K121.678/0009-DSK/2011 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KÖNIG, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Dr. BLAHA, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 18. Mai 2011 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Josef H*** (Beschwerdeführer) aus F***, vertreten durch Dr. Siegfried L***, Rechtsanwalt in **** F***, vom 13. Dezember 2010 gegen 1. die Stadtgemeinde F*** (Erstbeschwerdegegnerin) und 2. die Krankenfürsorge der Beamten der Stadtgemeinde F*** (Zweitbeschwerdegegnerin, auch kurz: KFA) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Datenübermittlung von der Zweit- an die Erstbeschwerdegegnerin betreffend den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Jänner 2008 wird entschieden:
1. Der B e s c h w e r d e wird t e i l w e i s e F o l g e g e g e b e n und f e s t g e s t e l l t, dass die Zweitbeschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch die Übermittlung des am 8. Jänner 2008 eingelangten „Antrag auf Rehabilitations- Kur- bzw. Erholungsaufenthalt“ des Beschwerdeführers samt ärztlicher Stellungnahme des a.ö. Krankenhauses V*** an die Erstbeschwerdegegnerin zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem 8. und dem 15. Jänner 2008 in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.
2. Im Ü b r i g en wird die B e s c h w e r d e
a b g e w i e s e n.
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs 1 und 2, 31 Abs 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr 165/1999 idgF, iVm §§ 34 Abs 1 bis 4, 35 Abs 1 und 2 und 91 der Niederösterreichischen Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO), LGBl. 2400-46.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner am 15. Dezember 2010 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde (siehe auch das vorangegangene Beschwerdeverfahren Zl. K121.532, Bescheid der Datenschutzkommission vom 27. November 2009, GZ: K121.532/0013-DSK/2009, zwischen dem Beschwerdeführer und der Erstbeschwerdegegnerin) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch drei Fakten, die sämtliche seinen (verlängerten) Krankenstand im Jänner 2008 und eine mögliche Ruhestandsversetzung betreffen.
I. Gemäß einem Aktenvermerk habe die Personalamtschefin der Erstbeschwerdegegnerin bei Primarius Dr.med. T***, Chefarzt der Zweitbeschwerdegegnerin, telefonisch Daten zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (gefäßchirurgischer Eingriff im Krankenhaus V***) ermittelt.
II. Dieselbe Personalamtschefin habe in einer E-Mail an den Stadtamtsdirektor am 14. Jänner 2008 angefragt, ob mit der Zweitbeschwerdegegnerin Kontakt aufgenommen werden solle, um einen möglichst raschen Rehabilitationsaufenthalt des Beschwerdeführers zu arrangieren; auch hier sei die dem Krankenstand zu Grunde liegende Diagnose erwähnt worden, die nur von der Zweitbeschwerdegegnerin stammen könne.
III. Der sozialversicherungsrechtliche Antrag auf Genehmigung eines Kur- und Rehabilitationsaufenthalts (ärztlich bestätigt seitens des Krankenhauses V***) sei nach dem 3. Jänner 2008 an die Erstbeschwerdegegnerin (wiederum das Personalamt) übermittelt worden.
Der Beschwerdeführer erachte sich dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung seiner Gesundheitsdaten verletzt. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde brachte er vor, erst im Herbst 2010 anlässlich einer Akteneinsichtnahme von diesen Übermittlungen erfahren zu haben. Sowohl die einjährige Frist als auch die dreijährige absolute Präklusionsfrist seien daher gewahrt.
