JudikaturDSB

K202.102/0004-DSK/2011 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2011

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KÖNIG, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Dr. BLAHA, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 18. Mai 2011 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über den Antrag der X*** Gesellschaft m.b.H. (Antragstellerin) vom 22. Dezember 2010, auf Genehmigung der Übermittlung von personenbezogenen Daten durch die Y*** Gesellschaft zum Zweck der wissenschaftlichen Untersuchung zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von von der Antragstellerin angebotenen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation wird gemäß § 46 Abs. 3 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, entschieden:

Gemäß § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 1, 3 Abs. 1 und TP 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl Nr. 24 idgF (BVwAbgV), haben Sie eine Verwaltungsabgabe in Höhe von

Euro 6,50

zu entrichten. Dieser Betrag ist gemäß § 2 Abs. 1 BVwAbgV mit

Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides fällig.

Begründung

Die Antragstellerin begehrt für Zwecke der wissenschaftlichen Untersuchung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation, die sie im Auftrag des Arbeitsmarktservices und der Rehabilitationsträger anbietet, die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch die Y*** Gesellschaft.

Der folgende Sachverhalt wird festgestellt:

Die Antragstellerin bietet – im Auftrag des Arbeitsmarktservices und der Rehabilitationsträger (wie z.B. AUVA, PVA, Landesregierungen, Bundessozialämter) – bundesweit Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für

an und beabsichtigt, unter Heranziehung des I*** eine wissenschaftliche Untersuchung zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit dieser Dienstleistungen durchzuführen.

Die Übertragung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation ist sowohl im ASVG als auch im AMSG geregelt. Die kooperative Zusammenarbeit zwischen den Rehabilitationsträgern (wie z.B. AUVA, PVA, Landesregierungen, Krankenversicherungen, etc.) ist im Bundesbehindertengesetz geregelt.

Die Abgrenzung des Wirkungsbereiches und der Kostentragung zwischen den Trägern der gesetzlichen Unfall- und Pensionsversicherung einerseits und dem Arbeitsmarktservice (AMS) andererseits erfolgt auf Basis einer zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und dem AMS Österreich abgeschlossenen Vereinbarung.

Gemäß § 32 Abs. 3 AMSG hat das AMS dafür Sorge zu tragen, dass Dienstleistungen im Sinne des § 32 Abs. 2 AMSG, die das AMS nicht selbst bereitstellen kann oder deren Bereitstellung unwirtschaftlich wäre, auf Grund vertraglicher Vereinbarungen, z. B. durch Übertragung an geeignete Einrichtungen, zur Verfügung gestellt werden.

Gemäß § 198 Abs. 4 ASVG hat der Träger der Unfallversicherung bei der Durchführung der Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation, soweit er die Durchführung nicht nach § 200 ASVG überträgt, mit dem AMS zusammenzuarbeiten.

Die Pensionsversicherungsanstalt ist durch das Bundesbehindertengesetz und durch die Bestimmungen des ASVG verpflichtet, die Rehabilitationsmaßnahmen mit anderen Versicherungsträgern, Dienststellen und Einrichtungen zu koordinieren und abzustimmen. Zur Koordination der Arbeitsabläufe und für die Kostenteilung werden Vereinbarungen zwischen den beteiligten Stellen abgeschlossen.

Die Zusammenarbeit zwischen AMS, den Trägern der gesetzlichen Unfall- und Pensionsversicherung und der Antragstellerin ist in einer zwischen dem AMS Österreich, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Antragstellerin abgeschlossenen Rahmenvereinbarung festgelegt.

Die Konkretisierung einzelner Punkte der Rahmenvereinbarung, das Dienstleistungsportfolio sowie die in Anspruch zu nehmenden „Leistungstage“ werden mittels Kontingentvereinbarungen, welche jährlich zwischen den Landesgeschäftsstellen des AMS und der Antragstellerin abgeschlossen werden, fixiert. Eine Kopie der Rahmen- und Kontingentvereinbarung liegt im Datenverarbeitungsregister auf.

Jede von den RehabilitandInnen in Anspruch genommene rehabilitative (Sub ) Dienstleistung/Maßnahme optimiert den jeweiligen individuellen Rehabilitationsprozess und unterstützt gemäß der jeweiligen Kontingent-/ Fördervereinbarung mit der Öffentlichen Hand (z.B. AMS, Bundessozialämter, Landesregierungen und ESF-Fonds, etc.) letztendlich mittelbar oder unmittelbar die berufliche Integration der Betroffenen.

Das Dienstleistungsportfolio wird in unterschiedlichstem Ausmaß und Intensität von mehreren tausend Personen jährlich in Anspruch genommen.

