K121.650/0002-DSK/2011 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. KURAS und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. BLAHA, Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER, Dr. ROSENMAYR-KLEMENZ, Mag. ZIMMER und Dr. GUNDACKER sowie des Schriftführers Mag. Suda in ihrer Sitzung vom 18. Februar 2011 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde der Tamara-Elena K*** (Beschwerdeführerin, vollständiger, durch Ausweispapiere belegter Name laut Akten des LKA Tirol, anders im EKIS-EDE und in der Beschwerde: Elena T. K***) aus B***, vertreten durch Mag. Elmar M***, Rechtsanwalt in **** B***, vom 8. September 2010 (Eingangsdatum Datenschutzkommission) gegen die Bundespolizeidirektion Innsbruck (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge erkennungsdienstlicher Behandlung am 11. März 2010 wird entschieden:
- Die B e s c h w e r d e wird z u r ü c k g e w i e s e n.
Rechtsgrundlagen : § 90 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl Nr 566/1991 idgF, iVm § 1 Abs 5 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF, und Art 129a Abs1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 (B-VG), BGBl. Nr 1/1930 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer vom 12. März 2010 datierenden, ursprünglich an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol (UVS Tirol) gerichteten, teilweise auf die Zuständigkeit nach § 90 SPG gestützten, vom UVS Tirol diesbezüglich am 8. September 2010 (Posteingang) an die Datenschutzkommission weitergeleiteten, von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. September 2010 verbesserten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdeführerin im Zuge einer kriminalpolizeilichen Amtshandlung nach Erlassung eines Ladungsbescheids jedoch ohne vorheriges strafgerichtliches Urteil am 11. März 2010 durch Organe der Beschwerdegegnerin gegen ihren Willen und „passiven Widerstand“ erkennungsdienstlich behandelt und so in die „Verbrecherkartei“ aufgenommen worden sei. In eventu verstoße die Datenermittlung als Beweismittelgewinnung für Zwecke eines Strafverfahrens auch gegen das verfassungsrechtliche Gebot, eine Beschuldigte nicht zur Selbstbelastung zu drängen.
Die Beschwerdegegnerin legte mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 Kopien aus den Akten des Ermittlungsverfahrens GZlen: E*/11**/2010 und B*/12**/2009 vor und führte in ihrer Stellungnahme zum Sachverhalt aus, gegen die Beschwerdeführerin sei im Jahr 2009 kriminalpolizeilich wegen des Verdachts der Zuhälterei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ermittelt worden. Sie habe nach den Ergebnissen der Ermittlungen der Beamten des Landeskriminalamtes (LKA) einer Reihe von Prostituierten mit dem Vorsatz, diese auszunutzen, die Bedingungen von deren Erwerbstätigkeit zu bestimmen und sich fortlaufende Einnahmen zu verschaffen, zu überhöhten Preisen „Geschäftsräume“ und „Arbeitstelefon“ überlassen sowie Werbeeinschaltungen in den Medien veranlasst. Am 30. November 2009 habe das LKA die Beschwerdegegnerin als Sicherheitsbehörde ersucht, die erkennungsdienstliche Behandlung der Beschwerdeführerin anzuordnen und durchzusetzen, da diese nicht zur freiwilligen Mitwirkung bereit sei. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits der Abschlussbericht über das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft vom 10. November 2009 vorgelegen. Nach Erwägungen über die Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin auf Grund der vorliegenden Beweismittel gemäß § 65 Abs 1 SPG sei diese mit Ladungsbescheid vom 18. Februar 2010 zur erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen worden. Dieser Ladungsbescheid sei nicht bekämpft worden, die Beschwerdeführerin sei in Begleitung ihres Rechtsanwalts (Anmerkung: der nunmehrige Beschwerdevertreter) zum Termin am 11. März 2010 erschienen und habe sich im Ergebnis auch erkennungsdienstlich behandeln lassen. Rechtlich führte die Beschwerdegegnerin aus, die vorliegenden Beweismittel (Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere die Beschwerdeführerin belastende Aussagen und bei Durchsuchungen gewonnene Beweismittel) hätten die Annahme erlaubt, die Beschwerdeführerin habe einen gefährlichen Angriff begangen und müsste zur Vorbeugung weiterer entsprechender Handlungen erkennungsdienstlich behandelt werden. Das Gesetz fordere für diese sicherheitspolizeiliche Maßnahme ausdrücklich nicht das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen der Anlasstat. Die Beschwerde sei daher unbegründet.
