K121.635/0008-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. MAITZ-STRASSNIG, Dr. KÖNIG, Mag. ZIMMER, Dr. BLAHA und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 03. Dezember 2010 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Robert F*** (Beschwerdeführer) aus H***berg, vertreten durch Dr. Ottokar R*** aus **** U***stadt, vom 18. Juni 2010 gegen die Bezirkshauptmannschaft U*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Zustellung eines Sozialhilfebescheids wird entschieden:
Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 1 Z 4 und Abs. 3 Z 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idF BGBl I Nr. 2/2008 iVm §§ 13 Abs. 5 und 28 Z 4 des steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (Stmk SHG), LGBl Nr. 29/1998 idgF, und § 31 Abs. 2 und 7 DSG 2000 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner am 3. Mai 2010 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde (Erweiterung des Beschwerdeverfahrens Zl. K121.588 in einer Stellungnahme über den ursprünglichen Sachgegenstand hinaus) eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin den Bescheid in der Sozialhilfesache der Lisbeth F*** vom 14. Dezember 2009, GZ: *8.32 ***1-09, der Seniorenresidenz D*** (kurz: SRD***) zustellen habe lassen und damit das Nettoeinkommen des Beschwerdeführers offengelegt („veröffentlicht“, sinngemäß: übermittelt) habe.
Die Beschwerdegegnerin brachte dagegen in der Stellungnahme vom 14. Juli 2010 vor, die Beschwerde sei einerseits unzulässig, zum anderen auch unbegründet. Zum einen sei die Beschwerde nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt und enthalte u.a. kein konkretes Feststellungsbegehren, zum anderen sei keine Veröffentlichung von Daten im Sinne von „Kenntnisnahme durch die Allgemeinheit“ erfolgt. Die Zustellung an die SRD*** sei dadurch begründet, dass bescheidmäßig nur eine Restkostenübernahme zugunsten der Lisbeth F*** ausgesprochen worden sei, die SRD*** erhalte daher vom Sozialhilfeverband nur jenen Betrag, der nicht durch die Anspruchsberechtigte selbst oder sonstige Leistungspflichtige wie den unterhaltspflichtigen Beschwerdeführer abgedeckt werden könne bzw. müsse. Die Höhe dieser Restkosten sei zahlenmäßig nicht bestimmt. Die Pflegeeinrichtung erhalte durch die Bescheidzustellung die entsprechenden Informationen und stelle die Restkosten dem Sozialhilfeträger monatlich in Rechnung. Diese direkte Form der Abrechnung sei in § 13 Abs. 5 Stmk SHG gesetzlich vorgesehen, die Datenübermittlung könne sich daher auf den Eingriffstatbestand gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 und Abs. 3 Z 1 DSG 2000 stützen.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf mit Schreiben vom 8. August 2010. Er brachte vor, seine Beschwerde ursprünglich im Jahr 2009 mit Hilfe eines von der Datenschutzkommission zur Verfügung gestellten Formulars eingebracht und daher alle gebotenen Formvorschriften beachtet zu haben. In der Sache brachte er vor, die SRD*** habe im sozialhilferechtlichen Verfahren keine Parteistellung und keine Ansprüche, ersatzpflichtig sei nur die Sozialhilfeempfängerin gegenüber dem Sozialhilfeverband. Die SRD*** habe lediglich einen festen Anspruch gemäß Leistungs- und Entgeltverordnung (LEVO), LGBl Nr 27/2007, überdies sei der Pflegeheimaufenthalt der Gattin des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Bescheidzustellung bereits beendet und alle anfallenden Kosten und Beiträge bekannt gewesen. Daher sei die Datenverwendung keineswegs zur Vollziehung des Stmk SHG erforderlich gewesen.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin berechtigt war, den Bescheid vom 14. Dezember 2009, GZ: *8.32 ***1-09, der SRD*** zuzustellen und damit (indirekt) Einkommensdaten des Beschwerdeführers (Höhe der Unterhaltspflicht) zu übermitteln.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Frau Lisbeth F***, die Ehegattin des Beschwerdeführers, lebte vom 27. Oktober bis zum 30. November 2009 in der „Seniorenresidenz D***“ in U***stadt (Trägerin: O** Ges.m.b.H.). Hierfür wurden ihr am 1. Dezember 2009 Wohn- und Pflegegebühren in Höhe von Euro 3.694,10 in Rechnung gestellt. Lisbeth F*** beantragte daraufhin am 3. Dezember 2009 (einen grundlegenden Antrag vom April dieses Jahres präzisierend) „Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der Pflegeheimkosten“ gemäß dem Stmk SHG bei der Beschwerdegegnerin.
