K121.653/0004-DSK/2011 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 11. März 2011 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde der Tanja E*** (Beschwerdeführerin) aus L***, vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft D***, J*** Z*** in **** L***, vom 13. September 2010 gegen die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge erkennungsdienstlicher Behandlung der Beschwerdeführerin am 7. Juni 2010 wird entschieden:
1. Der B e s c h w e r d e wird teilweise F o l g e g e g e b e n und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin durch die Verarbeitung (Ermittlung und Speicherung) ihres DNA-Profils am 7. Juni 2010 für Zwecke der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden in ihrem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt hat.
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs 1 und 2, 31 Abs 2 und 7 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr 165/1999 idgF, iVm §§ 16 Abs 2, 65 Abs 1, 67 Abs 1 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl Nr 566/1991 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer am 16. September 2010 bei der Datenschutzkommission eingegangenen Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass sie am 7. Juni 2010 auf der Polizeiinspektion (PI) L*** erkennungsdienstlich behandelt worden sei und die so ermittelten Daten in weiterer Folge verarbeitet (gespeichert) worden seien. Dies sei erfolgt, nachdem im Zuge einer Amtshandlung wegen eines häuslichen Streites die vom Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, Paul H***, angelegte Cannabis-Aufzucht in der Wohnung der Beschwerdeführerin von den intervenierenden Polizeibeamten entdeckt worden war. Gegen die Beschwerdeführerin habe jedoch konkret nur der Verdacht des gelegentlichen Eigenkonsums und der Duldung des Anbaus der Pflanzen durch Paul H*** bestanden. Dennoch habe man ihr nach ihrer Einvernahme widerrechtlich die erkennungsdienstliche Behandlung (Fingerabdrücke, Lichtbilder und DNA-Probe) abverlangt.
Die Beschwerdegegnerin hielt dem in ihrer Stellungnahme vom 13. Oktober 2010 entgegen, die Beschwerdeführerin sei unter Verdacht gestanden, gemeinsam mit Paul H*** etwa 188 Gramm Cannabiskraut erzeugt, etwa 40 Gramm (90 Joints) davon bereits selbst konsumiert sowie die Aufzucht von weiteren 10 Stecklingen (geschätzter Ertrag: ca. 350 Gramm Cannabiskraut) vorbereitet zu haben. Die erzeugte Suchtgiftmenge entspreche mehr als 20 Gramm der Reinsubstanz und damit der suchtgiftrechtlichen „großen Menge“. Die Beschwerdeführerin habe gemeinsam mit Paul H*** den Entschluss zur Suchtgiftgewinnung gefasst und mit ihm gehandelt. Der Verdacht habe daher die vollendete Erzeugung von Suchtgift in großer Menge als Mit-, jedenfalls aber Bestimmungs- oder Beitragstäterin, sowie den Versuch der Erzeugung einer noch größeren Suchtgiftmenge (Anschaffung der Stecklinge) umfasst (Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG). Die Beschwerdeführerin habe sich hauptsächlich damit gerechtfertigt, dass sie Cannabis als Ersatz für Antidepressiva gebrauche. Die Beschwerdeführerin habe jedenfalls einen gefährlichen Angriff im Sinne des SPG gestanden, an den sich sicherheitspolizeiliche Präventivmaßnahmen gemäß §§ 65 und 67 SPG knüpfen durften.