Die Beschwerdeführerin hat sich nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht mehr geäußert.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Datenschutzkommission in der Sache zuständig ist und, in eventu, die Beschwerdegegnerin berechtigt war, erkennungsdienstliche Daten der Beschwerdeführerin zu verarbeiten (zu ermitteln und für Zwecke des Informationsverbundsystems EKIS bzw. „Zentrale Informationssammlung“ zu speichern).
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Gegen die Beschwerdeführerin und zwei weitere Beteiligte wurde im Jahr 2009 durch die Kriminalpolizei (LKA für Tirol, als operative kriminalpolizeiliche Einheit des Landespolizeikommandos der Sicherheitsdirektion für Tirol unterstehend) zu GZ: B*/12**/2009 wegen des Verdachts der Zuhälterei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Es bestand der Verdacht, sie habe einer Reihe von Prostituierten mit dem Vorsatz, diese auszunutzen, die Bedingungen von deren Erwerbstätigkeit zu bestimmen und sich fortlaufende Einnahmen zu verschaffen, zu überhöhten Preisen „Geschäftsräume“ und „Arbeitstelefon“ überlassen sowie Werbeeinschaltungen in den Medien veranlasst. Am 10. November 2009 erging zur obigen Zahl der Abschlussbericht über das Ermittlungsverfahren gemäß § 100 Abs 2 Z 4 StPO an die Staatsanwaltschaft Innsbruck.
Am 30. November 2009 ersuchte das LKA die Beschwerdegegnerin, als Sicherheitsbehörde erster Instanz zuständig für den Wohnort der Beschwerdeführerin, die erkennungsdienstliche Behandlung der Beschwerdeführerin anzuordnen und durchzusetzen, da diese anlässlich ihrer Beschuldigtenvernehmung am 19. Oktober 2009 nicht zur freiwilligen Mitwirkung bereit war und auf eine bescheidmäßige Ladung bestanden hatte.
Die Beschwerdegegnerin erließ daraufhin am 18. Februar 2010 zu Zl. E*/11**/2010 (auf dem Formular 2 zu § 19 AVG gemäß § 1 Abs 2 VwFormV) einen als „Ladungsbescheid“ bezeichneten Bescheid, in dem sie, gestützt auf die §§ 65 Abs 1 und 4 sowie 77 Abs 2 SPG das Erscheinen der Beschwerdeführerin zur erkennungsdienstlichen Behandlung am 11. März 2010, 10:00 Uhr, in einem näher bezeichneten Amtsgebäude unter Androhung sonstiger zwangsweiser Vorführung verfügte.
Dieser Ladungsbescheid wurde nicht bekämpft. Die Beschwerdeführerin erschien in Begleitung ihres Rechtsanwalts Mag. Elmar M*** zum Termin am 11. März 2010 und ließ sich, nach erfolgter Ankündigung, „passiven Widerstand“ leisten zu wollen und der Ankündigung des Leiters der Amtshandlung, Dr. E***, die Behörde sei berechtigt, die erkennungsdienstliche Behandlung auch durch angemessene Zwangsgewalt durchzusetzen, in der Weise erkennungsdienstlich behandeln, dass sie die Abnahme ihrer Sonnenbrille, das Ausziehen der getragenen Handschuhe, die Abnahme der Finger- und Handflächenabdrücke, das Fotografieren sowie die Abnahme der Körpermaße (Messung der Körpergröße) auf Aufforderung passiv duldete. Ermittelt und für Zwecke der Zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (EKIS-EDE und AFIS) automationsunterstützt verarbeitet worden sind mit den Angaben „ED-Behandlung am 11.03.2010 10:15 von SPK Innsbruck für LPK Tirol LKA“ (SPK = Stadtpolizeikommando Innsbruck) neben der Körpergröße und der allgemeinen Personenbeschreibung die Fingerabdrücke alle zehn Finger, Handflächenabdrücke sowie drei Lichtbilder (Profil, En Face, Halbprofil).
