JudikaturDSB

K121.634/0008-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung

Entscheidung
03. Dezember 2010

Text

[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

B E S C H E I D

Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Dr. KÖNIG, Dr. BLAHA, Mag. MAITZ-STRASSNIG, Mag. ZIMMER und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 3. Dezember 2010 folgenden Beschluss gefasst:

S p r u c h

Über die Beschwerde 1. der Dr. Tatjana K*** (Erstbeschwerdeführerin) und 2. des Ing. Herbert G*** (Zweitbeschwerdeführer), beide aus L***dorf, beide vertreten durch den Verein **** Pro Datenschutz in **** R***, vom 17. Juni 2010 gegen Dr. Egon V*** (Beschwerdegegner), öffentlicher Notar in **** P***stadt als Gerichtskommissär in der Verlassenschaftssache Aktenzeichen * A **1/10j des Bezirksgerichts P***stadt wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung in Folge Gestaltung der Adressierung einer Ladung wird entschieden:

- Die Beschwerde wird z u r ü c k g e w i e s e n.

Rechtsgrundlagen : §§ 1 Abs. 5, 31 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl I Nr. 165/1999 idgF, iVm § 1 Abs. 1 Z 1 lit. a) des Gerichtskommissärsgesetzes (GKG), BGBl Nr. 343/1970 idgF, § 105 der Jurisdiktionsnorm (JN), RGBl. Nr. 111/1895 idgF, und § 145 Abs. 1 des Außerstreitgesetzes (AußstrG), BGBl I Nr 111/2003 idgF.

B e g r ü n d u n g:

A. Vorbringen der Parteien

Die Beschwerdeführer behaupten in ihrer am 17. Juni 2010 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass der Beschwerdegegner eine Ladung zur Todesfallsaufnahme an ihre Adresse mit der Adressatenbezeichnung „An die Angehörigen der verstorbenen Irene K***“ zustellen habe lassen. Damit habe er „den sensiblen Inhalt des Schreibens bereits in der Briefanschrift verlautbart“. Die Zuständigkeit der Datenschutzkommission gründe sich darauf, dass der Beschwerdegegner bei dieser Zustellung in Vollziehung der Gesetze tätig gewesen sei.

Der Beschwerdegegner führte in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 2010 aus, als Gerichtskommissär gemäß §§ 143 ff AußstrG mit der Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens im Auftrag des Gerichts betraut gewesen zu sein. Er unterstehe dabei gerichtlicher Aufsicht. Die Beschwerde sei daher unzulässig. In der Sache brachte er vor, es seien keine sensiblen Daten gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 verwendet worden. Die Sterbemitteilung des zuständigen Standesamtes habe lediglich die letzte Wohnanschrift der Verstorbenen, nicht jedoch die Namen der Eltern angeführt. Da diese Namen nicht zu eruieren gewesen seien, sei die Adressierung in gewählter Weise erfolgt.

Die Beschwerdeführer replizierten darauf (nach Vorhalt der Datenschutzkommission betreffend die Einordnung der Gerichtskommissäre als Organe der Gerichtsbarkeit) mit Stellungnahme vom 21. Juli 2010, auch Beauftragte der Gerichtsbarkeit wären an die Bestimmungen des DSG 2000 gebunden.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführer ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob 1. die Datenschutzkommission in dieser Sache zuständige Behörde ist, in eventu 2., ob der Beschwerdegegner durch den gewählten Inhalt der Adressierung das Recht der Beschwerdeführer auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdegegner ist als öffentlicher Notar in **** P***stadt in der Verlassenschaftssache Aktenzeichen * A **1/10j des Bezirksgerichts P***stadt (Abhandlung der Verlassenschaft nach Irene K***) als Gerichtskommissär bestellt.

Am 14. Mai 2010 erließ er (unter Angabe des gerichtlichen wie seines kanzleiinternen Aktenzeichens G*1/10 und Fertigung – durch den Substituten Mag. Ernst V*** – ausdrücklich „ als Gerichtskommissär “ – Fettdruck im Original) eine „ Ladung zur Errichtung der Todesfallsaufnahme “, die den Beschwerdeführern mit folgender Adressierung zugestellt worden ist:

„An die Angehörigen

der verstorbenen

Irene K***

Nr. *6

**** L***dorf“

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf der in ihrer Echtheit unbestrittenen Kopie der entsprechenden Urkunde, die die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde vom 17. Juni 2010 vorgelegt haben.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. anzuwendende Rechtsvorschriften

Die Verfassungsbestimmung § 1 Abs. 5 sowie § 31 Abs. 2 DSG 2000 lauten samt Überschriften:

Grundrecht auf Datenschutz

§ 1 . (1) …(4)

(5) Gegen Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind, ist, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig werden, das Grundrecht auf Datenschutz mit Ausnahme des Rechtes auf Auskunft auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. In allen übrigen Fällen ist die Datenschutzkommission zur Entscheidung zuständig, es sei denn, daß Akte der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit betroffen sind.“

Beschwerde an die Datenschutzkommission

§ 31 . (1) […]

(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.“

Die §§ 1 Abs. 1 Z 1 lit a) GKG lautet samt Überschrift:

Umfang der Tätigkeit

§ 1 . (1) Die Notare haben im Verfahren außer Streitsachen folgende Amtshandlungen zu besorgen:

§ 105 JN lautet samt Überschriften:

Von der Gerichtsbarkeit in Geschäften außer

Streitsachen.

Verlassenschaftsabhandlung.

§ 105 . Die Verlassenschaftsverfahren (§§ 143 bis 185 AußStrG) gehören vor das Gericht, in dessen Sprengel der Verstorbene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte. Lässt sich ein solcher im Inland nicht ermitteln oder ist er bei mehreren Gerichten begründet, so gehören sie vor das Gericht, in dessen Sprengel sich der größte Teil des im Inland gelegenen Vermögens des Verstorbenen befindet, sonst vor das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.“

§ 145 Abs 1 AußstrG lautet samt Überschrift:

Todesfallaufnahme

§ 145 . (1) Der Gerichtskommissär (§ 2 GKoärG) hat die Todesfallaufnahme zu errichten. Dazu hat er alle Umstände zu erheben, die für die Verlassenschaftsabhandlung und allfällige pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen erforderlich sind.“

2. rechtliche Schlussfolgerungen

Die Datenschutzkommission ist zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde unzuständig; der Verwaltungsrechtsweg steht nicht offen.

Aus den zitierten Bestimmungen des § 105 JN iVm § 145 Abs 1 AußStrG ergibt sich klar, dass die Verlassenschaftsabhandlung, einschließlich der ausdrücklich geregelten Todesfallsaufnahme, zu den gerichtlichen Geschäften, somit zu den „Akten der Gerichtsbarkeit“ gemäß § 1 Abs. 5 DSG 2000 gehört.

Wie sich schon aus dem Langtitel des Gerichtskommissärsgesetzes: „Bundesgesetz vom 11. November 1970 über die Tätigkeit der Notare als Beauftragte des Gerichtes im Verfahren außer Streitsachen (Gerichtskommissärsgesetz - GKG)“ ergibt, handelt das Gericht in den in diesem Gesetz geregelten Fällen durch Notare als seine Beauftragten, eben „Gerichtskommissäre“.

Der Beschwerdegegner als Notar war daher u.a. bei der in § 1 Abs. 1 Z 1 lit a) GKG ausdrücklich aufgezählten und ausdrücklich als „Amtshandlung“ bezeichneten Todesfallaufnahme Organ des Bezirksgerichts P***stadt und damit „Organ im Dienste der...Gerichtsbarkeit“ gemäß § 31 Abs. 2 DSG 2000. Nicht zuletzt aus der durch BGBl I Nr 133/2009 eingefügten Wortfolge „im Dienste“ ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht nur berufsmäßige oder sonst auf längere Dauer bestellte Organe, sondern auch fallweise beauftragte und – wie im gegebenen Fall – mit gerichtlicher Amtsgewalt beliehene Personen in den Geltungsbereich der Bestimmung einbeziehen wollte.

Die Datenschutzkommission ist daher – unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der materiellrechtlichen Bestimmungen des DSG 2000 auf Akte der Gerichtsbarkeit – zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde nicht zuständig. Diese war daher spruchgemäß förmlich zurückzuweisen.

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