K202.106/0005-DSK/2011 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KÖNIG, Mag. HUTTERER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. HEILEGGER und Dr. GUNDACKER sowie des Schriftführers Mag. HILD in ihrer Sitzung vom 25. November 2011 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über den Antrag des Instituts für XY* (Antragsteller) vom 2. August 2011 auf Genehmigung der Verwendung von personenbezogenen Daten, die im Rahmen der zu DVR *** registrierten Datenanwendungen „Videoüberwachung zum Zwecke des Eigentumsschutzes (bzw. zum Zwecke der Vorbeugung strafrechtsrelevanter Tatbestände) in der Garage *** mit ausschließlicher Auswertung in dem durch die Zweckbezeichnung definierten Anlassfall“ bzw. „Videoüberwachung zum Zwecke des Eigentumsschutzes bzw zur Vorbeugung strafrechtlich relevanter Vorfälle (Beschädigungen von Tor- und Parkieranlagen, Überfall auf Kunden, Autoeinbrüche, Fahrzeugdiebstähle, Vandalismus) in der Garage *** mit ausschließlicher Auswertung in dem durch die Zweckbezeichnung definierten Anlassfall“ durch die Q*** ermittelt werden, zum Zweck einer vergleichenden ethnografischen Videoanalyse in Garagen, um abweichendes Verhalten definieren zu können, wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, entschieden:
Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idgF (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von
Euro 6,50
zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.
B e g r ü n d u n g
Der Antragsteller begehrt für Zwecke des W***- Forschungsprojektes „J***“ eine vergleichende ethnographische Videoanalyse in Garagen durchzuführen, um die Bewegungskultur in Garagen aufzuzeigen, um so normales und abweichendes Verhalten definieren zu können.
Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:
Der Antragsteller möchte diese Videoanalyse anhand der vom Garagenbetreiber Q*** aus den zu DVR *** registrierten Datenanwendungen „Videoüberwachung zum Zwecke des Eigentumsschutzes (bzw. zum Zwecke der Vorbeugung strafrechtsrelevanter Tatbestände) in der Garage *** mit ausschließlicher Auswertung in dem durch die Zweckbezeichnung definierten Anlassfall“ bzw. „Videoüberwachung zum Zwecke des Eigentumsschutzes bzw zur Vorbeugung strafrechtlich relevanter Vorfälle (Beschädigungen von Tor- und Parkieranlagen, Überfall auf Kunden, Autoeinbrüche, Fahrzeugdiebstähle, Vandalismus) in der Garage *** mit ausschließlicher Auswertung in dem durch die Zweckbezeichnung definierten Anlassfall“ zur Verfügung gestellten Daten durchführen.
Eine entsprechende Erklärung vom 9. Juni 2011 seitens der Q***, die Datenbestände zur Verfügung zu stellen, liegt dem Antrag bei.
Die Analyse hat keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel, eine Feststellung der Identität von erfassten Personen oder Zuordnung von KFZ-Kennzeichen zu Personen erfolgt nicht. Es kommt auch zu keiner externen Speicherung des Videomaterials, vielmehr erfolgt die Analyse ausschließlich durch Mitarbeiter des Instituts XY* persönlich vor Ort mit Hilfe eines Ablaufprotokolls und manueller Notizen. Einzelne Passagen müssen dazu allerdings wiederholt betrachtet werden.
Ziel der Videoanalyse ist es, die Bewegungskultur in Garagen aufzuzeigen, um so normales und abweichendes Verhalten in den jeweiligen räumlichen Settings definieren zu können. Der Fokus liegt auf folgenden Merkmalen:
Betrachtungszeitraum ist je Garagenstandort einmalig ein Werktag (Montag bis Freitag) von 0 bis 24 Uhr.
Das öffentliche Interesse liegt in der soziologischen Einschätzung der Sinnhaftigkeit automationsunterstützter Videoüberwachung in Garagensettings, wobei bspw. eine Hochrechnung potentieller Fehlalarme im Fall zukünftiger algorithmenbasierter Ereigniserkennung erfolgt.
Der den Antragsteller vertretende, die Studie durchführende Mag. U*** hat 2002 das Studium der Soziologie abgeschlossen und ist seit 2004 in Diensten des Antragstellers. Er hat zahlreiche Studien begleitet und tritt regelmäßig als Autor wissenschaftlicher Fachpublikationen in Erscheinung.
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag vom 2. August 2011, sowie dem Schreiben des Antragstellers vom 9. August 2011 und seiner Website.
In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist.
Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:
„Wissenschaftliche Forschung und Statistik
§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die
1. öffentlich zugänglich sind oder
2. er für andere Untersuchungen oder auch andere Zwecke zulässigerweise ermittelt hat oder
3. für ihn nur indirekt personenbezogen sind.
Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.
(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten nur
1. gemäß besonderen gesetzlichen Vorschriften oder
2. mit Zustimmung des Betroffenen oder
3. mit Genehmigung der Datenschutzkommission gemäß Abs. 3 verwendet werden.
(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn
1. die Einholung der Zustimmung der Betroffenen mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich ist oder sonst einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet und
2. ein öffentliches Interesse an der beantragten Verwendung besteht und
3. die fachliche Eignung des Antragstellers glaubhaft gemacht wird.
Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.
(3a) Einem Antrag nach Abs. 3 ist jedenfalls eine vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsbefugten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (§ 367 Abs. 1 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.
(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.
(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“
Der Antragsteller begehrt für Zwecke des W***- Forschungsprojektes „J***“ eine vergleichende ethnographische Videoanalyse in Garagen durchzuführen, um die Bewegungskultur in Garagen aufzuzeigen und so normales und abweichendes Verhalten definieren zu können, wodurch die Sinnhaftigkeit automationsunterstützter Videoüberwachung in Garagen eingeschätzt werden soll.
Die Datenschutzkommission hat schon mehrfach festgestellt, dass Bilddaten (bestimmbare) personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 sind (vgl. für viele den Bescheid vom 21. Jänner 2009, GZ K121.425/0003-DSK/2009). Das DSG 2000 ist somit einschlägig. Gleichzeitig liegen mit diesen Bilddaten aber keine sensiblen Daten (§ 4 Z 2 DSG 2000) vor.
Bilddaten sollen nun für wissenschaftliche Zwecke ermittelt und ausgewertet werden. Die Verwendung personenbezogener Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik unterliegt der Sondervorschrift des § 46 DSG 2000 (und nicht etwa den §§ 50a ff DSG 2000, die Videoüberwachung zu anderen Zwecken regeln). Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 (insbesondere Z 3, da auch direkt personenbezogene Daten übermittelt werden) und Abs. 2 Z 1 und Z 2 nicht vorliegen, sodass die geplante Datenverwendung nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 3 und 3a DSG 2000 erfolgen kann.
Diese Genehmigung hat die Datenschutzkommission zu erteilen, wenn
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller hat dafür ausreichend das öffentliche Interesse (Einschätzung der Sinnhaftigkeit von automationsunterstützter Videoüberwachung) an der beantragten Verwendung (§ 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) dargelegt sowie die fachliche Eignung (Z 3 leg. cit.) (akademischer Hintergrund) in der Person des Projektleiters glaubhaft gemacht. Auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 ist im gegenständlichen Fall gegeben: die Einholung der Zustimmung der Betroffenen ist mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich, weil der Kreis der Betroffenen ein von vornherein unbestimmter ist.
Auch liegt dem Antrag eine vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, unterfertigte Erklärung bei, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt (§ 46 Abs. 3a DSG 2000).
Die Genehmigung war daher zu erteilen, allerdings an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen. Auflage a. spiegelt dabei den beantragten Umfang wieder. Auflage b. dient der Rechtsverpflichtung des Auftraggebers (zu dem der Antragsteller mit der Einsicht in die Bilddaten wird) zur Information gemäß § 24 DSG 2000. Auflage c. dient der Einhaltung des Datengeheimnisses.
Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.