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den in Kopie vorliegenden Akten der Beschwerdegegnerin und des LKA Tirol, insbesondere dem Abschlussbericht vom 10. November 2009, GZ: B*/12**/2009 samt darin aufgezählten Ermittlungsergebnissen, dem Bericht des LKA an die Beschwerdegegnerin vom 30. November 2009, Zl. wie zuletzt, der Niederschrift über die Beschuldigtenvernehmung der Beschwerdeführerin vom 19. Oktober 2009, Zl. wie zuletzt, dem Ladungsbescheid der Beschwerdegegnerin vom 18. Februar 2010, GZ: E*/11**/2010, sowie den ausgedruckten EKIS-Daten der Beschwerdeführerin (Stand: 21.10.2010), sämtliche Beilagen zur Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 21. Oktober 2010, GZ: E*/13**/2010. Widerstreitende, verfahrensrelevante Tatsachenbehauptungen liegen nicht vor. Die Datenschutzkommission folgt daher in der Frage, ob die zwangsweise Durchsetzung der erkennungsdienstlichen Behandlung angekündigt wurde, ausdrücklich der unbestrittenen und glaubwürdigen Darstellung der Beschwerdeführerin (Beschwerde an den UVS Tirol vom 12. März 2010, Seite 2, Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 21. Oktober 2010, GZ: E*/13**/2010, ebenfalls Seite 2).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs 1 und 2 und 5 DSG 2000 lautet samt Überschrift:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.
(3)…(4)
(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“
Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG lautet samt Überschrift:
„ A. Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern
Artikel 129a . (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern erkennen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,
Die §§ 4 Abs 1 und 2, 65, 76 und 77 SPG lauten samt Überschriften:
„ Sicherheitsbehörden
§ 4 . (1) Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres.
(2) Dem Bundesminister für Inneres unmittelbar unterstellt besorgen Sicherheitsdirektionen, ihnen nachgeordnet Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen, die Sicherheitsverwaltung in den Ländern.“
„ Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65 . (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.
(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.
(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.
(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.
(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.
(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“
„ Besondere Behördenzuständigkeit
§ 76 . (1). Erkennungsdienstliche Maßnahmen über Antrag (§ 68 Abs. 1) sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches von der Bundespolizeibehörde vorzunehmen, an die sich der Einschreiter wendet.
(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen mit Zustimmung des Betroffenen (§ 68 Abs. 3 und 4) sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches von der Bundespolizeibehörde vorzunehmen, in deren Sprengel die Person ihren Hauptwohnsitz hat oder der für ihre Gefährdung maßgeblichen Tätigkeit nachgeht.
(3) Die Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten obliegt im Falle des § 72 dem Bundesminister für Inneres, in den Fällen des § 71 Abs. 4 und 5 jener Sicherheitsbehörde, von der die maßgebliche Amtshandlung geführt wird.
(4) Die Verständigung gemäß § 73 Abs. 3 obliegt jener Sicherheitsbehörde, bei der die erkennungsdienstlichen Daten gemäß § 70 verarbeitet werden. Die Verständigung von der Löschung der Daten aus der Zentralen Erkennungsdienstlichen Evidenz obliegt jener Behörde, die sie dieser übermittelt hat.
(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 104/2002)
(6) Die Löschung erkennungsdienstlicher Daten über Antrag des Betroffenen (§ 74) ist von der Sicherheitsdirektion zu veranlassen, in deren Wirkungsbereich die Daten gemäß § 70 Abs. 1 verarbeitet werden; dieser Behörde obliegt auch die bescheidmäßige Abweisung eines solchen Antrages.
(7) Über Berufungen gegen Bescheide gemäß Abs. 5 und 6 entscheidet der Bundesminister für Inneres.“
Verfahren
§ 77 . (1) Die Behörde hat einen Menschen, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern.
(2) Kommt der Betroffene der Aufforderung gemäß Abs. 1 nicht nach, so ist ihm die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 bescheidmäßig aufzuerlegen; dagegen ist eine Berufung nicht zulässig. Eines Bescheides bedarf es dann nicht, wenn der Betroffene auch aus dem für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Grunde angehalten wird.