Die Erstbeschwerdegegnerin erhob in ihrer Stellungnahme vom 31. Jänner 2011 hingegen ausdrücklich die Einrede der zumindest teilweisen Verjährung (Präklusion) des Beschwerderechts. Der Sachverhalt werde dahingehend außer Streit gestellt, dass der Beschwerdeführer im Sommer 2010 eine Kopie seines Personalaktes erhalten und sich zur fraglichen Zeit im Krankenstand befunden habe. Die Leiterin des Personalamtes, Frau Luise B***, könne nicht mehr zum Sachverhalt befragt werden, da sie im Jahr 2009 verstorben sei. Die näher beschriebene Erkrankung des Beschwerdeführers sei bei der Beschwerdegegnerin aber schon aus einer vom 27. Dezember 2007 datierenden Krankenstandsbestätigung des Dr.med. Karl A*** bekannt gewesen, in der eine geplante „Angio“ (Angiografie, Gefäßuntersuchung mittels bildgebender Diagnostik) im Krankenhaus V*** vermerkt sei. Dr. T*** habe in dem vom Beschwerdeführer in Beschwerde gezogenen Telefongespräch (Faktum I.) offenbar das Gerücht weitergegeben, dem Beschwerdeführer sei bei seinem Krankenhausaufenthalt auch gleich ein „Stent“ (künstliche Gefäßstütze zur Verhinderung von Gefäßverschlüssen) eingesetzt worden. Primarius Dr. T*** habe diese Meinung als Privatperson und nicht als Chefarzt der KFA geäußert. Das entsprechende Wissen über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe dieser aus seiner mehrfachen Sachverständigentätigkeit bei der Feststellung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers für Zwecke der Erstbeschwerdegegnerin gehabt. Der Grund für eine Verwendung von Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit einem geplanten Kur- und Rehabilitationsaufenthalt in einer E-Mail (Faktum II.) liege darin begründet, dass derartige Dienstabwesenheiten unter Angabe des Grundes gemäß § 35 Abs 1 der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung vom Beschwerdeführer selbst dem „Magistratsdirektor oder leitenden Gemeindebeamten“ anzuzeigen gewesen wären, sodass einer Information des Stadtamtsdirektors, zu dessen Aufgaben gemäß § 38 leg.cit. die Aufrechterhaltung und Überwachung des geregelten Dienstbetriebes gehöre, keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers entgegengestanden wären. Wie der Antrag auf Genehmigung des Kur- und Rehabilitationsaufenthalts (Faktum III.) an die Erstbeschwerdegegnerin gelangt sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden, wahrscheinlich sei dieser gemäß § 91 der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung (wegen der Anrechnung eines vom Sozialversicherungsträger bewilligten Kuraufenthalts als Krankenstand statt als Erholungsurlaub) vom Beschwerdeführer selbst vorgelegt worden. Diese Datenermittlung durch die Erstbeschwerdegegnerin könne sich auf § 9 Z 11 DSG 2000 stützen. Eine Aufenthaltsbestätigung des Krankenhauses V*** habe der Beschwerdeführer überdies selbst im Zuge der Vorstellung gegen die Abweisung eines Antrags auf Versetzung in den dauernden Ruhestand übermittelt.
Die Zweitbeschwerdegegnerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 26. Jänner 2011 vor, erst am 8. Jänner 2008 durch das Einlangen des Antrags des Beschwerdeführers auf Kur- und Rehabilitationsaufenthalt Daten zu dessen aktuellem Gesundheitszustand erhalten zu haben (der Antrag sei vom Krankenhaus irrtümlich an die KFA der Bediensteten der Stadt Wien übermittelt worden, da diese die Verrechnung für die Zweitbeschwerdegegnerin abwickle und auf der E-Card als zuständiger Sozialversicherungsträger aufscheine). Eine Datenübermittlung vor diesem Zeitpunkt sei daher nicht möglich gewesen. Betreffend die Fakten I. und II. sei festzuhalten, dass Chefarzt Prim. Dr. T*** telefonisch keine Daten über den Beschwerdeführer übermittelt habe. Es sei aber bei der Zweitbeschwerdegegnerin bekannt, dass Dr. T*** auch als Sachverständiger zur Überprüfung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers für die Erstbeschwerdegegnerin tätig gewesen sei. Bei der Zweitbeschwerdegegnerin liege nur der Antrag des Beschwerdeführers auf Kur- und Rehabilitationsaufenthalt (Faktum III.) auf, eine „Aufenthaltsbestätigung samt Diagnose“ für den 2. bis 5. Jänner 2008 des Krankenhauses V*** sei nicht bekannt. Einen Entlassungsbrief des Landesklinikums V*** vom 18. März 2008 habe der Beschwerdeführer selbst mit Schreiben vom 19. März 2008 der KFA und Chefarzt Dr. T*** vorgelegt. Die wirtschaftliche Gebarung der KFA erlaube es nicht, die Verwaltung ohne Heranziehung von Bediensteten der Erstbeschwerdegegnerin zu besorgen.