Die Beschwerdeführerin replizierte darauf in ihrer Stellungnahme vom 3. November 2010, die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe gemeinsam mit Paul H*** den Entschluss zur Anlage der Cannabis-Aufzucht gefasst, sei aktenwidrig, die Beschwerdeführerin habe sich nach ihrer Aussage nicht darum gekümmert, nicht mitgewirkt und Paul H***s diesbezügliche Aktivitäten lediglich passiv geduldet. Die Qualität des Cannabiskrauts und damit das Vorliegen der „großen Menge“ sei zum Zeitpunkt der Datenermittlung nicht bekannt, eine entsprechende Annahme (Verdacht des Verbrechens nach § 28a Abs 1 SMG) rein auf Grund der Erfahrung der einschreitenden Beamten nicht zulässig gewesen. Im Zeitpunkt der Datenermittlung sei nur der Verdacht auf einen „untergeordneten Beitrag“ (Idee zum Cannabisanbau) zur Erzeugung sowie auf Konsum von Cannabis zulässig gewesen. Die Beschwerdeführerin sei reumütig, geständig, unbescholten und nicht einschlägig (im KPA) vorgemerkt gewesen.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, am 7. Juni 2010 erkennungsdienstliche Daten (einschließlich DNA-Daten) der Beschwerdeführerin zu verarbeiten.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Am Abend des 3. Juni 2010 verständigte die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen, ihr Lebensgefährte Paul H*** habe im Zuge eines häuslichen Streites in L*** Gewalt gegen sie geübt, die Polizei. Im Zuge der polizeilichen Intervention wies die Beschwerdeführerin selbst darauf hin, dass Paul H*** im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung eine Plantage von Cannabispflanzen unterhalte und gestattete die Einschaunahme und die Sicherstellung der Pflanzen. Darauf wurde zu Zl. B*/31***/2010 ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin und Paul H*** wegen strafbarer Handlungen wider das SMG eingeleitet (Verdacht der Erzeugung und des Konsums von Suchgift). Sichergestellt werden konnten 5 erntereife, bereits getrocknete Cannabispflanzen sowie 10 in Aufzucht befindliche Pflanzen. Aus den sichergestellten getrockneten Pflanzen konnte je 25 bis 45 Gramm rauchfertiges Cannabiskraut gewonnen werden.
Paul H*** wurde noch in den Morgenstunden (00:28 bis 01:45 Uhr) des 4. Juni 2010 in den Räumen der PI L*** als Beschuldigter einvernommen. Er gab an, nach einer früheren Heroinabhängigkeit im Februar 2010 damit begonnen zu haben, Cannabis anzubauen. Um nicht wieder mit der Suchgiftszene in Kontakt treten zu müssen, habe er sich zum Eigenanbau für den Eigenkonsum entschlossen. Die Beschwerdeführerin habe von seinem Anbau gewusst, und er habe das „Gras“ auch gemeinsam mit ihr konsumiert. Eine andere Weitergabe habe nicht stattgefunden. Über die Menge habe er sich nicht orientiert, sie sei ihm egal gewesen, die Qualität des Cannabiskrauts habe er als mittelmäßig eingeschätzt.
Am 7. Juni 2010 wurde die Beschwerdeführerin vom 11.33 bis 12:15 Uhr in den Räumen der PI L*** als Beschuldigte einvernommen. Sie gab an, im Sommer 2009 auf einem Open Air Festival erstmals einen Cannabisjoint geraucht und nie ein anderes Suchtgift konsumiert zu haben. Im Februar 2010 sei sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten auf die Idee gekommen, an Stelle der ihr vom Arzt verordneten Antidepressiva Cannabispflanzen zu züchten und Cannabis zu rauchen, da auf diese Weise der Kontakt zu „Dealern“ vermieden werden könnte. Um die Anlegung der „Plantage“ (Stecklinge, Belüftungsanlage, Lampen etc.) habe sich Paul H*** gekümmert, ebenso um die Bewässerung und Pflege. Beide hätten keine Vorstellung vom genauen Ertrag der Pflanzen und damit der Suchtgiftmenge gehabt. Sie hätten schon bald danach erstmals Cannabiskraut geerntet und ca. 90 Joints gemeinsam geraucht. Die „Plantage“ habe ausschließlich dem gemeinsamen Bedarf gedient, eine Weitergabe sei weder erfolgt noch geplant gewesen.
Die Beschwerdeführerin war im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung unbescholten und nicht einschlägig (im kriminalpolizeilichen Aktenindex) vorgemerkt.
