K121.633/0024-DSK/2010 – Datenschutzkommission Entscheidung
Text
[Anmerkung Bearbeiter: Namen (Firmen), (Internet )Adressen, Aktenzahlen (und dergleichen), Rechtsformen und Produktbezeichnungen etc. sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Anonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
B E S C H E I D
Die Datenschutzkommission hat unter dem Vorsitz von Dr. SPENLING und in Anwesenheit der Mitglieder Mag. MAITZ-STRASSNIG, Dr. KÖNIG, Mag. ZIMMER, Dr. BLAHA und Dr. HEISSENBERGER sowie des Schriftführers Mag. SUDA in ihrer Sitzung vom 03. Dezember 2010 folgenden Beschluss gefasst:
S p r u c h
Über die Beschwerde des Kai-Uwe P*** (Beschwerdeführer) aus M***, Deutschland, vom 31. Mai 2010 gegen die Sicherheitsdirektion Steiermark (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und Löschung in Folge Verwendung (Ermittlung und Übermittlung an das deutsche Bundeskriminalamt) erkennungsdienstlicher Daten und Verweigerung der Löschung dieser Daten wird entschieden:
Rechtsgrundlagen : zu Spruchpunkt 1: § 34 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; zu Spruchpunkt 2: §§ 1 Abs. 3 Z 1, 27 Abs. 1 Z 2, 31 Abs. 2 DSG 2000 iVm §§ 65 Abs 1, 67 Abs. 1, 74 Abs. 1, 76 Abs. 6 und 7 und 90 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 idgF.
B e g r ü n d u n g:
A. Vorbringen der Parteien
Der Beschwerdeführer behauptet in seiner am 31. Mai 2010 bei der Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung dadurch, dass die Beschwerdegegnerin ihn betreffende erkennungsdienstliche Daten (einschließlich DNA-Daten) verarbeitet und an das deutsche Bundeskriminalamt übermittelt habe. Er sei am 16. Dezember 2008 in H*** rechtswidrig – was durch die Stattgebung seiner Haftbeschwerde durch das Oberlandesgericht Graz erwiesen sei – in Haft genommen und während seiner Anhaltung erkennungsdienstlich behandelt worden. Seine (erkennungsdienstlichen) Daten seien in weiterer Folge, anstatt sie zu löschen, an das deutsche Bundeskriminalamt übermittelt worden. Die Beschwerdegegnerin weigere sich außerdem weiterhin, diese zu löschen.
Die Beschwerdegegnerin hielt dem in ihrer Stellungnahme vom 29. Juni 2010 (samt Vorlage der Originalakten des Löschungsverfahrens bei der Beschwerdegegnerin) entgegen, gegen den Beschwerdeführer sei ein gerichtliches Strafverfahren wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung und versuchter Erpressung anhängig. Richtig sei, dass der Beschwerdeführer am 16. Dezember 2008 auf Grund einer gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft H*** wegen des Verdachts der versuchten Erpressung in Untersuchungshaft genommen und nach erfolgreicher Beschwerde gemäß Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Graz vom 30. Dezember 2008, *2 Bs *34/08d, enthaftet worden sei. Gegen den Beschwerdeführer liege jedoch eine gerichtlich veranlasste Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (AE) im EKIS vor, da er Ladungen des Landesgerichts H*** nicht Folge geleistet habe. Der Beschwerdeführer sei während seiner Anhaltung am 16. Dezember 2008 erkennungsdienstlich behandelt worden. Bereits am 19. Jänner 2009 habe er bei der Beschwerdegegnerin die Löschung der über ihn verarbeiteten erkennungsdienstlichen Daten beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 18. Juni 2009, GZ: *F/*67/2009, abgewiesen, der dagegen eingebrachten Berufung ist von der Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom 15. September 2009, GZ: BMI-VA**22/00**-III/3/2009, nicht Folge gegeben worden. Die Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten des Beschwerdeführers ins Ausland, nämlich an das deutsche Bundeskriminalamt in Wiesbaden, sei im Wege der Interpol-Kommunikation nach § 8 des Polizeikooperationsgesetzes zwecks Personsfeststellung erfolgt.