Der Beschwerdeführer , inzwischen anwaltlich vertreten, brachte dazu nach Parteiengehör vor, die Beschwerdegegnerinnen hätten die ihnen vorgeworfenen Datenschutzverletzungen nicht entkräften können.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerinnen den Beschwerdeführer durch die Ermittlung bzw. Übermittlung ihn betreffender Gesundheitsdaten im Jänner 2008 in seinem Recht auf Geheimhaltung sensibler Daten verletzt haben.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Allgemeines
Der Beschwerdeführer steht als Beamter der Stadtpolizei (Gemeindewachkörper) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Erstbeschwerdegegnerin. Ein Verfahren zur Ruhestandsversetzung (abweisender Bescheid des Gemeinderats der Stadtgemeinde F*** vom 20. September 2006) ist seit Jahren anhängig. Er befand sich im Jahr 2007 in einem längeren Krankenstand (mindestens seit 2. Oktober 2007). Ende 2007 (19. bis 20. Dezember) und Anfang 2008, nämlich vom 2. bis 5. Jänner 2008, unterzog er sich im Landesklinikum V*** mehreren Untersuchungen und einem gefäßchirurgischen Eingriff (Angiografie, Einsetzung von Stents in zwei Koronargefäße). Noch im Krankenhaus stellte er einen Antrag auf Genehmigung eines Rehabilitationsaufenthalts an den für ihn zuständigen Sozialversicherungsträger, die Zweitbeschwerdegegnerin. Dieser Antrag war mit einer befürwortenden ärztlichen Stellungnahme des Krankenhauses mit Diagnose und Befunden versehen. Er enthielt Gesundheitsdaten des Beschwerdeführers wie Angaben zur gesundheitlichen Vorgeschichte („Angina pectoris Anfälle seit Nov. 07“), die antragsrelevante Diagnose („KHK“ = koronare Herzkrankheit, Einsetzung von Stents), die aktuelle Medikation sowie die vorgeschlagene Rehabilitationseinrichtung.
Dieser Antrag langte am 8. Jänner 2008 bei der Zweitbeschwerdegegnerin ein (wurde versehentlich an die Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien versendet und von dieser weitergeleitet). Er wurde am 15. Jänner 2008 durch Fertigung der Genehmigung auf dem Antragsformular bewilligt.
Beweiswürdigung : Die allgemeinen Feststellungen zur dienstrechtlichen Stellung (Ruhestandsversetzungsverfahren) und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers stützen sich auf die unbestrittenen Angaben der Erstbeschwerdegegnerin (Stellungnahme vom 31. Jänner 2011, Dr.W/T, samt Beilagen) und den vom Beschwerdeführer als Beilage zur Beschwerde vorgelegten medizinischen Unterlagen und Krankenstandsbestätigungen. Das Genehmigungsdatum ergibt sich aus der von der Zweitbeschwerdegegnerin als Beilage zur Stellungnahme vom 26. Jänner 2011 vorgelegten, bei dieser aktenkundigen Kopie mit datiertem Genehmigungsvermerk.
Faktum I.
Bereits am 7. Jänner 2008 war die Personalabteilung des F***er Stadtamts jedoch bereits in groben Zügen über den aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in Kenntnis; dies durch die seit 2. Jänner 2008 (Eingangsdatum) vorliegende Arbeitsunfähigkeitsbestätigung des Dr. med. Karl A*** vom 27. Dezember 2007 für den Zeitraum 20. Dezember 2007 bis 13. Jänner 2008, in der „Geplante Angio in V*** am 3. 1. 08“ angegeben ist. Frau Luise B***, die inzwischen verstorbene Leiterin der Personalabteilung, hielt am 7. Jänner 2008 in einem handschriftlichen Aktenvermerk im Personalakt des Beschwerdeführers fest:
„Hr. Prim Dr. T*** teilt tel. mit, dass Hr H*** angebl. einen „Stent“ erhalten hat – daher zuwarten.“
Dies kann nur so erklärt werden, dass sich Frau B*** an diesem Tag telefonisch bei Primarius Dr. T*** als ärztlichem Sachverständigen (Chefarzt der KFA) erkundigte, was unter einer „Angio“ im ärztlichen Sprachgebrauch zu verstehen sei, und dieser die im Aktenvermerk wiedergegebene Vermutung („angebl.“) geäußert hat.