Das I*** soll mit der wissenschaftlichen Untersuchung zur Wirksamkeit und Nachhaltig der Rehabilitationsmaßnahmen der Antragstellerin beauftragt werden. Das I*** wird als gemeinnütziger Verein geführt. Wissenschaftlicher Leiter des I*** ist ***, Geschäftsführer ***. Die inhaltliche/fachliche Kompetenz zur Durchführung der oben genannten wissenschaftlichen Untersuchung ergibt sich aus dem Inhalt der Website (und den der Datenschutzkommission vorliegenden Vereinsstatuten).

Vor dem Hintergrund immer knapperer finanzieller Ressourcen der Kostenträger und eines gesteigerten Interesses einer Zielprüfung, verfolgt die Evaluierung eine multiperspektivische Bewertung der Reha-Maßnahmen und eine Beurteilung des Erfolges (Effektivität und Nachhaltigkeit) der rehabilitativen Dienstleistungen hinsichtlich Beschäftigungseffekte.

Das Untersuchungsdesign der bundesweit durchzuführenden wissenschaftlichen Untersuchung sieht in der quantitativen Betrachtung der Arbeitspakete 1 und 2 (Analyse der Berichte der Reha-Planung, Statische Analyse der Beschäftigungs- und Einkommenseffekte) jeweils die Daten/Informationen von ca. 5.000 AbsolventInnen von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation durch die Antragstellerin vor. Für das Arbeitspaket 3 (Befragung ehemaliger RehabilitandInnen) wird von einer wesentlich geringeren Quantität ausgegangen. Bei ca. 20% dieser AbsolventInnen können die sogenannten „softfacts“ – welche zusammenfassend mit den Schlagwörtern „subjektive Zufriedenheit mit den in Anspruch genommenen Dienstleistungen“ und „subjektiver Nutzen des beruflichen Rehabilitationsprozesseses/der beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen der Antragstellerin“ definiert werden können – erhoben werden.

Erfahrungen im Zusammenhang mit inhaltlich ähnlichen Studien hätten gezeigt, dass die Aktualität der sogenannten Kontaktdaten u.a. von der zeitlichen Dimension zwischen Ende des Rehabilitationsprozesses und dem Zeitpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung abhängt. Erfahrungsgemäß wird daher die Aktualität der Kontaktdaten hier mit 30 % angenommen und von diesen würden sich rund 2/3 (= % der AbsolventInnen) an der wissenschaftlichen Untersuchung beteiligen.

Die Einholung der Zustimmung der ehemaligen RehabilitandInnen ist daher teilweise mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich bzw. würde dies einen unverhältnismäßigen Aufwand für den datenschutzrechtlichen Auftraggeber (Antragstellerin) bzw. für den Dienstleister (I***) bedeuten.

Folgende drei Perspektiven sollen eingenommen werden

Die wissenschaftliche Untersuchung wird in 4 Arbeitspaketen durchgeführt

Die nachstehenden Forschungsfragen konkretisieren die wissenschaftliche Untersuchung

Für die wissenschaftliche Beantwortung der Forschungsfragen bedarf es personenbezogener Daten / Information seitens der

Die Daten / Informationen aus diesen 3 Datenquellen werden in einem umfassenden Datensatz erfasst und vor der statischen Analyse und Auswertung anonymisiert.

Der vorliegende Antrag auf Genehmigung bezieht sich nur auf die Zurverfügungstellung von personenbezogenen Daten/Informationen durch die Y***. Die Zusammenführung dieser Daten mit den bereits vorhandenen Daten erfolgt über die Sozialversicherungsnummer als Identifikator.

Folgende personenbezogene Daten/Informationen sollen durch die Y*** zur Verfügung gestellt werden:

[Es folgt eine Aufstellung der Datenarten]

Die Y*** hat in einem formlosen Schreiben (E-Mail vom 30. November 2010 an das I***) die Zurverfügungstellung der erforderlichen Daten bei entsprechender Genehmigung durch die Datenschutzkommission bestätigt.

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung werden den Auftraggebern / Financiers präsentiert und führen – in unterschiedlichster Ausprägung – zu einem Redesign der Rehabilitationsmaßnahmen mit dem Ziel einer Optimierung des Rehabilitationsprozesses der Antragstellerin und somit zu einem effizienteren, effektiveren Mitteleinsatz der Öffentlichen Hand.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen im Antrag vom 22. Dezember 2010, sowie dem Schreiben der Antragstellerin vom 19. Jänner 2011 und der Website des I***.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Gemäß § 4 Z 1 DSG 2000 sind personenbezogene Daten Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist. Für die Verwendung von Daten für Zwecke der statistischen bzw. wissenschaftlichen Forschung enthält das DSG 2000 in seinem § 46 eine Sondervorschrift. Diese lautet:

„Wissenschaftliche Forschung und Statistik

§ 46. (1) Für Zwecke wissenschaftlicher oder statistischer Untersuchungen, die keine personenbezogenen Ergebnisse zum Ziel haben, darf der Auftraggeber der Untersuchung alle Daten verwenden, die

3. für ihn nur indirekt personenbezogen sind.

Andere Daten dürfen nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 3 verwendet werden.

(2) Bei Datenanwendungen für Zwecke wissenschaftlicher Forschung und Statistik, die nicht unter Abs. 1 fallen, dürfen Daten nur

(3) Eine Genehmigung der Datenschutzkommission für die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik ist auf Antrag des Auftraggebers der Untersuchung zu erteilen, wenn

Sollen sensible Daten ermittelt werden, muß ein wichtiges öffentliches Interesse an der Untersuchung vorliegen; weiters muß gewährleistet sein, daß die Daten beim Auftraggeber der Untersuchung nur von Personen verwendet werden, die hinsichtlich des Gegenstandes der Untersuchung einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen oder deren diesbezügliche Verläßlichkeit sonst glaubhaft ist. Die Datenschutzkommission kann die Genehmigung an die Erfüllung von Bedingungen und Auflagen knüpfen, soweit dies zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere bei der Verwendung sensibler Daten, notwendig ist.

(3a) Einem Antrag nach Abs. 3 ist jedenfalls eine vom Verfügungsbefugten über die Datenbestände, aus denen die Daten ermittelt werden sollen, oder einem sonst darüber Verfügungsbefugten unterfertigte Erklärung anzuschließen, dass er dem Auftraggeber die Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Anstelle dieser Erklärung kann auch ein diese Erklärung ersetzender Exekutionstitel (§ 367 Abs. 1 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896) vorgelegt werden.

(4) Rechtliche Beschränkungen der Zulässigkeit der Benützung von Daten aus anderen, insbesondere urheberrechtlichen Gründen bleiben unberührt.

(5) Auch in jenen Fällen, in welchen gemäß den vorstehenden Bestimmungen die Verwendung von Daten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Statistik in personenbezogener Form zulässig ist, ist der direkte Personsbezug unverzüglich zu verschlüsseln, wenn in einzelnen Phasen der wissenschaftlichen oder statistischen Arbeit mit nur indirekt personenbezogenen Daten das Auslangen gefunden werden kann. Sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes vorgesehen ist, ist der Personsbezug der Daten gänzlich zu beseitigen, sobald er für die wissenschaftliche oder statistische Arbeit nicht mehr notwendig ist.“

Die Antragstellerin begehrt für Zwecke der wissenschaftlichen Untersuchung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation, die sie im Auftrag des Arbeitsmarktservices und der Rehabilitationsträger anbietet, die Übermittlung von (oben angeführten) personenbezogenen Daten durch die Y***.

Eine solche Datenverwendung für wissenschaftliche Zwecke unterliegt der Sondervorschrift des § 46 DSG 2000. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und Z 2 nicht vorliegen, sodass die geplante Datenverwendung nur aufgrund einer Genehmigung durch die Datenschutzkommission gemäß § 46 Abs. 2 Z 3 iVm Abs. 3 und Abs. 3a DSG 2000 erfolgen kann.

Diese Genehmigung hat die Datenschutzkommission zu erteilen, wenn

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller hat das öffentliche Interesse an der beantragten Verwendung (§ 46 Abs. 3 Z 2 DSG 2000) ausreichend dargelegt (insbesondere: effektiverer Einsatz von öffentlichen Mitteln) sowie die fachliche Eignung (Z 3 leg. cit.) durch Heranziehung einer Universität als Dienstleister glaubhaft gemacht. Auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 ist im gegenständlichen Fall gegeben: die Einholung der Zustimmung der Betroffenen ist mangels ihrer Erreichbarkeit unmöglich, weil die Kontaktdaten der Betroffenen der Antragstellerin zum großen Teil nur unaktuell zur Verfügung stehen.

Die Y*** hat auch in einem formlosen Schreiben (E-Mail vom 30. November 2011 an die I***) erklärt, der Antragstellerin via I*** die gegenständlichen Datenbestände für die Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Damit ist auch die Voraussetzung des § 46 Abs. 3a DSG 2000 erfüllt.

Die Genehmigung war daher zu erteilen, allerdings an die Erfüllung von Auflagen zu knüpfen. Die Auflagen a., c. und d. spiegeln dabei gesetzliche Verpflichtungen wieder bzw. konkretisieren sie. Die Auflage b. soll verdeutlichen, dass für die wissenschaftliche Untersuchung die Verwendung der Sozialversicherungsnummer nach Zusammenführung der Daten zu einer Person aus verschiedenen Quellen keine Rolle mehr spielt und zu löschen ist. Auflage e. ist notwendig, um im Sinn des § 46 Abs. 5 DSG 2000 (Beseitigung des Personenbezugs, sobald für die wissenschaftliche Arbeit nicht mehr notwendig) einen möglichst schonenden Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz vorzunehmen.

Der Kostenpunkt des Spruchs stützt sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Erteilung einer Genehmigung der Datenverwendung für wissenschaftliche Forschung und Statistik ist nicht von der Gebühren- und Abgabenbefreiungsklausel des § 53 Abs. 1 DSG 2000 umfasst.

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