K121.703/0009-DSK/2011 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. HUTTERER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. HEILEGGER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 20. Juli 2011 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Albert W*** (Beschwerdeführer) aus O*** vom 17. Februar 2011 gegen das Landespolizeikommando H***, Landeskriminalamt (Beschwerdegegner, kurz auch: LPK-LKA), in R*** wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Übermittlung einer Bewerbung an die E-Mail-Adressen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LPK-LKA am 5. Februar 2011 wird entschieden:
- Der B e s c h w e r d e wird F o l g e gegeben und f e s t g e s t e l l t, dass der Beschwerdegegner durch die Übermittlung des E-Mails vom 4. Februar 2011, gesendet (im internen E-Mail-System der Sicherheitsbehörden) von „W*** Albert (BMI-IV/BAK) an „*BMI IV/BAK/1“, CC an „*LPK H PA“, und enthaltend als Attachment das Bewerbungsschreiben des Beschwerdeführers „BAK_Bewerbung_3_2_11.doc“, über den Verteiler „+LPK H LKA (alle Mitarbeiter)“ am 5.Februar 2011 an alle Mitarbeiter des Landeskriminalamts H*** den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt hat.
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs 1 und 2, 6 Abs 1 Z 1 und 2, 7 Abs 1 und 2, 31 Abs 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr 165/1999 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner am 18. Februar 2011 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass ein per E-Mail ressortüblich zur Kenntnisnahme auch an das Landespolizeikommando und von dort an seine Stammdienststelle gesendetes Bewerbungsschreiben von der Personalabteilung im LKA wiederum am 5. Februar 2011 per E-Mail an alle Mitarbeiter des Landeskriminalamts H*** übermittelt worden sei. Die Bewerbung habe persönliche und private Daten des Beschwerdeführers (etwa die genaue dienstliche Laufbahn) enthalten, an denen ein schutzwürdiges Geheimhaltungshaltungsinteresse bestehe. Die entsprechenden Informationen habe er vertraulich von einem Kollegen im LKA erhalten, weswegen er den Namen aus den Kopien entsprechender E-Mails entfernt habe.
Der Beschwerdegegner bestritt die Tatsachen in seiner Stellungnahme vom 10. März 2011 im Kern nicht. Der Beschwerdeführer sei (als Mitarbeiter der ****gruppe) beim LKA H*** als Stammdienststelle tätig gewesen, jedoch seit 2006 dem Büro für innere Angelegenheiten (BiA) bzw. nunmehr dem Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) zur dauernden Dienstleistung zugewiesen. Anfang 2011 habe er sich mit Bewerbungsschreiben vom 3. Februar 2011 auf Grund einer Interessentensuche um eine feste Planstelle beim BAK beworben. Da eine solche Bewerbung auch der bisherigen Dienststelle zur Stellungnahme vorzulegen sei, habe er die Bewerbung am 4. Februar 2011 per E-Mail (im internen System der Sicherheitsbehörden) an die Adressen „*BMI IV/BAK/1“ und als Kopie („CC“) an „*LPK H PA“ (= Landespolizeikommando H*** Personalabteilung) gesendet. Der Betreff habe „Bewerbung laut Interessentensuche vom 03.02.2011“ gelautet, das als Attachment angeschlossene Bewerbungsschreiben (Textdokument) habe die Bezeichnung „BAK-Bewerbung_3_2_11“ geführt. Nichts habe auf eine besondere Vertraulichkeit hingedeutet. Die Personalabteilung des LPK habe die Bewerbung nach nur fünfminütiger Sichtung mit dem Auftrag: „Die angeschlossene Bewerbung wird mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und Stellungnahme übermittelt“ an die allgemeine Mailbox des Landeskriminalamts mit der (internen) Adresse „*LPK H LKA“ und die Mailbox der „Führungsunterstützung“ des LKA mit der (internen) Adresse „*LPK H LKA-Führungsunterstützung“ sowie an die Mitarbeiter der Personalabteilung des LPK, Fachbereich 02 unter dem Verteiler „+LPK H PA-FB02 (alle Mitarbeiter)“ übermittelt. Am 5. Februar 2011 habe der Leiter der Führungsunterstützung beim LKA das Eingangsstück in der Mailbox aufgefunden und aus dem Betreff den irrtümlichen Schluss gezogen, es handle sich um eine vom BAK ausgehende Interessentensuche für eine Planstellenbesetzung. Daher habe er die Bewerbung des Beschwerdeführers, ohne sie zu öffnen und zu lesen, mittels des Verteilers „+LPK H LKA (alle Mitarbeiter)“ mit dem Vermerk „Zur Kenntnis für allfällige Bewerbung“ an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LKA weitergeleitet. Grundsätzlich seien alle Empfängerinnen und Empfänger dieser Übermittlung als Bundesbedienstete zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Der Beschwerdeführer habe im übrigen durch die Wahl der Zieladressen bereits dazu beigetragen, einer großen Zahl von Personen Zugriff auf seine Bewerbung zu verschaffen und auch keinen Betreff und keinen Dokumentennamen gewählt, der auf ein besonders zu schützendes Dokument hingewiesen hätte. Der Sachverhalt sei im Übrigen auch der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gebracht worden.