Faktum II.
Am 14. Jänner verfasste Luise B*** einen weiteren Aktenvermerk des Inhalts:
„Auf Nachfrage wird mir mitgeteilt v. CI M***: H*** rief 10’ vor 8:00 an und teilte mit bis zur Rehab krank geschrieben zu sein; Krankschreibung kommt noch.“
Am selben Tag um 16:00 Uhr teilte Luise B*** dem Stadtamtsdirektor Ulrich O*** per E-Mail diesen Sachverhalt mit. Ob Frau B*** zu diesem Zeitpunkt bereits eine Kopie des Rehabilitationsantrags des Beschwerdeführers vorgelegen ist, ist nicht bekannt.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den vom Beschwerdeführer selbst als Beilage zur Beschwerde vom 13. Dezember 2010 vorgelegten Kopien aus seinem, von der Erstbeschwerdegegnerin als Dienstgeberin geführten Personalakt. Die Zweitbeschwerdegegnerin und der an diese übermittelte Antrag samt ärztlicher Diagnose des Krankenhauses V*** kann als Informationsquelle für den ersten Aktenvermerk ausgeschlossen werden, da feststeht (siehe das der Stellungnahme der Zweitbeschwerdegegnerin vom 26. Jänner 2011 in Kopie angeschlossene Sendungskuvert der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien mit Eingangsstempel der „Stadtgemeinde F***“ vom 8. Jänner 2008), dass dieser erst am nächsten Tag der Zweitbeschwerdegegnerin zugestellt wurde bzw. überhaupt postalisch bei der Stadtgemeinde F*** eingelangt ist. Die Informationsquelle im zweiten Fall (Faktum II. der Beschwerde) wiederum war, wie ja schon aus dem 2. Aktenvermerk der Frau Luise B***, die eine telefonisch von Chefinspektor M*** von der Stadtpolizei F*** übermittelte mündliche Krankmeldung entgegennahm, hervorgeht, möglicherweise der Beschwerdeführer selbst, eventuell auch die Kenntnis der Frau B*** vom Rehabilitationsantrag des Beschwerdeführers. Dies festzustellen ist nicht mehr möglich, da Frau B*** nicht mehr als Zeugin befragt werden kann.
Faktum III.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in der Zeit vom 8. Jänner 2008 bis 15. Jänner 2008 übermittelte die Zweitbeschwerdegegnerin der Erstbeschwerdegegnerin eine Kopie des Antrags auf Genehmigung eines Rehabilitationsaufenthalts des Beschwerdeführers (noch ohne Genehmigungsvermerk).