Der Beschwerdeführer replizierte darauf nach Parteiengehör mit Stellungnahme vom 5. September 2010 und brachte vor, seine Identität sei im Zeitpunkt seiner Verhaftung und erkennungsdienstlichen Behandlung ausreichend sicher festgestanden. Die Beschwerdegegnerin ignoriere den Enthaftungsbeschluss des OLG Graz fortlaufend und versuche, ihn in rufschädigender Weise bloßzustellen. Die AE beruhe auf falschen Tatsachenbehauptungen des ausschreibenden Gerichts, da er zu den jeweiligen Gerichtsterminen entschuldigt verhindert gewesen sei. Gegen den zuständigen Richter habe er bereits Strafanzeige erstattet.
B. Beschwerdegegenstand
Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer durch Übermittlung seiner Daten im Recht auf Geheimhaltung bzw. durch die verweigerte Löschung im Recht auf Löschung verletzt hat, vorab jedoch ist zu prüfen, ob Zulässigkeit und Zuständigkeit gegeben sind.
C. Sachverhaltsfeststellungen
Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer wurde am 16. Dezember 2008 um
13.40 Uhr im Saal 101 des Landesgerichts H*** während der Hauptverhandlung betreffend eine Strafsache nach dem Finanzstrafgesetz mit dem Beschwerdeführer als Beschuldigtem auf gerichtlich bewilligte Anordnung der Staatsanwaltschaft H*** durch Beamte des Stadtpolizeikommandos H*** festgenommen und wurde die Untersuchungshaft über ihn verhängt (Verdacht der versuchten Erpressung, §§ 15 Abs. 1, 144 Abs. 1 StGB, Haftgründe: Flucht- und Verdunkelungsgefahr, Staatsanwalt Mag. T***, Richter Dr. E***).
Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag um 15:56 Uhr im Polizeianhaltezentrum (PAZ) H*** erkennungsdienstlich behandelt und anschließend der Justizanstalt H*** überstellt. Ermittelt und für sicherheits- und kriminalpolizeiliche Zwecke in der erkennungsdienstlichen Evidenz (EDE) innerhalb der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden (EKIS) verarbeitet wurden drei Lichtbilder (En face, Profil, Halbprofil), eine genaue Personsbeschreibung, Abdrücke der Finger und Handflächen sowie ein durch Mundhöhlenabstrich (MHA) gewonnenes DNA-Profil (EDV-Zl. 5*,234.***, AFIS-Zl./FABl.Nr. 1*45*80, Dasta-Zlen. X**3476/08(N) und X**4321/09(K), DNA-Barcode: *34*87*1). Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt nur wegen des anhängigen Abgabenstrafverfahrens bei der Sicherheitsbehörde bekannt, jedoch weder im Strafregister noch im KPA eingetragen.
Der vom Beschwerdeführer gegen die Verhängung der Untersuchungshaft erhobenen Beschwerde gab das OLG Graz mit Beschluss vom 30. Dezember 2008 , AZ: *2 Bs *34/08d, Folge und ordnete die sofortige Enthaftung des Beschwerdeführers an. Dieser kehrte daraufhin an seinen Wohnort in M*** zurück. Das Strafverfahren war im Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen.
Am 8. Jänner 2009 wandte sich der „Zentrale Erkennungsdienst“, Referat 6.1.2 beim Bundeskriminalamt (BK) in Wien, an das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden als deutscher Interpol-Kontaktstelle und ersuchte um eine Personsfeststellung betreffend den Beschwerdeführer und übermittelte dazu Fingerabdrücke und Lichtbilder . In der Antwortnachricht von Interpol Wiesbaden vom 26. Februar 2009 wurde das BK (neben der erfolgten Bestätigung der Identität des Beschwerdeführers [Fingerabdrücke nicht registriert, Person durch Identitätszeugin erkannt]) darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer dem BKA anlässlich des durchgeführten Personsfeststellungsverfahrens die unrechtmäßige Verhaftung und die rechtswidrige Verarbeitung der erkennungsdienstliche Daten entgegengehalten habe.