Nach der Beschuldigtenvernehmung am 7. Juni 2010 wurde die Beschwerdeführerin um 12:28 Uhr erkennungsdienstlich behandelt. Die Datenermittlung (Dasta-Zahlen W51****/10 (B), X61**** (N)) zwecks Speicherung in der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (EDE und AFIS) umfasste die Abdrücke der zehn Finger- und der Handflächen (FABl. Nr. 71*****), eine DNA-Probe (MHA, Barcode 81*****3), drei Lichtbilder (en Face, Profil, Halbprofil, LiBiNr. *000*45) sowie eine genaue Personenbeschreibung.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den von der Beschwerdegegnerin als Beilage zur Stellungnahme vom 13. Oktober 2010, GZ: BH**-III-**21/2010/00*3, vorgelegten Kopien aus dem Ermittlungsverfahren Zl. B*/31***/2010 sowie den vorgelegten EKIS-Datenausdrucken (Stand: 1. Oktober 2010). Nicht gefolgt wird dabei dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Annahme, sie habe gemeinsam mit Paul H*** den Entschluss zur Anlegung der Cannabis-Pflanzung gefasst, sei aktenwidrig. Die Beschwerdeführerin sagte dazu am 7. Juni 2010 wörtlich aus: „Irgendwann kam uns beiden die Idee, wir könnten einmal versuchen, Cannabispflanzen zu züchten. Wir wollten das Cannabiskraut selber anbauen, damit wir keine Probleme mit irgendwelchen Dealern hatten.“ Richtig ist, dass Paul H***s Aussage am 4. Juni 2010 diesbezüglich für die Beschwerdeführerin günstiger war, doch konnte die Annahme einer Mit-, Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft der Beschwerdeführerin zulässigerweise und aktenkonform auf die zitierte Aussage in der Beschuldigtenvernehmung gestützt werden.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
Die §§ 16 Abs 2, 65 Abs 1, 4, 5 und 6, 67 Abs 1 und 2 sowie 90 SPG lauten samt Überschriften:
„ Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff;
Gefahrenerforschung
§ 16 . (1) [...]
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
„ Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65 . (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.
(2) [...] (3)
(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.
(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.
(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“
„ DNA-Untersuchungen
§ 67 . (1) Die DNA eines Menschen darf im Rahmen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ermittelt werden, wenn der Betroffene in Verdacht steht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, und wenn in Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden kann, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 65 Abs. 2 darf auch in Bezug auf die DNA von Menschen erfolgen, soweit dies zur Auswertung vorhandener DNA-Spuren erforderlich ist.
(1a) [...]
(2) Genetische Information, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt wurde, darf ausschließlich für Zwecke des Erkennungsdienstes ausgewertet werden. Die molekulargenetische Untersuchung hat durch einen Dienstleister zu erfolgen, dem zwar das gesamte Untersuchungsmaterial auszufolgen, nicht aber erkennungsdienstliche Identitätsdaten des Betroffenen zu übermitteln sind.“
„ Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über
den Datenschutz
§ 90 . Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“
Die §§ 27 Abs 1 und 2 und 28a Abs 1 SMG lauten samt Überschriften:
„ Unerlaubter Umgang mit Suchtgiften
§ 27 . (1) Wer vorschriftswidrig
ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer jedoch die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“
„ Suchtgifthandel
§ 28a . (1) Wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft, ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
a) zur Zuständigkeit der Datenschutzkommission
Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission zur Behandlung dieser Beschwerde ist gegeben. Es liegt weder ein Vorbringen in Bezug auf die Ausnahme nach § 90 zweiter Satz SPG vor, noch wurde entsprechendes eingewendet oder sind Anhaltspunkte für die Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt hervorgekommen.
b) in der Sache selbst wegen allgemeiner ED-Daten (§ 65 Abs 1 SPG)
Die Beschwerde ist nur teilweise berechtigt.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in jüngster Zeit seine Rechtsprechung zur Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten wie folgt geändert:
„Im Hinblick auf den geänderten Gesetzestext und die Absicht des (historischen) Gesetzgebers (Hinweis EB zur RV 272 BlgNR 23. GP 8 f) vermag der Verwaltungsgerichtshof seine bisherige, zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung nicht aufrecht zu erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass im zweiten Fall des § 65 Abs. 1 SPG bereits eine abstrakte Form von Wahrscheinlichkeit, die an der verwirklichten Tat anknüpft, für die Annahme ausreicht, die erkennungsdienstliche Behandlung sei zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich (Erkenntnis des VwGH vom 1. April 2010, Zl. 2010/17/0065).“
Die Beschwerdeführerin war der Mit-, Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft an der Erzeugung von Suchtgift verdächtig. Dies bedeutet jeweils den Verdacht einer Vorsatztat, die gemäß § 16 Abs 2 SPG als „gefährlicher Angriff“ zu qualifizieren war (die Ausnahme gemäß dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung kommt hier nicht zur Anwendung, da nicht Erwerb und Besitz, sondern Erzeugung eines Suchtmittels zum Tatbild der Anlasstat gehörten).