Diese fragte im Zuge des Ermittlungsverfahrens per E-Mail bei **** (T*** Ges.m.b.H. als auszahlende Stelle für Empfänger eines gesetzlichen Ruhe- oder Versorgungsbezuges ehemaliger „****-Beamter“) an und erhielt einen Nachweis über die Höhe des Ruhebezuges des Beschwerdeführers übermittelt. Am 14. Dezember 2009 erließ die Beschwerdegegnerin zu GZ: *8.32 ***2- 09 einen Bescheid, in dem sie dem Antrag der Lisbeth F*** stattgab und „die durch Ersatz- und Beitragsleistungen nicht gedeckten Kosten“ der Unterbringung in der „Seniorenresidenz D***“ namens des Sozialhilfeverbands übernahm. Aus der Zustellverfügung dieses Bescheids geht hervor, dass der Beschwerdeführer aufgefordert sei, den aus dem Unterhaltsanspruch seiner Ehegattin resultierenden Anteil an den Kosten in Höhe von Euro 719,20 (= 80 Prozent des Unterhaltsanspruchs) direkt an die „Seniorenresidenz D***“ zu überweisen.
In besagter Zustellverfügung („Ergeht an:“) lautet Punkt 3) wie folgt:
Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen auf dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den von ihm vorgelegten Urkundenkopien, insbesondere dem zitierten Bescheid und den dazu gestellten Anträgen (Schriftsatz vom 3. Dezember 2009, Beilage zur Beschwerde vom 20. Dezember 2009).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z 1 DSG 2000 lauten:
„ Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.
(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.“
„ Zulässigkeit der Verwendung von Daten
§ 7 . (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.
(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn
(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des § 6 eingehalten werden.“
„ Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei
Verwendung nicht-sensibler Daten
§ 8 . (1) Gemäß § 1 Abs. 1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn
(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung solcher Daten gemäß § 28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.
(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten
1. für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder...“
§§ 13 und 28 Stmk SHG lauten:
„ § 13
Unterbringung in stationären
Einrichtungen
(1) Personen, die ihren Lebensbedarf auf Grund ihrer Pflege und Betreuungsbedürftigkeit sonst nicht in zumutbarer Weise ausreichend decken können, haben Anspruch auf Übernahme der Kosten oder Restkosten der Unterbringung in einer stationären Einrichtung.
(2) Hilfeempfänger dürfen nur Einrichtungen in Anspruch nehmen, die von der Landesregierung gemäß § 13a anerkannt sind.
(3) Wird einem Hilfeempfänger, der über kein eigenes Einkommen verfügt, Hilfe gemäß Abs. 1 gewährt, so gebührt ihm, insbesondere zur Sicherung des Aufwandes für persönliche Bedürfnisse, ein Taschengeld. Das Taschengeld darf 20% des Richtsatzes für den alleinstehend Unterstützten (§ 8 Abs. 8 lit. a) nicht überschreiten. Das Taschengeld gebührt in den Monaten Juni und November in zweifacher Höhe.
(4) Wird einem Hilfeempfänger, der über eigenes Einkommen verfügt, Hilfe gemäß Abs. 1 gewährt, so haben ihm 20 % des eigenen Einkommens und Sonderzahlungen, die mit einem Pensionsbezug im Zusammenhang stehen, als Taschengeld zu verbleiben.
(5) Die dem Hilfeempfänger bescheidmäßig zuerkannten Kosten/Restkosten sind vom Sozialhilfeträger direkt mit der Einrichtung zu verrechnen.“
„ § 28
Ersatzpflichtige
Zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger sind verpflichtet:
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Unzutreffend ist der Einwand der Beschwerdegegnerin betreffend Formmängel der Beschwerde. Diese wurde im Kern bereits vor Inkrafttreten der verschärften Formvorschrift des § 31 Abs. 3 DSG 2000 idF BGBl I Nr 133/2009 mit Hilfe eines internen Formulars der Datenschutzkommission eingebracht und lediglich später erweitert. Überdies hat der Beschwerdeführer mögliche Mängel noch vor Bescheiderlassung durch die Anträge in seiner Stellungnahme vom 8. August 2010 behoben.
Die Datenschutzkommission entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass die Datenverwendung für Zwecke eines behördlichen Ermittlungsverfahrens allein nach dem Maßstab des Übermaßverbots zu prüfen ist. Die Datenschutzkommission sieht sich nicht berechtigt, unter den Vorzeichen des Datenschutzes eine nachprüfende Kontrolle über die Verfahrensführung durch andere Verwaltungsbehörden auszuüben.
Wenn es denkmöglich ist, dass die von einer in der Sache zuständigen Behörde ermittelten Daten nach Art und Inhalt für die Feststellung des relevanten Sachverhalts geeignet sind, ist die Zulässigkeit der Ermittlung aus datenschutzrechtlicher Sicht gegeben (Bescheid der Datenschutzkommission vom 29. November 2005, GZ: K121.046/0016-DSK/2005, RIS). Nur wo eine Behörde in denkunmöglicher oder überschießender Weise Daten ermittelt, die für den angestrebten gesetzlich vorgesehenen Zweck keinesfalls benötigt werden, verletzt sie durch ihre Verfahrensführung das Grundrecht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten.
Gleiches gilt, mutatis mutandis, auch für die hier in Beschwerde gezogene Zustellung des ein Verwaltungsverfahren in erster Instanz abschließenden Bescheides.
Gemäß § 13 Abs. 5 Stmk SHG sind die vom Sozialhilfeverband zu tragenden Restkosten einer Pflegeunterbringung direkt zwischen der Einrichtung – eine solche ist unbestrittenermaßen die SRD*** – und dem Sozialhilfeträger zu verrechnen. Diese Bestimmung setzte zwingend voraus, dass die SRD*** durch Bekanntgabe entsprechender Daten in die Lage versetzt wird, eine entsprechende Rechnungslegung vorzunehmen.
Gemäß dem Spruch des Bescheids, dessen Zustellung in Beschwerde gezogen ist, war der Sozialhilfeverband U*** nur verpflichtet, die „durch Ersatz- oder Beitragsleistungen nicht gedeckten Kosten“ (= Restkosten) für die Unterbringung der Gattin des Beschwerdeführers in der SRD*** zu decken. Dem Bescheid liegt daher die (in der Zustellverfügung zum Ausdruck gebrachte) Rechtsmeinung zu Grunde, dass der Sozialhilfeträger die Einrichtung mit der Einhebung beauftragt. Um diese Kosten berechnen und gesetzmäßig in Rechnung stellen zu können, musste die SRD*** über die Höhe der Unterhaltspflicht (= Ersatzleistung gemäß § 28 Z 4 Stmk SHG) des Beschwerdeführers gegenüber der Begünstigten in Kenntnis gesetzt werden. Dies ergibt sich schon zwingend aus dem Wortlaut des rechtskraftfähigen Bescheidspruchs, der als Entscheidung der sachlich zuständigen Behörde insoweit auch die Datenschutzkommission bindet.
Daher war die Übermittlung des von der Beschwerdegegnerin auf Grundlage des Ermittlungsverfahrens bestimmten achtzigprozentigen Anteils vom monatlichen Unterhaltsanspruch der Lisbeth F*** gegen den Beschwerdeführer in Höhe von €
719,20 gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 DSG 2000 „eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer gesetzlich übertragenen Aufgabe“ (Ermöglichung der gesetzmäßig vorgesehenen Direktverrechnung); die Datenübermittlung war daher gemäß § 7 Abs. 2 DSG 2000 rechtmäßig.
Der Beschwerdeführer stellt zwar die Heranziehung von Ersatzleistungen grundsätzlich in Frage und bringt seine eigene Auslegung der Leistungsansprüche der SRD*** (die aus seiner Sicht nicht variabel, sondern fix sind) vor, vermag jedoch nicht, ein im Sinne der Auslegung des Gesetzes durch die Beschwerdegegnerin und die Datenschutzkommission gelinderes Mittel aufzuzeigen, um den gesetzlichen Auftrag des § 13 Abs. 5 Stmk SHG zu erfüllen. Ein solches ist auch nicht erkennbar.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.