrtsträger seine Erklärung nach Abs. 3 zurücknimmt oder das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger auf dessen Antrag als Vertreter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag.“

2. Rechtliche Schlussfolgerungen:

Zunächst kann entgegen der Meinung des Beschwerdegegners ein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG 2000), das in Verfassungsrang steht, unabhängig davon gegeben sein, ob die Datenverwendung in automationsunterstützter Form erfolgt. Der Schutz des Grundrechts findet auch auf rein manuelle Datenverwendung Anwendung. Das Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) ist daher einschlägig. Der einfachgesetzliche Teil des DSG 2000, der tatsächlich nur auf automationsunterstützte Datenverwendung anzuwenden ist, kann zu Auslegungsfragen betreffend das Grundrecht bzw. betreffend Eingriffe in dieses herangezogen werden.

Gegenständlich ist die Übermittlung des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums des Sohnes des Beschwerdeführers sowie des Faktums, dass zur Person des Beschwerdeführers betreffend seines namentlich erwähnten Sohnes ein Verfahren zur Festsetzung des Unterhaltsanspruches anhängig ist. Dies stellt ein personenbezogenes Datum iSd § 4 Z 1 DSG 2000 betreffend die Person des Beschwerdeführers dar. Wenn der Beschwerdegegner dagegen vermeint, das Kind habe kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse daran, wer sein Vater sei, so ist dem entgegen zu halten, dass Verfahrensgegenstand nur die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des betroffenen Vaters (Beschwerdeführer) sind, in concreto daran, dass zu seiner Person im Zusammenhang mit einer anderen namentlich genannten Person ein Verfahren zur Festsetzung eines Unterhaltsanspruches anhängig ist.

Bei diesen Daten handelt es sich aber, anders als der Beschwerdeführer meint (der mögliche Rückschlüsse aus dem Namen des Kindes auf die Ehelichkeit bzw. Vor- oder Außerehelichkeit behauptet, welche Bezug zum Sexualleben des Beschwerdeführers herstellen würden), für sich genommen nicht um sensible Daten iSd § 4 Z 2 DSG 2000 (sonst müsste zB auch der Familienstand für sich genommen ein sensibles Datum darstellen). Die besondere Schutzwürdigkeit dieser Kategorie von personenbezogenen Daten findet daher im vorliegenden Fall keine Anwendung.

Für die Forderung von Einkommensnachweisen beim Dienstgeber eines Unterhaltspflichtigen, wie im konkreten Fall durch das Schreiben des Beschwerdegegners vom 11. Oktober 2010, besteht mit § 102 Abs. 2 und 3 AußStrG, auf die der Beschwerdegegner im Schreiben auch verweist, eine gesetzliche Grundlage. Diese Bestimmungen geben aber keine Anhaltspunkte für jene personenbezogenen Daten, die in dieser Art von Schreiben zu nennen sind bzw. genannt werden dürfen. Es ist daher dabei insbesondere nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 1 Abs 2 letzter Satz DSG 2000) zu prüfen, ob die konkrete Verwendung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten durch den Beschwerdegegner für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs (§ 5 DSG 2000), wie der Beschwerdegegner zweifellos einer ist, eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 212 Abs. 2 ABGB für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes gesetzlicher Vertreter des Kindes ist. Wie jeder Vertreter hat er dabei im Kontakt mit Dritten den Namen des Vertretenen offenzulegen. Dabei ist es durchaus im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, dass Vor- und Zuname sowie das Geburtsdatum zur eindeutigen Bestimmung einer vertretenen Person gegenüber Dritten, wie hier dem Dienstgeber des möglicherweise Unterhaltspflichtigen, offengelegt werden. Ähnliches ergibt sich für private Bevollmächtigungen aus dem vom Beschwerdegegner erwähnten Erkenntnis des OGH, 3 Ob 279/02d.

Der Beschwerdeführer argumentiert nun, dass es ausreicht, den Dienstgeber neben der Offenlegung der Daten des Unterhaltspflichtigen mit Bezug auf § 102 AußStrG darauf hinzuweisen, dass die Einkommensdaten zur Feststellung einer Unterhaltspflicht ermittelt werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass es in der Natur des Vertretungsverhältnisses liege, wie es hier von Gesetzes wegen begründet wird, dass der Vertreter den Vertretenen offen legt. Nur so ist es dem Dritten möglich, zu überprüfen, ob er zu einer Handlung, wie hier einer Auskunftspflicht nach § 102 AußStrG, verpflichtet ist. Schließlich besteht nach § 102 Abs. 2 AußStrG die Pflicht zur Auskunft über Beschäftigungs- oder Versicherungsverhältnisse oder über Einkommen von Personen nur dann, wenn deren Einkommen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist. Um hier den Anschein einer gesetzmäßigen Auskunftsanforderung als gesetzlicher Vertreter zu wahren, ist die Nennung des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums des Vertretenen unumgänglich.