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf mit Stellungnahme vom 30. März 2011, die Ausführungen des Beschwerdegegners seien nicht überzeugend und teilweise nicht nachvollziehbar. Insbesondere würde das Bestehen einer grundsätzlichen dienstlichen Verschwiegenheitspflicht den Betreffenden nicht als Empfänger jeder einem Geheimhaltungsinteresse unterliegenden Datenübermittlung legitimieren. Bereits die Übermittlung an sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereichs 02 sei im Grunde bereits überschießend gewesen.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob der Beschwerdegegner berechtigt war, eine E-Mail, enthaltend eine Bewerbung des Beschwerdeführers um eine Planstelle beim BAK, per E-Mail-Verteiler an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landeskriminalamts H*** weiterzuleiten.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist (als Mitarbeiter der ****gruppe) beim Landeskriminalamt (LKA) H*** als Stammdienststelle tätig gewesen, war jedoch seit 2006 dem Büro für innere Angelegenheiten (BiA) bzw. nunmehr dem Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) beim Bundesministerium für Inneres (BMI) zur dauernden Dienstleistung zugewiesen. Anfang 2011 bewarb er sich mit Bewerbungsschreiben vom 3. Februar 2011 auf Grund einer Interessentensuche um die feste Planstelle eines stellvertretenden Leiters der Ermittlungsgruppe beim BAK (Abteilung 2, Referat 3.2). Dazu übermittelte er die Bewerbung am 4. Februar 2011 per E-Mail (im internen System der Sicherheitsbehörden) an die Adressen „*BMI IV/BAK/1“ und als Kopie („CC“) an „*LPK H PA“ (= Landespolizeikommando H*** Personalabteilung). Die Bewerbung enthält neben genauen Angaben zur Person (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnort, Personalnummer, Familienstand, Zahl der Kinder), die detaillierte dienstliche Laufbahn des Beschwerdeführers mit Daten zur besoldungsrechtlichen Einstufung, zu Grund- und Zusatzausbildungen, Spezialkenntnissen und Dienststellen sowie die persönlich motivierte Begründung für die Bewerbung. Der Betreff der E-Mail lautete „Bewerbung laut Interessentensuche vom 03.02.2011“, das als Attachment angeschlossene Bewerbungsschreiben (Textdokument) führte die Bezeichnung (filename) „BAK-Bewerbung_3_2_11.doc“. Die Personalabteilung des LPK leitete die Bewerbung nach nur ca. fünfminütiger Sichtung mit dem Auftrag: „Die angeschlossene Bewerbung wird mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und Stellungnahme übermittelt“ an die allgemeine Mailbox des Landeskriminalamts mit der (internen) Adresse „*LPK H LKA“ und die Mailbox der „Führungsunterstützung“ des LKA mit der (internen) Adresse „*LPK H LKA-Führungsunterstützung“ sowie als CC an die Mitarbeiter der Personalabteilung des LPK, Fachbereich 02 unter dem Verteiler „+LPK H PA-FB02 (alle Mitarbeiter)“ weiter. Am 5. Februar 2011 fand der Leiter der Abteilung Führungsunterstützung beim LKA das Eingangsstück in der entsprechenden Mailbox. Er übermittelte die Bewerbung des Beschwerdeführers, ohne sie zu öffnen und zu lesen, mittels des Verteilers „+LPK H LKA (alle Mitarbeiter)“ mit dem Vermerk „Zur Kenntnis für allfällige Bewerbung“ an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LKA.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den sachverhaltsmäßig in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Darstellungen beider Streitparteien, sowie den Screenshots aus den Mailboxen (Beilagen zur Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 10. März 2011, GZ:
**23/4*5*/*1/2011/LKA) und den vom Beschwerdeführer als Beilagen zur Beschwerde vom 17. Februar 2011 vorgelegten E-Mail-Ausdrucken und der Kopie des Bewerbungsschreibens.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§ 6 Abs 1 Z 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift
„ Grundsätze
§ 6 . (1) Daten dürfen nur
§ 7 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift
„ Zulässigkeit der Verwendung von Daten
§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
§ 10 Abs 1 SPG lautet samt Überschrift:
„ Polizeikommanden
§ 10 . (1) Für jedes Bundesland ist ein Landespolizeikommando, dem Bezirks- und Stadtpolizeikommanden sowie deren Polizeiinspektionen untergeordnet sind, eingerichtet.