Am 19. Februar 2009 , bei der Beschwerdegegnerin eingelangt am 23. Februar 2009, verlangte der Beschwerdeführer die Löschung der ihn betreffenden erkennungsdienstlichen Daten (bzw. wiederholte und bekräftigte er einen am 19. Jänner 2009 gestellten Antrag). In diesem Schreiben nimmt der Beschwerdeführer ausdrücklich auf eine, aus seiner Sicht rechtswidrige, Übermittlung seiner erkennungsdienstlichen Daten an das (deutsche) Bundeskriminalamt in Wiesbaden Bezug.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2009, Zl. *F/*67/2009, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung seiner erkennungsdienstlichen Daten von der Beschwerdegegnerin abgewiesen, der dagegen erhobenen Berufung hat die Bundesministerin mit Bescheid vom 15. September 2009, GZ: BMI-VA**22/00**-III/3/2009, keine Folge gegeben.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen beruhen auf den im (der Datenschutzkommission im Zeitpunkt der Entscheidung im Original vorliegenden) Verwaltungsakten der Sicherheitsdirektion Steiermark zu Zl. E1/*54/09 (Verwaltungsverfahren betreffend Löschung der erkennungsdienstlichen Daten und DSK-Beschwerde), insbesondere den in diesem Akt einliegenden und unter Angabe der Zahlen und Aktenzeichen zitierten Geschäftsstücken (Urschriften, Ausfertigungen und Kopien). Die festgestellten Tatsachen sind, soweit die Stellungnahmen des Beschwerdeführers darauf Bezug nehmen, nicht strittig.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus :
1. anzuwendende Rechtsvorschriften
Die §§ 1 Abs. 3 Z 2, 27 Abs. 1, 31 Abs. 2 und 34 Abs. 1 DSG 2000 lauten samt Überschriften:
„ (Verfassungsbestimmung)
Grundrecht auf Datenschutz
§ 1 . (1)...(2)
(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen
„ Recht auf Richtigstellung oder
Löschung
§ 27 . (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar
„ Beschwerde an die Datenschutzkommission
§ 31 . (1) [...]
(2) Die Datenschutzkommission erkennt weiters über Beschwerden von Personen oder Personengemeinschaften, die behaupten, in ihrem Recht auf Geheimhaltung (§ 1 Abs. 1) oder in ihrem Recht auf Richtigstellung oder auf Löschung (§§ 27 und 28) verletzt zu sein, sofern der Anspruch nicht nach § 32 Abs. 1 vor einem Gericht geltend zu machen ist oder sich gegen ein Organ im Dienste der Gesetzgebung oder der Gerichtsbarkeit richtet.“
„ Gemeinsame Bestimmungen
§ 34 . (1) Der Anspruch auf Behandlung einer Eingabe nach § 30, einer Beschwerde nach § 31 oder einer Klage nach § 32 erlischt, wenn der Einschreiter sie nicht binnen eines Jahres, nachdem er Kenntnis von dem beschwerenden Ereignis erlangt hat, längstens aber binnen drei Jahren, nachdem das Ereignis behauptetermaßen stattgefunden hat, einbringt. Dies ist dem Einschreiter im Falle einer verspäteten Eingabe gemäß § 30 mitzuteilen; verspätete Beschwerden nach § 31 und Klagen nach § 32 sind zurückzuweisen.“
Die §§ 65, 67, 74, 76 Abs. 6 und 7, 90 SPG lauten samt Überschriften:
„ Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65 . (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.
(2) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, im Zusammenhang mit der Klärung der Umstände eines bestimmten gefährlichen Angriffes Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn diese nicht im Verdacht stehen, den gefährlichen Angriff begangen zu haben, aber Gelegenheit hatten, Spuren zu hinterlassen, soweit dies zur Auswertung vorhandener Spuren notwendig ist.
(3) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Menschen erkennungsdienstlich zu behandeln, deren Identität gemäß § 35 Abs. 1 Z 3 festgestellt werden muß und die über ihre Identität keine ausreichenden Aussagen machen wollen oder können, sofern eine Anknüpfung an andere Umstände nicht möglich ist oder unverhältnismäßig wäre.
(4) Wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, hat an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.
(5) Die Sicherheitsbehörden haben jeden, den sie erkennungsdienstlich behandeln, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie lange erkennungsdienstliche Daten aufbewahrt werden und welche Möglichkeiten vorzeitiger Löschung (§§ 73 und 74) bestehen. In den Fällen des § 75 Abs. 1 letzter Satz ist der Betroffene über die Verarbeitung seiner Daten in einer den Umständen entsprechenden Weise in Kenntnis zu setzen.