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers, denen die Beschwerdegegnerinnen nichts entgegenzusetzen vermochten. Da der Beschwerdeführer den entsprechenden Antrag unbestrittenermaßen in seinem Personalakt vorgefunden hat und kopieren konnte, muss er in der vom Beschwerdeführer behaupteten Weise übermittelt worden sein; dies vor dem 15. Jänner 2008, da an diesem Tag der Genehmigungsvermerk auf dem Formular beurkundet worden ist, der in der Kopie aus dem Personalakt des Beschwerdeführers noch fehlt. Der Einwand der Erstbeschwerdegegnerin, der Beschwerdeführer selbst habe den Antrag zwecks Erbringung des Nachweises gemäß § 91 NÖ GBDO vorgelegt, ist insoweit nicht glaubwürdig, als für diesen Nachweis nur die Genehmigung eines Rehabilitationsaufenthaltes durch den Krankenversicherungsträger, nicht jedoch die Bekanntgabe einer vollständigen medizinischen Diagnose geboten ist, und der Beschwerdeführer offenkundig bestrebt war, letztere vor der Erstbeschwerdegegnerin geheim zu halten. Außerdem wäre es angesichts der Sensibilität von Gesundheitsdaten und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nicht zum ersten Mal eine Verletzung seines Geheimhaltungsrechts rügt, Sache der Erstbeschwerdegegnerin gewesen, eine solche Urkundenvorlage für dienstrechtliche Zwecke aktenmäßig zu dokumentieren, was aber offenbar nicht geschehen ist. Die Erstbeschwerdegegnerin wie die Zweitbeschwerdegegnerin brachten lediglich vor, sich den Vorgang nicht näher erklären zu können, was das Vorbringen des Beschwerdeführers in diesem Fall als glaubwürdiger erscheinen lässt.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
§§ 34 Abs 1 bis 4, 35 Abs 1 und 2 und 91 GBDO lauten samt Überschriften:
„ § 34
Anzeige der Dienstverhinderung und ärztliche
Untersuchung
(1) Außer wegen einer Krankheit oder eines anderen begründeten Hindernisses darf kein Gemeindebeamter ohne Bewilligung des zur Erteilung eines Urlaubes berechtigten Vorgesetzten vom Dienst wegbleiben. Der Gemeindebeamte hat die Dienstverhinderung dem unmittelbaren Vorgesetzten unverzüglich anzuzeigen. Der Grund der Verhinderung muß bescheinigt werden.
(2) Ist die Dienstverhinderung durch Krankheit verursacht, so hat der Gemeindebeamte dies durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen, wenn es die Dienstbehörde verlangt oder wenn die Dienstverhinderung länger als drei Tage dauert. Der Gemeindebeamte hat dafür vorzusorgen, daß seine Dienstverhinderung überprüft werden kann. Kommt der Gemeindebeamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst als nicht gerechtfertigt.
(3) Bestehen berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen körperlichen und geistigen Eignung des Gemeindebeamten, so hat sich dieser auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
(4) Der infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens vom Dienst abwesende Gemeindebeamte hat sich auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung seines Gesundheitszustandes zu unterziehen. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen. Eine Anordnung im Sinne des ersten Satzes ist spätestens drei Monate nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in entsprechenden Abständen zu erteilen.
§ 35
Abwesenheit vom Dienst
(1) Ist der Gemeindebeamte an der Ausübung des Dienstes verhindert, so hat er dies sobald als möglich dem Bürgermeister, Magistratsdirektor oder leitenden Gemeindebeamten unter Angabe des Grundes anzuzeigen.
(2) Ist der Gemeindebeamte ohne hinreichenden Entschuldigungsgrund vom Dienst ferngeblieben, so verliert er unvorgreiflich der disziplinären Ahndung für die Zeit seiner ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst den Anspruch auf seine Dienstbezüge. Der Bürgermeister hat die Disziplinaranzeige zu erstatten, wenn die ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst bereits länger als zwei Wochen dauert.“
„ § 91
Urlaub zur Wiederherstellung der Gesundheit
Ein ärztlich befürworteter Urlaub zur Wiederherstellung der Gesundheit ist anläßlich der Bewilligung zur Hälfte auf den Erholungsurlaub anzurechnen. Von der halben Anrechnung ist jedoch Abstand zu nehmen, wenn der Gemeindebeamte eine Kur absolviert, deren Kosten ein Sozialversicherungsträger oder der Bund auf Grund einer Bewilligung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ganz oder teilweise trägt. Dieser Urlaub gilt, soweit er nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet wird, als eine durch Krankheit verursachte Dienstverhinderung“.
2. rechtliche Schlussfolgerungen
2.1. zur Frage der Präklusion des Beschwerderechts
Beide Beschwerdegegnerinnen haben ausdrücklich vorgebracht, das Beschwerderecht wäre bereits in Folge Ablaufs der Präklusionsfristen gemäß § 34 Abs 1 DSG 2000 erloschen.
Dies trifft nicht zu. Die behauptet beschwerenden Ereignisse fallen in den Jänner 2008, die absolute Präklusionsfrist von drei Jahren (§ 34 Abs 1 zweiter Fall DSG 2000) wäre daher erst (hinsichtlich Faktum I.) am 7. Jänner 2011 abgelaufen. Die am 15. Dezember 2010 eingelangte Beschwerde liegt noch innerhalb dieser Frist. Hinsichtlich der einjährigen Frist ab Kenntnisnahme von dem beschwerenden Ereignis hat der Beschwerdeführer dargelegt – und die Erstbeschwerdegegnerin hinsichtlich der Einsichtnahme auch nicht bestritten –, dass er im Spätsommer bzw. Herbst 2010 durch Einsichtnahme in eine Kopie seines Personalaktes von möglichen Rechtsverletzungen Kenntnis erlangt hat. Auch die einjährige Präklusionsfrist gemäß § 34 Abs 1 erster Fall DSG 2000 ist damit gewahrt.
Die Beschwerde ist rechtzeitig eingebracht worden und somit zulässig.
2.2 in der Sache selbst
Wie bereits im Bescheid vom 27. November 2009, GZ: K121.532/0013-DSK/2009, dargelegt, besteht aus datenschutzrechtlicher Sicht kein rechtlich zwingender Grund, dass Mitarbeiter der Erstbeschwerdegegnerin nicht auch für die Zweitbeschwerdegegnerin tätig sein können, obwohl dies natürlich bedeutet, dass das Wissen um bestimmte, der Geheimhaltung unterliegende Tatsachen (bzw. Daten) im Gedächtnis der handelnden Personen auch bei Tätigkeit für den jeweils anderen Auftraggeber präsent bleibt.
Das hier geltend gemachte (Grund ) Recht auf Geheimhaltung kann laut ständiger Rechtsprechung der Datenschutzkommission für personenbezogene Daten in jeder Form, also auch für nichtautomationsunterstützt und nicht-strukturiert außerhalb einer manuellen Datei verwendete Daten beansprucht werden. Liegen die relevanten Daten, die für den Inhalt eines Behördenaktes typischerweise zu erwarten sind, nicht in automationsunterstützt verarbeiteter Form vor, sondern sind sie unstrukturiert auf dem Papier der einzelnen Aktenstücke festgehalten, kommt als verletztes subjektives Recht nur das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG 2000 in Frage (so bereits der Bescheid der Datenschutzkommission vom 18. Mai 2000, GZ: 120.686/3-DSK/00, RIS, RS1, ergangen zum inhaltsgleichen § 1 DSG 1978). Das Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs. 1 DSG 2000 setzt eine Verarbeitung in einer Datenanwendung oder manuellen Datei nicht voraus und schützt daher auch die Verwendung von Daten in konventioneller (Papier )Form (Bescheid der Datenschutzkommission vom 9. September 2005, GZ: K121.041/0012-DSK/2005, RIS).
Hinsichtlich der Fakten I. und II. ist die Beschwerde nicht berechtigt.
Der festgestellte Sachverhalt zu Faktum I. ergibt, dass die Zweitbeschwerdegegnerin am 7. Jänner 2008 vom Antrag des Beschwerdeführers auf Genehmigung eines Rehabilitationsaufenthalts und von der diesem zu Grunde liegenden medizinischen Diagnose noch nicht in Kenntnis war. Vielmehr wurde festgestellt, dass die Leiterin der Personalabteilung der Erstbeschwerdegegnerin auf Grundlage einer vorliegenden ärztlichen Bescheinigung einen medizinischen Sachverständigen um Erläuterung eines Fachausdrucks gebeten, dabei dessen Vermutung zur Behandlung des Beschwerdeführers erfahren und diese in einem Aktenvermerk festgehalten hat.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Datenübermittlung von der Zweit- an die Erstbeschwerdegegnerin konnte hingegen nicht festgestellt werden.
Faktum II. wiederum beruht auf der Tatsache, dass dieselbe Beamtin der Erstbeschwerdegegnerin eine ihr mündlich von einem Beamten der Stadtpolizei weitergeleitete verlängerte Krankenstandsmeldung des Beschwerdeführers entgegengenommen und aktenkundig gemacht hat, in der dieser offenbar selbst einen beantragten Rehabilitationsaufenthalt erwähnt hat.
Dazu ist zu sagen, dass gemäß § 35 Abs 1 NÖ GBDO der Dienstgeber berechtigt ist, den Grund einer Dienstverhinderung zu erfahren. Aus § 34 NÖ GBDO ist wiederum der Schluss zulässig, dass die Dienstbehörde berechtigt und verpflichtet ist, den Grund einer Dienstverhinderung und die körperliche wie geistige Eignung zur Dienstverrichtung zu ermitteln, d.h. ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten und Sachverständigengutachten einzuholen.
Somit besteht kein grundsätzliches Verbot für die Erstbeschwerdegegnerin, gesundheitsbezogene Daten des Beschwerdeführers für dienstrechtliche Zwecke zu ermitteln (vgl. auch § 9 Z 11 DSG 2000).
In dem Sachverhalt laut Faktum II. kann daher keine Verletzung des Geheimhaltungsrechts des Beschwerdeführers durch die Erstbeschwerdegegnerin erblickt werden.
Hinsichtlich des Faktums III. und der Zweitbeschwerdegegnerin ist die Beschwerde jedoch berechtigt.
Die Zweitbeschwerdegegnerin ist verpflichtet, den Geheimhaltungsanspruch der Betroffenen, im Wesentlichen also der bei ihr krankenversicherten Personen, auch und gerade gegenüber der Erstbeschwerdegegnerin zu wahren. Die wirtschaftlich vorteilhafte „Personalunion“ von Organen der Gemeinde und der Krankenfürsorge verpflichtet letztere etwa im Hinblick auf die gemäß § 14 DSG 2000 gebotenen Datensicherheitsmaßnahmen zu einer Abgrenzung zwischen Krankenfürsorge- und Gemeindeangelegenheiten bei der Verwendung gesundheitsbezogener Daten. Für Verletzungen des Geheimhaltungsschutzes trifft sie daher im gegebenen Zusammenhang die Verantwortung.
Die Problematik des Eingriffs liegt hierbei nicht darin, dass die Erstbeschwerdegegnerin als Dienstgeberin des Beschwerdeführers von dessen vorgesehenem Rehabilitationsaufenthalt erfuhr, sondern dass ihr die im Antrag enthaltene medizinische Diagnose, demnach sensible Daten, übermittelt worden sind. Eine Berechtigung zur Übermittlung dieser Daten für die Zweitbeschwerdegegnerin in zumindest sinngemäßer Anwendung des § 9 DSG 2000 ist für die Datenschutzkommission nicht ersichtlich.
Dadurch, dass die Pflicht zur Wahrung des Geheimhaltungsrechts des Beschwerdeführers bei der Verwendung des am 8. Jänner 2008 bei der Zweitbeschwerdegegnerin eingelangten Rehabilitationsantrags nicht eingehalten worden ist, hat die Zweitbeschwerdegegnerin daher den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung sensibler Daten (Gesundheitsdaten) verletzt.
Da die Erstbeschwerdegegnerin, wie bereits oben zu Faktum II. ausgeführt, grundsätzlich berechtigt war, Gesundheitsdaten des Beschwerdeführers zu ermitteln, soweit es für das Dienstverhältnis gesetzlich vorgesehen bzw. von Belang ist, fällt ihr dagegen keine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung („Ermittlungsschutz“) zur Last. Freilich wäre sie aber gehalten gewesen, die ihr unberechtigt ohne ihr Zutun übermittelten Daten unverzüglich zu löschen, sobald ihr die Unzulässigkeit der Verarbeitung von Daten bekannt geworden ist (§ 27 Abs. 1 Z 1 DSG 2000). Eine Verletzung im Recht auf Löschung durch die Erstbeschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführer aber nicht geltend gemacht.
Der Beschwerde war insoweit teilweise stattzugeben.