(3) Wurde wegen des für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Verdachtes eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet, so gelten die im Dienste der Strafjustiz geführten Erhebungen als Ermittlungsverfahren (§ 39 AVG) zur Erlassung des Bescheides. Dieser kann in solchen Fällen mit einer Ladung (§ 19 AVG) zur erkennungsdienstlichen Behandlung verbunden werden.
(4) Steht die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß § 65 Abs. 4 fest, so kann der Betroffene, wenn er angehalten wird, zur erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeführt werden.“
§ 90 SPG lautet samt Überschrift
„ Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über
den Datenschutz
§ 90 . Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“
§ 19 AVG lautet samt Überschrift:
„ Ladungen
§ 19 . (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten sind auch Ladungen von Personen, die ihren Aufenthalt (Sitz) außerhalb des Amtsbereiches des unabhängigen Verwaltungssenates haben, zulässig.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen.
Die Datenschutzkommission ist zur Entscheidung der Beschwerde unzuständig.
Zunächst ist festzuhalten, dass hier ein Fall einer durch Bescheid auferlegten erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegt. Da es sich um einen so genannten Ladungsbescheid gemäß § 77 Abs 3 SPG iVm § 19 Abs 3 und 4 AVG gehandelt hat, war dagegen ein ordentliches Rechtsmittel unzulässig. Die Vorführung der Beschwerdeführerin und die Durchsetzung der erkennungsdienstlichen Behandlung durch Zwangsgewalt wären eventuell als Vollstreckungsmaßnahme zulässig gewesen. Zwar waren Zwangsmaßnahmen wie die Anwendung von Körperkraft nicht erforderlich, die Beschwerdeführerin beugte sich der Aufforderung zur Duldung der erkennungsdienstlichen Behandlung jedoch nach eigener, unbestrittener Darstellung nur auf Grund der Ankündigung bzw. Androhung des Dr. E***, dass die Durchsetzung der erkennungsdienstlichen Behandlung durch angemessene Zwangsausübung erfolgen könne.
Völlig unabhängig von der in der Beschwerde vom 12. März 2010 (Seite 2) aufgeworfenen Frage, ob dies eine durch den Spruch des Ladungsbescheids gedeckte Vollstreckungsmaßnahme gewesen wäre, liegt hier jedenfalls im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs eine Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Jänner 2007, Zl. 2005/06/0254 „Schon in dem Fall, dass sich der Betroffene weigert, der Aufforderung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung Folge zu leisten, und ihm darauf angedroht wird, dass er gemäß § 77 Abs. 4 SPG zu einer solchen Behandlung vorgeführt wird, stellt die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar“; Unterstreichung durch die Datenschutzkommission). Wenn also bereits die Androhung der Vorführung nach Auslegung des Gesetzes durch das Höchstgericht einen Akt der Befehls- und Zwangsgewalt bilden kann, so muss hier die Ankündigung der Ausübung von Zwang durch einen anwesenden Vertreter der Behörde nach Erlassung eines Ladungsbescheides (mit Androhung der Vorführung) und der Ankündigung der Betroffenen, „passiven Widerstand“ gegen die Ihrer Meinung nach unberechtigte Maßnahme [Anmerkung Bearbeiter: Redaktionsversehen, ergänze: „zu leisten“], zumindest als Ausübung von unmittelbarer behördlicher Befehlsgewalt gedeutet werden, die gemäß § 90 SPG der Kognition der Datenschutzkommission entzogen ist. Diese Bestimmung vollzieht einfachgesetzlich die Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen der UVS und der Datenschutzkommission gemäß den Verfassungsbestimmungen des Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG und des § 1 Abs 5 DSG 2000.
Dahingestellt kann daher etwa auch die Frage bleiben, ob die Datenermittlung nicht im Auftrag der Sicherheitsdirektion erfolgt ist, wofür es wiederum Anhaltspunkte im Sachverhalt (Datenbestand des EKIS) gibt.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß zurückzuweisen, da eine Weiterleitung gemäß § 6 Abs 1 AVG an den unmittelbar angerufenen UVS Tirol nicht mehr in Frage kommt, und die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. September 2010 die Entscheidung der Datenschutzkommission in dieser Sache ausdrücklich beantragt hat.
[veröffentlicht: jusIT 2011,70]