(2) Die Angelegenheiten des inneren Dienstes, insbesondere
werden von den Landespolizeikommanden in unmittelbarer Unterstellung unter den Bundesminister für Inneres besorgt.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Beschwerde ist berechtigt. Gegenstand war nur die Übermittlung (E-Mail-Weiterleitung) an alle Mitarbeiter des LKA. Die weitere Datenverwendung wurde nicht beurteilt.
a) zur Passivlegitimation des Beschwerdegegners
Diese stützt sich auf die gesetzliche Zuständigkeit gemäß § 10 Abs 2 Z 6 SPG.
b) in der Sache selbst
Bei der Übermittlung der in Beschwerde gezogenen E-Mail handelt es sich um die Verwendung (Übermittlung) personenbezogener Daten des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs 2 DSG 2000.
Der Beschwerdegegner rechtfertigt die ihm zuzurechnende Vorgehensweise des Leiters der Abteilung Führungsunterstützung beim LKA unter anderem damit, der Beschwerdeführer habe die Übermittlung durch eine sinngemäß mangelhafte Adressierung (fehlende „Warnhinweise“ auf die Sensibilität des Dateninhalts) selbst provoziert. Außerdem seien die Empfänger ohnehin alle an die Amtsverschwiegenheit gebunden.
Dem kann nicht gefolgt werden.
Wie der Beschwerdeführer zutreffend in seiner Replik ausführt, bedeutet eine Bindung an die Amtsverschwiegenheit nicht, dass ein bestimmter Organwalter berechtigter, generell legitimierter Empfänger für jede durch das Datengeheimnis geschützte Übermittlung wäre. Durch die Verwendung des Verteilers „+LPK H LKA (alle Mitarbeiter)“ und den Beisatz „Zur Kenntnis für allfällige Bewerbung“ hat der betreffende Beamte überdies keinerlei Beschränkungen zum Ausdruck gebracht, sondern den Inhalt der Sendung vielmehr für alle Empfängerinnen und Empfänger zur Verwendung freigegeben, sie damit an alle übermittelt.
Die Übermittlung erfolgte wohl, wenn man dem glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdegegners folgt, irrtümlich (ohne Wissen über den personenbezogenen Dateninhalt) und ohne böse Absicht. Doch ist daraus für den Beschwerdegegner nichts zu gewinnen. Die Beurteilung einer Verletzung des Datengeheimnisses erfordert nämlich keinerlei schuldhaftes Handeln im strafrechtlichen Sinne sondern bloß eine objektive, in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Auftraggebers fallende Eingriffshandlung.
Im vorliegenden Beschwerdefall scheint klar, dass eine Weiterleitung (Übermittlung) einer eingegangenen E-Mail ohne Kenntnisnahme vom Inhalt jedenfalls hier gemäß § 6 Abs 1 Z 1 DSG 2000 wider Treu und Glauben (arg „für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke ermittelt und nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiterverwendet“) erfolgte, da aus dem Betreff und der Sendeadresse keinesfalls der klare Schluss gezogen werden konnte, es handle sich um eine Stellenausschreibung oder Interessentensuche des BAK. Vielmehr legte der Betreff geradezu nahe, dass es sich nicht um eine Interessentensuche, sondern um eine Bewerbung handelte.
Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und der spruchgemäße Eingriff in das Geheimhaltungsrecht des Beschwerdeführers festzustellen.