(6) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, Namen, Geschlecht, frühere Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Ausstellungsbehörde, Ausstellungsdatum und Nummer mitgeführter Dokumente, allfällige Hinweise über die Gefährlichkeit beim Einschreiten einschließlich sensibler Daten, soweit deren Verwendung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen anderer notwendig ist und Aliasdaten eines Menschen (erkennungsdienstliche Identitätsdaten), den sie erkennungsdienstlich behandelt haben, zu ermitteln und zusammen mit den erkennungsdienstlichen Daten und mit dem für die Ermittlung maßgeblichen Grund zu verarbeiten. In den Fällen des Abs. 1 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, eine Personsfeststellung vorzunehmen.“
„ DNA-Untersuchungen
§ 67 . (1) Die DNA eines Menschen darf im Rahmen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung ermittelt werden, wenn der Betroffene in Verdacht steht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, und wenn in Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden kann, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information ermöglichen würden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 65 Abs. 2 darf auch in Bezug auf die DNA von Menschen erfolgen, soweit dies zur Auswertung vorhandener DNA-Spuren erforderlich ist.
(1a) Eine erkennungsdienstliche Maßnahme in Bezug auf Abgängige (§ 65a) und an Leichen (§ 66) darf auch die Ermittlung der DNA umfassen.
(2) Genetische Information, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt wurde, darf ausschließlich für Zwecke des Erkennungsdienstes ausgewertet werden. Die molekulargenetische Untersuchung hat durch einen Dienstleister zu erfolgen, dem zwar das gesamte Untersuchungsmaterial auszufolgen, nicht aber erkennungsdienstliche Identitätsdaten des Betroffenen zu übermitteln sind.
(3) Die Sicherheitsbehörden haben vertraglich dafür vorzusorgen, daß der Dienstleister nur jene Bereiche in der DNA untersucht, die der Wiedererkennung dienen, sowie dafür, daß er das Untersuchungsmaterial vernichtet, wenn die Sicherheitsbehörde zur Löschung der erkennungsdienstlichen Daten verpflichtet ist.“
„ Löschen erkennungsdienstlicher Daten auf Antrag
des Betroffenen
§ 74 . (1) Erkennungsdienstliche Daten, die gemäß § 65 Abs. 1 ermittelt wurden, sind, sofern nicht die Voraussetzungen des § 73 vorliegen, auf Antrag des Betroffenen zu löschen, wenn der Verdacht, der für ihre Verarbeitung maßgeblich ist, schließlich nicht bestätigt werden konnte oder wenn die Tat nicht rechtswidrig war.
(2) Dem Antrag ist nicht stattzugeben, wenn weiteres Verarbeiten deshalb erforderlich ist, weil auf Grund konkreter Umstände zu befürchten ist, der Betroffene werde gefährliche Angriffe begehen.
(3) Erkennungsdienstliche Daten, die gemäß § 68 Abs. 3 oder 4 ermittelt wurden, sind auf Antrag des Betroffenen zu löschen; Abbildungen können dem Betroffenen ausgefolgt werden.“
„ Besondere Behördenzuständigkeit
§ 76 . (1)...(5)
(6) Die Löschung erkennungsdienstlicher Daten über Antrag des Betroffenen (§ 74) ist von der Sicherheitsdirektion zu veranlassen, in deren Wirkungsbereich die Daten gemäß § 70 Abs. 1 verarbeitet werden; dieser Behörde obliegt auch die bescheidmäßige Abweisung eines solchen Antrages.
(7) Über Berufungen gegen Bescheide gemäß Abs. 5 und 6 entscheidet der Bundesminister für Inneres.“
„ Beschwerden wegen Verletzung der Bestimmungen über
den Datenschutz
§ 90 . Die Datenschutzkommission entscheidet gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.“
2. rechtliche Schlussfolgerungen
Beschwerde wegen Verletzung im Geheimhaltungsrecht verspätet
Die Beschwerde ist, soweit sie die unrechtmäßige ursprüngliche Verwendung der am 16. Dezember 2008 ermittelten erkennungsdienstlichen Daten (Übermittlung an das deutsche BKA) geltend macht, jedenfalls wegen Verspätung nicht mehr zulässig. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich klar, dass der Beschwerdeführer jedenfalls am 19. Februar 2009 bereits Kenntnis von der Übermittlung an die deutschen Behörden im Wege des Interpol-Informationsaustausches hatte. Damit war er gemäß § 34 Abs. 1 DSG 2000 in „Kenntnis von dem beschwerenden Ereignis“ (mögliche Verletzung im Recht auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten durch Auslandsübermittlung).
Die einjährige Frist für eine Beschwerde an die Datenschutzkommission endete somit mit Ablauf des 19. Februars 2010 (es handelt sich dabei um die für den Beschwerdeführer günstigste Berechnung des Fristenlaufes unter Annahme, dass er erst am 19. Februar 2009 von der Übermittlung seiner Daten erfahren hat).
Die vorliegende datenschutzrechtliche Beschwerde wurde am 31. Mai 2010 (Datierung des Schriftsatzes und Eingangsdatum) erhoben und ist damit verspätet. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob die Übermittlung nach Deutschland der Beschwerdegegnerin oder dem Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) zuzurechnen ist.
Die Beschwerde war gemäß § 34 Abs. 1 letzter Satz DSG 2000 laut Spruchpunkt 1. wegen Ablaufs der Beschwerdefrist zurückzuweisen.
Beschwerde wegen Verletzung im Löschungsrecht unbegründet
§ 90 SPG räumt iVm § 31 Abs. 2 DSG 2000 dem Betroffenen grundsätzlich auch gegen sicherheitspolizeiliche Datenverwendung die gleichen Beschwerderechte wie gegen andere Datenverwendung durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs ein.
Eine Ausnahme ist die Löschung erkennungsdienstlicher Daten auf Antrag des Betroffenen wegen nachträglichen Wegfalls der Ermittlungsgründe (etwa nach einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung), für die die §§ 74 Abs. 1 und 76 Abs. 6 und 7 SPG ein eigenes Bescheidverfahren mit ausdrücklich geregeltem Instanzenzug vorsehen (1. Instanz:
örtlich zuständige Sicherheitsdirektion, 2. Instanz:
Bundesminister für Inneres).
Daraus folgt, dass die datenschutzrechtliche Beschwerde zur Durchsetzung des Rechts auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten nur so weit zulässig bzw. die Datenschutzkommission in diesem Fall nur so weit zuständig ist, als über die ursprüngliche Zulässigkeit der Datenermittlung zu erkennen ist (aus der sich eine amtswegige Löschungspflicht ergeben und welche im Fall eines Löschungsantrags nach §§ 74 ff SPG als Vorfrage von Relevanz sein kann).
Die Frage der ursprünglichen Zulässigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung als Datenermittlung wurde vom Beschwerdeführer zwar (implizit als Verletzung seines Geheimhaltungsrechts) geltend gemacht, aber nie näher ausgeführt; sie ist im Ergebnis jedoch zu bejahen.
Anlasstat für die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten war der Vorwurf der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB, gemäß § 17 StGB ein Verbrechen, jedenfalls aber ein „gefährlicher Angriff“ im Sinne des § 16 Abs. 2 Z 1 SPG. Der Beschwerdeführer wurde am 16. Dezember 2008 im Gerichtssaal festgenommen, nachdem die Staatsanwaltschaft die Anklage auf den Verdacht der versuchten Erpressung ausgedehnt hatte. Dieser Verdacht stand im Zusammenhang mit dem bereits gerichtsanhängigen Vorwurf der gewerbsmäßigen Abgabenverkürzung. Da Erpressung als Tatbild zwingend die Kommunikation mit dem Tatopfer (Schreiben und Versenden von Briefen, E-Mails oder Telefaxen, Telefonanrufe etc.) umfasst, erscheint eine erkennungsdienstliche Behandlung (einschließlich DNA-Untersuchung) als geeignet, ein Wiedererkennen des Beschwerdeführers als Täter (im Fall einer neuerlichen Delinquenz nach – hypothetisch – erfolgter Überführung) zu erleichtern und damit eine abschreckende Wirkung zu entfalten, da „seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Information“ (etwa durch biologische Spuren auf Briefkuverts) oder durch seine Fingerabdrücke ermöglicht wäre.
Die Frage der Rechtmäßigkeit der über den Beschwerdeführer verhängten Untersuchungshaft ist dagegen für die Frage der Rechtmäßigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht präjudiziell, da die Haft nur der Sicherung eines anhängigen Strafverfahrens, die erkennungsdienstliche Behandlung als sicherheitspolizeiliche Maßnahme hingegen der Prävention weiterer Straftaten dient. Für zweitere kann daher nur die Frage einer rechtskräftigen, die verfassungsmäßige Unschuldsvermutung bekräftigenden Beendigung des Strafverfahrens wegen der Anlasstat von Relevanz sein.
Die Beschwerde war daher in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.