Für die konkrete Ermittlung der Einkommensdaten des Unterhaltspflichtigen auf Grundlage des § 102 Abs. 2 und 3 AußStrG bei dessen Dienstgeber, der von Gesetzes wegen zur Auskunftserteilung verpflichtet ist (vgl. § 102 Abs. 4 AußStrG), war die Nennung des Namens und Geburtsdatums des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit daher das gelindeste, zum Ziel führende Mittel iSd § 1 Abs. 2 letzter Satz DSG 2000 und verletzte den Unterhaltsverpflichteten daher nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG 2000.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Mit Erkenntnis vom 27. April 2012, Zl. 2012/17/0115-3 hat der VwGH die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen .

Aus den Entscheidungsgründen des VwGH:

Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und der anzuwendenden Rechtsvorschriften hat der VwGH erwogen:

‚Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den von ihm vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt. Er wendet sich insbesondere gegen die Ansicht der belangten Behörde, wonach im Zusammenhang mit der gegenständlichen Anfrage des Stadtjugendamtes der Vor- und Zunamen sowie das Geburtsdatum des Unterhaltsberechtigten keine sensiblen Daten im Sinne des § 4 Z. 2 DSG 2000 wären.

Es kann nun nicht zweifelhaft sein, dass Name und Geburtsdatum einer natürlichen Person "personenbezogene Daten" sind (vgl. nur Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim , DSG [2. Aufl.], 12. Erg.-Lfg. 2011, § 4 Anm. 2). Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, dass es sich im hier zu beurteilenden Fall um den Namen und das Geburtsdatum seines Kindes handelt. Diese Daten sind keine "personenbezogenen Daten" des Beschwerdeführers, weshalb er durch deren Verwendung auch nicht in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt worden sein kann.

Aus dem Beschwerdevorbringen und auch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde ist weiters zu entnehmen, dass er die rechtswidrige Beeinträchtigung seines Rechts auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten darin erblickt, dass er als Unterhaltspflichtiger im Zusammenhang mit den erwähnten personenbezogenen Daten (seines Kindes) genannt wurde. Er führt dazu aus, dass zwar die Notwendigkeit einer Auskunftserteilung und damit im Zusammenhang auch die Bezeichnung seiner Person (unter Verwendung ihn betreffender personenbezogener Daten) durch den Jugendwohlfahrtsträger nicht bestritten werde, doch hätte es genügt, dass im Betreff des Auskunftsersuchens angeführt worden wäre, es werde wegen Bestehens einer Unterhaltspflicht um Bekanntgabe der Einkommensverhältnisse ersucht.

Entgegen der darin zum Ausdruck kommenden Ansicht des Beschwerdeführers, es entstünden durch die hier vorgenommene Verknüpfung personenbezogene und sensible Daten, an deren Geheimhaltung der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse habe, ist dies jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Fall:

Der Beschwerdeführer bestreitet zutreffender Weise nicht das Recht des einschreitenden Jugendwohlfahrtsträgers, ihn anhand seines Namens und auch seines Geburtsdatums, somit anhand von "personenbezogenen Daten" näher zu konkretisieren. Er bestreitet auch - gleichfalls zutreffend - nicht die Notwendigkeit, in der hier gegenständlichen Anfrage auf das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung seiner Person Bezug zu nehmen. Damit könnte aber im hier gegebenen Zusammenhang nur die Verwendung der bereits erwähnten personenbezogenen Daten seines Kindes das Recht des Beschwerdeführers auf Geheimhaltung verletzen. Allein die Verwendung fremder personenbezogener Daten in einem ansonsten gerechtfertigten Zusammenhang mit der eigenen Person bzw. eigenen personenbezogenen Daten vermag aber - jedenfalls im hier zu beurteilenden Beschwerdefall - keine Sachverhalte zu schaffen, die als "personenbezogene Daten" für den Beschwerdeführer zu schützen wären.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß§ 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.‘

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