Die sichergestellte Suchtgiftmenge überstieg die große Menge und begründete damit den Verdacht des Verbrechens nach § 28a Abs 1 SMG. Dies wurde zwar erst durch die kriminaltechnische Laboruntersuchung nach dem 7. Juni 2010 (Fax des BK-Wien an die PI L*** vom 28. Juni 2010) beweiskräftig festgestellt, doch ist den ermittelnden und entsprechend geschulten Exekutivbeamten zuzubilligen, an Hand der Zahl und Größe der sichergestellten Cannabispflanzen die für die nach § 65 Abs 1 SPG gebotenen begründete Einschätzung der Tat und des Täters notwendigen Schlüsse auch an Hand eines Augenscheins zu ziehen.
Die im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ließen den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin den Entschluss gefasst hatte, sich an der Erzeugung von Suchtgift zu „beteiligen“ (durch Mitwirkung am Entschluss zur Tat, Auswahl des Suchtgifts, Entschluss zum Eigenkonsum sowie durch Zurverfügungstellung der Räume), wobei die nähere Ausführung der Tat dem Paul H*** überlassen blieb.
Wie aus der neuen Rechtsprechung des VwGH zu folgern ist, ist ein wesentlicher Gesichtspunkt zur Beurteilung des Präventionsbedarfes gemäß § 65 Abs 1 SPG der abstrakte Gefahrengrad der verwirklichten Tat für die öffentliche Sicherheit, ohne dass es einer besonderen Berücksichtigung der Person des Beschuldigten bedarf (arg „wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen“).
Bereits die Art, der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Tat selbst – Beteiligung an Suchtgifterzeugung in großer Menge – weist im sicherheitspolizeilichen Sinn einen erhöhten Gefährlichkeitsgrad auf, da die Tat als Dauerdelikt mit der Eignung , andere Personen durch einen späteren, erweiterten Vorsatz zur Weitergabe des erzeugten Cannabis zu gefährden, zu qualifizieren ist.
Hierauf konnte im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung die nachvollziehbare und zulässige Prognoseentscheidung gestützt werden, die Beschwerdeführerin müsse durch eine erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs 1 SPG von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden. Eine später eintretende Entlastung der Beschwerdeführerin (neue Beweismittel, Freispruch, Verfahrenseinstellung etc.) wäre im Rahmen eines Löschungsverfahrens nach den besonderen Bestimmungen der §§ 74 ff SPG geltend zu machen und zu berücksichtigen.
Daraus folgt, dass die (einfache) erkennungsdienstliche Behandlung der Beschwerdeführerin zulässig war, und diese durch die Verarbeitung dieser Daten nicht in ihrem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt worden ist. Die Beschwerde war insoweit laut Spruchpunkt 2. abzuweisen.
c) in der Sache selbst wegen DNA-Daten (§ 67 Abs 1 SPG)
Die strengeren gesetzlichen Bedingungen für die Ermittlung von DNA-Daten gemäß § 67 Abs 1 SPG waren aber nicht erfüllt. Es sind vorweg weder in der Tatausführung noch in der Person gelegene Anhaltspunkte für die Annahme einer erleichterten Erkennbarkeit der Beschwerdeführerin als Spurenlegerin durch die Evidenthaltung ihres DNA-Profils ersichtlich. Die Beschwerdegegnerin hat insoweit auch gar keine näheren Ausführungen gemacht.
Die Ermittlung erkennungsdienstlicher DNA-Daten war somit unzulässig und die Beschwerdeführerin wurde durch sie spruchgemäß (Spruchpunkt 1.) in ihrem Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt.