JudikaturDSB

K121.683/0009-DSK/2011 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2011

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. HEISSENBERGER, Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag. HEILEGGER sowie des Schriftführers Mag. HILD in ihrer Sitzung vom 17. Juni 2011 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde des Walter V*** (Beschwerdeführer) aus L***stadt vom 31. Dezember 2010 gegen die Sicherheitsdirektion Wien (Beschwerdegegnerin), wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Verwendung eines für dienstrechtliche Zwecke erstellten Gutachtens in einem kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren, wird entschieden:

- Die B e s c h w e r d e wird a b g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs 1 und 2, 7, 9 Z 3 und 31 Abs 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr 165/1999 idgF, iVm §§ 4 Abs 2 und 22 Abs 3 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr 566/1991 idgF, und §§ 18 Abs 2, 78 Abs 1, 79 und 99 Abs 1 der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner vom 31. Dezember 2010 datierenden und am 3. Jänner 2011 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin ein im Zuge eines Pensionierungsverfahrens erstelltes (Gesamt ) Gutachten (enthaltend Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und eines klinischen Gesundheitspsychologen) der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers auch für Zwecke kriminalpolizeilicher Ermittlungen verwendet (und dazu intern vom Personalbüro dem Büro für besondere Ermittlungen vorgelegt) habe. Dadurch habe sie die ärztliche Schweigepflicht und das Recht auf Geheimhaltung verletzt.

Die Beschwerdegegnerin entgegnete dem in ihrer Stellungnahme vom 28. Jänner 2011, der Beschwerdeführer, der sich als Beamter seit einiger Zeit im Krankenstand befinde, sollte nach einem Verfahren zur Feststellung der Dienstfähigkeit gemäß § 52 BDG vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden. Dazu sei gemäß § 14 BDG ein Gutachten der Sachverständigen der BVA eingeholt worden. Gegenüber den Sachverständigen habe der Beschwerdeführer angegeben, während seiner Dienstzeit im fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien die Misshandlung einer vernommenen Person durch einen anderen Beamten beobachtet zu haben. Diese Aussagen wurden auch in der Befundaufnahme bzw. Anamnese der Sachverständigen wiedergegeben. Die BVA habe das Abschluss- bzw. Gesamtgutachten der BVA-Sachverständigen am 29. November 2010 sodann dem Bundesministerium für Inneres übersandt, von wo es am 20. Dezember 2010 mit dem Auftrag, nähere Stellungnahmen zu den Misshandlungsvorwürfen abzugeben, der Beschwerdegegnerin zur Kenntnis gebracht worden sei. Diese habe daraufhin am 29. Dezember 2010 entsprechend ihren gesetzlichen Pflichten das „Büro für besondere Ermittlungen“ (BBE) mit einer Untersuchung im Hinblick auf mögliche strafbare Handlungen von Beamten der Fremdenpolizei beauftragt. Zunächst sei nicht das Gutachten selbst, sondern nur eine Zusammenfassung der bekannten und relevanten Fakten übermittelt worden, später habe man auf Ersuchen des zuständigen Sachbearbeiters dem BBE eine Kopie der Seite 3 des BVA-Gesamtgutachtens zur Verfügung gestellt (als Sachbeweis zwecks Vorlage bei der Staatsanwaltschaft). Diese Datenverwendung sei durch die gesetzlichen, kriminalpolizeilichen Aufgaben der Beschwerdegegnerin, als Sicherheitsbehörde Hinweisen auf strafbare Handlungen von Amts wegen nachzuforschen, gedeckt.

Der Beschwerdeführer wiederum brachte nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens in seiner Stellungnahme vom 4. März 2011 vor, gegen ihn sei auf Grund der Ermittlungen und eines Berichts des BBE von der Staatsanwaltschaft Wien kurzzeitig ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren geführt, jedoch schon am 24. Februar 2011 wieder eingestellt worden. Ein Ersuchen des BBE um Vorlage des Gutachtens sei in den kriminalpolizeilichen Ermittlungsakten, die er eingesehen habe, nicht aktenkundig. Außerdem sei er bereits am 11. Jänner 2011 vom zentralen Personalbüro der Beschwerdegegnerin zu den Sachverhalten aus dem BVA-Gesamtgutachten niederschriftlich befragt worden. Auch das Schreiben des zentralen Personalbüros an das BBE vom 29. Dezember 2010 enthalte Daten zu seinem beruflichen Werdegang und seinem Gesundheitszustand, die für das BBE und dessen Aufgaben irrelevant seien. Er dehne weiters seine Beschwerde auf die BVA aus, da diese das Gesamtgutachten, das unter Vertrauen auf die ärztliche Schweigepflicht entstanden sei, an das Bundesministerium für Inneres übermittelt und damit das Geheimhaltungsrecht verletzt habe.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Sicherheitsdirektion Wien durch eine Übermittlung in Form einer internen Zweckänderung (Weitergabe des Gutachtens vom zentralen Personalbüro ans BBE) den Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat.

Die Rüge betreffend rechtswidriges Verhalten der BVA („Ausdehnung“ der Beschwerde auf die BVA) geht über die Grenzen der anhängigen Verwaltungssache hinaus und wird als neue Beschwerdesache entschieden werden (Zl. K121.732 der Datenschutzkommission).

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

In einem Verfahren zur vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen eines länger andauernden, psychisch bedingten Krankenstands („Burn-Out-Syndrom“) schilderte der Beschwerdeführer in der Befragung durch einen Sachverständigen der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), den klinischen und Gesundheitspsychologen Mag. Dr. G. H***, am 15. November 2010 ihn belastende Vorkommnisse während seiner Dienstzeit im fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien, darunter die Bedrohung und Misshandlung (Ohrfeigen) von einvernommenen Personen durch einen – namentlich nicht genannten – Referatsleiter. Dieses Gespräch wurde im BVA-Gesamtgutachten (Ärztliches Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung vom 29. November 2010, GZ: 1**2-3*4*5*/10) wiedergegeben.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den übereinstimmenden Angaben der Parteien sowie dem zitierten Gutachten, vorgelegt vom Beschwerdeführer als Beilage zur Beschwerde vom 31. Dezember 2010.

Dieses Gutachten wurde zunächst der zentralen Personalabteilung I/1 im Bundesministerium für Inneres übermittelt und von dieser am 14. Dezember 2010 mit Schreiben GZ: 1**.2*7/*2-I/1/c/10 an die Beschwerdegegnerin weitergeleitet. Darin wurde verfügt: „Hinsichtlich der behaupteten Anschuldigungen des ADir V*** sind Stellungnahmen bis spätestens 28.01.2011 vorzulegen. Einem Abschlussbericht wird entgegengesehen.“

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf einer Kopie des zitierten Schreibens, von der Beschwerdegegnerin vorgelegt als Beilage zur Stellungnahme vom 28. Jänner 2011, GZ: P*/98*7*6/*2/2011.

Die Beschwerdegegnerin (zentrales Personalbüro) informierte das intern für strafprozessuale Ermittlungen gegen Beamte des eigenen Dienststandes zuständige „Büro für besondere Ermittlungsmaßnahmen“ (BBE) mit Schreiben vom 29. Dezember 2010, GZ: P*/67*9*10/2010, in einer zusammenfassenden Darstellung vom Sachverhalt und übermittelte in weiterer Folge über dessen Wunsch auch jene Seite aus dem Gutachten, auf der die Vorwürfe des Beschwerdeführers gegen Kollegen wiedergegeben werden.

Beweiswürdigung : wie zuletzt, ferner die glaubwürdige Darstellung der Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

Grundrecht auf Datenschutz

§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“

§ 7 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“

§ 9 Z 3 DSG 2000 lautet samt Überschrift:

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei

Verwendung sensibler Daten

§ 9 . Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen werden bei der Verwendung sensibler Daten ausschließlich dann nicht verletzt, wenn

§ 54 Abs 1 ÄrzteG 1998 lautet:

Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht

§ 54 . (1) Der Arzt und seine Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet.

(2) Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht, wenn

Die §§ 14 und 52 BDG lauten samt Überschriften:

Versetzung in den Ruhestand wegen

Dienstunfähigkeit

§ 14 . (1) Der Beamte ist von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 392/1996)

(3) Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner gesundheitlichen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(4) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 3 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamten - Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (ab 1. Jänner 2003: Pensionsversicherungsanstalt) zuständig.“

Ärztliche Untersuchung

§ 52 . (1) Bestehen berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen gesundheitlichen Eignung des Beamten, so hat sich dieser auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

(2) Der infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens vom Dienst abwesende Beamte hat sich auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung seines Gesundheitszustandes zu unterziehen. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen. Eine Anordnung im Sinne des ersten Satzes ist spätestens drei Monate nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in Abständen von längstens drei Monaten zu erteilen.“

§ 4 Abs 1 und 2 SPG lautet samt Überschrift:

Sicherheitsbehörden

§ 4 . (1) Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres.

(2) Dem Bundesminister für Inneres unmittelbar unterstellt besorgen Sicherheitsdirektionen, ihnen nachgeordnet Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen, die Sicherheitsverwaltung in den Ländern.“

§ 22 Abs 3 SPG lautet samt Überschrift:

Vorbeugender Schutz von Rechtsgütern

§ 22 . (1) [...] (2)

(3) Nach einem gefährlichen Angriff haben die Sicherheitsbehörden, unbeschadet ihrer Aufgaben nach der Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl. Nr. 631/1975, die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO; die §§ 53 Abs. 1, 53a Abs. 2 bis 4 und 6, 57, 58 und 58a bis d, sowie die Bestimmungen über den Erkennungsdienst bleiben jedoch unberührt.

§ 18 StPO lautet samt Überschrift:

Kriminalpolizei

§ 18 . (1) Kriminalpolizei besteht in der Wahrnehmung von Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG), insbesondere in der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

(2) Kriminalpolizei obliegt den Sicherheitsbehörden, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten. Aufgaben und Befugnisse, die den Sicherheitsbehörden in diesem Gesetz übertragen werden, stehen auch den ihnen beigegebenen, zugeteilten oder unterstellten Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu.

(3) Soweit in diesem Gesetz der Begriff Kriminalpolizei verwendet wird, werden damit die Sicherheitsbehörden und - dienststellen sowie ihre Organe (Abs. 2) in Ausübung der Kriminalpolizei bezeichnet.“

Die §§ 78 und 79 StPO lauten samt Überschriften:

Anzeigepflicht, Anzeige- und Anhalterecht

Anzeigepflicht

§ 78 . (1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.

(2) Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht,

(3) Die Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Opfers oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist; erforderlichenfalls ist auch in den Fällen des Abs. 2 Anzeige zu erstatten.

§ 79. Soweit eine gesetzliche Anzeigepflicht besteht, sind der Kriminalpolizei, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten zur Aufklärung einer Straftat einer bestimmten Person von Amts wegen oder auf Grund von Ersuchen Ablichtungen der Akten und sonstigen schriftlichen Aufzeichnungen zu übermitteln oder Akteneinsicht zu gewähren. Eine Berufung auf bestehende gesetzliche Verschwiegenheitspflichten ist insoweit unzulässig.“

§ 99 Abs. 1 StPO lautet samt Überschrift:

Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren

Ermittlungen

§ 99 . (1) Die Kriminalpolizei ermittelt von Amts wegen oder auf Grund einer Anzeige; Anordnungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts (§ 105 Abs. 2) hat sie zu befolgen.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zunächst ist klarzustellen, dass die Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen (einschließlich des beigezogenen Gesundheitspsychologen) kein in besonderem Umfang geschütztes Arzt-Patientenverhältnis darstellt. Es bestand hier kein Behandlungsvertrag, der Beschwerdeführer ist nicht freiwillig zwecks Behandlung sondern auf Grund dienstrechtlicher Pflichten vor den Sachverständigen erschienen, er war daher nicht Patient sondern Proband. Der Sachverständige war nicht behandelnder Arzt bzw. Psychologe sondern auf Grund speziellen Fachwissens als Sachverständiger Mitwirkender an einem dienstrechtlichen Ermittlungsverfahren mit dem Auftrag, die Tatsachen festzustellen, die Voraussetzung für eine Ruhestandsversetzung gemäß § 14 Abs 1 und 3 BDG sind. Das Ergebnis seiner Tätigkeit (Befund und Gutachten), das im Regelfall sensible Daten des Betroffenen enthalten wird, hatte er der zuständigen Dienstbehörde zu übermitteln. Dies fällt unter die Ausnahme gemäß § 54 Abs 2 Z 2 ÄrzteG 1998. Eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den Betroffenen wird hiefür nicht benötigt.

Im Fall der BVA ist deren Rolle als medizinische „Begutachtungsstelle“ durch das Gesetz (§ 14 Abs 4 BDG) zwingend festgelegt.

Gemäß § 7 Abs 4a SPG iVm § 2 Abs 1 Z 1 DPÜ-VO 2005 ist die Bundespolizeidirektion Wien als Sicherheitsdirektion die für die Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers zuständige Dienstbehörde. Sie war daher jedenfalls berechtigt, das BVA-Gesamtgutachten zu erhalten und für diesen Zweck als Beweismittel zu verwerten. Die damit verbundene Datenermittlung war gemäß § 7 Abs 1 DSG 2000 gesetzlich gedeckt und war nicht offenkundig überschießend.

Als Sicherheitsbehörde war die Beschwerdegegnerin aber auch von Amts wegen verpflichtet, gemäß §§ 4 Abs 2, 22 Abs 3 SPG sowie §§ 18 Abs 1 und 2, 78 Abs 1 und 99 Abs 1 StPO ein amtswegiges kriminalpolizeiliches Ermittlungsverfahren einzuleiten, was ihr überdies vom übergeordneten Bundesministerium für Inneres auch per Weisung aufgetragen worden war. Das Schreiben vom 14. Dezember 2010, GZ: 1**.2*7/*2-I/1/c/10, kann nämlich nur so gedeutet werden, dass der Beschwerdegegnerin damit die erforderlichen kriminalpolizeilichen (sowie eventuell disziplinarrechtlichen) Ermittlungen samt Berichterstattung aufgetragen wurden.

In einem solchen kriminalpolizeilichen Ermittlungsverfahren bestand in sinngemäßer Anwendung des § 79 StPO hier kein Recht der Beschwerdegegnerin, Akten des dienstrechtlichen Ruhestandsversetzungsverfahrens, einschließlich Gesundheitsdaten enthaltender Gutachten, die für den Verfahrensgegenstand („Aufklärung einer Straftat einer bestimmten Person“) relevant waren, geheim zu halten. Der Inhalt des Gutachtens, d.h. die vom Beschwerdeführer gegenüber den Sachverständigen gemachten Äußerungen (Misshandlung einer Person durch Beamten des fremdenpolizeilichen Büros), war nämlich für die Aufklärung des Verdachts von strafbaren Handlungen (etwa eines Missbrauchs der Amtsgewalt, einer gefährlichen Drohung oder einer Körperverletzung) erkennbar von Relevanz.

Über den Kreis der mit den entsprechenden gesetzmäßigen Verfahren befassten Stellen und Personen hinaus sind die im Verfahren zur Ruhestandsversetzung ermittelten Tatsachen (Daten) zwar nicht durch die ärztliche Schweigepflicht jedoch durch die Amtsverschwiegenheit und das Datengeheimnis geschützt.

Durch die Verwendung dieser Daten für Zwecke der vom BBE durchgeführten Ermittlungen wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 7 Abs 2 und 3 sowie 9 Z 3 DSG 2000 nicht im Recht auf Geheimhaltung verletzt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Rückverweise